Montag, 30. September 1974
Beim Jour fixe war zuerst nur Mussil anwesend und ich erklärte ihm
gleich, daß die Arbeitnehmerseite jetzt zustimmt, ein gemeinsames
Berufsforschungsinstitut zu gründen. Mussil war davon hell begeistert,
denn er fürchtete schon am Donnerstag im Präsidium einen Antrag stellen
zu müssen, ein eigenes Berufsforschungsinstitut zu gründen. Dort hätte
er vorgesehen, daß er mit der Industriellenvereinigung gemeinsam als
Gegenpart gegen das der Arbeitnehmer mit entsprechender finanzieller
Unterstützung der Handelskammer ein Gegeninstitut gründen und finan-
zieren müssten. Wir einigten uns deshalb darauf, daß auch bei dem jetzt
gemeinsamen Berufsforschungsinstitut die Industriellenvereinigung mit-
wirken sollte. Die vier Träger des Instituts sind also ÖGB, Arbeiter-
kammer, Industriellenvereinigung, Handelskammer. Von seiner Seite
wird zuerst Präsidialist Dr. Reiger mit Dr. Angyan und Piscati die
Besprechungen führen. Von unserer Seite habe ich ihm ersucht, er soll
sich mit Zentralsekretär Braun von der Privatangestellten-Gewerkschaft
ins Einvernehmen setzen, der dann mit dem entsprechenden Verhandlungs-
team kommen würde. In diesem Moment erschien Sallinger und gratulierte
als erstes Generalsekretär Mussil zu seinem Geburtstag. Dies nützte
ich, um sofort zu erklären, ich hätte ihm schon durch das gemeinsame
Berufsforschungsinstitut ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht.
Mussil akzeptierte und war wirklich hell begeistert, daß mir geglückt
ist nach monatelangen Verhandlungen endlich diesen Wunsch der Handels-
kammer zu erfüllen. Zu den Verhandlungen wird dann selbstverständlich
auch SChef Jagoda zugezogen.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte mit Braun und Jagoda verbinden.
Sallinger hat einen ganz besonderen Wunsch, daß man zum 80-jährigen
Geburtstag von Moser, Tirol, da Bassetti bei ihm interveniert hat,
am 12. Oktober eine Auszeichnung die bereits am 18. September über-
reicht werden könnte.
ANMERKUNG für BUKOWSKI: Bitte alles daransetzen, um diesen Wunsch
für den 80-Jährigen zu erfüllen.
Die Handelskammer hat mit Kandutsch verhandelt, denn dieser hat mit-
geteilt, er könne der Vergütung von Repräsentationsaufwendungen des
Handelsministeriums für ausländische Besuche aus dem AHF-Beiträgen
nicht zustimmen. Die Handelskammer möchte deshalb nur bis Oktober 75
das jetzige System aufrecht erhalten. Ich erklärte rundwegs, daß ich
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dies auf keinen Fall akzeptieren könnte. Auf alle Fälle müsste
es jetzt einmal für das Jahr 1975 gemacht werden, wozu ich bemerkte,
dass Sallinger und Mussil bereit waren, ihre Zustimmung zu geben.
Im Jahre 75 werden wir dann weitere Verhandlungen führen. Sallinger
und Mussil erklärten übereinstimmend, daß sie unter gar keinen Um-
ständen bereit wären, über das Jahr 1975 hinauszugehen. Da sie so-
wieso annehmen, daß im Oktober 1975 ein anderer Handelsminister
kommen wird, wollte ich jetzt mit ihnen nicht weiter diskutieren
und schon gar keinen Streit beginnen, weil ich mich vollkommen
mit einem weiteren Jahr jetzt zufrieden geben kann. Im Jahre 75,
d.h. nach den Oktoberwahlen, wird dann für mich ganz einfach die
Situation so sein, daß ich dann gegebenenfalls mich in Verhandlungen
mit Kandutsch einschalte. Dem Wunsch Mussil, daß ich mich auf alle
Fälle um höhere Repräsentationsausgaben bemühe, habe ich glattwegs
abgelehnt. Als Einsparungsmöglichkeiten habe ich in Erwägung gestellt,
die vielen Arbeitsgruppen mit den Staatshandelsländern, die meistens
von einer Anzahl von Beamten beschickt waren, einzustellen. Diese
Arbeitsgruppen sollen in Hinkunft als Firmenbesprechungen der Vertreter
der Staatshandelsländer gleichzeitig auch als Vertreter der Staats-
handelsgesellschaften und von österreichischer Seite durch eben Firmen,
die entsprechende Export- oder Importwünsche haben, durchgeführt
werden. Den Vorsitz könnte, wenn notwendig, ein Vertreter der Handels-
kammer führen. Mussil war mit dieser Vorgangsweise einverstanden.
ANMERKUNG für BUKOWSKI und WANKE: Der Durchführung mit 1.1.1975 eben
im Zusammenhang mit der Liberalisierung steht gar nichts mehr im Wege.
Mussil beklagte neuerdings, daß in der Strumpfhosen-Importbeschrän-
kungen wir nicht eine weltweite Entliberalisierung durchgeführt haben,
wie sie der Vertreter des ÖGB Dr. Lachs vorschlug. Ich habe ihm sofort
erklärt und er wußte dies auch, dass dies ja nicht möglich ist, da
wir einmal bei einer Entliberalisierung von Streichhölzern, ich
glaube, das hat noch Bock gemacht oder auf alle Fälle dann Mitterer,
nach 8 Tagen bereits wieder diese Entliberalisierung zurücknehmen
mussten. Ich erklärte Mussil dezidiert, dass ich mich einer solchen
Blamage nicht aussetzen werde. Mussil musste dies auch bestätigen
und er erklärte, wir müssten gemeinsam versuchen, wie wir aus
diesem Dilemma einen Ausweg finden können.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte dieses Problem neuerdings in der Grundsatz-
gruppe diskutieren.
Die Müller haben beschlossen, vor etlichen Monaten, den
Vermahlungszuschlag, der nicht kostendeckend ist, durch Aufhebung
der 2 %-igen Rabattgewährung an den Grosshandel ihre Ertrags-
situation zu verbessern. Endergebnis ist, dass jetzt der Grosshandel
aufgeschrien hat und Mussil als einzigen Ausweg mir jetzt einen
Brief schreiben wird, dass wir bei der nächsten Preisregelung
eine Erhöhung der Grosshandelsspannen vornehmen sollten.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Lass bitte die rechtliche Situation und
die Auswirkungen von der Abteilung prüfen.
Sallinger erfuhr von der Industriellenvereinigung, er hat vor mir
mit Igler telefoniert, dass diese telefonisch zur nachmittägigen
Besprechungen mit Min.Präs. Jaroszewicz eingeladen war. Er
selbst hatte bereits vorher in seinem Haus festgestellt, dass
weder eine schriftliche noch eine mündliche Einladung gekommen
ist, Mussil meinte, dass Kreisky sie jetzt strafen will, weil
sie mit ihm nicht in die SU gefahren sind. Zum Unterschied von
Igler, der sehr wohl auch bei dieser Auslandsdelegation Kreisky
begleitet hatte. Mussil meinte nun, da er in Polen mit war,
hätte er ihn doch wenigstens einladen können. Sallinger und
Mussil waren nur zum Abendessen eingeladen und hatten beschlos-
sen, dort ebenfalls nicht hinzugehen. Wenn Kreisky, wie Mussil
meinte, aus Bosheit und nachträgerisch sie eben nicht zu den
Besprechungen einlädt. Ich habe sofort mit Reiter vom Kanzler-
amt Kontakt aufgenommen und dieser erklärte, dass sehr wohl eine
mündliche Einladung erfolgt ist. Sallinger und Mussil waren darüber
sehr erfreut, denn sie fürchteten, gegenüber der Industriellen-
vereinigung ausgespielt zu werden und nichts fürchten sie mehr
als dies.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte mit Büro des BKA Kontakt halten, da-
mit in Hinkunft wir wissen, wer tatsächlich eingeladen wird und ob
die Handelskammer tatsächlich bei Einzelveranstaltungen absicht-
lich ausgeschaltet wird.
Mussil teilte mit, dass ihn die Zuckerindustrie ersucht hat,
er möge jetzt irgendwelche Massnahmen ergreifen, da im kleinen
Grenzverkehr so viel Zucker abfliesst und insbesondere durch
Umgehungsmischungen Zucker in irgendeiner Form ins Ausland ge-
bracht wurde. Mussil wird mir diesbezügliche Vorschläge
unterbreiten.
In erfuhr im Laufe des Vormittags vom Rundfunk, dass die Zucker-
industrie eine Pressekonferenz für den nächsten Tag einberufen
hat, wo sie über die Zuckerversorgung referieren wird. Sie will
dort erklären, dass bis 7. Oktober Zucker noch ausgeliefert wird,
dann aber kein Kilogramm Zucker mehr zum Versand kommt. Ich
habe sofort von dieser Massnahme, nachdem sie mir durch Recherchen
bestätigt wurde, Mussil und Sallinger informiert und darauf auf-
merksam gemacht, dass ich erwarten könnte, dass wir gemeinsam
dieses Problem besprechen. Mussil und Sallinger waren von dieser
Mitteilung genauso überrascht und erklärten rundwegs, dass die
Vorgangsweise der Zuckerindustrie unerklärlich sei. Der spiritus
rector wird von ihnen immer Dr. Hiller genannt, der sich nur
dann an die Handelskammer wendet, wenn er von ihr irgendetwas
braucht und Unterstützung erhofft. Sonst aber ist er ein eigenwilli-
ger Vertreter, der scheinbar auch die Handelskammer immer in grösse-
re Schwierigkeiten bringt. Ich habe spät abends Landwirtschafts-
minister Weihs, den ich beim Empfang dann ansprach, über diese Situ-
ation aufgeklärt und er erklärt ebenfalls, er könnte sich die
Vorgangsweise der Zuckerindustrie nicht erklären. Da ich am
Dienstag um 9 Uhr den Zuckervertreter von der FAO mit Zucker-
industriellen gemeinsam empfange, werde ich anschliessend dieses
Problem zur Sprache bringen und dann selbstverständlich in der
Regierung einen Bericht geben müssen.
Die Sorge, die ich einmal gehabt habe, dass wir vom Journalistenfrüh-
stück nicht genug Themen hätten oder dass die Journalisten dann
als uninteressant diese Zusammenkunft meiden, stellt sich immer
mehr heraus, wird in der nächsten Zeit sicherlich nicht eintre-
ten. Wir gehen auch in die zweihundertste Veranstaltung mit
vollen Zimmern. Allerdings war diesmal die Anzahl der Beamten
schon beträchtlich gross, weil natürlich jetzt jeder versucht,
bei irgendeiner Gelegenheit auch in Erscheinung zu treten. Dies
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ist an und für sich gar nicht so schlecht, weil die aktiveren
Beamten ausgezeichnet werden, weil sie doch Gelegenheit haben,
ihr Problem vor der Presse zu erörtern. Ich muss nur aufpassen,
dass da nicht gewisse Beamte, wie z.B. Würzl automatisch fast
einen Stammsitz in den Besprechungen bekommt.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Ich glaube, es sollten nicht mehr als
maximal 3 Beamte des Hauses exklusive der notwendigen Büromit-
glieder an den Besprechungen teilnehmen. Wenn nicht genug Jour-
nalisten da sind, stört es nicht, wenn recht viele von unserem
Haus incl. Büro daran teilnehmen.
Bei der Eröffnung der Damenmode-Woche hat, nachdem nach längerer
Zeit wieder einmal Mitterer ebenfalls das Wort ergriff, sowohl
der Komm.Rat Elias, Obmann des Fachverbandes, als auch Mitterer
das Wort ergriffen. Von Elias hatten mir bereits Mussil gesagt,
dass er seine Fabrik liquidiert hat, in Wirklichkeit hat er
sich mit einer zweiten Firma liiert. Wie er mir dann beim Rund-
gang selbst die neue Firma vorstellte. In Wirklichkeit müsste
eine so wichtige personelle Entscheidung in der Handelskammer-
struktur-Auflösung einer Firma eines Obmannes eines Fachverbandes
wie Elias oder schwere Erkrankung eines Obmanns der Gewerbesektion
z.B. jetzt Walzer oder Streit der Bundeskammer bereits jetzt, wer
in Hinkunft Handelskammerpräsident wird – von Seiten unseres
Büros in irgendeiner Weise in Erfahrung gebracht werden. Ohne
dass wir irgendwelche Spitzeldienste errichten, bin ich überzeugt,
dass viele Informationen bei uns im Haus vorliegen und dass viele
entsprechende Informationen auch von ihren Widerpart in der Han-
delskammer bekommen.
ANMERKUNG AN ALLE: Bitte auf solche scheinbar nebensächlichen
Informationen besonderes Augenmerk legen.
Die Unterlagen, die ich von Dinzl bekommen habe und von denen
auch Gehart, als er sie sah, sagt, er diese für seine Leute als
Vorbild nehmen wird, gaben mir die Möglichkeit sofort auf ent-
sprechende Angriffe des Komm.Rat Elias zu reagieren. Dieser hat
übrigens sehr zum Unterschied von den bisherigen Damenmode-
wochen die Unterstützung des Handelsministeriums auch schon bei
seiner Ansprache aufgezeigt. Die allgemein gehaltenen Angriffe
von Mitterer konnte ich natürlich selbst leicht abwehren.
Ohne dabei stark polemisch sein zu müssen. Zum Unterschied
von den bisherigen Vertretern der Stadt hat auch Hans Mayr als
Finanzstadtrat vollkommen frei sofort auf einige Angriffe wie
starke Kostenbelastung der Unternehmer durch Lohn und Lohnneben-
kosten, reagiert. Ich habe deshalb auch ganz besonders die Funk-
tion von Dinzl herausgestrichen und damit sogar allgemeinen Bei-
fall in meiner Rede gefunden.
Bei der Überreichung von Ehrenzeichen und Verabschiedung von in
Pension gehenden Beamten tue ich mir bei den Kollegen, mit denen
ich bereits Kontakt habe, sehr leicht. Umso mehr fällt natürlich dann
ab, wenn ich irgendwelche Auszeichnungen für Leute übergebe, die ich
das erste Mal treffe. Ich bitte deshalb gerade für diese Fälle
entsprechende Informationen schlagwortartig, nur zwei oder drei
Worte vorzubereiten. Interessant war diesmal, dass ich einige
von der Buchhaltung auszeichnete und erst bei der Auszeichnung erfuhr,
dass angeblich jetzt von Böhm und Schipper die Ungerechtigkeit gegen
die Laufbahnhemmung für die Buchhaltungsangehörigen, und wie die
beiden dort öffentlich erklärten, jetzt sogar zur Zufriedenheit
aller Buchhaltungsmitglieder eine einvernehmliche Lösung gefunden
werden konnte.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte kümmere Dich, ob dies tatsächlich der
Fall ist.
Im Wiener Vorstand, der jetzt längere Zeit nicht tagte, weil Gratz
auf Urlaub war, berichtete Nittel über die nächsten Veranstaltungen
am 8. Oktober wird Gratz in einer Wiener Konferenz, 1 Jahr im
Dienste von Wien, referieren. Im Wiener Vorstand hat es über dieses
Thema keine Diskussion gegeben, wohl aber dann im Wiener Ausschuss,
weil sich natürlich wie mir Robert Weisz mitteilte, die älteren
Weikhart, Gawlik usw. auf den Schlips getreten fühlen. Sie meinen,
dass wir nicht ein Jahr im Dienst von Wien arbeiten, sondern schon
seit der 1. Republik, also 1919. Gratz kommt es aber primär
darauf an, bei diesem Referat nicht ein Zahlenfeuerwerk loszu-
lassen und Geschichte zu machen, sondern eben das Verhältnis zum
Bund, zu anderen Parteien und so weiter dazulegen. Ganz besonders
aber möchte er über die Tarif- und Kostenfrage-Politik, als
eine Tarifpolitik der soz. Gemeindeverwaltung, referieren. Seine
Überlegungen gehen dahin, dass es nicht das Ziel einer soz. Kommunal-
politik sein kann, dass alles aus allgemeinen Steuermitteln finan-
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ziert wird. Wo der Einzelne einen besonderen Vorteil hat.
Stadtrat Mayr hat gemeint, er sollte auch über die Dezentrali-
sierung der Verwaltung etwas sagen, worauf Gratz darauf hinwies,
dass er dies gerne machen würde, wenn endlich eine entsprechende
gesetzliche Regelung von Seiten der Bürokratie vorliegen würde.
Da es hier keine politischen Widerstand gibt und auch kein poli-
tisches Problem, glaubt er, darüber nicht reden zu können, weil
letzten Endes wir selbst schuld sind, wenn diese Frage noch nicht
geklärt ist. Am 26. November soll eine weitere Wiener Konferenz
stattfinden, wo man allerdings nicht so wie in den vergangenen
Jahrzehnt dann über das Budget referiert und dann zum Schluss erklärt
die Wiener Konferenz nimmt das Budget zur Kenntnis. Hier hat Gratz de
Vorstellung sollte man über die Wirtschaftsprobleme im Ganzen Bemer-
kungen machen und Mayr insbesondere sich nicht immer automatisch
auf das Budget und dessen Aufbau stützen. Mayr selbst erklärte,
dass er nur diesmal über Konjunkturausgleichsbudget und über eine
mehrjährige Finanzplanung reden wird. Ansonsten wird er selbst-
verständlich auch andere Probleme zur Sprache bringen, keinesfalls
möchte Mayr aber sozusagen als einziger Stadtrat immer bei dieser
Gelegenheit vor eine Wiener Konferenz treten, sondern man sollte
hier Wirtschaftsfragen auch von anderen referieren lassen. Dies-
mal wird Lanc ein längeres Co-Referat halten oder zumindestens
einen Diskussionsbeitrag, wo er über den Verkehr und den Verbund
zwischen Wien und Bund reden wird. Czernetz meinte, früher einmal
hätte es die Einrichtung der grossen Wiener Vertrauenspersonen-
versammlung gegeben, wo bis zu 2.000 Personen über Wirtschafts-
fragen ernstlich diskutierten und abstimmten, bevor die Gemeinde-
verwaltung sie in Angriff nahm. Dies bezog sich z.B. auf den Verkauf
der Hammerbrotwerke oder auf Tarifgestaltung. Ich warnte Czernetz
vor dieser Vorgangsweise, da ich überzeugt bin, dass jetzt zuerst
eine Monate lange Aufklärungskampagne in den Bezirken und den Sektio-
nen erfolgen müsste, bevor man sich getraut, eine solche heikle Frage
vor 2.000 Vertrauenspersonen zu erörtern und tagelang zu diskutieren
wie Czernetz vorschlug. Es hat sich zwar sonst niemand mehr zu
diesem Punkt gemeldet, doch hatte ich aus den zunickenden und vor
allem einmal Zwischenrufen bemerkt, dass man meine Auffassung teilte.
Die Organisationsform und die Probleme haben sich wesentlich geändert,
Czernetz will das halt nicht zur Kenntnis nehmen.
Die Besprechung mit Min.Präsident Jaroszewicz verlief wie erwar-
tet. Kreisky hatte zuerst eine Aussprache mit ihm unter vier Augen
und alles wartete, bis dann die offizielle Besprechung begann.
Dort wurde ein tour d'horizon gegeben, wobei die Wirtschafts-
fragen nur ein Teil der Erklärung Kreiskys und dann auch der Gegen-
erklärung von Jaroszewicz war. Kreisky machte mich nur darauf
aufmerksam, dass ihn Jaroszewicz gefragt hat, was die Steyr-
Werke veranlasst, bei Kooperationen-Besprechungen zu fragen,
welche Sicherheit sie haben, wenn in Polen dasselbe passieren
würde wie in der CSSR, wo die Russen neuerdings nach Befreiungs-
versuchen intervenierten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass
die Steyr-Werke-Vertreter tatsächlich so dumme Bemerkungen irgend-
wo gemacht haben, dass es sich um eine Frage gehandelt hat,
ist meiner Meinung nach deshalb unerklärlich, denn wer soll schon
eine solche unmögliche Frage von Seite der Polen überhaupt beant-
worten können. Kreisky schnitt nur interessanterweise auch noch
den Ausbau des Donau-Oder-Kanals an. Jaroszewicz hat sofort er-
klärt, hier müsste ein internationales Konsortium gefunden werden,
welches auch die entsprechenden Kredite gibt. Auf polnischer Seite
würde dies ca. 800 Mill. Dollar kosten und die csl. Seite ist
noch wesentlich höher zu veranschlagen, weil dort ein längerer und
noch schwierigerer Streckenabschnitt zu bewältigen wäre. Kreisky
hat sich dann sofort zurückgezogen und meinte, dies könne man
im Rahmen der Konferenz über europäische Sicherheiten bespre-
chen, dort sollte auch ein Projekt-Team womöglich eingesetzt
werden. Kreisky urgierte auch, dass die Kohlenlieferungen in der
letzten Zeit im Rückstand sind, was die polnische Seite sofort
zugab. Die 1,2 t zusätzlich der 200.000 Mehrkontingent würde
von polnischer Seite jederzeit bereitgestellt werden, doch ergibt
sich eine Lieferschwierigkeit durch die Transitfrage. Die Tschechen
haben nicht nur bei den Kohlen, sondern auch bei anderen Gelegenhei-
ten die Waggons, die dafür bestimmt waren, für sich beansprucht
und ohne dass über die csl. Methode im einzelnen geredet wurde,
hat Jaroszewicz doch dann eben bemerkt, in Hinkunft werden
eben nicht nur Kohlen, sondern auch 400 MW nach Österreich mit
eigener Leitung kommen und daher diese Transporte nicht wie bei
Kohle durch Waggonschwierigkeiten behindert sein. Ehrbacher
hat mir mitgeteilt, dass sie sich jetzt auch über die HYG-Lei-
tung geeinigt haben. Der österr. Anteil würde 50 %, das sind
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520 Mill. S betragen. Dann allerdings wird eine Verbindung über
Österreich auch mit den RWG-Staaten möglich sein.
Dr. Wohlmeyer von der Gmünder Stärkekartoffelfabrik erörtert
noch einmal die Möglichkeit einer Ölextraktionsanlage. Für die
Investitionen von 400 Mill. für 400.000 t Saat könnte, wenn Eisenberg
die Hälfte davon aufbringt, nur durch eine österr. Kapitalgruppe
aus Agrarindustrie Gmünd, Donauchemie Pischelsdorf, Futtermillwerke
WÖF und Tagger, ÖMOLK, Verband ländlicher Genossenschaften NÖ und
ÖO Warenvermittlung gebildet werden. Er selbst wird sich bemühen,
ein solches Konsortium zustandezubringen. In der nächsten Zeit
werde ich ein diesbezügliches Elaborat von ihm erhalten, wo er über
den notwendigen Schutz einer solchen Produktion, aber auch
über die Garantie, dass sie niemals über den Weltmarktpreis hinaus
Preise verlangen würden, nähere Kalkulationsunterlagen bringen wird.
Wohlmeyer war vom Fachverband der Nahrungsmittelindustrie wegen
Zucker-Stärke-Produktion zu den Zuckerversorgungsverhandlungen
zugezogen worden. Er selbst meint, eine Pressekonferenz sei ein
Wahnsinn, doch hätte er dort vorgeschlagen, man solle nach § 5 AHG
Exporte genehmigungspflichtig machen. Nach dem Lebensmittelbe-
wirtschaftungsgesetz solle man bei Zuckerkartell eine Auflage geben,
dass sie gerechter und zweckmässiger verteilen. Insbesondere
aber soll dem kleinen Grenzverkehr ein Riegel vorgeschoben werden,
indem die Zöllner entsprechende Dienstanweisungen von strenger
Kontrolle und nur geringere Ausfuhrmengen pro Person zulassen
dürften. Dies soll angeblich schon geschehen sein.
ANMERKUNG FÜR GRÜNWALD: Bitte sofort feststellen, ob tatsächlich
Weisungen ergangen sind.
Hauffe soll bei Steyrermühl festgestellt haben, dass sie inländische
Stärke, die für veredelte Papiere für den Inlandsverbrauch des
Papiers bestimmt waren, exportiert hätten. Dadurch hätten sie gegen
die Richtlinien verstossen und würden jetzt 240.000 S Strafe bezahlen
müssen. Hauffe hätte deshalb mit Wohlmeyer ein besseres Kontroll-
system über die Finanzämter, die monatlich sowieso die Abgabe, da
es eine Verbrauchssteuer ist, kontrollieren, diesbezügliche Kontrollen
vornehmen sollten, besprochen. Ich bin neugierig, ob Hauffe eine
diesbezügliche Information uns gibt. Wenn dies nicht der Fall ist,
dann sollte man nach längerer Zeit unvermutet, ohne auf Wohlmeyer
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Bezug zu nehmen, die Tätigkeit von Hauffe einmal sich büromässig
ansehen.
Tagesprogramm, 30.9.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)