Sonntag, der 21. Juli 1974

22-0913

Sonntag, 21. Juli 1974

Mit Mühlbacher bespreche ich die notwendigen Aktivitäten
auf dem Fremdenverkehrssektor. Mühlbacher hat seine Leute
für Montag nach Pörtschach berufen, damit er als Freier Wirt-
schaftsverband auch zu den Rückschlägen im Fremdenverkehr
Stellung nimmt. Seiner Meinung nach müssten wir insbesondere
auch auf dem steuerlichen Sektor einen entsprechenden Vor-
schlag machen. Er hat auch mit Androsch telefoniert und
dieser hat ihm mitgeteilt, dass er nicht bereit ist, die
Mehrwertsteuer aufzumachen. Dafür habe ich volles Verständnis,
denn wenn Androsch einmal die Mehrwertsteuerregelung und -Be-
steuerung irgendwo lockert, dann kommen natürlich ein ganzer
Wust von Wünschen. Androsch hat – wie er meint, – die optimale
Lösung bereits in der Einkommenssteuernovelle 1974, dort ist
vorgesehen und mit 1. Jänner 1975 tritt es in Kraft, dass
die außerordentliche AfA für unbewegliche Güter von
25 % entfällt. Dafür hat er aber die normale AfA von 1,5
bis 2 % derzeit auf 5 % erhöht. Ausserdem haben die unbeweg-
lichen Güter noch die Möglichkeit, den Investitionsfreibetrag
in Anspruch zu nehmen und von 120 % die Abschreibung durchzufüh-
ren. Für die Nass-Gruppen wurde vorgesehen, dass auch die
wie die vorzeitige AfA bei beweglichen Gütern 50 % zusätzlich
abschreiben können. Dadurch geht eine alte Forderung der
Fremdenverkehrswirtschaft in Erfüllung. Als weitere Steuer-
leistung wird Androsch bei der Gewerbesteuer, die Errechnung
vom Gewebeertrag, die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen,
wo heute nur ein 10.000 S-Zurechnungsfreibetrag existiert,
überhaupt streichen. weitere steuerliche Ermässigungen möchte
er nicht geben. Mühlbacher beabsichtigt nun, vom Finanzmini-
ster – ohne allerdings mit ihm gesprochen zu haben – die
Vorauszahlung für das dritte Quartal auszusetzen. Eine solche
Regelung hat es schon bei der Maul- und Klauenseuche gegeben.
Dies würde den Finanzminister nichts kosten, denn wenn die
Ertragslage bei einem Betrieb wirklich so schlecht ist, könnte
dieser mit entsprechender Zwischenbilanz ein entsprechendes
Aussetzen der Vorauszahlung auf alle Fälle verlangen.
Stellt sich dann heraus, dass die Lage nicht so schlecht war,
muss er auf alle Fälle die Steuer bezahlen, Mühlbacher meint,
dies kostet ihn nichts und ist optisch ungeheuer günstig.



22-0914

Dazu bedarf es auch keiner gesetzliche Regelung sondern
hier kann er mit Erlass arbeiten.

Androsch hat aber auch Mühlbacher gegenüber zu erkennen ge-
geben, dass er bereit ist, wie er sagte, Strukturverbesserungs-
massnahmen für den Fremdenverkehr vorzusehen. Ich habe das
Gefühl, hier möchte Androsch einige Vorschläge der Bundes-
kammer auf weitere budgetäre Mittel für Aktionen wie In-
länderwerbung, Infrastrukturverbesserung wie Parkplätze,
Garagen, öffentliche Verkehrsmittel, Beschilderung usw.
bei den Gemeinden durch Zinsenzuschüsse an Darlehen, die
diese geben oder bekommen, durch höhere Zinszuschüsse für
Schlechtwettereinrichtungen von Hotels und Pensionen wie
Heizungen für Verlängerung der Saison usw. weitere Budgetmittel
zur Verfügung stellen. Würzl hat mir vor längerer Zeit schon
angedeutet, dass man im Finanzministerium solche Absichten hat
Mir ist nur vollkommen unerklärlich, warum man vorher bei
den Verhandlungen auf Beamtenebene über das Budget des Han-
delsministeriums alles herausstreicht, das Grundbudget ent-
sprechend kürzt und dann irgendwann einmal wieder Zusagen
zu machen. Abgesehen von der Optik, in dem Fall bringt diese
aber kaum etwas, muss dadurch der Eindruck entstehen, dass
man zuerst aus Sparsamkeitsgründen für die ich volles Ver-
ständnis habe, das Budget reduziert, dann aber doch dem
Druck von Interessensvertretungen nachgibt. Ich nehme nicht
an, dass der Finanzminister die Absicht hat, hier aus Gründen
"Ich bin bereits hier z.B. etwas für die Alpine Vereine zu
tun, 5 Mill S bereitzustellen, oder für irgendwelche anderen
Aktionen für den Fremdenverkehr, d.h. durch irgendwelche Zu-
sagen an irgendwelche Stellen als der Feschak dazustehen.
Ich habe mich bisher aus taktischen Gründen niemals in eine
solche Politik eingelassen. Ich habe auch Mühlbacher dezidiert
erklärt, dass ich dies auch weiterhin nicht tun will. Die
grosse Gefahr besteht, dass man irgendwelche Zusagen macht,
sie dann nicht einhalten kann und damit in den Ruf kommt,
irgendwelche Versprechungen auch nicht einzuhalten. Als
typisches Beispiel für mich gilt unser seinerzeitiger
10-jähriger Fremdenverkehrsplan. Damals hat Androsch vorge-
schlagen, alle Minister sollen ein langfristiges Investitions-
programm erstellen und man wird die notwendigen Mittel bereit-


22-0915
stellen. Da wir im Budget kaum Investitionsaufwendungen haben
ist Würzl auf die gute Idee gekommen, wir machen für den
Fremdenverkehr ein 10-Jahresprogramm ohne staatliche In-
vestitionen als Grundlage. Er hat diesen Plan mit dem Finanz-
ministeriums bis ins Letzt abgesprochen und aktenmässig fest-
gehalten. Bereits nach dem ersten Jahr stellte sich heraus,
dass die anderen Minister für Investitionen die notwendigen
Mittel nicht bekommen. Natürlich ist auch das Investitions-
programm für den Fremdenverkehr damit nur ein Stück Papier.
Durch die inflationäre Entwicklung bekomme ich aber ganz
besonders durch die Gewerbestrukturverbesserung, die automa-
tisch an den Gewerbesteuerertrag gebunden ist, grössere Mittel.
Damit kann ich einigermassen den Misserfolg dieses 10-Jahres-
planes tarnen. Ursprünglich war nämlich vorgesehen – ich hoffe,
dass dies nirgends expressis verbis festgelegt wurde, dass
es sich hier natürlich um reale Ziffern handelt und nicht wie
ich das jetzt zur Entschuldigung und Tarnung sage, um nomi-
nelle. Man kann bei Positionen, die letzten Endes von einem
nicht abhängig sind, nicht genug vorsichtig vorgehen. Auf
die Budgetgestaltung hat in Wirklichkeit ein Minister kaum
Einfluss. Die Beamten selbst sind bestrebt, womöglich recht
viel grössere Beträge zur Verfügung zu haben, weil sie da-
durch Macht haben und nach aussen hin in Erscheinung treten
können. Der Finanzminister wieder versucht durch generelle Be-
schlüsse in der Regierung seine Budgetsituation einigermassen
zu retten. In diesem Dilemma werden dann die entsprechenden
Beamtenverhandlungen geführt. Dort kommt es natürlich nie zu
einer Einigung. Selbst bei einer Ministerbesprechung kann
dann kaum was herauskommen, da ja der Finanzminister sein
prinzipielles Budget und vor allem ja den Budgetrahmen
schon festgelegt hat. Das nächste Jahr mit 17 Mia Defizit
ist wirklich das optimale, was man erreichen kann. Weitere
zusätzliche Mittel müssen dazu führen, dass das Defizit
weiter stärker ansteigt. Daran kann aber wirklich gesamt-
wirtschaftlich niemand ein Interesse haben. Trotzdem er-
scheint mir die ganze Politik als sehr verfehlt.

Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Finanzminister
      GND ID: 118503049


      Einträge mit Erwähnung: