Dienstag, 22. Mai 1973
Im Ministerrat verabschiedene Kreisky den ehemaligen Leiter des Ver-
fassungsdienstes Loebenstein , der zum Präsidenten des Verwaltungsgerichts-
hofes ernannt wurde. Er unterstrich die Loyalität Loebensteins gegenüber
jeder Regierung. Loebenstein selbst erwiderte, dass er nichts anderes sein
wollte, als ein Beamter, der seine Pflicht darin sah, die Verfassung so
weit es irgendwieging zu schützen. Er anerkannte, dass eine Regierung selns
verständlich versucht, ihre Programm durchzusetzen und dass es aber seine
Aufagbe ist, eben im Rahmen der Verfassung die dafür möglichen Wege zu
zeigen. Loebenstein war zweifelsohne ein tüchtiger Beamter. Ich kannte
ihn schon, als wir in den Fünfzigerjahren die agrarischen Fondsgesetze
schufen. Damals hat die Regierung, resp. die beiden grossen Koalitions-
parteien uns beauftragt, Lösungen für die Agrarprobleme zu finden. Kammer-
amtsdirektor Müller von der Landwirtschaftskammer war krank und wir
haben in seiner Wohnung Lösungsmöglichkeiten durchdiskutiert. Von der
AK u. vom ÖGB waren Wirlandner und ich, von der Handelskammer Kamitz.
Damals allerdings konnteich schon feststellen, dass die grosse Koali-
tionspartei, deren Vertreter letztne Endes auch Müller und Kamitz waren,
standegewesen ist, Adamovich zu überzeugen, dass die Macht des Faktischen
d.h. starker Einfluss der Interessensvertretungen und letzten Endes ins-
besondere der Kammern von ihm weitstgehend berücksichtigt wurden, vielleicht
gegen seine Überzeugung berücksichtigt werden mussten. Natürlich war Loeben-
stein damals ein kleiner Sektionsrat, der in den letzten JAhen ein mächtige
Sektionschef geworden ist. Die Hauptschwierigkeit ist nach wie vor, einen
guten NAchfolger für ihn zu findne. Unter gut verstehe ich nicht einen
exzellenten Juristen, so etwas müsste man auch noch zustandebringen,
sondern jemanden, der erkennnt, welche BEudeutng diese Position hat und
bereit ist, mehr als nur ein guter Beamter zu sein. Über den Verfassungs-
dienst beherrscht man nämlich so ziemlich alle Rechtsmaterie und alle
Ministerien, ähnlich der Stellung Markovics in der Frage der Personal-
politik. Beide sind im BKA und geben damit dem BKA in Wirklichkeit die
überragende BEdeutung.
Kreisky hat im Ministerrat wie ich übrigen s in der Vorbesprechung andeute-
te, er meinte da hätten wir heute andere Probleme , doch dann das Problem
der REisen neuerdings angeschnitten. Insbesondere fällt ihm natür-
lich auf, dass von Seiten des Heeresministeriums immer wieder einzelne
Leute oder vielleicht auch ganz Gruppen zu Veranstaltungen oder Austau-
schen oder Trainingslager usw. fahren. Kreisky möchte deshalb eine Stati-
stik vom Ministerratsdienst, aus der erishctlich ist, wie viel jetzt gerei
wird gegenüber der ÖVP-Zeit. Da ich mit ihm übereinstimme, dass man
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wahrscheinlich wirklich REduktionen vornehmen muss und die Minister
aber mit gutem BEispiel vorangehen wollen, habe ich Kirchschläger er-
sucht, er möhcte jetzt bei der EFTA-Tagung vorfühlen, ob der Liechten-
stein'sche Regierungschef, der mich jetzt ineressanterweise einlädt,
ud vor allem auch Bundesrat Brugger akzeptieren würden, wenn ich heuer
nicht komme, sondern erst näcstes Jahr. Kirchschläger teilte mir auch
mit, dass er im aussenpolitischen Ausschuss im Parlament-deshalb hat er
an der Regierungssitzung nicht teilgenommen- und Karasek hart attackiert
wurden, weil zu einer UNESCO-Tagung 24 Beamte gereist sind. Beanständet
werden die grossen Delegation werden oder die öfteren Dienstreisen.
Wie sehr jetzt einzlene Beamten bei uns im Ministerium jetzt bereit
wären, gegebenenfalls BEträge, die man ansonsten an Reisegebühren er-
spart, zu opfern, geht daraus hervor, dass etliche Sektionschefs
aber auch Ministerialräte kommen und erklären, sie sind bereit, mit der
Bahn zu fahren oder sie zahlen sich einen Teil der Kosten überhaput
selbst. ANdererseits gelingt es anderen Beamten, ihren Ministern wieder
einzureden, dass sie unbedingt dabei sein müssen. So hat der Nachfolger
von der Wirtschaftssektion im Bautenministerium Sekt.Chef Bertusini
Moser überzeugt, dass er unbedingt bie den polnischen Verhandlungen
dabei sein muss. Dor wird nichts anderes als über den 10-Jahres-
vertrag gesprochen. Das Bautenministerium ist also kaum damit berührt
da kaum eine andere Lösung gefunden werdne kann, als wir sie den Russen
bereits gegeben und den Bulgaren angeboten haben. Moser besteht aber
darauf, dass Bertusini mitfährt und der Ministerrat hat natürlich diesen
Antrag akzeptiert. Ich werde Moser, wenn wir zurückkommen, dann infor,-
mieren, was wirklich im einzlenen dieser Sektionschef dabei leisten
konnte. Ich gebe aber zu, dass das Arugment von Moser, es fahren auch
zwei Leute vom Finanzministerium, er hätte genauso sagen können,
auch zwei Leute vom Handelsministerium, vollkommen richtig sit. Dienst-
reisen sind halt einmal ein ZUckerl für einen Beamten und deshalb lässt
er sich kaum davon abbringen.
Kreisky hat die Abänderung des EGKS-Gesetzes nämlich die verfassungs-
mässige VErankerung, die der Verfassungsdienst ihn scheinbar eruscht
hat, er möge dies dem Ministerrat zur KEnntnis bringen getan, indem
er eine längere Stellungnahme verlas. Hier hat der Verfassungsdienst wie
der seine Schuldigkeit getan und wir werden sehen, wie weit jetzt auf
Grund der verfassungsmässigen BEstimmungen die ÖVP im Parlament Konse-
quenzen aus dieser Tatsache zieht. Auf alle Fälle sind wir jetzt auf
ihre ZUstimmung angewiesen.
Im Unterausschuss des Handelsausschusses über die Gewerbeordnung
ergeben sich in der zweiten Lesung, wo ungefähr noch 2 Dutzend Para-
graphen offen sind, teilwesie gute Fortschritte, teilweise natürlich
zieht sich die ganze Sache. Insbesondere sind jetzt die wirklich harte
Kerne schön langsam herausgelöst worden. Die Wahrscheinlich nur in
Spezialdiskussionen resp. in ausserparlamentarischen BEsprechungen
geregelt werden können. Vorerst müssen aber die Experten die ent-
sprechenden Formulierungen versuchen. Jagoda bemühte sich immer
so viel wie möglich Termine auch für die Experten zu bekommen.
ICh war eine zeitlange nicht im Saal anwesend und habe erlebt,
dass ich als ich zurückkam für den nächsten Unterausschusstermin
fest erst Ende Juni vorgesehen wird. Früher haben entweder die SPÖ-
Abgeordneten oder die ÖVP- und FPÖ-Abgeordenten keine Zeit. NAtürlich
habe ich wieder den BEleidigten gespielt, erklärt, man kann schein-
bar sich noch so bemühen, man kommt zu keinem Ergebnis innerhalb
des Parlamentes, was dann Mussil aer auch Hanreich vernlasst zu
sagen, dass sie sich wirklich sehr bemühen, dass wir doch noch
die Gewerbeordnung heuer beschliessen können. Ich zweifel nicht daran
möchte allerdings haben, dss unbedingt vor der Sommerpause der TExt
vollkommen abgesprochen vorliegt. Ich glaube nämlich, dass auch doe
ÖVP und letzten Endes auch die FPÖ heute so weit in der Materie
eingearbeitet und an der Materie so interessiert ist, dass sie diese
Gewerbeordnung letzten Endes doch einstimmig beschliessen werden.
Die FPÖ fürchte ich, wird nur in der zweiten Lesung einige Abän-
derungsanträge stellen, die man halt dann ablehnen muss. Wenn sich
nun herausstellen sollte, dass bei dem EGKS-Durchführungsgesetz
die Verfassungsbestimmung dazu führt, dass die ÖVP von vornherein
weiss, sie muss zustimmen, und trotzdem keine grossen Forderungen
stellt, dann glaube ich ist das auch wieder ein kleiner BEweis, dass
sie durch irgendwelche BEstimmungen gebunden eher noch bereit ist
zu einer allgemein akzeptablen Lösung zu kommen als dort wo wir
zwar mit einfachem Gesetz gegen sie entscheiden könnten, uns aber
um einen gemeinsamen Beschluss bemühen. Oft habe ich das GEfühl
im Rahmen einer grossen Koalition müsste s möglich sein, Probleme
schnellerund einfacher zu lösen, als derzeit, wo wir theoretisch
die absolute Mehrheit haben, einfache Gesetze also jederzeit be-
schliessen könnten und doch aus dem parlamentarischen Ablauf nicht im-
stande sind, dies wirklich Ruck-Zuck zu tun. Momentan ist aber eine
solche Überlegung sowieso nicht allzu zielführend, da sie überhaupt
nicht aktuell ist.
Abg. Teschl habe ich auf Grund seines Schreibens, dass man die ÖMV
auch als den alleinigen Importeur, ähnlich der franz. REgelung
einsetzen sollte, auseinandergesezt, dass ich eine solche Vorgangs-
weise in der jetzigen knappen Situation für Ölversorgung äusserst
unzweckmässig halte. Ich würde einer solchenRegelung nicht zustimmen,
auch dann, wenn Teschl mir erklärt hätte, er hätte dieses Problem mit
Feichtinger besprochen und die ÖMV wäre daran interesisert. Die ÖMV
erklärte ich ihm, kann jederzeit jede Menge von Rohöl selbst importieren
ist mit den internationalen durch Verträge verbunden und wir haben dadur
eine bessere Versorgungsbasis as andere Länder. Teschl meinte, hier
überschätzt er sich zwar, dass bei den Verarbeitungsverträgen ziwschen
der ÖMV und den Internationalen die Gewerkschaft entscheidend mitgewirkt
hat, ja er glaubt sogar, dass es die Gewerkschaft war, die letzten
Endes die internationalen dazu gezwungen hat, mit der ÖMV solche Ver-
träge abzuschliessen. Ursprünlgihc hätten die internationalen die Ab-
sicht gehabt, die ÖMV ganz auf der Seite liegen zu lassen.
Bei der Aussprache zwischen der Delegation Kreisky, Kirchschläger
mir und Sorsa mit seinen BEgleitungen hat Kreisky, den Finnen ange-
boten, gebebenenfalls eine Gemischte Kommission zu bilden, um die
Wirtschaftsprobleme zwischen den Staaten zu besprechen. Insbesondere
meinte er, das beide Länder auf Drittmärkten durch Kooperationen
zusammenarbeiten könnten. Sorsa ist Gott sei Dank auf diesen Vor-
schlag im Konkreten nicht eingegangen. Konkret interessiert er sich
nur. wie wir mit der SU unsere Erdgasprobleme gelöst haben, da
Finnland jetzt auch Erdgas von ihnen bezieht und sogar der Projekt be-
steht – zumindestens finnischerseits – über Finnland nach Schweden
eine Erdgasleitung zu legen. Die Erfahrungsaustausch oder INformation
übe die Sicherheitskonferenz in Helsinki und das Abrüstungsgespräch in
Wien bideten den aussenpolitischen Rahmen. Als zweites Wirtschafts-
problem wollte Sorsa noch wissen, ob wir und welche ERfahrungen wir
mit der EWG, d.h. unseren Vertrag gemacht habe, ob man schon strukturel-
le Auswirkungen feststellen könnte.
Durch diese Aussprache kam ich zur Verbändebesprechung um über eine
Stunde zu spät. Gehart berichtete mir, dass allerdings in der Sitzung
selbst noch keinerlei bedeutende Ergebnisse oder Fortschritte erzielt
In der Vorbesprechung hätte nur Lachs unserenVorschlag über die
Novellierung des Preisbestimmungsgesetzes als unzulänglich abgelehnt,
während Rösch meinte, er könnte selbst diese bescheidene Änderung gar
nicht exekutieren. Seine Beamten, wie er mir nachher sagte, seine
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ausserstande, dies durchzuführen Während Min-Rat Singer gestern
uns auseinandersetzte, dass wir sehr wohl die Prüfungsrecht der
Beamten im Gesetz verankert haben müssen, weil sie jetzt nur Auskunft
kriegen können, niemals aber eine Bucheinsicht oder Unterlagen ver-
langen müsstne, um wirklich einigermassen nicht nur Hausnummern bekommen
zu können, meint Rösch, dass seine Gendarmerie-Beamten dafür weder ge-
schult noch imstande sind, diese Arbeit zu leisten.
Die Handelskammer ist bereit, über VOrschläge der OeNB zur Kreditre-
strigierung weitere BEsprechungen zu führen. Konkret aber möchte
sie, dass der Bund und die gesamte öffentliche Hand, die bis Mai ca.
72 % oder 4,9 Mia S Kredite bekommen hat, gegenüber den privaten,
der nur 28 % bekommen hat, in Hinkunft anders beteilt wird. In den
3 Jahre 1970-1973 hätte die öffentliche Hand nur 65 % erreicht und
jetzt sei sie eben auf 72 % angestiegen. Androsch wies darauf hin,
dass die Sparkassen und die drei Bankenanleihen und auch die Raiffeisen-
kassen um jeweils 100 Mill. höhere Emissionen bekommen haben als
früher. Mit der Industrie zusammen werden im ersten Quartal 1973
um 800 Mill. S mehr Anleihen abgelegt. Gleicheztig verzichtet das
Finanzministerium an STelle der 1 Mia, wie vorgesehen, nur mit 800 Mio
auf den Anleihemarkt zu gehen. Dies befriedigt die Handelskammer
aber keinesfalls und insbesondere Mussil verlangt, dass die Mindest-
reserven um 1/2 % gesenkt werden, dass ausserdem die bei der OeNB in
Kost liegenden Anleihen vom Juni bis zu diesem Zeitpunkt hat sich
die OeNB verpflichtet, auf längere Zeit noch diese Anleihen behalten
sollte und dass insbesondere für die Klein- und Mittelkredite die
Institute ermächtigt werdne, diese aus der Plafondierung heruazunehmen.
NUr so künnte die Bürges dann notwendige Anträge bekommen. Mussil meinte
dass auch die 20 %-ige Bindung und vor allem die Richtlinien, wonach Unter-
nehmen, die einen entsprechenden Bürgschaft haben, keinen Kredit bei der
Bürges – Alt-Bürges, bekommen können, geändert gehören. Da Androsch
eine Andeutung machte, was zu diesem Punkt zu sagen sei, habe ich
ihm sofort einen Zettel hinübergeschickt, dass jede Änderung Millionen
kostne würde. Mussil hat dies bemerkt und mir nachher gesagt, ich
hätte hier den Finanzminister, der schon entgegenkommen wollte, beein-
flusst. Ich erklärte nur, dass ich keine Möglichkeit sehe, ohne eine
budgetäre Aufstockung Wünsche zu erfüllen. Das Hauptgewicht in meiner
Tätigkeit besteht darin, keine AKtionen sperren zu müssen, wie dies
mein Amtsvorgänger tun musste. Selbstverständlich kam auch die
Export-Refinanzierung zur Sprache und Kienzl meinte, dass die Österr.
Kontrollbank mit ihm jetzt Massnahemn bespricht um langfristig eine
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Lösung zu finden, dass wir wohl Exportmärkte halten können. Die
Exportausweitung, die selbst der OECD als überhöht betrachtet,
überfordert die österr. Wirtschaft insbesondere die Kreditkon-
trolle, als Überbrückung wird die OeNB mit der Öster. Kontrollbank
eine Lösung versuchen zu finden.
Über den ERP-Fonds berichtet Veselsky, dass von den 1,3 Mia S aus
dem Programm 1972/73 500 Mill. eingespart werden konnten. Die
Industrie, erzählt er mir dann, hat von 650 Mill. erst 50 vergeben.
Die Landwirtschaft soll 106 Mill. noch offen haben und auch der
Verkehr hat noch Reserven. Nur beim Fremdenverkehr, hat er offiziell
auch dort mitgeteilt, müsste man Ausnahmen machen, weil ich
eben bereits vor längerer Zeit auseinandersetzte, dass ich die 24
Mill. Rest-ERP-Mittel unbedingt ausgeben muss. Mussil intervenierte
wegen der Mittelkredite, die von 100 Mill. Präliminiert, nur mit
16 Mill. ausgeschöpft sind. Veselsky wies auf die Grenzlandförderung
hin, wo für 200 Mill. 5 Jahre Tilgungsfrei 1 % Zinsen entsprechende
Antr-äge gestellt werden können. Ich fürchte nur, dass diese ERP-
Mittel sowohl im oberösterreichischen Raum als auch im Waldviertel
als auch letzten Endes an der gesamten Grenze, wo Kreisky einen
breiten Gürtel des Wohlstandes versprochen hat, nicht ausreichen
werden.
Über die Agrarpreise gab es zwar eine Diskussion, aber die Landwirt-
schaft liess nicht unerwähnt, dass sie der Weizenpreisfreigabe
nur dann zustimmt, wenn die Bauern nicht geschädigt werdne, d.h.
wenn abgesichert ist, dass letzten Endes die Belastung entweder der
Bund oder die Konsumenten tragen. Da bei der Weizenpreiskalkulation
aber eine Weizenabgabe beinhaltet ist, könnte es zu dem Phänomen
kommen, dass in der ersten Phase wirklich scheinbar niemand belastet
wird.Auf längere Sicht gesehen werden dann die Qualitätsweizenpro-
duzenten auf ihre Rechnung kommen, die Futterweizenproduzenten aber
werden naütrlich dann entsprechende Mindererlöse erzielen. Dies
ist aber auch die Absicht, um die Futtermittelüberprodutkion am
Weizensektor einigermassen zu dämpfen, die jetzt dem Staat viel
Geld für Aufkauf, Einlagerung, Denaturierung unter Abwertung
auf den Futtermittelpreis kostet. Auf dem Milchsektor wollte Androsch
der Bauernschaft klarmachen, dass eine Milchpreiserhöhung index-
mässig wirksam wird, dann aber infolge der Überproduktion die ent-
sprechende Erhöhung des Krisengroschen zwar die Einkommen der Bauern
schmälert, dies aber wieder indexunwirksam ist. Solche Überlegungen
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glaube ich stellen die Bauern weder an noch akzeptieren
sie sie.
Über die VErlängeurng der Preisbestimmungsgesetze insbesondere
auch des Preisregelungsgesetzes und des Preistreibereigesetzes
gab es eine umfangreiche DIskussion. DAbei zeichnete sich ab
dass die Handelskammer bereit wäre, einer unveränderten VErlänge-
rung des Preisbestimmungsgesetzes gegebenenfalls zuzustimmen.
In der Vorbesprechung hat Androsch schon zu erkennen gegeben,
dass unter allen Umständen einem Abkommen mit der ÖVP, d.h. in
dem FAll büer die Handelskammer und Landwirtschaftskammer, zustande
kommen soll. Deshalb fürchte ich, wird man das Preisbestimmungs-
gesetz ltzten Endes wirklich unverändert verlängern und damit
ein unwirksames Instrument haben. Die Interessensvertretungen
sollen zwar noch diesbezügliche VErhandlungen führen, da aber
weder die Arbeiterkammer noch der ÖGB einheitlich vorgehen, da
sie ja hier sich auf keine entsprechende Novelle einigen konnten
wird es wahrscheinlich bei gar nichts anderem bleiben als einer
gewöhnlichenVErlängeurng. Die Anderen Wünsche des Gewerkschaftsbundes
wie Preisbeeinflussung der multinationaler Konzerne, Besteuerung
für Werbung, Lieferverpflichtung an Kleinhändler, hat Klose aber
auch Mussil ganz entschieden abgelehnt. Mussil meinte, das seien
doch Wünsche aus dem Disney-Land, d.h. aus der TRaumwelt des ÖGB.
Androsch brachte auch neuerdings seinen Wunsch nach einer Preissen-
kungsaktion vor, doch hat die Handelskammer erklärt, sie hätte
bereits ihre Funktionäre in der Bundesländern gefragt und keinerlei
positiven Widerhall feststellen können. Da kann ich nur sagen:
no na net !
Androsch wollte dann auch noch unbe dingt über den autonomen
Bereich der Sozialpartner irgendeine Formulierung. Hier hat sich
Lachs besonders schwer getan, weil der ÖGB eine solche ketagorisch
ablehnt. Mussil dagegen meinte, man könnt eventuell die Schluss-
passage aus dem derzeit laufenden Abkommen, wo sich nämlich die
Sozialpartner verpflichten nach Ablauf dieses Abkommens entsprechend
ZUrückhaltung zu üben, in das neue Abkommen übernehmen. Lachs war
nicht einmal bereit, Hofstetter oder Benya auszurichten, dass man
eine BEsprechung darüber abführen soll, sondern meinte nur, Mussil
sollte Hofstetter selbst anrufen. Androsch war über das VErhalten
aller Sozialpartner sehr erschüttert, denn er meinte, die ganzen
Punkte, die heute durchbesrochen werden, gehen immer davon aus,
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dass die andere Gruppe etwas erfüllt, jeder selbst aber für sich
nichts machen will. WEnn er sich wirklich darüber wundert und das
nicht nur gespielt war, und den Eindrukc habe ich nicht, dann war er
ganz schön naiv in der Annahme, dass er tatsächlich vielleicht nach
den ersten ERfahrungen des ersten Stabilsierungsabkommens grössere
Zusicherungen von Seiten der Sozialpartner erwarten kann. Solange es
sich nur um verbale Formulierungen handelt, die keinerlei Konsequenzen
haben, ist natürlich Mussil und auch die ÖVP bereit, so einer Formulie-
rung zuzustimmen, Wenn es sich um konkrete Massnahmen handelt, stösst
man natürlich auf entsprechenden Widerstand, wenn man dies nicht vorher
im DEtail mit den einzelnen Interessensvertretungen weitestgehend ab-
gestimmt und vorgesprochen haen.
Ein bisschenerinnert mich diese Politik an die jetzt laufenden Abrüstungs-
gespräche. Dort kann man sich in dn Sitzungen überhaupt nicht einigen,
man streitet wegen des runden Tisches, man diskutiert, wer dabei sein so
und wer nicht, dann einigt man sich und sagt, man geht in Cocktail-Parties
dort wird dann vereinbart, wie die nächste Sitzung ablaufen soll, ohne
dass man een sagt, wer aller dabei ist und wer nicht dabei ist, denn
bei Cocktail-Parties sind eben mehrere Leute anwesen,d die man ansonstn
zur Konferenz nicht zulassen wird. Wenn dann allerdings wieder einmal
eine offizielle Sitzung notwendig ist und es stellt dann ein Delegierter
den Antrag, man soll die Mikrophone anders stellen, damit man besser
hört, sagt sofort der andere, dies sei nicht besprochen wordne und
er soll nicht neue Probleme in die offizelle Sitzung bringen. So ähn-
lich ist es, wenn auch nicht so krass, bei Verhandlungen mit Wirtschafts-
und Sozialpartnern. Man muss zuerst, um zu einem Ergebnis zu kommen,
im Detailgespräch und inoffiziell alle WEge genau festlegen, wenn man
dann in der offiziellen Sitzung tatsäclich einen ERfolg erreichen will.
Die Idee der Regierung- – ich habe sie nie geteilt – dass man die
Sozialpartner dazuruft und denen dann sagt, das und das müsste ge-
schehen und die sind bereit, das zu akzeptieren , ist eine glatte
Illussion.
In dem Klub der Landstrasse, wo die Sektionsleiter aber auch einige
Bezirksräte sowie natürlich die Gemeinderäte vertreten sind, ist es
zu einer langen und heftigenDiskussion wegen der Volksabstimmung ge-
kommen. Immer mehr kommen Funktionäre und sagen, warum die Wiener
dies überhaupt getan haben. Sie fürchten, dass wir bei dieser Aktion
schlecht abschneiden werden und suchen jetzt bereits indirekt
aber auch sehr direkt schon die Schuldigen. Dass die ÖVP umfällt,
16-0600
dass letzten Endes alle Massenmedien, an der Spitze die Kronen-
zeitung dagegen ausspricht, gibt den Genossinnen und Genossen das
GEfühl, dass wir hier nicht allzu gut abschneiden werden. Mein
VErsuch, ihnen den politischen Hintergrund zu erklären, dass es
ja gar nicht um die Bäume geht, sndern um den Kampf gegen den
"Apparat" der Partei und der Gemeinde" nehmen sie zwar zur KEnntnis
sind aber nicht bereit wahrscheinlich in der breiten Masse als
Funktionäre oder Mitglieder deshalb positiv zu reagieren. Gerade
nach Klagenfurt und ich habe dies auch klar und deutlich gesagt,
versucht man, wie ich aus der Diskussion zusammenfassend feststellen
konnte, der Wiener Organisation insbesondere Slavik eine auszuwischen
wenn die AKtion schiefgeht, wird sich eine furchtbare Diskussion daran
anschliessen.
Tagesprogramm, 22.5.1973
Tagesordnung 72. Ministerratssitzung, 22.5.1973
16_0600_02Information für den Herrn BM betr. TOP 12, 21.5.1973
16_0600_06Abänderung zu MR-Vortrag betr. Jugendbeschäftigung