Samstag, der 20. April 1974

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Samstag, 20. April 1974

Die Bundesvorstandssitzung in Neudörfl, wo vor 100 Jahren die Radikalen
einen ersten sogenannten allgemeinen Delegiertentag abgehalten haben,
die Gemässigten sind damals gar nicht dabei gewesen, hatte den
gesamten Bundesvorstand aber auch viele Landesvertreter und vor
allem einmal Burgenländer in Neudörfl vereinigt. Kery und Kreisky
sollten die Begrüssung halten und Prof. Stadler von Renner-Institut
einen Bericht über die Ergebnisse der Historiker-Tagung. Natür-
lich hat Kreisky dann nicht die Begrüssung gehalten sondern eben
ein wie ich glaube sehr zweckmässiges Schlusswort. Dies hat aller-
dings Pittermann wieder veranlasst, der neben mir gesessen ist, zu be-
merken, dass mna sich eben so wie immer nicht an die Einladung
hält. Ich kann mir vorstellen und ihm nachfühlen, dass er natürlich
noch immer ein wenig über die Art wie er die Parteiführung abgeben
musste, verbittert ist. In einigen kritischen Bemerkungen, die er
mir gegenüber machte, hat er allerdings recht. Er verwies darauf,
dass wir immer noch auf der WElle Jugend, Jugend und wieder Jugend
agierne, obwohl die älteren Genossen und Wähler jetzt mit der Zeit
schin darüber sehr verärgert sind. Er ist auch in der Alten-Bewegung
Pensionisten und nicht zuletzt sein eigener Verein der ausgedienten
Mandatar tätig und hört natürlich immer dortbesonders den Hinweis,
wie sehr man die Alten vernachlässigt. In diesem Punkt hat er recht.
Eine zweite wichtige Frage, die ich mit ihm besprach, war die
Probleme der Präsidentschaftskandidatur. Er steht auf dem STnad-
punkt. es müsste unbedingt Kreisky kandidieren, Kirchschläger
hätte nach seiner Meinung keine wie immer geartete Chance gegen
Withalm durchzukommen. Die ÖVP würde sofort dann im Wahlkampf
darauf hinweisen, dass wir bei den letzten Wahlen, wo die ÖVP einen
nichtparteipolitischen Kandidaten aufgestellt hat, dagegen heftigst
argumentiert haben, jetzt stellen wir einen Nicht-Sozialisten auf
und wir würden daher die Retourkutsche bekommen. Alles was wir
gegen Waldheim vorgebracht haben, würde jetzt die ÖVP f
gegen Kirchschläger im Wahlkampf vorbringen. Darüber hinaus be-
fürchtet Pittermann, dass wenn wir verloren haben, dann innerhalb
der SPÖ ein furchtbarer Streit beginnen wird und wir diese Niederla-
ge kaum verkraften werden. Verliert dagegen Kreisky gegen Withalm
was er auch kalkuliert, dann würde die Partei nur noch enger zusammen
rücken und sagen, diese Niederlage müssen wir 1975 auf alle Fälle


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wieder gutmachen. Pittermann ist also sehr pessimistisch und rechnet
fast in jedem FAll auf eine Niederlage. Ich versuchte, ihm ausein-
anderzusetzen, dass inWirklichketi doch die Entscheidung schon
längst gefallen ist. Alle bedeutenden Gruppen haben sich für Kirch-
schläger
ausgesprochen, bei uns im Bezirk und in unserer Lebensmittel-
gewerkschaft hatte ich feststellen können, dass ganz unverbindlich
natürlich wenn diese Frage zur Diskussion gekommen ist. die über-
wältigende Mehrheit für Kirchschläger gewesen ist, es waren höchstens
immer ein oder zwei Diskutanten dagegen, alerdings weiss man wieder
nicht, was die schweigenden dazusagen und die Meinungsumfragen erge-
ben auch ein eindeutiges Bild für Kirchschläger und einen überlegenen
Sieg gegen Withalm. Die Idee von angeblich einzelnen Genossen, die
Benya kandidieren wollen, hält er auch für ganz unmöglich. Seiner und
uach meiner Meinung nach hat ein Vertreter einer Interessensgruppe, auc
dann wenn er vom Gegner noch so positiv herausgestrichen wird, kaum
Chance ein solches Mandat zu erreichen. Hier würden doch die anderen
Interessensgruppen mit Recht gegen ihn polemisieren, dass er doch
immer nur die Arbeiterinteressen allein vertreten hat.

Durch reinen ZUfall habe ich dann bei der Rückfahrt, ohne dass wir
diese Strecke fahren wollten, die Bundesstrasse 17 benützt und bei
der Baustoffhandlung Abt gesehen, dass noch die Festmusikkapelle
spielt. Ich habe deshalb sofort so wie wenn ich es vorgesehen hätte,
Abt einen Besuch abgestattet und ihm zur Neueröffnung seines Büro-
hauses herzlichst gratuliert. Er war mindestens o überrascht wie ich
vorher, dass zum selben Zeitpunkt eigentlich, da der Parteivorstand
in Neudörfl war, auch seine Eröffnung noch von mir besucht werden
konnte. Ursprünglichwar es ja geplant, dass ich eröffne, dann aber
durch die Griesskirchner Bezirkskonferenz als unmöglich bezeichnet,
und jetzt durch den Ausfall der Grieskirchner Konferenz und das Abhal-
ten des Bundesparteivorstandes wieder eine mÖglichkeit, ihn zumindesten
zu besuchen.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Nicht als Kritik, denn man kann nicht alle
Möglichkeiten immer im Kopf behalten, wie
hätten wir wirklich diese Kombination vorsehen
sollen und nicht dem reinen Zufall über-
lassen?

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Tagesprogramm, 20.4.1974


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