Montag, 24. Juni 1974
Beim Jour Fixe, den Mussil dann doch abhalten wollte, obwohl
Sallinger bei einer Spitzenbesprechung der VP war, teilte
er mir mit, dass Sallinger und Mussil mit Kandutsch Mittag-
essen waren und die Übernahme von Repräsentationsaufwendungen
und andere Exportaktivitäten, die das Handelsministerium durch-
zuführen hat dafür keine Geldmittel besitzt und dadurch diese
die Handelskammer übernimmt, zu besprechen. Kandutsch war
angeblich sehr gut vorbereitet, hatte eine Liste, aus der er-
sichtlich war, dass das Handelsministerium schlechter dotiert
wird als andere, lehnte aber trotzdem den Vorschlag, die
Zustimmung zu solchen Ausgaben aus dem Aussenhandelsförderungs-
beitrag zu decken, ab. Kirchschläger hat ein Budget von 4,7
Mill. S, das BKA von 3,5 Mill., selbst die ÖBB haben 500.000
und nur das Handelsministerium hat 400.000 weshalb scheinbar
nach Auffassung von Kandutsch aber auch natürlich von Mussil
jetzt eben die Budgetpost erhöht werden muss. Ich erklärte
sofort, dass ich eine solche Vorgangsweise nicht für ziel-
führend halte. Ich werde niemals einen solchen Antrag an das
Finanzministerium stellen, weil er von vornherein ist aussichts-
los ist durchzugehen, sollte die ÖVP einen Initiativantrag im
Parlament auf diesem Gebiet vornehmen, würde ich ihn sogar
ablehnen. Mussil meinte, er hätte sich ja vorgestellt, dass
eben ein gewisser Prozentsatz des Aussenhandelsförderungs-
beitrages aufkommen, der dem Handelsministerium zur Verfügung
gestellt wird. Eine solche Lösung, das sagte ich ihm sofort,
könnte nur durch eine entsprechende Novelle des AHF-Gesetzes
sauber gelöst werden, das er natürlich ganz entschieden ab-
lehnte, weil er befürchtet, dass man dann sofort zu einem
ganz anderen Aufteilungsschlüssel kommt. Womöglich würden in
diesem Fall dann überhaupt die Diskussionen über die Aussen-
handelsförderung und die Organisation der Aussen-
handelsstellen beginnen, was er gerade jetzt nicht will.
Kandutsch hat angeblich sogar abgelehnt wenigstens für das
Jahr 1974 die Lösung zu akzeptieren, wir verblieben so, dass
wir noch einmal dieses Problem besprechen werden und dann mit
Kandutsch Verhandlungen aufnehmen.
Ich berichtete von der Vorsprache der südkoreanischen Parlaments-
delegation und dass diese eine fact finding-Gruppe nach Korea
eingeladen hat. Die Handelskammer wird dies überprüfen, steht
positiv diesem Wunsch gegenüber.
Die Frage Exportverbot Rhodesien überliess ich Mussil eine Foto-
kopie der Information und auch des Entwurfes. Mussil hat ganz
grosse Angst, dass auch Südafrika und ähnliche Regelung ge-
stellt werden könnte, da jetzt bereits starke Angriffe wegen
der Beteiligung der VÖEST an einem Stahlwerk zu verzeichnen
sind. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass je länger wir
mit einer Rhodesien-Lösung zuwarten, umso stärker natürlich man
auch von uns dann womöglich für Gesamt-Weissafrika Massnahmen
verlangen wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte mit Meisl und Handelskammer noch
einmal eine kurze Besprechung durchführen
Mussil wollte eine endgültige Klärung des Entwurfes über die Be-
vorratung. Ich setzte ihm auseinander, dass ich auf Wunsch der
Interessensvertretungen und einiger Ministerien aber auch von
Ländern die Begutachtungsfrist auf Ende August verlängert habe
und dann als ganz besonders der Wunsch des Landes Vorarlberg
ist das Schweizer Modell noch genau mit den Ländern und Inter-
essensvertretungen sprechen werde. Ich glaube daher nicht, das
wir heuer noch ins Parlament damit kommen. Mussil urgierte natürlich
die finanzielle Regelung dieses Problems, weil er angeblich mit
dem Finanzministerium überhaupt nicht weiterkommt.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Um die Schwierigkeiten des Finanzministers
mit dem Gesetzentwurf zu kaschieren, werden
wir nach Ende der Begutachtung umfang-
reiche Studien neuerdings betreiben lassen
Auf dem Gewerbeordnungssektor wollte er von mir festgehalten haben
dass die planenden Baumeister, Ziviltechniker und technische
Büros, die wir jetzt mühsam mit einem Kompromiss in der Gewerbe-
ordnung geregelt haben, nicht jetzt geändert werden sollen. Ich
habe ihn auf die Besprechungen, die zwischen der Architektenkammer
dem Bautenministerium und Handelsministerium stattfinden, verwie-
sen. Dort werde alle Probleme erörtert, aber sicherlich derzeit
keine Änderung vorgenommen. Die Handelskammer lehnt eine solche
21-0787
auch für die weiteste Zukunft ganz entschieden ab.
ANMERKUNG: Bitte Jagoda verständigen, der allerdings die Stellung-
nahme der Handelskammer sicherlich kennt.
Mussil zweifelt, dass wir den Befähigungsnachweis für das
Gast- und Schankgewerbe in so kurzer Zeit, die uns zur Ver-
fügung steht, bis zum Inkrafttreten der neuen Gewerbeordnung
zeitgerecht lösen können. Ich habe diesbezüglich mit Jagoda
und Min.Rat Kinscher gesprochen, die mich überzeugten, dass die
dieses Problem sehr wohl zeitgerecht lösen werden.
Bei einer Vorbesprechung über die Parteiengespräche, die nur
sehr kurz sein konnte, weil Kreisky erst um 10 Uhr erschien,
wies ich auf meine Getreidepreisverhandlungen, die ich morgen
führen müsse, hin. Zusätzlich muss geklärt werden, ob die
Regierung die Verhandlungen führen will, oder ob ich mit der
Landwirtschaft zu einem Arrangement kommen solle. Landwirt-
schaftsminister Weihs hätte maximal 35 Groschen in Aussicht ge-
nommen, Androsch erwiderte, dass dies je länger er mit Weihs
darüber gesprochen habe, scheinbar immer mehr wurde. Ursprüng-
lich war ein wesentlich tieferer Betrag, er sprach von 10 – 15 gr
die Rede. Er selbst könne sich maximal 20 Groschen vorstellen.
Sowohl Kreisky als auch Androsch waren aber der Meinung, ich
sollte unbedingt auf meiner Ebene versuchen zu einer Lösung zu
kommen. Kreisky fragt dann auch, ob denn die Marktordnungsge-
setznovelle mit mir oder in anderen Gremien durchberaten wurde.
Und die einstimmige Meinung der soz. Seite wäre. Ich musste ihm
wahrheitsgetreu, nachdem wir nur zu zweit über dieses Problem
sprachen mitteilen, dass die Arbeiterkammer grosse Bedenken
gegen einige Formulierungen hat.
Während der Parteienbesprechungen erörterte Vizekanzler Häuser
zuerst die Stellungnahme der Sozialisten zum Wunsch des ÖAAB
den Frauen die Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen. Häuser liess
keinen Zweifel darüber, dass der Gesetzentwurf, wie ihn der ÖAAB
vorhat, unter gar keinen Umständen von uns wird akzeptiert werden
Wenn dieses Problem in Angriff genommen wird, dann wird eine
Regelung zustandekommen, die auch von den Gewerkschaften akzep-
tiert wird und dies bedeutet, dass die Unternehmer schwer dafür be-
zahlen werden müssen. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es jetzt kaum
21-0788
Anbote für Teilzeitbeschäftigte, interessanterweise ist aber
auch die Nachfrage minimal. Wenn daher eine richtige Lösung
angestrebt wird, dann müsse sich die ÖVP aber ganz besonders
die Wirtschaft klar sein, dass es eine sehr gute sein wird.
Ich verwies als Vertreter der Wirtschaft, wie ich mich dort
bezeichnete und die meisten sogar dann Bravo sagten, darauf
hin, dass grosse Bedenken bestehen, insbesondere z.B. bei der
Lebensmittelbranche das ganztägig tätige Frauen, dann automa-
tisch die Halbtagsbeschäftigung vorziehen werden. Dadurch kann
genau der gegenteilige Effekt für die Wirtschaft eintreten,
den man sich erwartet. Ganztagsbeschäftigte nehmen die Halbtags-
beschäftigung an und aus dem schon so angespannten Arbeitsmarkt
wird es nicht möglich sein wesentlich zusätzliche Halbtags-
kräfte zu bekommen. Man einigte sich dann darauf, dass im Par-
lament im Sozialausschuss dieses Problem dann weiter behandelt
wird. Die ÖVP beruft sich ununterbrochen natürlich auf die
Vereinbarung, die seinerzeit bei der Beschlussfassung über die
Europäische Wirtschaftsgemeinschafts-Gesetze getroffen wurde.
Damals war eine solche Regelung meiner Meinung nach und ich habe
dies auch immer wieder gesagt, überflüssig. Die ÖVP hätte gar
keine andere Möglichkeit gehabt, als den EWG-Gesetzen zuzu-
stimmen, ihnen dafür Zugeständnisse zu machen, war meiner Mei-
nung nach überflüssig, obwohl eine Zweidrittelmehrheit not-
wendig wäre, hätte die ÖVP gar nicht anders können als letzten
Endes zustimmen. Vielleicht aber ist meine Spekulation
falsch, denn Kreisky bemühte sich damals um einen Konsens und
das Ergebnis ist, dass sie jetzt darauf drängen, die ihnen dort
zugesagten Punkte auch bezüglich der Marktordnungen-Änderung
endlich erfüllt zu bekommen. Schleinzer aber auch Koren beharren
unter allen Umständen auf die gemeinsame Behandlung aller Wirt-
schaftsgesetze. Solange also diese Verhandlungen nicht abgeschlos-
sen sind, fürchte ich sind sie sicherlich nicht bereit, über
das Preisregelungsgesetz und die anderen Preisgesetze im Par-
lament wirklich abschliessende Verhandlungen zu führen.
Androsch hätte am 13. Mai bei Parteienverhandlungen übernommen
eine Verhandlungsbasis zu schaffen, bis heute sie aber ein
solcher Termin und die Zusammensetzung des Verhandlungskomitees
nicht von ihm vorgeschlagen worden. Mein Bericht wurde deshalb
von der ÖVP, ich kann ruhig sagen, nicht einmal zur Kenntnis
genommen, da sie eben eine Koppelung nicht nur verlangt sondern
21-0789
auch überzeugt sind diese durchsetzen zu können. Ich habe
Klubsekretär Fischer nicht im Unklaren gelassen, dass der Kuh
jetzt endgültig entscheiden muss, ob er diese Taktik jetzt
akzeptiert oder wie besprechen eine Terminisierung über die
Preisgesetze in der nächsten Nationalratssitzung zur Debatte
stellt.
Über das von der ÖVP vorgelegte Papier kam es wie Schleinzer sich
nachher ausdrückte zu einer kursorischen Behandlung durch
den Finanzminister. Androsch konterte, dass doch die Materie
zwischen den Gesprächspartnern hinlänglich bekannt sei und er
sich deshalb so kurz gefasst habe. Dass es der ÖVP allerdings darauf
ankommt, dass sie Details mit ihm verhandeln kann, geht Androsch
nicht ein. Seine Taktik ist, er spricht mit dem dafür zuständigen
z.B. den Landeshauptleuten oder Landesfinanzreferenten, nimmt
mit Recht an, dass die ÖVP informiert ist und sagte nur kurz
die Gespräche werden fortgeführt und abgeschlossen. Was das Budget
betrifft, weist er darauf hin, dass im Finanz- und Budgetausschuss
er diesbezügliche Informationen und Diskussionen gehabt hat, das
der Budgetvollzug 1974 aber auch die entsprechenden BÜG wie erwar-
tet im Nationalrat beschlossen werden. Die Lohn- und Einkommens-
steuer ist mit den Interessensvertretungen besprochen und ab-
geschlossen, eine Vorziehung erwähnte er nicht einmal. Die
Telefongebührerhöhung sie im Parlament und würde dort be-
sprochen resp. beschlossen. Kohlmaier versuchte, Klubobmann
Weisz zu einer Erklärung zu bekommen, ob das Parlament bereit
wäre, die Gebührenerhöhung zurückzustellen, damit die ÖVP-Ver-
treter im Aufsichtsrat vom ORF eine diesbezügliche Mitteilung
von ihm bekommen, damit – wie er sich zuerst ausdrückte –
auch die ORF-Gebühren zurückgestellt werden können, im weiteren
Verlauf der Diskussion meinte er dann, dass dies aber keine
Koppelung sein müsse. Scheinbar dürfte die ÖVP doch bereit sein,
im Aufsichtsrat auch ohne eine Zusage, dass die Telefongebühren
nicht erhöht würden, zumindestens über dieses Problem ernstlich zu
diskutieren.
Eine längere Diskussion ergab sich über die Vorziehung der
nächsten Zollsenkungsetappe mit den EG vom 1. Jänner auf den
1.7. Androsch lehnte kategorisch ab und meinte, dies koste
dem Finanzministerium eine Milliarde Schilling Ausfall. Koren
konterte, dass die unmöglich sei, weil die Globalberechnung er-
gibt, dass 6 Mia Zolleinnahmen eine 20 %-ige Senkung bei einem
ca. 50 %-igen EG-Anteil und dies für ein halbes Jahr maximal
500 Mill. herauskommen könne. Ich selbst habe versucht, dann
von diesen Ziffernstreit abzulenken, ich glaube Androsch hat
sich wirklich geirrt, obwohl er dann darauf hinwies, dass man auch
den Umsatzsteueranteil berücksichtigen müsse, der dadurch verloren
geht und verwies darauf, dass eine ganze neue Stellungnahme der
Handelskammer damit eingeleitet wird. Bis jetzt hat die Handels-
kammer mir fast verboten, Zollsenkungsverhandlungen in der EG ein-
seitig zu führen und womöglich Vorleistungen zu erbringen, weil
es unsere Verhandlungsposition in jeder anderen Fall auch erschwe-
ren würde. Solche Verhandlungen müsse man immer unter dem Gesichts-
punkt führen, dass auch wir sofort entsprechende Zugeständnisse
in Brüssel bekommen. Ich freue mich sehr, dass jetzt die Handels-
kammer eine andere Stellungnahme einnimmt, weil sie damit eine
Grundsatz der immer grosse Schwierigkeiten bei den verschiedensten
Verhandlungen gegeben hat, verlässt. Die AK und der ÖGB haben
diesbezüglich schon immer Zollsenkungen und andere Erleichterungen
auch dann wenn wir sie einseitig geben, verlangt. Mock aber auch
Kohlmaier machten einige Mal die Bemerkung, man müsse eben unter-
scheiden zwischen Interessensvertretung und Verhandlungen, hier
seie parteipolitische Aussprache, keine Sozialpartner. Kreisky
fasst dann den Punkt zusammen und meinte, das Finanzministerium
und das Handelsministerium werden nun zum Stabilisierungspapier
gemeinsam eine schriftliche Stellungnahme ausarbeiten und in Kürze
übergeben.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND GEHART: Bitte sich sofort mit Vranitzky
ins Einvernehmen setzen.
Beim Verabschieden habe ich dann Mock aber auch Kohlmaier be-
sonders aufmerksam gemacht, dass ich als Raab-Böhm-Schüler, wie ich
mich immer bezeichne, nicht bereit bin, meine derzeitige Ver-
handlungsmethode und Verhandlungspartnern auch dann, wenn ich
gelegentlich einer Parteienverhandlung zugezogen werde, zu des-
21-0791
avouieren oder zu vergessen. Ich habe die Vereinbarung, die wir
auf der partnerschaftlichen Ebene treffen für zielführender.
Interessant war, dass auch in der Diskussion zwischen Kohlmaier
und Kreisky dieses Problem einmal angeklungen ist. Kohlmaier
meinte, nachdem auch Häuser erklärt hat, dass die Sozialpartner-
ebene sei über die Teilzeitbeschäftigung sowie über viele, andere
Probleme weitestgehendes Einvernehmen erzielt worden, dass dies
nur Vorbereitungsarbeiten sein können. Wenn der Sozialminister
wünscht, dass man diese Probleme auf Sozial- und Wirtschafts-
partnerschaft löst, dann solle man eine genaue Abgrenzung der
Problemstellung durchführen. Scheinbar schwebte Kohlmaier für
die offenen Fragen noch ein Katalog vor, welcher entweder
von den Sozial- und Wirtschaftspartnern oder eben von den
Parteien im Parlament verhandelt werden soll. Kreisky hat sich
sofort eingeschaltet und erklärt, es könne eine solche Abgren-
zung nicht geben. Wenn eine Materie zwischen den Sozial- und
Wirtschaftspartnern besprochen ist, so könne das immer nur
subsidiär gelten. In jedem einzelnen Fall müsse man die Zweck-
mässigkeit einer solchen Vorgangsweise genau prüfen. Sallinger
war über die Auslegung sowohl Kohlmaiers und Mocks Wunsch sicher-
lich nicht sehr glücklich. Diszipliniert, wie er aber ist, hat
er sich dazu nicht gemeldet. Mock und Kohlmaier wollen die
Partei und insbesondere ihre Organisation den ÖAAB stärker
in die Verhandlungen einschalten und lehnen daher seit eh und je
die Sozial- und Wirtschaftspartnerschaft als Verhandlungsebene
ab. Ich werde trotzdem, selbst wenn grösste Bedenken auf beiden
Seiten bestehen sollten, mein System weiter fortführen. Wenn
ich mit der Handelskammer zu einer Lösung gekommen bin, konnte
ich mit Sicherheit annehmen, dass auch im Parlament ein ein-
stimmiger Beschluss über das Problem zustandekommt. Schwierig ist
es eben für mich, zwischen AK, ÖGB auf der einen Seite und LWK
und BHK auf der anderen Seite in all den Fragen einen Akkord
zu erzielen. Ist er aber einmal erreicht, dann hält er die
Lösung viel besser, als wenn ich mit den Parteien zu einem
Übereinkommen komme und dann ein Sozialpartner auf alle Fälle
so verärgert ist, weil ich seine Auffassung dann sicherlich
nicht entsprechende berücksichtigt wird. Natürlich wäre es für die
Wirtschafts- und Sozialpartner leichter diesen Weg zu gehen,
weil sie damit die Verantwortung los wären. Jeder, der nicht
durchgedrungen ist, kann sich dann aufs Parlament ausreden.
Schleinzer versuchte, Androsch klar zu machen, dass eine solche
Art der Verhandlung von Vorschlägen der ÖVP nicht möglich ist.
Kreisky führt diese Verhandlungen sehr geschickt, immer wieder
gibt er der ÖVP die Möglichkeit über alles mit ihm zu reden,
dadurch kann er auch sagen, er hätte in seiner Regierungszeit
dauernd mit der Oppositionspartei verhandelt, während in der ÖVP-
Alleinregierungszeit Klaus ich glaube nur 2-mal den Oppositions-
führer informiert und damit könnte man sagen Verhandlungen geführt
hat. Die Bemerkung von Mock, man solle bei den Dienstposten mehr
sparen und zwar bei der allgemeinen Verwaltung und nicht bei
Lehrern und Polizisten hat Kreisky sofort aufgegriffen und gemeint,
er erwarte von ihm entsprechende Vorschläge. Mock wird in Hin-
kunft immer wieder hören, wo sind ihre konkreten Vorschläge. In
dieser Beziehung ist er ein äusserst gewiefter Taktiker.
Zum Schluss wurde beschlossen, dass Androsch mit Schleinzer einen
Termin für weitere Marktordnungsgespräche-Gesetze im Zusammenhang
mit sämtlichen Wirtschaftsgesetzen suchen wird. Androsch wies
darauf hin, dass zeitlich Horizontdifferenzen bestehen, die Preis-
regelungsgesetze müssten schnell erledigt werden. Für die Markt-
ordnung hätte man länger Zeit.
Im Wiener Vorstand berichtete Nittel über die Verhandlungen Miet-
rechtsänderungsgesetz. Ich konnte mir zum Schluss nicht versagen
und darauf hinzuweisen, dass ich nach wie vor eine radikale Lösung
als die einzig mögliche betrachte. In irgendeiner Form soll das
Mietrecht jedes einzelnen, von mir aus ins Eigentum übergehen
oder in Form von Hausgenossenschaften wahrgenommen werden, um
eine grössere Beweglichkeit auf dem Wohnungsmarkt zu erreichen.
Der Streit, der dadurch entstehen wird, wie er sich ja jetzt
auch beim Wohnungseigentum zeigt, bei Dachreparaturen ist der
im Parterre gar nicht interessiert, dass sie durchgeführt werden,
sicherlich unangenehm, aber ein Teilaspekt, den man vielleicht
lösen kann. Leider hat Ratzenböck jetzt eine ähnliche Lösung in
der ÖVP zur Diskussion gestellt. Ich habe vor einem Jahrzehnt
mit Slavik und einigen führenden Wohnbau-Genossen schon Diskussionen
abgeführt, konnte die insbesondere Wohnungsgenossenschaftler nicht
überzeugen, Slavik war sofort auf meiner Seite, und fürchte, dass
wir auch in Hinkunft so weiterwurschteln werden. Stadtrat Mayr
meinte dann, er wird im Herbst eine generelle Lösung versuchen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Holoubek verständigen und mich
mit ihm verbinden.
Im Wiener Ausschuss berichtete Gratz übe die Bundespräsidenten-
wahl. Da ich mich über den Materialeinsatz und ganz besonders
aber über die schlechten letzten Plakate geärgert habe, habe ich
ganz gegen mein Prinzip mich dort zu Wort gemeldet und daraufhin
gewiesen, dass die Meinungsforscher Blecha jetzt bei den letzten
Wahlen seit Wien aus Erhebungsergebnissen der Meinungsumfragen
drei Wochen und oft noch älter genau vorhergesagt hat. Daraus kann
man schliessen, dass die Beeinflussung der Wählerin den letzten
Woche fast unmöglich ist. Wenn man daher auch um unsere Funktionäre
zu aktivieren weiterhin natürlich Veranstaltungen bis knapp vor der
Wahl bis zum Samstag fortführt, so müsste man nicht unbedingt den
grossen Materialeinsatz dafür aufwenden. Diese meine Anregung stiess
bei dem grössten Teil der Funktionäre auf Ablehnung. Probst meldete
sich sofort und meinte, man müsse also den Wahlkampf bis zur letz-
ten Minute nicht nur mit allem persönlichen Einsatz sondern auch
mit allen Möglichkeiten, die man hat, weiterführen, Er halte gar
nichts von den Meinungsumfragen, er ist z.B. davon überzeugt, dass
der Fehler, den Lugger gemacht hat, dass er nach Favoriten auf
die Märkte gekommen ist, wo es bekanntlicherweise dann auch zu
Tätlichkeiten gekommen ist, der ganze Einsatz knapp vor der Wahl
für das gute Ergebnis in Favoriten entscheidend ist. Favoriten hat
wirklich eine gigantische Leistung erbracht, indem es über 75 %
Stimmen für Kirchschläger aufbrachte, trotzdem glaube ich, dass
weder der Streit, der in Wirklichkeit nur für ein paar Aktivisten
und vielleicht für ein paar Radikale eine klasse Sache war, noch
der übermässige Materialeinsatz die Entscheidung herbeigeführt
haben. Niemand wird einen schlüssigen Beweise wirklich erbringen
können.
Die Verhandlungen in der poln.-österr. Gemischten Kommission
zeichnen sich dadurch aus, dass die Polen scheinbar nicht einmal
einen Minister schicken, dafür aber mit einer 18-köpfigen Dele-
gation kommen, um in Arbeitsgruppen für den Besuch des Minister-
präsidenten Jaroszewicz sehr konkrete Vorbereitungen für Ver-
tragsunterzeichnungen erreichen möchten. Dies gilt von den Ener-
giefragen, gemeinsames Elektrizitätswerk in Polen bis zu den
Zollermässigungen für Kooperationen. Von unserer Seite hat es
Schwierigkeiten mit der Besetzung der Arbeitsgruppen gegeben.
Für Energiefragen nominierte ich Frank, für die allgemeinen
Fragen Fälbl, Schwerindustrie, Maschinenbau und Chemie wollte
sich in allen drei Gruppen Zembsch melden, seine Arbeitsmethode
ist, eine erste Besprechung abzuführen und dann Fachverband
der Handelskammer das Ganze zu übertragen und der Fachverband
dann wieder die ganze Delegation womöglich einzelnen Firmen-
vertretern gegenüberstellt. Zembsch kann dann unmöglich die ganzen
Verhandlungen besuchen geschweige denn führen, sodass damit unsere
Tätigkeit sofort in die Hände der Handelskammer übergeht. Die
Ministerialbürokratie entwickelt ein ungeheuer feines System, wie
sie ununterbrochen scheinbar an der Spitze die Entscheidungen
trifft, wie sie sich als Leiter von Arbeitsgruppen ins richtige
Licht setzt, die Arbeit aber gar nicht führen kann, weil sie
gleichzeitig in mehreren Ausschüssen tätig sein müsste. Für die
Handelskammer ist dieses System sehr angenehm. Die Fachverband
sind die entscheidenden Gremien, es wird auch wirklich über
konkrete Vorschläge und Probleme verhandelt, das Ministerium ist
formell zwar die wichtigste Stelle, weiss aber nichts, ist womöglich
bei den Verhandlungen nicht einmal dabei und wird damit de facto
ausgeschaltet. Die Firmen selbst, die dann von den Polen kontaktiert
werden, müssen das Gefühl, dass maximal die Handelskammer ihre
Interessen vertritt, so entsteht dann der Eindruck, dass die Büro-
kratie erstens einmal wirklich für nichts gut und zweitens einmal
sich ja nur dann in Szene setzt, wenn es eben gilt zu repräsentie-
ren. Zembsch war scheinbar nur widerwillig bereit, von diesem
System abzugehen. Er hat mir zwar zugesagt, er wird für die Chemie
den Branchenreferenten Fellner bestellen, doch bin ich überzeugt
davon, dass er nachdem er mit jeweiligen Stundenintervallen die
Ausschüsse festgesetzt hat, an seinem System festhalten wird.
Einleiten, delegieren und sich dann berichten lassen, erster Aus-
schuss erledigt, einleiten, delegieren, berichten lassen, zwei-
ter Ausschuss erledigt, einleiten, delegieren, berichten lassen,
dritter Ausschuss erledigt. Wenn die Berichte aber von der
BHK nur sehr sporadisch erfolgen, wenn er überhaupt über die Pro-
bleme, die die einzelnen Firmen mit den Polen haben, nichts weiss,
stört ihn dies wahrscheinlich sehr wenig. Für einen Tätigkeits-
bericht oder vielleicht gar für eine Aufstellung was wir
alles an Kooperationen machen, genügt dies vollkommen, von der
ursprüngliche Idee, Service für die Wirtschaft zu leisten, ist
dabei nicht zu spüren, Die ganzen Handelsvertragsverhandlungen
21-0795
widern mich mit der Zeit an. Diese formellen Besprechungen, die
auf Beamtenebene, oder wenn man sogar will, auf Ministerebene
geführt werden, sind vollkommen nutzlos. Ich weiss, dass sie
die Oststaaten brauchen, weil ihre Bürokratie dies verlangt
und wahrscheinlich damit auch nur die Auslandsreisen begründen
kann. Dass dies aber auf unserer Seite nicht viel anders ist,
erschüttert mich. Die Branchenreferate müssen sich ja viel
mehr einschalten und viel aktiver sein. Die Beratung der Firmen
müssten sie dann auch tatsächlich mehr über deren Einzelprobleme
wissen, nur durch solche Detailinformationen bekommt man erstens
einen besseren Ruf in der Branche und zweitens kann man dann wirk-
lich das eine oder andere Mal den Unternehmern helfen.
Ich hatte Gelegenheit jetzt spät abends zu erfahren, dass die
Zuckermengenauslieferung von den Fabriken in der letzten Zeit
ein wenig zurückgegangen ist. Bekanntlich gibt es grosse Sorgen,
ob wir, wenn jetzt bekannt wird, dass eine Preiserhöhung doch
erfolgen wird, den Hamsterkäufen Paroli bieten können. Wenn wir
nämlich nicht ein gewisses Lager haben, kann es zu örtlichen
Versorgungsschwierigkeiten kommen. Ich bin überzeugt davon,
niemand kümmert sich derzeit im Hause um die Zuckerauslieferung
und über den Lagerstand. Wenn es zu einer Knappheit kommen wird,
wird es so wie bei Öl sein.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Branchenreferat soll sofort Detailarbeit auf-
nehmen, Wochenmeldungen vorlegen.
Tagesprogramm, 24.6.1974
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)