Freitag, 31. Mai 1974
Kreisky wegen der Mitgliedschaft Kirchschlägers zur Vaterländischen
Front und ÖVP in Moskau von einem Reporter gefragt, meint als
Entlastung vollkommen unerklärlicherweise, dass sich auch Benya
seinerzeit um Aufnahme in die Vaterländische Front beworben hat.
Dies empört mich wirklich, denn ich erinnere mich nicht mehr über
den Zusammenhang aber vor 10 Jahren als der Streit mit Olah begann
hat mich Benya genau informiert. Um mich über die Details zu infor-
mieren, besuche ich Benya und stelle an Hand von Unterlagen fest,
dass er genau dasselbe getan hat was auch ich zu dieser Zeit tat,
Er war illegal bei Ingelen in einer Betriebsgruppe, genau wie ich
dann nach Staatsschutzgesetz angeklagt und nach seiner Haftentlassung
um wieder arbeiten zu können ein Ansuchen an die Vaterländische Front
um Aufnahme gerichtet. Olah hatte sich als Innenminister dieses Ma-
terial verschafft, wie ja überhaupt führende Funktionäre damals dis-
kriminieren wollte. Das Verhalten Benyas entsprach den damaligen Grund-
sätzen der illegalen Arbeit, dies mit Kirchschläger zu vergleichen,
finde ich vollkommen unverständlich. Ich empfahl Benya diesen Sach-
verhalt in der Öffentlichkeit einmal aufzuklären, weil ansonsten seine
Freunde die die Details nicht kennen, nur verunsichert werden. Für
die jungen Leute ist die Zeit nach 1934 ja nur mehr Geschichte. Für ältere
Genossen aber besonders die die in der illegalen Zeit irgendwelchen
Kontakt zu jemandem gehalten haben, ist dies vielleicht noch eine hi-
storische Periode. Wenn sie deshalb nur so Äusserungen lesen und
nicht den wahren Sachverhalt kennen, können sie an Benya irre werden.
Dies hat er aber wirklich nicht verdient.
Die Chemie-Linz Gen.Dir.Buchner und Dr. Rimski hatten mich ersucht,
ich sollte für den Bayer-Vorstandsdirektor Meyerheim einen öster-
reichischen Orden erwirken, weil sie mit diesem Chemie.Giganten
gute Beziehungen und Geschäfte haben und für den weiteren Ausbau
dies förderlich sei. Nach der Ordensüberreichung diskutierten wir
die wirtschafltiche Situation. Meyerheim glaubt, dass für die Chemie
eine sehr gute Konjunkturaussicht besteht. Obwohl es andere Branchen
gibt, die in der BRD jetzt momentan nicht sehr günstig liegen, ins-
besondere die Autoindustrie, die Gummi-Industrie dadurch und die
Bauwirtschaft. Bayer selbst verhandelt mit Iran jetzt um nach der
Idee vom Schah nicht nur dort dass die Deutschen eine Raffinerie
21-0674
bauen sondern auch anschliessend chemische Betriebe. So sollen für
100.000 t der Rohstoff für Perlon in Iran erzeugt werden. Die chemische
Projekte sich ähnlich wie bei unseren Verhandlungen über Edelstahl-
werke überdimensioniert für den Bedarf des Iran und sollen daher durch
Export die Überschussmengen absetzen. Hauptproblem ist, dass die
deutsche chemische Industrie von der iranischen Seite das Öl zu entspre-
chenden Preisen geliefert bekommen müsste, damit sie gewinnbringend er
zeugen kann. Der iranische Markt ist deshalb so interessant, weil er
durch absoluten Zollschutz resp. Einfuhrsperren gesichert ist
Buchner interessierte sich für dieses Problem nicht zuletzt des-
halb, weil er noch immer hoffte, dass es gelingt, eine zweite Raffi-
nerie mit Iran in Linz zu erbauen.
Mit Dipl.Kfm. Rath von Eskimo-Iglo wurde zwischen Schmidt/ÖGB, Welser
und Wais Preisabsenkungen für Tiefkühlware vereinbart. Bei diesen Ver-
handlungen zeigte sich für mich deutlich, dass wir in Wirklichkeit
nur als Katalysatoren wirken. Die Firma war bereit, für Familien-
packungen Speiseeis aber auch für Spinat Aktionen mit wesentlichen
Preissenkungen 20 % und mehr ihre Zustimmung zu geben. In diesem Fall
muss aber der Handel die Differenz mit der Firma Eskimo teilen.
Wenn also der Eispreis von 13.- auf 9.90 gesenkt wird, so trägt
die Hälfte Unilever und die Hälfte die nachfolgenden Handelsstufe.
Für solche Aktionen kommen natürlich primär Handelsketten, Gross-
abnehmer usw. in Frage. Wenn wir erst einmal die erste Runde Preissen-
kungsaktion durch haben, brauchen wir nur versuchen, solche neue
Verkaufsmethoden eventuell in Branchen einzuführen, die dies bis
jetzt nicht getan haben. Da die Presse über unsere Aktivität bis jetzt
so wenig berichtete, hat sich dann Koppe, Wais und Welser hinter die
Zeitungen geklemmt um der ganzen Aktion mehr Publicity zu geben.
Momentan hatten wir unsere Politik schlecht verkauft. Vielleicht
war es aber ganz gut, dass wir am Anfang nicht gleich grosszügig
ankündigten, was wir alles tun werden, sondern erst jetzt im Zuge der
tatsächlich möglichen Abschlüsse die Redakteure viel mehr davon
überzeugen, dass es sich hier nicht um eine Eintagsfliege handelt
sondern wirklich um eine längerfristig angelegte Aktion.
Mit dem Brennstoffhandel, Komm.Rat Steidl, und Vertreter der Gas-
koks und anderen Firmen verhandelte ich die Kohlenpreissenkung. Für
Briketts wurden 20.- S pro Tonne sofort zugestanden, doch für Kohle
21-0675
wollte man dies nur für polnische Kohle in Wien einschränken.
Hier gelang ein weiterer Erfolg, weil ich erklärte, es ist un-
möglich, dass wir regional differenzieren. Interessant war bei
dieser Aussprache, dass Dr. Widhalm, der Gremialsekretär, so
schlechten Kontakt zu Dr. Messinger, Fachgruppensekretär der
Ölbranche, hat, dass dieser ihm nicht einmal noch die Information
über den Beschluss der Ölpreissenkung mitgeteilt hat. Ich
hätte es nicht für möglich gehalten, dass eine so schlechte Koordi-
nation in der Bundeskammer erfolgt. Die Kohlenhändler sind über-
haupt auf die Ölbranche böse, weil sie seinerzeit die Heizöl-
letztverbraucherversorgung organisiert und übernommen haben und
ganze miese Spannen angeblich bekommen. Sicher ist, dass in Wien
bis 1938 4.000 Händler, in der Nazizeit dann die Bereinigung
erfolgte auf 1.200 Händler, in den Sechzigerjahren noch 700
derzeit nur mehr 320 Händler existieren. Die gehören grösstenteils
schon der Gaskoks, und die muss sich bemühen, sie auf alle Fälle
aufrechtzuerhalten. Eine Reorganisation des Wiener Kohlenhandels,
die wir immer angestrebt haben, hat sich nun in der Konkurrenz auto-
matisch ergeben. Allerdings wurde nicht der Importstrecken oder
Grosshandel ausgeschaltet sondern es gingen die Kleinhändler zugrun-
de. Ein ähnliches Ergebnis können wir auch beim Lebensmittelhandel
feststellen. Dieses Phänomen gehört in Wirklichkeit untersucht
und die Entwicklungstendenzen festgestellt.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Diskutiert in der Grundsatzgruppe dieses
Phänomen und macht entsprechende Vorschläge.
Der malaysische Vizehandelsminister Mesa Hitan offerierte uns,
dass Unternehmer nach Malaysia kommen sollten, um know how
und ganze Fabriken zu importieren ohne dass sie Kapital dafür
benötigen. Der malaysische Kapitalmarkt könnte eine Finanzierung
auch von Grossprojekten ohne weiteres gewährleisten. Für mich war
dies äusserst überraschend. Im Konkreten wollte der Handelsrat
dann wissen, wann die malaysischen Stoffdrucke als handicraft
unter unsere Zollbefreiung fallen. Willenpart wird auf Grund von
jetzt durchgeführten Untersuchungen nach dessen Abschluss ihm die Ein-
zelheiten genau mitteilen.
Bei den Verhandlungen mit der rumänischen Delegation stellte sich
heraus, dass die Zusammenarbeit zwischen Vöest und den rumänischen
Firmen bei der Errichtung der Raffinerie in Syrien anders läuft,
als Avram gehofft hatte. Er ersuchte mich, ich sollte dort neuer-
dings intervenieren, was ich tat, Ing. Weber von der VÖEST hat mir
aber erklärt, dass die Rumänen glauben, die VÖEST würde ein Unter-
lieferant sein, während die VÖEST maximal ein Kooperation mit Rumänien
bei der Raffinerie-Errichtung in Syrien akzeptieren könnte und
würde. Der rumänische Vizepräsident der Gemischten Kommission hat in
der Zwischenzeit mit der SGP-Leuten Verhandlungen geführt und triumphie-
rend berichtet, sie seien mit der Firma einig. Ich glaube die Rumänen
waren sehr erstaunt, als ich ihnen sagte, ich gratuliere, dieses
ist der Vorteil des österreichischen Konkurrenzsystems, sie können
zwischen mehreren auswählen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Zembsch soll den wahren Sachverhalt feststel-
len.
Betreffend das grosse Kanal-, Schiffahrts- und Hafenprojekt, das
bis jetzt primär, wie mir Avram zuerst erklärte, an der Finanzierung
scheiterte, hatte ich auf Wunsch Avram mit Haschek von der Kontroll-
bank vereinbart, dass er bereit wäre, Besprechungen mit rumänischen
Vertretern zu führen. Als ich diesen Vorschlag machte, war interessant,
dass Avram meinte, die endgültigen Projekte würden erste im dritten
Quartal vorliegen, sodass man erst gegen Jahresende konkrete finanziel-
le Besprechungen aufnehmen könnte. Als dritter spezifischer Wunsch woll-
te Avram, dass wir bei der Firma Kohmeier eine weitere finanzielle
Garantie übernehmen über die Exportfinanzierung hinausgehend. Hier
erklärte ich rundweg, dass ich dafür keine Möglichkeit sehe, konnte
mich aber auf das Finanzministerium ausreden, weil dort ausschliess-
lich eine solche Kompetenz liegen würde. Bezüglich des Wunsches der
Rumänen, Dieselloks zuliefern, die für die GKB nötig werden, hatte
ich mit Lanc gesprochen und dieser mir mitgeteilt, dass eine Aus-
sprache zwischen ihm und dem rumänischen Botschafter Aninoiu im
Juni erfolgen wird.
Bei der Schlussbesprechung und Unterzeichnung konnten wir dann das
Fremdenverkehrsabkommen paraphieren, der zehnjährig langfristige
Vertrag scheitert noch immer daran, dass die Rumänen irgendeine
Formulierung wegen der Zollbegünstigung bei Kooperationsgeschäften
verlangen. Hier können wir aber im Vertrag keine wie immer gearteten
Zugeständnisse machen.
Die Rumänen müssen sparen und haben deshalb an Stelle des Gegen-
essens einen Empfang in ihrer Botschaft gegeben. Eine sehr ver-
nünftige Einrichtung. Dort traf ich auch Gen.Sekretär Marquet,
der mir immer wieder durch sein Wissen und sein Interesse und
vor allem durch seinen Fleiss imponiert. Dass man diesen Beamten
jemals hatte von Handelsministerium weggehen lassen, ist mir
ein Rätsel. Scheinbar ist aber in diesem Ministerium der CV
so stark gewesen, dass man eben nur nach deren Zugehörigkeit und
nicht nach der Tüchtigkeit gefragt hat. Nur so ist es mir auch er-
klärlich, dass man jetzt angeblich für Schipper-Nachfolge Min.Rat
Böhm bestimmt hat, der wie man erzählt, eine ehrgeizige Frau
aber kaum ein besonderes Wissen, geschweige denn einen überwälti-
genden Fleiss hat. Wenn der CV langfristige Personalpolitik be-
triebe, hätte er müssen für das Präsidium schon einen Mann auf-
bauen, der nicht nur ungeheuer intelligent und fleissig sein
müsste sondern auch Aktivität hätte entfalten müssen. Der Prä-
sidialchef ist in meinen Augen ein so bedeutender Posten, der allein
schon, wenn er das gesamte Ministerium koordiniert, die Schlüssel-
stellung besitzt. Da die Besetzung der Präsidialsektion erst
1976 erfolgt, brauche ich mit endgültig noch nicht den Kopf zu
zerbrechen. Sicher ist nur eines, dass wir auf alle Fälle einen
überragenden Mann auf diese Position ringen müssen. Dabei wird es
nir keinesfalls darauf ankommen, einen guten Personalrechtler
zu finden, sondern eben den dynamischen Koordinator, der gleich-
zeitig auch die Reorganisation des Handelsministeriums, die drin-
gend notwendig ist, durchführt.
Tagesprogramm, 31.5.1974