Dienstag, 23. Juli 1974
In der Ministerratssitzung hat Kreisky doch wieder das Süd-
afrikageschäft der VÖEST zur Sprache gebracht. Er hat von
Botschafter Jankowitsch ein Schreiben bekommen, wo ihm dieser
mitteilt, Waldheim hätte ihn neuerdings auf die schlechte poli-
tische Situation Österreichs in Schwarzafrika aufmerksam gemacht
Kreisky aber auch Bielka fürchten schwere politische Folgen,
wenn die einzelnen afrikanischen Staaten sich gegen Österreich
wegen der Geschäfte mit Südafrika wenden. Kreisky geht sogar so
weit, dass er die Gefahr sieht, dass die UNIDO von Österreich
d.h. Wien weggehen könnte. Dort dominieren nämlich die sogenannten
Entwicklungsländer. Kreisky wird deshalb in einem Brief an die
ÖIAG alle Bedenken geltend machen und darauf hinweisen, dass es
schwer zu empfehlen ist, dieses Geschäft abzuschliessen. Ent-
scheiden müssen aber die Organe. Mit diesem Brief meint Kreisky
könnten wir uns gegebenenfalls, wenn Komplikationen eintreten ex-
kulpieren. Kommen sehr starke Angriffe, dann müsste man eventuell
einen Rückzug antreten. Das wirtschaftliche Risiko trägt allein
die VÖEST. Da die VÖEST keinerlei andere Möglichkeit hat, sich
ihre notwendigen Rohmaterialien von Stahl zu besorgen, bleibt
in Wirklichkeit wirtschaftlich gesehen gar kein Ausweg. Auch wenn
Kreisky meint, dass die zweite Reihe der wirtschaftlichen Manager
Methoden entwickeln, wo sie die Betriebsräte mobilisieren, und
sozusagen überall als pressure group überall in Erscheinung tre-
ten, so ist es letzten Endes und davon bin ich überzeugt, nur
der reine Erhaltungstrieb, der die VÖEST veranlasst, ein zweifels-
ohne auch für sie riskantes Geschäft einzugehen. Ich erkläre,
dass in Rhodesien die VÖEST aber auch die SGP sehr unglücklich
in Erscheinung getreten ist, alle anderen europäischen Staaten
haben auch dorthin geliefert und wurden von der UNO nicht angegrif-
fen. Um der UNO-Resolution Rechnung zutragen, werde ich jetzt
eine Verordnung mit Exportverboten nach Rhodesien erlassen. Mein
Hinweis, dass sich jetzt an dem VÖEST-Projekt auch deutsche und
italienische Firmen beteiligen, kann Kreisky auch nicht umstimmen.
Er meint nur, die Grossmächte können sichs anders richten und
die Deutschen haben irrsinnige Beträge in der Entwicklungshilfe
nach Afrika verschenkt. Androsch stellt fest, dass eine Genehmi-
gung der Geschäfte automatisch die Exportgarantie und Exportförde-
rung.
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für die Anlagen, die nach Südafrika geliefert werden, einschliesst
Ich verständige Kirchschläger von der neuen Situation. Er hofft,
dass das Schreiben Kreiskys an die ÖIAG so abgehalten ist, dass
nicht der ÖIAG-Vorstand oder Aufsichtsrat die Genehmigung des Ge-
schäfts verweigert.
Ich berichte Kreisky nach der Ministerratssitzung, dass ich
jetzt endgültig die Umgestaltung von der Verbund und den Donau-
kraftwerksaufsichtsräte durchführen werde. Anstelle des SektChef
Cech, der in Pension gegangen ist, werde ich in der Verbund den
derzeitigen Leiter der Sektion Frank und bei der Donau Gehart
installieren. Kreisky ist damit einverstanden. Auch wenn ich
wider Erwarten nicht zu einem Akkord mit Präs. Weiss von der
Verbund komme, den ich in Klagenfurt besuchen werde und gegebenen-
falls mit Mehrheit entscheiden.
Dr. Neumann vom ARD ersucht mich für ein Interview über den
Österr. Fremdenverkehr. Nagiller vom Österr. Fernsehen, der
dabei steht, bestätigt mir nachher, dass er sehr verwundert war,
dass ich so objektiv eine österr. Fremdenverkehrswerbung betrieben
habe. Wahrscheinlich hätte er erwartet, dass ich in der letzten
Zeit hart attackiert von den österr. Fremdenverkehrsverantwortli-
chen bei diesen Gelegenheit entsprechend zurückgeschlagen hätte.
Ich denke nicht daran, im Ausland unsere innere Schmutzwäsche
zu waschen. Bei der Auseinandersetzung in der Aussprache Finanzmi-
nister, Handelsministerium, Bundeskammer und Hoteliervereinigung
werde ich von Schreiner und anderen wegen meiner Angriffe gegen
die Fremdenverkehrsverantwortlichen fast würde ich sagen zur
Rede gestellt. Ich verweise darauf, dass die Preishysterie und
insbesondere die unqualifizierten Angriffe nicht dazu bei-
tragen das Klima im Fremdenverkehr zu verbessern. Fast wie
gewünscht legt Mussil vom Geschäftsführer der Fremdenverkehrs-
sektion in Vorarlberg eine Berechnung der Steuerbelastungen
vor, die vollkommen falsch ist, wie man auf den ersten Blick
sofort sieht. Natürlich als die anderen bemerken, wie wir diese
Umstellungen blosstellen, distanzieren sie sich sofort davon.
Androsch hat wider Erwarten und ich war davon sehr überrascht,
fast unser ganzes Konzept, welches wir im 10-Jahres-Fremdenverkehrs-
programm vorgeschlagen hatten, akzeptiert. Zu den 250 Mill. im
Budget, die wir heuer dafür aufwenden können,
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kommen im nächsten Jahr 70 Mill. dazu. Damit liegen wir höher als
wir jemals erwartet hatten. Die einzige Forderung, die von der
Handelskammer übrigbleibt, ist eine Halbierung der Mehrwert-
steuer resp. die Herabsetzung der Getränkesteuer und Alkoholabgabe.
In diesem Punkt erklärt Androsch, er könne ihnen nicht entgegen
kommen. Aus demselben Grund lehnt Androsch auch die Aussetzung
der dritten Vorauszahlung ähnliche wie er es bei der Maul- und
Klauenseuche gemacht hat, ab. Wenn ein Unternehmen so starke
Umsatzeinbussen hat, dann kann er ja jetzt schon durch ent-
sprechenden Nachweis beim Finanzamt eine Aussetzung der Voraus-
zahlung erreichen. Darüber hinaus gibt sowohl er als auch ich die
Erklärung ab, dass wir Firmen, die in Schwierigkeiten bei der
Kreditrückzahlung kommen entsprechendes Moratorium zugestehen werden
Eine generelle Regelung ist auch hier nicht möglich, weil es
sich um revoltierende Fonds handelt und damit die Fremdenver-
kehrswirtschaft getroffen wird, wenn keine Rückflüsse mehr ein-
gehen, sollte es zu einer generellen Regelung kommen. Die
Handelskammer ist deshalb mit meinem Vorschlag, dass wir uns in
jedem einzelnen Fall individuell sehr bemühen werden, dem ent-
gegenzukommen, vollauf zufrieden und einverstanden.
Ich warne Androsch davor, die Konzeption Zusammenlegung der GKB und
WTK zu verfolgen. Dies würde für ihn bedeuten, dass er mindestens
250 bis 300 Mill. zur Sanierung der neuen Gesellschaft jährlich
aufbringen müsste. Androsch selbst hat grösste Bedenken und möchte
am liebsten nach den steirischen Wahlen, das Defizit des Kohle-
bergbaues durch Schliessung der Gruben Pölfing-Bergla, Fohns-
dorf, herbeiführen. Ich glaube nicht, dass dies vor den nächsten
Nationalratswahlen 1975 möglich sein wird. Hier hat sich Kreisky
viel zu viel schon auf eine weitere Fortführung des Bergwerkes
ausgesprochen.
Mussil und Lehner kommen mit der Zuckerindustrie Vogler und Hiller
sowie die Rübenbauern Mang und Ing. Kraus. Ich erkläre, dass sich
die Zuckerindustrie bereit erklärt hat, die Versorgung bis zur
neuen Ernte zu sichern und Hiller hat die Frechheit zu sagen,
dass die Zuckerindustrie gar niemals einen solchen Zuckerexport
wollte. Kraus stellt sofort objektiv fest, dass die Rüben-
bauernorganisation bei mir war und auch für die Zuckerindustrie
sprechend einen solchen Export vorgeschlagen haben. richtig ist,
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dass Habig damals bei dieser Sitzung nicht anwesend war, aller-
dings natürlich von diesem Schritt wusste und zugestimmt hat
und in weiterer Folge dann sehr konkret die Verhandlungen über
den Zuckerexport geführt hat. Hiller möchte nur jetzt scheinbar
politisch absichern und erklären, dass die Zuckerindustrie nie-
mals für dieses Projekt gewesen ist. Er verweist darauf, dass
die erste Idee zu diesem Projekt von der AK mit einer Presseaussen-
dung ausgegangen ist. Lehner weist darauf hin, das hätte die
Zuckerindustrie den Export nicht bekommen resp. nicht durchge-
führt und die 3 Groschen Rübenpreiserhöhung dadurch nicht bezahlt,
so wäre die Rübenbauernschaft gar nicht bereit gewesen, zu den
105 % Rübenkontingent-Ertragsmenge noch 15 % für die Exportmenge
anzubauen und letzten Endes natürlich auch zuliefern. In den
letzten 3 Wochen im Juli sind die Auslieferungsmengen in den
Zuckerfabriken von 20 bis 50 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Mein Hinweis, dass die Arbeiterkammer dies als Bluff bezeichnet,
die Versorgung nach ihrer Auffassung gesichert erscheint, wird
von den Anwesenden auf das entschiedenste bestritten. Wir einigen
uns darauf, dass ich trotzdem versuchen werde, einen Akkord zwischen
den Interessensvertretungen herzustellen. Dies wird gar nicht so
einfach sein, doch schlage ich vor, dass wir in kleineren Kreisen
am Donnerstag die Verhandlungen darüber aufnimmt. Ich hoffe, dass
ich die AK und den ÖGB überzeugen kann, ich glaube nicht, dass
es möglich sein wird, bis zu Mitte Oktober dem Kampagne-Einsatz
der österr. Rübenernte den Bedarf zu decken. Wir werden ausser
der Preiserhöhung, die vielleicht einen gewissen Rückgang der Aus-
lieferung bedingen wird, noch zusätzliche Importe aus Ungarn tätigen
müssen. Die 1.40 S-Erhöhung, die 22 % Preissteigerung für den Fa-
briksabgabepreis bedeuten würde, kommt überhaupt nicht in Frage.
Auf Hinweis, welche Preisgestion ich hätte, gebe ich keine Ant-
wort, ausser dass ich erkläre, sie werden nicht schlechter ge-
stellt als in der ÖVP-Zeit. 1967 hat die Zuckerindustrie eine
Erhöhung um 27 % verlangt und dann 5 % bekommen. Diesmal wird es so
billig nicht abgehen, aber sicher ist eines, dass es für die Zucker-
industrie eine schwere Enttäuschung sein wird.
Tagesprogramm, 23.7.1974
Tagesordnung 127. Ministerratssitzung, 23.7.1974
22_0927_02Nachtrag TO 127. Ministerratssitzung, 23.7.1974