Freitag, der 25. Mai 1973

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Freitag, 25. Mai 1973

Das Referat von Präs. Benya gliedert sich glaube ich so wie alle seine
Ausführungen in zwei Teile. Den ersten Teil liest er aus irgendwelchen
UNterlagen, den zweiten TEil, wo er frei spricht, wird er wesentlich
natürlicher und schneidet Probleme an, die alle interssieren. Ich glaube,
er hat dieselbe Schwiergikeit wie ich bei Referaten. Ununterbrochen kann
man nicht nur frei sprechen, d.h nur Ideen bringen, die man bereits
wirklich im Detail beherrscht und deshalb sucht er sich irgendwelceh
GoastridersKienzl, Lachs und vor allem auch Sozialpolitiker, viel-
leicht auch Mitarbeiter aus seinem Pressebüro – die ihm dann zukunfts-
weisende, wie ich aber glaube nichtssagende und vor allem für die Arbeiter-
delegierten bei einem Kongress vielleicht sogar schwer verständliche
Ausführungen aufsetzen. Kommt er dann aber auf die aktuellen Probleme,
bemerkt man sofort, dass die Leute dies besser verstehen und dann auch
in der Diskussion dazu Stellung nehmen. Zuerst schien es, als ob auch
wir kaum eine Diskussion zustandebringen,damals hat sich nur 5 Diskussions-
redner. Jakubetz ein Bäcker, wollte wissen, ob das Stabilisierungsabkom-
men tatsächlich verlängert wird. Benya verwies darauf, dass während des
Stabilisierungsabkommens 48 Kollektivverträge abgeschlossen wurden. Eine
unveränderte VErlängerung kommt überhaupt nicht in Frage, und die ORgane
werden sich mit den VOrschlägen noch zu beschäftigen haben. Auf alle Fäl-
le klingt dies ein bisschen anders als bis jetzt Lachs immer mitgeteilt
hat, der erklärte, dass Benya unter gar keinen Umständen daran denkt, ir-
gendwelche VEreinbarungen zu unterschreiben. Suko, Landesobmann Salzburg
und Cmager, BRO Göss, beide Brauer, gingen natürlich auf die Brauerei-
verhandlungen ein.Auch hier hat Benya zwar nicht widersprochen, abe doch
vorsichtig angedeutet, dass das starke Industrieunternehmer hoffen, über d:
Preise dann die Löhne sofort wieder abgegolten zu bekommen. Nowotny,
Konsum, und Marschall haben gesellschaftspolitische Probleme angeschnitten

Wider Erwarten gab es dann über die BErichte des Vortages weder des
Blümel's Zentralvorstandsbericht, noch über die FAchberichte irgendeine
Diskussion. Trotz dreimaliger Auffoderung durch den Vorsitzenden meldete
sich niemand. Daraus kann man schliessen, dass zu den BErichten wirklich
nichts gesagt werden kann, oder dass doch auch eine gewisse Lehtargie
zu verzeichnen ist. Da wir in der Tagesordnug fortschreitten mussten,
habe ich vor 1/2 12 Uhr mein Referat, das erst am späten Nachmittag be-
absichtigt war, begonnen. Ich habe natürlich allein schon um eine Dis-
kussion dann auf alle Fälle zu entfachen, sehr provokant referiert.



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Da ich über unsere Lohnpolitik in Hinkunft sehr detaillierte Stel-
lungnahme bgabe, war ich sehr froh, dass überhaupt niemand von der
Presse auch nicht vom ÖGB-Pressedienst anwesend war. Der hat nämlich
erst gerechnet, dass am späten Nachmittag das Referat erfolgen wird.
Ich glaube aber, dass es notwendig und zweckmässig war, unseren
Verbandstag klaren Wein einzuschenken, was wir in Hinkunft auf dem
lohnpolitischen GEbiet tun sollen. Mit unserer Kollektivvertrags-
politik liegen wir seit Jahren an der Spitze. Da die anderen Gewerk-
schaften Kollektivvertragslöhne auf den einen Seite aber Ist-Löhne
auf der anderen Seite haben und diese sogar meistens vereinbaren,
spielen die KV-Löhne nicht die Rolle wie bei uns. Andereseits
kommen wir mit unserne KV-Löhnen in ein optisch schlechtes Licht. Alle
anderen sehen mit scheelen Augen auf die hohen Spitzen-KV-Löhne der
Lebensmittelarbeiter. Dahe habe ich vor Jahren schon vorgeschlagen,
wir sollten zu einer Basislohnberechnung gehen. Die Idee war,
dass wir eben für die Molkereien, die Brauereien und für andere
Basislöhne festlegen, und darauf dnn Zuschläge entweder im Kollek-
tivvertrag oder in Betriebsvereinbarungen durch dne Betriebsrat für
Facharbeiter, qualifizierte Arbeiter, Chauffeure usw. festle-
gen. Der grosse Vorteil dieser Basislohnberechnung wäre, dass Männer
und Frauen-Löhne gleich sind. In Wikrlichkeit,d as hab e ich aber
so detaillirt noch nicht ausgeführt, ist auch dann die Möglichekit,
dass Arbeitsplätze qulifiziert werden und es dann ganz gleich ist
ob ein Facharbeiter oder ein Angelernter dort arbeitet, es muss der
Unternehmer für die Leistung des Arbeitsplatzes entsprechenden Lohn
bezhlen. Da die Gewerkschaft vor Jahren diesen Plan abgelehnt hat,
jetzt aber die Brauer selbst, ohne dass ich auch nur den geringsten
Einfluss darauf genommenhätte , mir dieser Idee neu gekommen sind,
halte ich die Zeit für reif, dass wir auch bei anderen Gruppen,
wo wir stark genug sind, dieses System durchsetzen. Deshalb war es not-
wendig, es am Gewerkschaftstag vorzutragen und zu diskutieren. Es
meldeten sich dann auch zu meinem Referat 21 Diskussionsredner. Eine
erstaunlich hohe Zahl und Koppe, der micherst im letzten Moment be-
merkte, der sich die ganze Diskussion anhörte, war sehr überrascht
über das hohe Niveau und die sachliche Art wie diese geführt wurde.
Am meisten beindruckt hat mich ein Diskussionsbeitrag des Kollegen
Benczak von der Gewerkschaftlichen Einheit. Er ist slowenischer
Abstammung und kann daher mit unseren Gastarbeitern sprechen. Er
sagt, es ist ein Skandal, wie diese Menschen ausgebeutet werden.
Die Behörde behandelt sie schlecht, beim Arzt werden sie als zweite
Garnitur betrachtet und beim Einkuaf werden sie übernommen.



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Jugoslawe ist aber nicht Jugoslawe, sie sind durch religiöse,
durch landmannschaftliche und nationale Differnezen sehr stark
verschieden. Er schlug vor, dass man diesen Menschen doch irgend
welche Chancen geben muss, auch wieder Kontakt mit ihren anderen
Kollegen, die nicht unmittelbar im Betrieb arbeiten, und vor allem
einmal mit ihrer Heimat zu geben. Er meinte, man sollte Zeitungen für
sie organisieren, Filme in ihrer Sprache zeigen und vor allem
Sprachkurse einführen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte prüfe einmal, wie weti man nicht wirklich
Zeitungen, die ja nicht unbedingt politischen
Inhalts sien müssen, aus Jugoslawien billig
beschaffen könnte und vor allem einmal Filme,
DIE WIR DANN In Betrieben vorführen könnten.
Der ÖGB hat doch genügend Vorführapparate.

Zum UNterschied, wo nach den Berichten überhaupt keine DIskussion
zustandekam, gab es über mein REferat 3 1/2 Stunden Diskussion,
wobei auch einige Diskussionbeiträge sich mit den Anträgen zum
Gewerkschaftstag beschäfigten. Die ganze Form eines solchen Gewerk-
schaftstages ist ziemlich erstarrt! Die ANträge, die in den Orts-
gruppen oder Landeskonferenzen vielleicht auch in einzelnen Betrie-
ben gefasst werden, müssen und werden erst vom Zentralvorstand, resp.
Gesamtvorstand behandelt und dem Gewerkschaftstag vorgelegt. Die An-
tragsprüfungskommission prüft dann ziemlich genau und ich habe
noch keinen Kongress weder bei usn noch im Gewerkschaftskongress,
dass Anträge wirklich zu Kampfabstimmungen geführt hätten Meistens
gelingt es der Antragsprüfungskommission, einenAusgleich zu finden
und Umformulierungen zur errreichen, die danneinstimmig angenommen
werden. Ich glaube, dsss diese Art der Kongressabwicklung auch stark
überholt ist und reformbedürftig ist. Zum Unterschied vom Ge-
werkschaftskongress werden ja unsere Gewerkschaftstage sehr disziplini
abgewickelt. Von den etwas über 100 Delegierten – ich glaube 104 –
waren 98 anwesend und die immer im Saal. Die einzigen,die sich
sofort verabsichedeten nach der ERöffnung waren die Honorationen,
verständlich, sie haben mehr zu tun und können daher nicht an allen
Kongressen, die ganze Zeit anwesend sien. Hierhaben wir bei uns in
der Luga aber ein besseres System, wir delegieren zu anderen Gewerk-
schaftstagen prinzipiell nur Leute, die Zeit haben und die sind
auch dann tatsächlich die ganze Zeit über anwesend und bringen dann
entsprechende BErichte. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals
von den Lebensmittelarbeitern bei einem Kongress mich hätte delegieren
lassen. Wederins Ausland noch im Inland. Auch hier müsste man neue
Formen finden, um die Delegationen zu den einzelnen Gewerkschafts-


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tagen zu ändern. Ich glaube, wenneine Organisation einmal diesen Schritt
macht, wird es zwar eine riesige Verärgerung geben und vielleicht sogar
auch geheime und offene harte Angriffe, aber dann würde sich die Vernunft
durchsetzen. WEnn einmal dieses Gewerkschaftsprotokoll durchbrochen würde,
müsste sich dies nur auf die finanziellen Aufwendungen der einzelnen Ge-
werkschaften und auch die Effektivität der tatsächlich zu bearbeiteten
SAchprobeleme nur günstig auswirken, Da sind wir aber glaube ich noch
sher weit entfernt.

Tätigkeit: Sekr. ÖGB Sbg.


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      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
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          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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            Tätigkeit: BR Gösser Brauerei [1972; so nicht gefunden]


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              Tätigkeit: LUGA-Zentralsekretär


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