Sonntag, den 15. September 1974
Ausserordentlicher Ministerrat verlief ursprünglich wie erwartet.
Kreisky meinte, wir würden bis 13.00 Uhr fertig sein, da ja nur zwei
nicht gehaltenen Vorbesprechungen die Materie anhäuften. Wie es jetzt
war, hätten wir eine grössere Mehrheit als im 71 Jahr, da die ÖVP
total abgewertet hat. Dies ist eine Folge des Nominierungsvorganges
für die Bundespräsidentenwahl und vor allem mal das Resultat. Viel-
leicht kann es jetzt zu einer Opferung von Kohlmaier kommen, doch
müßte er lange genug gehalten werden, damit sich dieses Opfer dann
auszahlt. Jetzt zeigt sich wieder die SPÖ-Neigung zur Selbstver-
nichtung. Alles wär in schönster Ordnung, daß ist die Personal-
diskussion in Oberösterreich. Steiermark hat das Vorwahlsystem, auch
nicht den grossen Anteil, aber dort wurde geschwindelt. In Vorarlberg
sucht Ortner jetzt eine Fussach-Stimmung wegen seines Freundes Bacher
zu erzielen, aber wegen der Wahlen die Generalintendantenbestellung
verschieben, würde damit gar nichts erreicht, denn gerade wenn es kein
Sozialist wird, besteht größere Hoffnung die ganzen Angriffe wegen des
Staatsregierungs- oder Parteirundfunks daneben gehen. Was den National-
ratswahltermin betrifft, so ist er für auslaufen, da wir dieses letzte
Jahr brauchen und die ÖVP-Sabotage noch bewiesen werden muss. Nur
bei außergewöhnlichen Umständen, z.B. im Zusammenhang mit den Budget-
auflösungsanträgen, was sicherlich nicht zutrifft, daß die sozialistische
Seite Mandate verliert, dazu führen, daß nicht im Oktober 75 gewählt wird.
Kreisky ist aber derzeit auf der absoluten Linie Auslaufen der Legis-
laturperiode, da vorzeitige Wahlen zumindestens schlechte Wahlbeteili-
gung bringen können und dies für uns ungünstig wäre. Volkspartei will
außer der Handelskammer auf alle Fälle mit den Freiheitlichen zusammen-
gehen, siehe Graz und Klagenfurt. Die Sozialisten müssten jetzt darauf
hinweisen, daß sie mit fortschrittlichen Liberalen versuchen, jetzige
absolute Mehrheit und wenn möglich noch grössere Erfolge, siehe Kirch-
schläger-Wahl, zu erreichen. Für die Jugend ist jeder Proporz ein
Synonym für Parteiherrschaft. Was wir brauchen, ist mehr Selbstachtung
in dem Österreich schwach ist, da der deutsche Nachbar dies am stärksten
entwickelt hat. In Deutschland haben sie mit 6.9 % Preisteuerung die-
selben Schwierigkeiten wie wir mit 9.9 %. Ausserdem haben sie noch
700.000 Arbeitslose und erwarten für Feber 1,000.000.
Androsch ergänzte, daß die österreichische Wirtschaft sehr gut dasteht.
Die Österreichische Kontrollbank hätte für 1974 8 Milliarden Schilling
Kredite geben sollen und war nach einem halben Jahr bereits mit den
8 Milliarden zu Ende. Über 3 Milliarden wird derzeit verhandelt
zusätzlich der Gasgeschäfte 2 Milliarden für die Sowjetunion,
2 Milliarden für Algerien und für Polen mit Wunsch von 3 Milliarden,
wo allerdings die Konditionen noch vollkommen offen sind. Das erwartete
Handelsbilanzdefizit von 49 Milliarden wird nur 40 Milliarden betragen. Im
September werden die Preise wieder kräftig über 10 % liegen und dann
allerdings wesentlich abnehmen, sodass trotz der Spitalpreiserhöhung,
der Zigaretten- und der Telefonerhöhungen nur durchschnittlich 9.5 %
rauskommen werden. Fürs erste Halbjahr 1975 erwartet er 8.5 bis 9.5 %.
Die Ausgaben von 1973 des Budgets von 141 Milliarden werden 1974
auf 170 Milliarden steigen, obwohl nur 160 präliminiert waren. 8.5 Milliar-
den davon machen die Richtzahlenerhöhungen und die Anpassungsetappen
aus. Das erste und das zweite BÜG werden 10.9 Milliarden auf 12.9 Milli-
arden erhöht plus die 860 Millionen Stabilisierungsquote. Die weiteren
3 Milliarden, die noch gewünscht werden, seien schwer, wenn nicht zu
sagen überhaupt nicht finanzierbar. 1970 bis 1974 wurden 17 Milliarden
Schilling Kredite aufgenommen dafür aber 78 Milliarden Schilling
Vermögenswerte geschaffen.
Das Budget 75 steht unter dem Zeichen der Preissteuersenkungen, die
in Summe Ende 1975, 79 Milliarden Schilling Mindereinnahmen dem
Staat gebracht haben. Allein im Jahre 1975 ist es 37 Milliarden, die
insgesamt entfallen und da davon der Bund 20 Milliarden tragen muss.
Zölle bringen 3 Milliarden weniger, Ausgabenwünsche erhöhten sich aber
von 170 Milliarden auf 189 Milliarden, die durch einvernehmliche Ver-
handlungen auf 184.5 Milliarden gesenkt werden konnten. Dadurch ver-
ringert sich das Defizit von 24 Milliarden auf 16.4 Milliarden. Es war
nur möglich, daß so wie alle Jahre minus 3 % Aktivitätsaufwand für
das Personal angenommen wurde, obwohl nicht genau feststeht, ob man
dies wirklich erreichen kann, sowie eine 3 % Einsparung nicht zweckgemäß
ausgaben, allerdings auf den Juni-Entwurf. Für 1976 rechnet der Wirt-
schaft- und Sozialbeirat mit 20 Milliarden Schilling Defizit, 1977
27 Milliarden Schilling, 1978 30 Milliarden Schilling Defizit, was
nicht finanzierbar ist. Es konnte nach Verhandlungen mit den Ressorts
vollkommene Einstimmigkeit erreicht werden. Die Österreichischen
Bundesbahnen haben zwischen 1969 und 1971 4.6 Milliarden investiert
zwischen 1972 und 1974 10.4 Milliarden. Der Post wurde die 3.4 Milliarden
22-1081
Investitionen auf 4.8 Milliarden in 1975 erhöht. Schwierigkeiten gibt
es im Hochbau für die Hochschulen und ganz besonders beim Wasserwirt-
schaftsfonds. Gegenanträge für 23 Mia S und 780 Mill. können maximal
erfüllt werden und dies sind Verpflichtungen aus alten Genehmigungen.
Wie dem Wasserwirtschaftsfonds geholfen werden kann, resp. Investitionen
für Investitionen für Infrastruktur durchgeführt werden und finanziert
werden können, muss man in der nächsten Zeit diskutieren. Eine Möglich-
keit wäre, den Wohnbauanteil von der Einkommens- und Lohnsteuer zu er-
höhen. Der zweite wäre die Gewerbesteuer mit einem Anteil zu belasten.
Die dritte ist, die 30 S Wohnungsbeihilfe, die 1,5 Mia S ausmacht, über-
zuführen. Bezüglich der Vermögenssteuer und Mehrwertsteuer müsse man
Überlegungen anstellen. Andererseits hat die Strassenbaufinanzierung
von 1971 6,1 Mia auf 8,3 Mia 1974 gestiegen ist, kein grösseres Volumen
gebracht, sondern nur Auffangen der Preissteigerungen. Nächstes Jahr wird
es einen 10 %-igen Minderverbrauch geben und 10 % werden für die Land-
wirtschaft und die ÖBB abgezogen werden. Deshalb möchte er anstelle einer
Benzinpreissenkung um 10 Gr. die Mineralölsteuer erhöhen. Die zu er-
wartenden 350 Mill. könnte man zweckbinden für die Südautobahn und die
Phyrnbahn. Bergbauförderung betrage 180 Mill. und müsse überlegt werden.
Bei den Marktordnungsgesetzen sollte die Auszahlung über die Postspar-
kasse erfolgen und nicht über die Raiffeisenkassen. Zum Schluss erwähnte
er, dass es ein Problem Österr. Draukraftwerke gibt. Moser ergänzte,
dass der Wasserwirtschaftsfonds 343 Mill. Abgang hat und keine neue
Anleihe mehr helfen kann, weil diese den finanziellen Anleihedienst der
früheren Anleihen nur abdecken kann. Im Strassenbau hat er 1974 1 Mia
auf 1975 verschoben, sodass er die Mindererlöse 700 Mill. die ÖBB und
Landwirtschaft 700 Mill. und weitere 700 Mill. gerade noch im Anfang
1975 verkraften kann. Die Bauarbeiter protestieren jetzt schon, weil
25.000 weniger beschäftigt sind, allerdings meistens Gastarbeiter und
Arbeiter, die unverzüglich in eine andere Branche umwechseln konnten.
Lausecker berichtet und Robert Weisz ergänzt, dass mit den öffentlich
Bediensteten es grosse Schwierigkeiten gibt. Im Juli 1975 sind 12 % fällig,
1 % = 600 Mill. Trotzdem geben andere Städte und Länder, z.B. Innsbruck
2.000 S, Kärnten 1.500 S Teuerungsabgeltung. Kreisky wehrt sich dagegen
und kritisiert insbesondere die Arbeitszeitverkürzung bei den Lehrern.
und will maximal 1/2 Stunde zugestehen. Die Zeit ist schon sehr weit
fortgeschritten, aber Kreisky fragt, ob irgend jemand etwas besonders
hat, worauf er vorschlägt, jedes Ressort soll jetzt einen Gesamtüberblick:
Versprochen – gehalten und als zweites dann die neue Parole: Damit es
in Österreich weiter vorwärtsgeht, geben. Kreisky hatte schon bei der
22-1082
Bemerkung Androsch's über die ÖDK gemeint, er müsse nachher mit
mir darüber reden und ich hatte angenommen, dass wir dies aus-
führlich in einem kleineren Kreis machen. Jetzt hat er es dann
doch angeschnitten, ich hatte meine Bedenken geltend gemacht.
Bei der Zusammenfassung wegen der Presse kam er wieder auf die Spar-
massnahmen zu sprechen und meinte, ich müsse hier eine grossange-
legte Atkion statten. Ich erwiderte, dass die konkreten Arbeiten
eingeleitet sind, er wollte aber scheinbar nur eine grössere
Aufklärungsaktion. Da ich nicht bereit war, ohne Detail-
informationen und vor allein einmal ohne budgetäre Deckung
darauf sofort einzugehen, meinte er, er wird das halt in seinem
Ressort selbst machen. Bei dieser äusserst kritischen Stimmung
wollte ich keine wie immer geartete Frage mehr zur Sprache bringen
und habe deshalb auch weder unser Papier verteilt noch besprochen.
Das Freundschaftstreffen in Mannersdorf war ein gigantischer
Erfolg. Ungeheuer viel Teilnehmer, auf Wunsch Rösch's ist auch ein
richtiger Schmäh gelaufen.
Tagesprogramm, 15.9.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)