Dienstag, 26. März 1974
In der Ministerratsvorbesprechung hat mich Heinz Fischer vom Klub
ersucht, ich möge ihm Unterlagen für einen Rednerdienst über die
Preisentwicklung geben. Er hat bei einer Propagandasitzung mit
Heinz Brantl und anderen erwähnt, dass ich auf der Bezirkskonferenz
in Rudolfsheim, er ist dort Mandatar, seiner Auffassung nach ein
so gutes Referat gegen die Preiserhöhung und ERklärungen darüber
abgegeben habe, dass er vor Begeisterung darüber berichtete.
Koppe sagt, alles artet in Arbeit aus und deshalb hat man ihn
sofort ersucht, er möge einen entsprechenden Rednerdienst verfassen
ANMERKUNG FÜR WAIS UND Koppe: Bitte, ihm alles Zahlenmaterial zur
Verfügung zu stellen.
Kirchschläger habe ich von der beabsichtigten Verordnung auf Grund
des Antimarktstörungsgesetzes – Strumpfhosen aus Israel – berichtet
und seine aussenpolitische Meinung dazu verlangt. Kirchschläger
hat grösste Bedenken, diese Verordnung nur gegen Israel allein
zu erlassen, da er mit Recht dsagt, das wird die ganzen Bemühungen
von Kreisky und ihm über eine Befriedung der Beziehungen zu
Israel stören. Er ist mit meinem Vorschlag sehr einverstanden,
mit dem Botschafter und Handelsrat übereine eventuelle frei-
willige Selbstkontrolle Israels zu sprechen. Ich habe über
diese Vorgangsweise nachmittags auch Dr. Gleissner von der Handels-
kammer informiert und er hatte zugegeben, dass dies eine vernünftig
und zweckmässige Regelung ist. VOr allem soll zumindestens der
Versuch gemacht werden, den israelischen Botschafter und Handelsrat
davon zu überzeugen, dass wir die Verordnung, wenn es dann gar
nicht anders geht, erst erlassen, wenn eben ihre Bemühungen nicht
erfolgreich sind.
Im Ministerrat hat Androsch über die Vereinbarung mit der Austro-
Ferngas berichtet, wonach jetzt zwischen ihm und der Gesellschaft
ein befriedigendes ERgebnis über die finanzielle Beteiligung er-
reicht werden konnte. Androsch glaubt damit die Entwicklugn auf dem
Gassektor, wie wir sie in der E-Wirtschaft haben, starke Landes-
gesellschaften im Gegensatz zu der Verbundgesellschaft, verhindern
zu können. Der Bund meint, er hat jetzt entsprechende Möglichkeiten
des Einflusses. Ich teile diese Meinung nicht.
ANstelle der Austro-Ferngas hätte ich unverzüglich, als die bezüg-
lichen Wünsche des Bundes an mich herangetragen worden wären, sofort
zugestimmt, weil ich dadurch eine finanzielle Entlastung meiner
eigenen Länderbeteiligungen erreicht hätte. Der Einfluss des Bundes
kann meiner Meinung nach nur minimal sein, da letzten Endes bald
feststehen wird, dass die Länderbeteiligungen ausschliesslich den
einzigen Sinn haben, billiges Gas für die einzelnen Länder zur Ver-
fügung zu stellen. Ich stelle mir vor und wäre eigentlich sehr verwund
dert, wenn dies nicht der Fall ist, dass alle anderen Absichten
vor allem einen Profit in dieser Gesellschaft zu erwirtschaften nicht
das Hauptziel dieser Organisationsform ist. Der Bund wird also
hier grosse Belastungen auf sich nehmen müssen. Vielleicht aber irre
ich mich und auf lange Sicht gesehen hat Androsch recht, wir werden
sehen.
Die Bauernbesprechung mit den Freiheitlichen Allgemeinen Bauernverband
und Arbeitsbauernbund begannne damit, dass Kreisky natürlich mehr an-
bieten musste als gestern abends. Da Kreisky selbst eingesehen hat,
für dne Erzeugerpreis gibt es keine Steigerung mehr, hat er ihnen
sofort statt 50 Mill. Treibstoffverbilligung zusätzliche 70 Mill. S
zugesagt. LAbg. Zillner von den Freiheitlichen hat sofort den Käserei-
tauglichkeitszuschlag oder Siloverzichtszuschlag zur Sprache gebracht,
wo die Freiheitlichen 20 Groschen verlangten und dann bereit waren,
auf 10 Groschen zurückzugehen. Kreisky hat in weiterer Folge auch
diesen Vorschlag akzeptiert. Darüber hinaus wollte Zillner aber
auch naütrlich der Allgemeine Bauernverband eine dezidierte Er-
klärung, dass Milchkrisengroschen in den nächsten Monaten zumindestnes
nicht erhöht wird. Hier hat Kreisky allerdings nicht nachgegeben.
Wenitsch vom Allgemeinen Bauernverband hat erklärt, er könne von seine
ursprünglichen Forderung 1.- S Erhöhung deshalb nicht abgehen, weil
auch dieser Antrag nicht geprüft ist. Meine Entgegnung, dass ich
einen solchen Antrag gar nicht erhalten habe, erwiderte er, er
wird mir sofort einen solchen schicken und wünscht, dass dann darüber
weiter verhandelt wird. Die Überlegungen, die jetzt von SEiten Kreis-
kys angestellt werden, liefen darauf hinaus, dass er erkennen musste,
dass die Bauernverbände ausser dem Arbeitsbauernbund letzten Endes
nicht zustimmen werden, da auch die Freiheitlichen mindestens 35 Gro-
schen Erzeugermilchpreis wie der Arbeitsbauernbund verlangen. Eine
Pressekonferenz übergab er mir den Vorsitz und es war klar, dass
eigentlich damit der VErsuch, die anderen zur Zustimmung zu bringen,
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als gescheitert betrachten musste. Das Endergebnis dieser sehr kom-
plizierten Verhandlungsführung war, wie ich es auch ursprünglich
gar nicht anders erwartete, dass eine gegenseitige Lizitation nach
oben erfolgen wird, die optisch zwar dazu führte, dass der Bauern-
bund ausgeschaltet war, aber damit noch lange nicht die Möglichkeiten,
die der Bauernbund hat von der Regierung angefangen werden konnten.
Typisch dafür ist, dass die Unternehmervertreter bie den Verhandlungen
über die Lohnerhöhung der Molkerei-Arbeiter eine Weisung vom Bauern-
bund haben, dass solange nicht eine befriedigende Regelung über den
Milchpreis für dne Erzeuger erfolgt und ganz besonders sicherlich
acuh nicht über die Verbraucherpreisregelung, keine konkreten Detail-
verhandlungen über eine Lohnregelung zustandekommt. Das Endergebnis
ist, dass wir erstmalig zu keiner weiteren Verhandlung kommen können
und deshalb die Molkereiarbeiter jetzt in NÖ mit einem starken ÖAAB-
Einfluss zum Streik griffen. Die Sprachregelung bie uns in der Ge-
werkschaft ist, dsss es sich hier nicht um einen Streik handelt, sonder
um Protestaktionen, nicht zuletzt deshalb, weil wir eben nur bei
der Milchindustrie den Vertrag gekündigt haben. Bis jetzt war näm-
lich möglich und üblich, dass wir ohne eine Vertragskündigung ausgekom
men sind und immer unsere Lohnbewegung befriedigt abschliessen konnten.
Diesmal hat sich eine ganz besondere Schwierigkeit, eben aus der poli-
tischen Konstellation ergeben.
Min.Rat Kurzel und Hofrat Lechner vom Milchwirtschaftsfonds fragten
bei,mir an, wie sie jetzt die zukünstige Verbraucherpreisgestaltung
errechnen sollten, wenn die einzelnen Unterlagenelemente insbesondere
die Löhne noch nicht feststehen. Ausserdem depo-ierte Lechner,
dass es für ihn unmöglich- ist, den Erzeugerpreis mit 1. April
festzusetzen und gleichzeitig auch die Verbraucherpreise. Die Rechen-
operationen dauern einige Tage und er ist ausserstande, diese jetzt
noch vor dme 1. April drchzuführen. Ich erklärte Kurzel dezidiert,
dass man auf Grund der seinerzeitigen proximativen Berechnungen
des Milchwirtschaftsbüros, d.h. die inoffiziellen Ziffern als
Grunlage nehmen sollte un den Verbraucherpreis für die Milch
von 5.20 auf 6.- und 4.- S Zuschlag bei Butter und Käse – Emmentaler –
berechnen sollte. Die anderen Preise könnte man dann im weiteren
VErlauf der Anpassung ab Montag durchführen. Da der Erzeugerpreis
auf alle Fälle mit 1. April festgesetzt wude, die Regierung ist
sich darübereinig und wünscht diesen Termin, muss auhc jetzt
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zumindestens ein Teil der Verbraucherpreise versucht werden zu
fixieren. Für mich ist ganz klar, was die Bauernvertreter, Bauern-
bund insbesondere, wünscht, ist eine chaotische Regelung ab 1.4.
Man wird dann dezidiert erklären, das Handelsministerium war nicht
fähig, die notwendigen Berechnungen und insbesondere den Preiserlass
zeitgerecht zu verfügen. Eine wirklich teuflische Situation für mich.
Die Vorbesprechung mit Dr. Gleissner und dem Handelsdelegierten
in Berlin ......... ergaben, dass dieser nicht dezidiert eine Änderung
der Liefermöglichkeiten von Österreich in die DDR auf dme Konsumgüter-
sektor verlangt hat. Richtig ist, dass die Bundeskammer und natür-
lich auch das Handelsministerium nicht gerade glücklich darüber
sind, dass die DDR ganz bestimmte Exporteure und Importeure nur für
ihre Warenlieferungen heranzieht. Da wir aber froh sein müssen, wenn
wir Schuhe z.B. in die DDR exportieren können, gibt es keine anderen
Chancen als eben die Firma Dr. Krause einzuschalten, eine Tarnfirma
der DDR, die auch dann entsprechende finanzielle Abwicklungen hier
in Österreich aus dem Profit, den sie zieht, durchführt. Wie weit
die kommunistische Partei tatsächlich unterstützt wird, entzieht
sich unserer Kenntnis. ICh glaube aber gar nicht entscheiden, die
Schuhindustrie würde sich schwer dagegen aussprechen, wenn durch
entsprechende Einschaltung z.B. von der Fa. Pisec die Exporte gefähr-
det wären. Der Handelsdelegierte Kastez allerdings eklärte dezidiert,
dass er niemals die Firma Pisec gegenüber dem Staatssekretär Beil oder
auch andere DDR-Stellen erwähnt hätte. Pisec soll nur seinerzeit im
DDR-Handel eingeschaltet gewesen sein und es nicht überwunden haben,
dass eben jetzt aus dem Geschäft er hinausgeflogen ist.Von Pisec
wurd behautpet, dass er gerade bei meinem Amtsvorgänger sehr gut ins
Geschäft gekommen ist und deshalb jetzt sich natürlich vernachlässigt
fühlt, weil ich keinerlei Interesse daran habe, eine gewisse Firma in
der DDR zu forcieren oder auch in einem aNDEREN Oststaat zu forcieren.
Für mich ist ausschliesslich entscheidend, dass es zur Abwicklung der
Geschäfte kommt, wer dabei verdient, interessiert mich nicht.
Die Besprechung mit Gleissner hat auch ergeben, dass die Handels-
kammer zwar wünscht, dass in Hinkunft in den Verträge keine womög-
liche Kontingenteinteilung der einzelnen Warengruppen erhalten
bleibt, damit sie die Chance hat, merh Konsumgüter z.B. zu liefern.
Wenn die DDR-Seite auf diesen Vorschlag nicht eingeht, dann würden wir
uns mit Indikativ-Liten wie im sowjetischen Vertrag begnügen.
Gleissner war mit dieser Lösung nicht sehr einverstanden,
hat allerdings auch keinen besseren Ausweg gewusst. Die ganze
Frage kam aber bei der ersten Aussprache mit Beil gar nicht zum
Tragen. Beil selbst hat sich insbesondere darauf berufen, dass eben
der Vertrag von mir in Berlin unterzeichnet wurde, der DDR-Österreich
Handel auch nach deutscher und österreichischer Statistik sich sehr
gut entwickelt hat. Beil hatte insbesondere darauf hingewiesen, dass
jetzt von der DDR mehrerere Kooperationsabkommen nicht nur mit der
VÖEST sondern auch mit Andritz und Voith sehr konkret besprochen
und abgeschlossen wurden. Beil kennt unser SYstem sehr genau
weil er gleich einleitend bemerkte, er wird jetzt seine Konzeption
und seine Vertragspolitik darlegen und ganz besonders auf die
einzelnen ERgebnisse eingehen, weil, wie er sich vornehm ausdrückt,
anzunehmne ist, nach unserem System die Informationen beim
Handelsministerium nicht so gut sind wie eben der DDR zur Verfügung
stehen. Beil erwähnte, dass jetzt mit 200 Mill. S und fest abge-
schlossene Drittlandgeschäft für Mauretanien und die neuen Ver-
suche für Guinea und andere afrikanische Staaten. Beil meinte auch,
dass jetzt die DDR die etnsprechenden Initiativen und Geschäfts-
vorschläge der VÖEST wird unterbreiten, sodass nicht nur allein
die VÖEST mit der DDR-Firma sondern jetzt auch die DDR-Firma mit
der VÖEST entsprechende Drittländermärkte gemeinsam bearbeiten
können. In dem zukünftigen 5-Jahresplan wird die DDR die Steigerung
des österr. Exportes mit 25 – 30 % einstellen. Die im Vertrag fest-
gelegten 7 – 10 % Steigerungen sinddamit längst überholt und ich ha
wieder einmal recht gehabt, als ich seinerzeit mit der Handels-
kammer darüber freundschaftlich gestritten habe, dsss wenn der
Vertrag funktioniert, zu wesentlichen besseren Steigerungsraten
es kommen wird als die von der DDR dann zugesicherten 7 – 10 %.
Beil selbst hat mir auch dann beim Abendessen resp. unter vier
Augen nachher erklrt, er wird jetzt in den nächsten zwei Tagen
versuchen, in Österreich alle Möglichkeiten auszukundschaften,
um dann mit mir in de Abschlussbesprechung festzulegen, wie jetzt
weiter vorgegangen wird. Die DDR möchtehier beweisen, dass
wenn man mit ihr einen Vertrag abschliesst, sie dann alles daran-
setzt, dass dieser Vertrag nicht nur ein STück Papier ist. In
Wirklichkeit glaube ich, hat die DDR richtig erkannt, dass
allein schon aus der gleichen Sprache eine grosse Export- und Import-
chance mit Österreich besteht. Wahrscheinlich nimmt sie an, dass
ausser der BRD für die österreichische Wirtschaft eine stärkere
Verflechtung leichter zu erzielen ist als z.B. mit Frankreich
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oder ein anderes Land insbesondere nicht Englisch sprechender Staat.
Die österr. Unternehmer haben einmal die Mentalität, dass sie sich
dem Export und Import aus der BRD deshalb und auch aus der Schweiz
so leicht machen können, weil sie dort mit keinerlei Sprachsschwierig-
keiten rechnen müssen. Maximal sind die österr. Unternehmer noch be-
reit den englischen Sprachgebrauch zu erlernen und in Englisch
gegegenenfalls Geschäfte abzuwickeln. Der neue Gen.Direktor im
DDR-Ministerium Schönherr, der biem Essen neben mir sass, hat mir
bestätigt, dass auch die DDR wünscht, dass ausser der starken Ver-
flechtung der DDR mit der BRD, Österreich hier auch als deutschspra-
chiger Staat mehr eingeschatltet werden könnte und sollte. Insbesondere
glaube ich liegt der DDR daran, als der von 76 Staaten in der
letzten Zeit sehr schnell überall anerkannte neue Staat zu beweisen,
dass er einen starken wirtschaftlichen Aufschwung und ganz besonders
eine starke Aussenhandelsverflechtung anstrebt. Beil hat aller-
dings zu erkennnen gegeben und dies auch bei der Tischrede bestätigt,
dass die Verflechtung mit nicht ganz einem Prozent der Aussen-
handelsvolumen noch als sehr gering zu bezeichnen sei. Hier wird
und davon bin ich überzeugt, die nächsten Jahr ein besseres Ergebnis
bringen.
Typisch war nur, dass bei der Besprechung, die Beil in kleinem Kreise
haben wollte, ich Meisl ersucht habe, wir sollten klären, dass nicht
von irgendwelchen Abteilungen Doppelbesetzungen erfolgen. Zur Be-
sprechung ist dann tatsäöchlich Römer und auch Zembsch erschienen.
ICh erklärte rundweg, nachdem die andere SEite einen kleineren Kreis
nur wünscht, nur ein Herr teilnehmen könne. Darauf hat Römer scheinbar
dann entschieden, dass er kommt, worauf er allerdings feststellen
musste und ich habe dies nachher ganz deutlich gesagt, dass wir
über Detail wenigerinformiert sind als die DDR-Vertreter. Kastiz
meinte, er hätte, soweit ihm die Unterlagen zur Verfügung stehen,
immer nach Wien her berichtet. Wie weit Zembsch davon informiert
war, konnteich nicht feststellen. Ich habe auf alle Fälle darauf hing
gewisen, dass ich in Hinkunft bessere Detailinformationen wünsche.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Die Koordination in unserem Haus stimmt hinten
und vorne nicht und ausserdem habe ich das Ge-
fühl, dass wir wirklich einen Bruchteil dessen
wisssen wie unsere Verhandlungspartner.
Beil hat auch erwähnt, dass er mit Chemie-Linz nicht nur ein Koopera-
tionsabkommen sondern auch eine Produktionsabsprache anstrebt. Diese
Konzpetion würde ganz neue Perspektiven auch für Gen.Dir. Buchner
eröffnen. Ich bin überzeugt davon, dass bei uns im Haus kein Mensch
über diese Problematik Auskunft geben kann oder geschweige denn
konkrete Ziffern vorlegen könnte.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich soofrt mit GD Buchner ver-
binden.
Tagesprogramm, 26.3.1974
Tagesordnung 111. Ministerratssitzung, 26.3.1974
20_0371_02hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)