Dienstag, der 12. November 1974

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Dienstag, 12. November 1974

Bei einer Aussprache mit Gen.Sekr. Mussil, Rief, Zöllner, Hruby
unter Beiziehung von Kurzel und Dr. Wais wegen der beantragten Strom-
preiserhöhung für die Stadtwerke Wien, wäre bald meine Taktik
nicht aufgegangen. Die 130 Mill. S, welche die Gen.Direktion der
Stadtwerke vom E-Werk erwirtschaften will, war unglückseligerweise
durch die Ölpreiserhöhungen begründet. Zöllner sagte mit Recht,
dass auch die anderen Firmen die selben Forderungen hätten und des-
halb mussten wir eine spezifische Wiener Regelung treffen. Richtig
war, dass 1955 die Gemeinde Wien aus mir unerklärlichen, in Wirk-
lichkeit aus politisch optischen Gründen die Grundtarife abschaffte.
Die Massnahme selbst war sehr sozial, doch ergab sich dadurch ein
Mindererlös für Wien gegenüber NÖ, von Slavik wurde sie dann irgend-
einmal wieder für die ersten zwei Tarifräume mit 2.- S eingeführt,
sicherlich in der Idee, zu einem späteren Zeitpunkt sie wieder anzu-
heben. Wenn wir nun nur Wien diese Strompreiserhöhung geben wollen,
dann war die Gelegenheit durch Nachziehung der Grundtarife von vor
allem der Einführung der Messgebühr von 7.- S die günstigste Lösung.
Zöllner wehrte sich mit Recht dagegen, weil er darin einen dem
Stromsparen entgegengesetzte Tarifgestaltung sieht. Er möchte am
liebsten die Arbeitspreise progressiv erhöhen, d.h. je grösser der
Verbrauch, umso grösser die Stromkosten je Einheit. Mussil wehrt
sich natürlich gegen eine solche Tarifpolitik, weil dadurch gerade
die Industrie und teilweise das Gewerbe am meisten belastet wird.
Es gelang mir daher, für diese Tarifrunde beide auf einen Nenner
zu bringen, nämlich ausnahmsweise der Grundgebührerhöhung zuzustimmen,
wobei Zöllner gleichzeitig verlangte, dass bei der neuen Tarifge-
staltung für die gesamten EVUs, frühestens allerdings nach den
nächsten Wahlen schon ein Stromspartarif eingeführt wird. Hier
wird ihm insoferne entgegengekommen, als jetzt die Mindestabnahme
verschwinden wird, dafür wird in zwei Etappen der Stromarbeitspreis
pro Stunde, d.h. kWh um je 11 Groschen erhöht. Kurzel wollte anfangs
überhaupt eine Generaldebatte, ob eine Strompreiserhöhung jetzt
gemacht werden sollte. Ohne dass ich ihn desavouierte, gelang es
dann doch, auch diese Klippe zu umschiffen.

Zöllner ersuchte ich neuerdings, dass wir wegen der Liberalisierung
gegen die Staatshandelsländer jetzt dringend einen gemeinsamen Be-
schluss über die Obst- und Gemüsekonservenkontingente fassen sollten.



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Zöllner versprach mit Blaha darüber zu sprechen und am Mittwoch
bei einer Besprechung eine gemeinsame Lösung anzustreben.

In der Ministerratsvorbesprechung wurde der Verwaltungsreformbericht
vom Bundeskanzleramt zurückgestellt. Im Ministerrat selbst berichtete
ich anstelle von Bielka, der im Budgetausschuss festgehalten wurde,
über Österreichs Absicht zum Beitritt zur internationalen Energie-
agentur. Im Prinzip waren wir uns alle einig, dass Österreich
sofort beitreten sollte, wenn die entsprechende Neutralitätsklausel,
die die Schweiz, Schweden und Österreich verlangten, angenommen wird.

Veselsky berichtete auch in der Ministerratsvorbesprechung noch
über den Grund der Zurücknahme wegen der 2. Raumordnungskonferenz
mit der BRD in Berchtesgaden, ohne allerdings den wahren Grund
auch nur anzudeuten. Ich sah mich deshalb veranlasst, ihm vor allem
zu sagen, dass die Hauptschwierigkeit bei den Gegensätzen bei dem
FDP-Wirtschaftsminister Friderichs und dem Raumplanungsminister
SPD Vogel besteht. Da wir unsere guten Beziehungen über die Grenz-
landbesprechungen und Abstimmung der Förderungen nicht gefährden
wollten, schlug ich ihm vor, wir sollten auf alle Fälle uns
in diesen Streit nicht einmischen, sondern auf der bisherigen Basis
Handelsministerium mit dem bayrischen und Bonner Wirtschaftsstellen
den bisherigen Kontakt und die Besprechungen aufrechtzuerhalten.
Eine Integrierung, wie Vorarlberg das jetzt im österr. Raumordnungs-
konzept wünscht, würde endgültig diese Möglichkeit gefährden.
Veselsky war damit einverstanden. Ob er es durchziehen wird,
weiss ich nicht.

Die Reise und die Verhandlungen in Bagdad brachten die von mir er-
warteten Erfolge, die Vorbereitungen durch den früher in Bulgarien
tätigen Aussenhandelsstellenleiter, der jetzt nach Wien einberufen
wurde, weil dort einem Protektionskind und weitschichtigen
Verwandten von LH Maurer Platz gemacht werden musste, waren einmalig.
Er hat mit allen Firmen, die auf dem irakischen Markt schon zu tun
hatten, oder die sich auch für den irakischen Markt interessierten,
englische Prospekte in Mappen für jede Firma zusammengefasst,
dadurch konnte ich mein System verbessern, indem ich nicht nur
die Listen der österr. Firmen, die liefern wollen, die Listen, die
Kooperationen wünschen und grössere Anlagen laufen haben und die


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Liste, wo Firmen sich beworben haben und bis jetzt keinen Zu-
schlag oder keine Antwort bekommen haben, mit entsprechendem
Material ergänzt den Irakern übergeben. Die Hauptschwierigkeit
aber war, dass Botschafter Linhart befürchtete, wie er mir
gleich bei meiner Ankunft gestand, dass wir überhaupt so schnell
gar keine Verhandlungspartner haben würden, weil vor zwei Tagen
die Regierung grösstenteils ausgetauscht wurde. Der seinerzeitige
Ölminister Dr. Hammadi, mit dem ich im Vorjahr den Vertrag unter-
zeichnet hatte, wurde Aussenminister. Als neuer Ölminister wurde
ein Parteifunktionär, der bis jetzt für die Landwirtschaftsfragen
verantwortlich war, durch seine Parteizugehörigkeit aber ein
starker Mann, wie der Botschafter glaubt, mit dem Ölministerium
betraut. Abdul Karim sprach perfekt Englisch und ich wäre bei
den Verhandlungen dadurch in eine schlechtere Position gekommen.
Zum Glück war von Steyr-Daimler-Puch der Vertreter, ein Syrer,
Dkfm. Isa mit, der sich als Dolmetsch anbot. Mit der Vorbereitung
und dem Dolmetsch war daher die Verhandlung wirklich sehr angenehm.
Botschafter Linhart hatte natürlich wie immer versucht, recht
viele Minister zu mobilisieren. Ich besuchte deshalb auch den
wirklich starken Mann im Irak, nämlich den Industrieminister,
der auch im Revolutionskomitee sitzt, wie sie es nennen follow up,
d.h. Nachfolgekomitee des Revolutionsrates macht in Wirklich-
keit die Politik. Sie entspricht weitestgehend im Organisations-
aufbau und auch in der Durchführung den Oststaaten. Ich klammerte
gleich von Anfang an die Möglichkeit, dass wir Kredite in
irgendeiner Form geben, aus. Im weiteren Verlauf stellte sich
dann heraus, dass entgegen dem Bericht des Botschafters die
Iraker sehr wohl dran interessiert waren, unser Abkommen vom
Vorjahr zu ergänzen, die ersten Vorschläge waren verheerend.
Unter anderem wollte Irak in das Abkommen eine Be-
stimmung, dass Österreich, das als befreundete Nation gilt,
jede Menge Rohöl bekommen könnte, doch würde sich die Lieferung
nach den Anteilen, den Österreich an dem Entwicklungsprojekt,
d.h. an der Hilfe, die wir Irak gewähren, richten. Ausserdem wollte
sie dann, dass wir zwar nicht Irak einen Kredit geben, dass
wir aber die österreichischen Firmen, die nach dem Irak liefern,
besondere Kreditkonditionen für den Export einräumen, damit
sie konkurrenzfähiger werden. Die Minister beschwerten sich bei
mir, dass sie um 30 – 40 % höhere Offerte bekommen als von


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Frankreich, Italien, Japan usw. Der Industrieminister importiert
grösstenteils die Anlagen der Wirtschaftsminister, ein kommuni-
stischer Vertreter im Kabinett, wurde zumindestens mir gegen-
über behauptet, war für Holzimporte und Stahlimporte, an denen
er besonders interessiert war, zuständig. Wir hatten von den
meisten grösseren beteiligten Firmen im Irak Experten, d.h. Firmen-
vertreter mit. Ich wollte sie am liebsten viel stärker
in die Verhandlungen einschalten, doch hat Botschafter Linhart
gemeint, dass dies die Iraker unter gar keinen Umständen akzeptieren,
Ich ersuchte deshalb in einer Vorbesprechung die Firmenvertreter
und setzte dann auch durch, dass die zumindestens in Ministerien
anwesend waren und wir dann durch ständige Rückfragen Einzelinfor-
mationen über ihre Wünsche, ihre Liefermöglichkeiten insbesondere
über die Termine, die sie einhalten müssten, machen konnten.
Die Iraker legen grössten Wert darauf, so schnell als möglich
ihre Waren zu beziehen, die Österreicher vermuteten wegen der
steigenden Preise, ich dagegen glaube, dass sie wirklich die Waren
dringend brauchen und daher weniger wegen der Inflationspreiserhö-
hung als wegen der Notwendigkeit, sie lieber heute als morgen zu
haben, auch bereit sind, in Hinkunft mehr zu bezahlen. Dies habe
ich zumindestens allen Ministern eingeredet, besser gesagt, ver-
sucht einzureden. Ausgesprochen unglückselig war die Holzdelega-
tion zeitlich gelegen, denn sie ist drei Tage bevor ich
gekommen bin fortgefahren und der Wirtschaftsminister hat mich
dann natürlich wegen eventueller Holzexporte angewiesen. Ich
konnte ihm nur versprechen, in Wien sofort alles wieder zu mobi-
lisieren, um die gewünschten Anbote zu stellen. Interessant war,
dass die Iraker streng unterscheiden zwischen der österreichischen
verstaatlichten oder genossenschaftlichen Industrie und der Privat-
industrie. Sie glauben, dass die ersteren wegen, wie sie vermuten,
starken Unterstützung des Staates, ähnlich ist es nämlich bei
ihnen, besser liefern können und auch wir imstande wären, ihre
Wünsche zu erfüllen. Sie selbst würden auf alle Fälle der
verstaatlichten Industrie eine grössere Präferenz einräumen.
Da wir derzeit in Österreich einen starken Holzüberschuss infolge
Nichtabnahme der Italiener haben, sind die Preise, wie Sirowatka
von der Handelskammer, der auch dieses Gebiet sehr gut vorbe-
reitet hat, mir mitteilte, von 2.500 S/fm auf extrem 1.500 – 1.700
gefallen. Österreich wäre demnach wirklich lieferfähig, der einzige


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Nachteil ergibt sich daraus, dass viel zu viele kleine Exporteure
in Erscheinung treten. Die Iraker wünschen eine Einhand womöglich
und grosse Schlüsse.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort NR Hobl verständigen.

In den offiziellen Sitzungen und auch nachher versuchte ich bei jeder
Gelegenheit, die einzelnen Projekte, die wir vorher mit den Firmen-
vertreter selbst durchbesprochen haben, den Irakern klarzumachen
und erreichte damit, dass die Firmenvertreter sehr zufrieden waren.
Weniger allerdings waren sie begeistert, dass sich – wie sie sich
ausdrückten beim Heimflug mir gegenüber, ich ständig abgeschirmt
war. Teils von den Irakern, teils aber natürlich auch von dem Bot-
schafter und den offiziellen Delegationsmitgliedern. Ganz besonders
enttäuscht war der Vertreter des Evidenzbüros des österr. Aussenhandels,
der sich schon als Delegationsmitglied fühlte, ich hätte dagegen
nicht einzuwenden gehabt, weil er aber durch den Botschafter seiner-
zeit nicht als Delegationsmitglied den Irakern gemeldet und der nach
Auffassung von Linhart unter gar keinen Umständen als Delegations-
mitglied aufscheinen konnte. Die Firmenvertreter hatten aber dann in
Gesprächen mit ihren Partnern grosse Gelegenheiten teilweise neue
Geschäfte zu entrieren. Das gelang ganz besonders der Fa. Ruthner
mit Schoeller-Bleckmann gemeinsam, den Vertreter der VÖEST-Alpine
wegen ihrer gewünschten vier Ziegeleien, die sie einrichten möchten,
und wegen der Melamin-Anlage sowie der Fa. Cincinnati Austria mit
einem Anschluss-Antrag ihrer PVC-Röhrenfabrik-Einrichtung. Wir be-
sichtigten diese Fabrik, die gerade die Arbeit aufgenommen hat, und
ich war sehr erstaunt. Die Iraker mussten bis jetzt fast alle Waren
importieren, weil sie in der englischen Besatzungszeit fast keine
eigene Industrie errichtet hatten. Sie errichten deshalb jetzt
gigantisch auf allen Gebieten entsprechende Fabriken. In diesem
Zement-Kombinat, wo sie auf der einen Seite Zement, dann aber
gleichzeitig daneben Asbest-Rohrzementanlagen hatten, die allerdings
grosse Anlaufschwierigkeiten hat, also auch jetzt die PVC-Fabrik,
die ebenfalls anfangs Anlaufschwierigkeiten hatte, soll ein
richtiggehendes Industriegebiet dort am Rande der Stadt am Tigris
errichtet werden. Irak hat jetzt einen Arbeitskräftemangel, zu-
mindestens behauptet man das mir gegenüber, sogar an ungelernten
Arbeitern. Als wir dann allerdings ein bisschen durch die Stadt
gingen und in weiterer Folge das Land besichtigten, stellte ich fest,


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dass natürlich überall Araber herumsassen und der offizielle
Begleiter vom Protokoll der in der MIOG, der nationalen Ölgesell-
schaft sitzt, meinte, es wäre höchste Zeit, wenn die Araber jetzt
endlich vom Coca-Cola-Trinken und Nichtstun aufhören würden. Sie
haben also ihre Reserven in der Landwirtschaft und am Land nur teil-
weise mobilisieren können. Das Land steht und fällt mit der Industria-
lisierung. Die Landwirtschaft selbst kann nur schwerlich ohne entspre-
chende Bewässerungssystem vergrössert und produktiver werden.
Jetzt hängt es grösstenteils doch von den Ernteschwankungen ab,
ob Irak Selbstversorger ist für Getreide und Reis, oder ob es
exportieren kann in Extremfällen oder vielleicht gar dringendst
Importe benötigt.

Auf einem Ölbericht des Botschafters an das Aussenamt, den er mir
zu lesen gab, bemerkte ich, dass seine Informationen vor Jahren
schon dahingingen, dass die ÖMV keinesfalls so bereit war, mit Irak
einen Vertrag über Öllieferungen abzuschliessen, wie sie mir gegen-
über immer wieder behauptete. Nach Auffassung von Linhart musste er
sehr auf den ÖMV überhaupt drängen, dass sie einen solchen Liefer-
vertrag dann 1973 erst abschloss. Auch jetzt hat mir Dr. Fischer,
der der ÖMV-Vertreter, für das Trainingszentrum und für eine Zentral-
werkstätte, die errichtet werden soll, ist, keine Detailinformationen
über die zukünftige Ölpolitik im Irak der ÖMV geben können. Er meinte,
freimütig, dies müsste erst bei ihnen abgestimmt werden. Ich habe
volles Verständnis, dass sich die ÖMV nicht ausschliesslich auf Irak
verlassen will und auch wahrscheinlich gar nicht in Hinkunft weiss,
wieviel Rohöl sie tatsächlich wird fest abnehmen können. Die Ver-
brauchsentwicklung hat in der letzten Zeit doch nicht zuletzt durch
die Sparmassnahmen einen anderen Lauf genommen, als prognostiziert
wurde. Trotzdem wird es notwendig sein, dass die ÖMV sehr bald
ein konkretes Ölkonzept entwickelt. In Wirklichkeit hätten wir dies
ja in unserem Energieplan tun müssen. Zu meinem Leidwesen aber wurde
er niemals und auf keinem Sektor sehr konkret. Wenn es nun aber um
die Verträge geht, muss die ÖMV ganz konkrete Vorstellungen haben
und sie letzten Endes dann auch vertraglich vereinbaren.

Dkfm. Isa hat durch Zufall den Vertreter von Steyr-Daimler-Puch
Thessaloniki getroffen, der bestrebt war, Traktoren, resp.
Motorfahrzeuge nach Irak zu verkaufen. Die Iraker haben 10.000 LKW
bei Mercedes gekauft und 5.000 Kleinbusse und grössere Busse.



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Steyr ist bei dieser gigantischen Ausschreibung nicht zum Zuge
gekommen. Angeblich auch nicht zuletzt deshalb, weil die Iraker
auch hier nur ganz grosse Serien wünschen. Da Steyr selbst
nicht liefern kann, Saloniki aber Möglichkeiten hätte, ergibt
sich vielleicht daraus eine mögliche gemeinsame Anboterstellung.
Ich würde dies Dkfm. Isa wünschen, nicht nur im Interesse der
österreichischen Wirtschaft, sondern auch in seinem Interesse.
Er hat sich wirklich nicht nur um meine Übersetzung sehr verdient ge-
macht, sondern auch für seine Tätigkeit.

ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte einen Dankbrief mit entsprechendem
Herausstreichen der Leistung von Isa an Gen.Dir. Rabus von Steyr-
Daimler-Puch.

Der allgemeine Eindruck im Irak ist, dass es sich hier mehr oder
minder um einen Polizeistaat handelt. Ich selbst hatte ein Polizei-
Auto mit 4 Polizei-Beamten, dazu noch in der Stadt drei Polizeimotor-
radfahrer, die mich ständig begleiteten, und wo immer ich hinkam
und ausstieg war sofort die Polizei zu meinem Schutz anwesend.
Ob wir gefährdet waren, kann ich nicht feststellen, eines weiss
ich nur, dass wir uns kaum allein bewegen konnten. Was uns am
meisten interessierte, waren die Kunstwerke, und in die Moscheen
durften wir nur bis zum Vorhof, in gewissen Städten nicht einmal
bis dahin und die Frauen liessen sie oft nicht einmal in einer
Stadt vom Auto aussteigen. Fälbl war auch sehr überrascht, als wir
bei unserem Gegenessen feststellen mussten, dass wir fast 2/3 der
offiziell Geladenen auch Polizisten, Chauffeure und wahrscheinlich
auch sonstige Sicherheitsbeamte nicht an unserer Tafel, aber gleich
im Nebenraum verköstigen mussten. Dort hatte ich allerdings die
Gelegenheit, den ehemaligen Ölminister Dr. Hammadi zu treffen und
ihm unter vier Augen, so wie ich vorher auch schon unter vier
Augen den jetzigen Ölminister mitzuteilen, dass Österreich der
Energieagentur beitreten wird. Wenn unsere Neutralitätsklausel
angenommen wird. Der neue Ölminister, der erst zwei Tage im
Amt war, hat ganz allgemein mir nur bei diesem Vier-Augen-Gespräch
erklärt, dass die amerikanischen Imperialisten hier wieder eine
neue Möglichkeit suchen, sich aber nicht geäussert, was sie über
den Beitritt Österreichs denken und sagen oder reagieren werden.
Bei Dr. Hammadi wieder wurde gerade zu diesem Zeitpunkt dann der
Kaffee in einem anderen Saal serviert und er kam auch nicht mehr
auf dieses Thema zu sprechen. Ich war darüber nicht sehr unglücklich


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ganz im Gegenteil, weil ich mit dieser Information gar nichts
anderes wollte, als dass die Iraker nicht über die Zeitung dann
erfahren, dass Österreich beitritt. Ich habe mit dieser Infor-
mationstaktik bei den seinerzeitigen EG-Verhandlungen mit den
Oststaaten die besten Erfahrungen gemacht. Sie hätten das später
sowieso alles erfahren, wenn sie in Brüssel nur die Zeitungen
gelesen haben, wussten sie alle Details oder vielleicht sogar mehr
als ich ihnen sagte, und doch ist ein gewisses Vertrauensverhältnis
zwischen den Oststaatenvertretern und mir dadurch entstanden.
Ich hoffe, dass es auch jetzt bei Irak geglückt ist. Ich habe
von diesem Gespräch natürlich dann sofort unsere Delegation und
ganz besonders den Botschafter informiert.

Wirklich beeindruckend für mich war dann, als wir zum Schluss nach
Libanon, Beirut, fuhren. Wir hatten dort zwar nur einige
Stunden Zeit, da die AUA nicht kam, mussten wir sogar noch eine
Nacht dort verbringen, und konnten bei der Gelegenheit feststellen,
den grossen Unterschied zwischen Bagdad, einer uralten und tradi-
tionsreichen aber in Wirklichkeit armen Stadt, und der reichen, ganz
neu entstandenen Stadt Beirut, einen ärgeren Gegensatz kann man sich
eigentlich gar nicht vorstellen. Bedrückend für mich in Beirut
war nur, dass sie dort auch Flüchtlingslager der Palästinenser
haben, die in einem unvergleichlichen Elend daneben leben.
Die Polizeibegleitung in den beiden Städten war schon ein krasser
Unterschied. Wenn man dann noch gelegentlich auf die Märkte ging
oder wie sie es nennen insbesondere in den Soug, dann war nicht
nur das Warenangebot unvergleichlich, sondern auch die dort
kaufenden, flanierenden Menschen. In Beirut irrsinnige Massen
gut gekleidet, in Bagdad auch nicht wenige aber doch weniger und
vor allem einmal das Warenangebot schlechter und die Leute un-
vergleichlich schlechter gekleidet. Die soziale Differenzierung
spielt deshalb ohne das Flüchtlingsproblem schon eine sehr grosse
Rolle in der Auseinandersetzung in der arabischen Welt. Sicherlich
kann durch die Öleinkünfte Iraks sich das einmal ändern, doch
wird es dann immer reiche arabische Staaten und arme geben.
Für Syrien und Ägypten schaut dieses Problem nämlich wesentlich
anders aus als für Irak und die anderen Golfstaaten, die Öl haben.
Eine Sonderstellung dürfte eben die, wie ich schon erwähnte, Libanon
seit eh und je einnehmen. Dieses Land hat zwar kein Öl, ja


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nicht einmal eine eigene grössere Industrie und allein durch den
Handel und die Tüchtigkeit und durch die liberale Politik, die sie
immer betrieben haben, heute den höchsten Standard, der vielleicht
sogar über Israel liegt. Mein erster Eindruck, den man sich bei
stunden- oder tageweisem Aufenthalt allerdings nicht endgültig
machen soll, war zumindestens so. Wie diese internationalen Spannun-
gen, jetzt noch verstärkt durch der Flüchtlingsproblem, friedlich
gelöst werden soll und kann, kann ich mir nicht vorstellen.

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Tagesprogramm, 12.11.1974

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Tagesordnung 140. Ministerratssitzung, 12.11.1974

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GND ID: 130327808


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    Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


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                GND ID: 1017902909


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                        Tätigkeit: nö. LH (ÖVP), AR-Vors. DoKW


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                                Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
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                                  Tätigkeit: Wr. Bgm. bis 1973
                                  GND ID: 107489872


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                                      Tätigkeit: irak. Ölminister


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