Samstag, 28. September 1974
Bei der Marktdiskussion in Graz hatte ich zuerst Angst, daß die
unglückliche Plazierung des Autos kaum jemanden veranlassen wird,
daran teilzunehmen. Zu meiner größten Verwunderung blieben die
Steirer dann aber doch stehen und Gmoser ist ein einmalig guter
Diskussionsleiter. Er hatte auch einen Stadtrat Stingl von der Grazer
Gemeindeverwaltung gebeten, sodaß auch Grazer Kommunalprobleme zur
Sprache kamen. Verteilt wurden Broschüren über die Konsumenten-
information der Arbeiterkammer und insbesondere unsere Konsumenten-
Fibel. Die steirischen Genossen, die aktiv, insbesondere die Frauen,
erschienen waren, hatten auch Nelken zum Verteilen gebracht, so daß
das Ganze sich, glaube ich, sehr imposant ausnahm. Ich habe Gmoser
erklärt, daß ich jederzeit bereit bin, wenn ich wieder nach Graz komme,
so etwas mit ihm zu machen.
Beim Frühstück bei Landeshauptmann Niederl habe ich diesen aufmerk-
sam gemacht, daß ich auf sein Forderungsprogramm bei der Messeeröffnung
eingehen werde und darauf hingewiesen, daß ich annehme, er wird ja
auch in seiner Rede darauf zu sprechen kommen. Er sagte allerdings
es wird ein einziger Satz sein. Genau wie bei Steirer hatte er näm-
lich vor, hier als der über den Parteien stehenden Landeshauptmann, der
nur Liebe und Waschtrog wünscht, in Erscheinung zu treten. Bei Krainer
war es üblich, daß ein ganzer Konvoi, alle die beim Frühstück geladen
waren, das sind höhere Beamte und die Diplomaten, von der Burg zum
Messegelände fuhren. Niederl erzählte mir, ihm sei dies, als er noch
im Spalier stehen mußte, damals schon als empörend aufgefallen. Die
Grazer hätten auch immer entsprechend geschimpft. Nun hätte er, als er
dieses Geschäft übernahm, sofort darauf gedrängt, daß die Diplomaten
eben mit den Autobussen hinfahren. Interessant ist, daß aber noch immer
für den Landeshauptmann und mir in seinem Wagen, der ganze Verkehr
aufgehalten wird und meiner Meinung nach auch dadurch nicht gerade ein
sehr guter Eindruck entsteht. Ich schlug ihm deshalb sofort vor, warum
nicht auch wir beide mit den Autobus mitfahren. Er akzeptierte und hat
dies bei der Messeeröffnung sofort auch entsprechend verlautbart.
Niederl hat also ein ganz gutes Gspür dafür, was also im Wahlkampf rein-
geht und was nicht. Objektiverweise muß ich sagen, daß er die Schil-
derung so brachte, wie sie wirklich gewesen ist. Vor dem Messeeingang
hat mich eine Delegation von steirischen Obst- und Gemüsebauern mit
der Tafel "Regierung verkauft die Bauern usw." empfangen. Ich habe
sofort in Anwesenheit der Zeitungsvertreter richtiggestellt und alle
eingeladen, nach der Messeeröffnung mit mir darüber zu diskutieren.
Dies ist dann auch tatsächlich geschehen. Bei dieser Gelegenheit
setzte ich ihnen die Gründe der Liberalisierung und des Vidierungs-
verfahrens auseinander und habe, glaube ich, ihnen doch einige neue
Informationen gegeben, weil sie vom Bauernbund nur sehr einseitig in-
formiert waren. Sicher habe ich diese Bauernbundvertreter nicht überzeugen
aber sie haben einen ganz anderen Eindruck bekommen, als bisher. Einer
meinte sogar, es wäre ja direkt zweckmässig, wenn ich Landwirtschafts-
minister wäre, was ich ganz entschieden ablehnte und darauf hinwies, daß
der Steirer und Diplom-Ingenieur, also gelernter Agrarmann Weihs viel
besser ist und in der Politik selbst von Ertl entsprechend gelobt wird,
der nicht sein Parteifreund ist.
Die Nachmittags-Generalversammlungen verliefen im üblichen Rahmen.
Lauter kleinere Ortschaften. Nur in Gratkorn eine grössere, die sogar
schlechter besucht war, wie mir Nationalrat Zingler, der mich begleitete
sagte, dagegen die anderen in den kleineren Orten sogar wesentlich besser
besucht als er erwartete. Zwischendurch besuchte ich noch den im Eisen-
bahner-Erholungsheim für Herzkranke in Peggau liegenden Nationalrat
Ulbrich. Nach den Ärzten und den Werten der Untersuchungen dürfte er
gar nicht mehr leben. In Wirklichkeit ist er noch ungeheuer agil, sieht
allerdings furchtbar aus, bereitet sich also für die Herbstsaison im
Parlament vor, meint allerdings, wenn er nicht mehr dazukomme, würde er
das Material dann den anderen geben, weil er, wie er sich ausdrückte,
den Ärzten ja nicht dreinpfuschen möchte. Zum Schluß schenkte er mir
noch eine rote Nelke.
Tagesprogramm, 28.9.1974