Mittwoch, 12. Feber 1975
Dr. Mautsch von der Firma Walek ruft an, weil er im Wr. Neustädter
Werk nicht Kurzarbeit einführen will. Er möchte am liebsten die
Osterwoche dazu benützen, um Betriebsurlaub anzuordnen. Angeblich
ist der Betriebsrat und die örtliche Gewerkschaft dafür, dass
Kurzarbeit angeordnet wird, weil sie auf dem Standpunkt stehen,
besser 80 % des Lohnes zu bekommen und weniger zu arbeiten als
Betriebsurlaub zu den Osterferien zu machen, wo die Leute natür-
lich lieber den Urlaub in die Sommerzeit verlegt haben wollen.
Ich erkläre Dr. Mautsch, dass zur Kurzarbeit unbedingt die Zu-
stimmung des Betriebsrates und der Gewerkschaft notwendig ist,
er deshalb auf alle Fälle das Einvernehmen mit der Gewerkschaft
herstellen muss. Ich erkläre mich bereit, ZS Ettl in dieser Frage
zu ersuchen, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Mautsch meint, es müsste
doch für die Regierung seine Lösung interessanter sein, weil dadurch
nicht weitere Kurzarbeiter-Unterstützung und ein psychologisches
Element – jetzt geht wieder ein Betrieb auf Kurzarbeit – wegfallen
würde.
Ähnlich verhält es sich auch in der Süsswarenindustrie. IN der Ge-
werkschaft teilt man mir mit, dass die Firma de Beukelaer in Amstetten
die vorerst immer erklärt hat, sie bekommt nicht genug Zucker und
müsste deshalb ihre Produktion einstellen, jetzt wo wir ihr den
gesamten Zucker, den sie verlangte, geliefert haben, erklärt, aus
Absatzschwierigkeiten auf Kurzarbeit übergehen zu müssen. Göbl,
Sekr. d. Gewerkschaft LUGA, befürchtet, dass dann auch anderen Be-
triebe auf Kurzarbeit ansuchen kommen werden, wenn erst einmal einer
den Anfang gemacht hat. Die Osterware ist bereits erzeugt, früher
hat man dann in diesem Loch auch die Arbeiter nicht nach Hause ge-
schickt oder auf Kurzarbeit gestellt sondern eben die Produktion
gedrosselt aufrechterhalten. Vielleicht ist die Kostensituation
in der Süsswarenindustrie nicht zuletzt durch die Zuckerpreiserhöhung
die jetzt kommt so ungünstig, dass die Unternehmungen eben Lohn-
kosten ersparen wollen.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND REIM: Hier müssten genaue Untersuchungen
und Recherchen einsetzen.
Um zu einem erträglichen Zuckerpreis auch für die Industrie und
die Bauern zu kommen, ist es notwendig die einzelnen Kalkula-
tionsposten zu verhandeln. Die Bahn wollte für die Rübenfracht
eine Erhöhung um 7 %, bei Zuckerfracht hatten wir uns auf 5 %
geeinigt. Ich habe mit Gen.Dir. Pycha vorher Kontakt genommen,
und er war bereit, gegebenenfalls auf die 5 % zurückzugehen.
Bei einer Sitzung, die ich daraufhin einberufen habe, hat Hiller
von der Zuckerindustrie ihm erklärt, er wird nach wie vor alles
daran setzen, um das gute Einvernehmen mit der Bahn zu behalten.
Für die Zuckerindustrie stellt sich die Situation nur so dar,
dass sie von ihren gesamten Fracht für Rübe und Schnitte von
78 Mill. nur 21 Mill. Rübenfracht und 7 Mill. Schnittenfracht
der Bahn bezahlen. Die anderen Frachtkosten gehen an Frächter.
wenn daher die Bahn auf die 600.000 S Mehrerlös, wenn sie auf 7 %
geht, verzichtet, dann könnte die Zuckerindustrie wesentliche Kosten
durch die Frächter, die sofort nachziehen, ebenfalls ersparen.
Um der Bauernschaft zu dokumentieren, dass ich jeden Schilling
auch für sie versuche zu retten, habe ich dann entschieden und
Pycha hat dem zugestimmt, dass auch die Rübenfracht nur um 5 % er-
höht wird. Pycha hat mir gegenüber und dann auch in der Sitzung
erklärt, dass noch immer die Kostendeckung bei Zucker und Rübe
gegeben sei. Bei Rübe ergibt sich für ihn nur die schlechte
Situation, dass die Waggons nur ganz kurze Zeit während der
Kampagne ausgelastet sind. Früher wurde in der sonstigen Zeit
Kohle transportiert. Der Kohlentransport, sowohl Importe als auch
inländische Produktion, die entsprechend transportiert werden muss,
geht aber ständig zurück. Ich habe Pycha Reim vorgestellt, damit
sie und der Verkaufsdirektor Zach über die Wünsche zum Ausnahme-
tarif 32 Schrott eventuelle Besprechungen noch führen und
Unterlagen liefern. Es werden in diesen Ausnahmetarif 75 Mill. S
eingenommen und 624.000 t transportiert. Die Ermässigung beträgt
bereits 57 % und kann daher von der Bahn nicht mehr erhöht
werden.
ANMERKUNG FÜR REIM: Hier müsste man versuchen, andere Wege wegen
der Ausbringung und Transport von Schrott zu gehen als die Bahn
zu belasten.
In der Preiskommissionsvorbesprechung musste auch das Landwirt-
schaftsministerium und das Finanzministerium bezüglich des Fracht-
kostenausgleiches auf eine Erhöhung von 12.60 auf 15.40 S verzichten.
Genaue Berechnungen haben ergeben, dass es möglich ist und ich
habe dann diesen Vorschlag gemacht, mit 90 gr., d.h. mit 13.50 S das
Auslangen zu finden. Eine weitere Entscheidung war notwendig, dass
auch der 1/2 %-Kalkulationsanteil vom Zuckerpreis für die Zucker-
forschung auf die eventuell importierten Zuckermengen für die Ver-
arbeitungsindustrie, die direkt von den Firmen importiert werden
und nicht über die Zuckerindustrie laufen, anerkannt und bezahlt wer-
den müssen. Unter vier Augen hat mir zuerst Ing. Kraus vom Rübernver-
band erklärt, dass bei ihnen die Bauern rebellieren. Sowohl Präs. Lehner
als Mang sind unter einem furchtbaren Beschuss und werden deshalb
von der Zuckerindustrie auf alle Fälle die sofortigen Nachzahlung
der Rübe verlangen und nicht erst nach der nächsten Kampagne. Er
könne sich nicht vorstellen, wie Lehner und Mang zu dem Kompromiss
stehen. Ebenso hat mir dann Hiller unter vier Augen gesagt, er kann
sich wieder nicht erklären, wie es zu diesem Kompromiss gekommen ist,
weil jetzt in der Zuckerindustrie alle die Versorgungspflicht, d.h.
den Import von zusätzlichem Zucker und den garantierten Anschluss
bis zur nächsten Ernte mit grossen finanziellen Belastungen für die
Zuckerindustrie verbunden, kaum erfüllen könnten. Er wollte von mir
wissen, wie es überhaupt zu der Kompromissformel, die ja Gott
sie Dank schriftlich festgehalten ist, gekommen ist. Ich erklärte
beiden, dass auch vormittags mit den Gewerkschaftern, ich habe tat-
sächlich mit Benya gesprochen, auch grosse Schwierigkeiten feststellen
musste, weil man dort angenommen hat, der 8.30 S-Preis sei ein auf
von den Konsumenten normal zu zahlender Zuckerpreis. In Wirklichkeit
handelt es sich natürlich hier nur um den Normalkristall offen, der
überhaupt nicht für den Konsumenten in Frage kommt.
Das einzig süsse Ereignis war der Besuch der Miss Bonbon, wobei ich
vom Vereinsfunktionären der Süsswarenhändler erfuhr, dass sie beabsich-
tigen, auch nächsten Jahr den Miss Bonbon-Ball schon noch durchzu-
führen. Der Ball hat heuer mit 3.500 Besuchern heuer nur um 5 % weniger
besucht, kostet den Verein 500.000 S und 500.000 S muss die Süsswaren-
industrie mehr oder minder Subvention dazu geben. Der Verein dürfte
aber noch immer bei dem Ball ein Geschäft machen auch dann wenn die
Steuer 100.000 S – 25 % des Eintrittspreises – und 47 % des Bazars
sowie AKM 30.000 S neben vielen anderen Kosten anfallen. Mit Recht
sagen die Funktionäre, dass jetzt immer mehr Karneval-Veranstaltungen
entstehen und man in Wirklichkeit den typisch Wienerischen Bällen,
die es nur in Österreich gibt, von allen Seite vernachlässigt.
Ich habe den Funktionären zugesagt, ich werde mit dem Fernsehen
Gespräche führen, ob es nicht wirklich zweckmässiger ist, neben
den Karnevalaufnahmen vielleicht doch wieder mehr die Ballsaison
herauszustreichen, weil sich dann mehrere Firmen bereit erklären,
irgendwelche Investitionen und Aufwendungen eei solchen Bällen
zu akzeptieren.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte mit dem Fernsehen entsprechende
offizielle Verhandlungen einleiten.
Ein weiteres erfreuliches Ereignis war der Valentinstags-Besuch der
Gärtner, Grosshändler, Kleinhändler und Blumenbinder. Alle waren
eigentlich über die Kritik an der WIG erschüttert. Da sie sich mit
diesem Ereignis doch noch immer identifizieren und meinen, dass es
wirklich eine grosse Sache gewesen ist. Im Blumengeschäft ist derzeit
überhaupt ein guter Aufschwung zu verzeichnen. Umso mehr waren sie
erschüttert, dass sie bei uns nur einige Stauden gefunden haben, von
denen sie sagten, die sei fast nicht mehr zu identifizieren, welche
Blumen es sind. Sie haben den Blumenschmuck freundlicherweise übernommen
in Hinkunft zu gestalten.
Der Fleischhauer Larch aus Brixlegg, der in Kreditschwierigkeiten ge-
kommen ist, hat – und das hat mich am meisten verwundert – eine Empfeh-
lung LH-Stv. Salcher und vom Wirtschaftsbund Gen.Sekr. Busek bekommen.
Darüber hinaus waren wir vor Wochen im Parlament mit Lanner, Larch
beisammen und auch Lanner hat für ihn interveniert. Würzl wird ver-
suchen, eine Lösung zu finden. Dieser Mann muss sehr tüchtig sein,
weil ihn alle unterstützen oder zumindestens noch die alte Tradi-
tion der grossen Koalition perfekt beherrschen.
Bei der Bürges-Sitzung – Gewerbestrukturverbesserung hat es eine ganz
komische Situation gegeben. Die Geschäftsführung beabsichtigt jetzt auch
die Normalfälle zu behandeln, was ich an und für sich immer angeregt ha-
be, weil auf die Dauer man nicht nur Schwerpunktfälle in einer Aktion
berücksichtigen kann. Die Geschäftsführung nimmt an, dass durch
geringere Anzahl von Anträgen sogar Gross-Anträge wie z.B. ein 15-Mio.-
Fall behandelt werden kann. In diesem Fall hat sich die Vertreterin der
Arbeiterkammer Sponner dagegen ausgesprochen und meinte, was richtig
ist, das Gewerbestrukturverbesserungsgesetz würde für Klein- und
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Mittelbetriebe geschaffen. und soll jetzt nicht Fälle die im
ERP-Fonds behandelt werden müssten, herüberziehen. In der
Gewerkschaft wieder hat Herr Janak angeregt, man soll doch jetzt
endlich die Handelsstruktur verbessern und Versorgungssicherungsunter-
nehmungen in neuen Wohngebieten aber auch in schon bestehenden Ge-
bieten entsprechend unterstützen. Der Vertreter der Handelskammer
Konenzni wieder hat sich besonders für die Bäder, Spiel-
plätze usw. im Fremdenverkehrsgebiet eingesetzt. Ich habe erklärt,
also für die Infrastrukturmassnahmen, für die man früher immer die
Gemeinde, d.h. die öffentliche Hand verantwortlich gemacht hat und
herangezogen hat. Am Aschermittwoch eigentlich eine verkehrte
Welt. Die Handelskammer für die öffentliche Hand, die Gewerkschaft
für die Kleinbetriebe, d.h. in den Versorgungsgebieten bessere
Konditionen für sie zu schaffen, die AK für die Beschränkung der
Aktion, wie im Gesetz auch wirklich vorgesehen auf Klein- und Mittel-
betriebe. Zur Ehrenrettung der AK-Vertreterin muss ich aber sagen,
dass sie sich vorstellte, wenn entsprechende Mittel übrigblieben,
dann sollte man den Anteil von 5 % der Gewerbesteuer wieder auf
3 % senken. Dies wurde selbstverständlich von allen Anwesenden
abgelehnt. Ich glaube, dass in der Gewerbestruktur keine Mittel
übrigbleiben werden. Auch im Vorjahr mussten wir, um den Wifis 4 Mio.
S geben zu können, einige Fälle in das Jahr 1975 herübernehmen. Sollte
tatsächlich nicht genug Fälle eingereicht werden, dann würden ent-
sprechende Mitteln für die Wifis übrigbleiben, wo wir dieses Geld
dringend benötigen. Ich bin aber überzeugt, dass sich die- Ansuchen
wenn sich die Konjunkturlage wieder verbessern wird, wesentlich
stärker wieder kommen.
Bei der Zuckerarbeiter-Konferenz war die Stimmung deshalb sehr
gut, weil alle über die Zuckerlösung sehr glücklich sind. Die
Arbeiter sind nämlich jetzt beruhigt, weil sie wissen, dass sie
auf alle Fälle in der 90-gr-Zuckerpreiserhöhung auch ihre mit
Mai fällige Lohnbewegung unterbringen können. Vorher aber müssen
sie noch entsprechende Beratungen führen, wie der Kollektiv-
vertrag festgelegt werden soll und wie vor allem dann die Lohnforde-
rung der Zuckerindustrie präsentiert werden sollte. Es gibt viele
Funktionäre, die sagen, man soll genauso wie die Zuckerindustrie
vorgehen und eine entsprechend hohe Forderung stellen. Ich habe
vor diesem Vorgehen gewarnt, weil damit nur die Kollegen in den
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Betrieben erwarten, dass tatsächlich dann diese hohe Lohnforderungen
durchgesetzt werden kann. Die verantwortlichen Funktionäre und
die die Situation genau kennen wissen aber, dass eine solche Taktik
falsch ist, weil eben ein exorbitant Hoher Lohnsatz nicht durchge-
setzt werden kann. Da ich in der langen Zeit, in der ich jetzt
schon in der Lebensmittelgewerkschaft als Funktionär tätig
bin, ich sogar die Zuckerarbeiter immer überzeugen konnte, dass
meine Taktik – genau zu überlegen, genaue Berechnungen anzustellen
und dann eine Forderung zu stellen, die nicht wesentlich höher ist
als die man wirklich erreichen will – gut gefahren sind, glaube
ich auch, dass es mir diesmal gelingen wird, sie von dieser Vor-
gangsweise zu überzeugen. Bei den Zuckerarbeitern habe ich deshalb
auch ein verhältnismässig gutes Einvernehmen, weil ich ihnen schon
einige Male beweisen konnte, dass meine Taktik die richtige war.
wenn sie tatsächlich einmal irgendeine besondere Taktik, wie früh-
zeitiges Beginnen von Kampfmassnahmen und dann natürlich hängenge-
blieben sind, zu mir kamen, konnte ich dann doch immer, obwohl
ich sie vorher gewarnt habe, irgendwie aus der Schwierigkeiten heraus-
helfen. Ihre Meinung ist deshalb, der Stari wird es schon richten.
Die Handelsdelegiertentagung Südost hat einige Probleme mit Spanien,
Portugal und Griechenland gezeigt, insbes. in Griechenland wird die
Diskriminierung durch EG Zollpräferenzen für die österr. Exporteure
immer drückender. Bestrebung Österreichs zu einem Arrangement mit
Griechenland zu kommen, ist aber meiner Meinung nach unreal zu ver-
wirklichen, weil eben die Griechen zuerst abwarten ob sie bei der
EG Vollmitglied werden können. In Spanien wieder stehe ich auf dem
Standpunkt, müßten die Schweizer jetzt versuchen, die schwedischen
und norwegischen Delegationen zu überzeugen, daß Spanien eine be-
sondere Behandlung durch die EFTA erfährt. Die Schweiz hat sich
aber scheinbar gegen die schwedischen Gewerkschafter und damit gegen
Handelsminister Feldt noch nicht durchsetzen können. In Portugal
wieder habe ich den Handelsdelegierten Renner ersucht, er soll
unter allen Umständen versuchen, eine Selbstbeschränkung für Hemden-
exporte zu erreichen. Während die Norweger jetzt, nachdem sie zuerst
in Helsinki den Portugiesen jedwede Unterstützung zugesagt haben,
eine restriktive Importpolitik bei Hemden betreiben, können wir
eine solche nur auf Grund der Selbstbeschränkung machen, da wir
unser Wirtschaftssystem ungeheuer verrechtlicht haben, müßten wir,
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um innerösterreichisch Hemdenimporte zu stoppen oder auch nur
Kontingente festzulegen, zuerst die Liberalisierung aufheben.
Wir würden im Rahmen des GATT vielleicht gar nicht so große
Widerstände haben, wenn wir, innerösterreichisch eine Beschränkung
wie es die Norweger durchführen können, erlassen könnten. Leider
sind wir durch die Verrechtlichung unseres Wirtschaftssystems ver-
pflichtet, immer gleich mit gesetzlichen Maßnahmen oder zumin. Ver-
ordnungen arbeiten zu müssen. Hier wird sich auf die Dauer noch
eine ganz schwierige Situation für die österreichische Wirtschaft
ergeben. Die Juristen dringen immer stärker mit ihrer verfassungs-
rechtlichen Auffassung durch, daß wir alles nur mit Gesetzen und
Verordnungen machen können, die Wirtschaft aber verlangt, sei es
aus außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Gründen, sei es aber
innerösterreichischen Gründen, schnelle Maßnahmen, ohne daß man
den langwierigen Apparat mit der Gesetzesmaschinerie oder zum.
Verordnungsmaschinerie in Bewegung setzt.
Anmerkung für WANKE: Hier wäre es dringendst notwendig in der
Grundsatzgruppe neue Überlegungen in die Wirklichkeit der Wirt-
schaft Maßnahmen zu überlegen.
Tagesprogramm, 12.2.1975