Mittwoch, der 28. März 1973

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Mittwoch, 28. März 1973

Im Unterausschuss über die Gewerbeordnung zieht sich die Arbeit
schrecklich dahin. Sicher kommen wir schneller vorwärts als z.B. die
Verhandlungen über das Lebensmittelgesetz. Ich hatte aber eignetlich
angenommen, nachdem ich durch Jahre hindurch mit der Handelskammer
engste Fühlung gehabt habe, dass diese Materie schenller erledigt wird.
Es stellt sich jetzt heraus, dass Mussil doch bisher die ganze Gewerbe-
ordnung nur sehr dilatorisch behandelt hat und daher sehr Unterhändler,
Christian und Kauba, mit denen engster Kontakt gehalten wurde, vernünftigen
Vorschlägen zugänglich waren, die sie auch dann wahrscheinlich in der
Handelskammervertreten, Mussil aber nicht aufgepasst hat und erst jetzt be-
ginnt seine ganze Kraft einzusetzen, um noch entsprechnde Änderungen zu
erreichen. Dies wäre auch ohne weiteres möglich, wenn nicht immer gleich
bei jedem Paragraphen oft stundenlange Diskussionen entbrennen. Der grösste
Fehler war, dass die soz. Fraktion nicht meinen Vorschlag akzeptiert hat,
dass wir nur über die Abänderungsanträge, die schriftlich zu jedem Pra-
grapohen eingebracht werden, verhandeln. Die Idee, jeden Paragraph vorzu-
tragen, zu diskutieren um dann festzustellen, dass man sich einig oder
nicht einig ist, kostet ungeheuer viel Zeit. Selbst der Vorsitzende,
Staudinger, ist manchmal über die langsame Gangart sehr unglücklich und
vor allem stelle ich fest, dass es innerhalb der ÖVP doch ganz schöne
Spnanungen gibt. Mussil sekbst versichert mir zwar immer wieder, dass
wenn wir das eine Hauptstück fertig haben oder wenn die und die Materie
erledigt ist, dann wird es schneller gehen. Ich glaube dies auf keinen
Fall. Mussil kennt die Materie aus dem EfEff und hat durch seine jahrzehnte-
lange praktische ERfahrung auf diesem Gebiet alle TRümpfe in der Hand.
Ohne ihn verhandelt die andere Seite überhaupt dilatorisch und
wenn er hier ist, will er nicht nur mit seinen Kenntnissen brillieren
sondern auch seine Ideen durchsetzen. Um in der zweiten Runde abtauschen
zu können, werden deshalb auch von uns mögliche Komrpomissvorschläge
nicht jetzt schon akzeptiert sondern eben für die zweite Runde aufge-
spart. Eine weitere grosse GEfahr ist, dass bei deiser zweiten Runde die
Wünsche der Landwirtschaft, die dann präzisiert werden, d.h. die Gegen-
forderungen der Landwirte, wenn sie der Gewerbeordnung zustimmen, endgültig
formuliert sein sollten, dann neuerdings eine monatelange VErzpögerung
eintrtitt. In diesem Fall möchte ich, dass womöglich die zweite Runde
nicht mehr im Unterausschuss sondern schon im Handelsausschuss verhandelt
wird. WEnn es dann dort zu keiner Einigung kommen sollte, dass eben die
Gewerbeordnung mit Mehrheit endgültig ins Plenum kommt. In diesem FAll
bliebe eben dann nichts anders über, als einen Mehrheitsbeschluss, den


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ich persönlich gar nicht will und von dem Mussil auch immer erklärt, dass
er es nicht beabsichtigt, zu fassen.

Im Rechnungshofausschuss wurde die Kritik an zwei Berghauptmannschaften
debattiert und verhandelt. Zwei ÖVP-Ler, Abgeordneter Kraft und Dkfm.
Gorton meldeten sich dazu. Kraft meinte, dass der Rechnungshof kritisiert
hat, weil eine BH mit einem Dienstauto ausgestattet ist und eigentlich
Kreisky doch vorgeschlagen hat, man sollte auf Mietwagen umsteigen, was
auch letzten Endes der Rechnungshof für die Berghauptmannschaften vor-
schlägt. In diesem FAll konnteich furchtbar leicht argumentieren, dasss
bei Unfällen oder sonstigen Katastrophen der Berghauptmann schnell vor
Ort sein muss und deshalb ein Auto dringend erforderlich ist. Die Zen-
tralstellen aber, das Handelsministerium, spart sowieso ununterbrochen
Dienstwagen ein. Gorton interssierte sich besonders für die Bergbau-
förderung und ob und wie die ANsätze im Budget erstellt werden. Hier
konnte ich darauf hinweisen, dass es unmöglich ist, am Jahresbeginn
schon festzustellen, wie sich die finanzielle Lage der Betriebe und
ganz besonders die Preisentwicklung z.B. bei Kupfer egeben wird und
daraus natürlich die entsprechenden notwendigen Mitteln erst im Laufe des
Jahres genauer fixiert werden können. Deshalb werden durhc Budgetüberschrei-
tungsgesetze die eventuellen Fehlbeträge jederzeit aufgebracht und die
Bergbaue selbst erklären übereinstimmend, dass sie bis jetzt besser ge-
fahren sind als dies fürher der FAll gewesen. Aus den Anfragen der ÖVP
konnte ich entnehmen, dass in Wirklichkeit sie keierlei Informationen,
die von Bedeutung sind, aus dem Hause erhalten. Genauso wenig sind sie abe
imstande, durch Eigenkombinationen uns bei solchen Gelegenheiten wie Rech-
nungshof Kontrollberichte Schwierigkeiten zu bereiten. Ich hätte mir an
ihrer Stelle sehr wohl die Bergbaupolitik vorgeknöpft und z.B. ganz hart
gefragt, was eben jetzt die Bundesregierung mit Fohnsdorf beabsichtigt.
Wie die Ertragslage der anderen Bergbaue verbessert wrden kann usw.
Darüber hinaus hätte ich, nachdem der Rechnungshof beanstandet hat, dass
in Salzburg ein Mann zu wenig sit, den wir in der Zwischenzeit ergänzt
haben, ob und welche Reorganisationen auf diesem Sektor von mir beabs-
sichtigt sind, natürlich wäre es auch hier für mich ein Leichtes gewesen,
zu antworten, wie mir das überhaupt Spass macht und in Wirklichkeit gar
keine GEfahr für mich darstellt. Andererseits aber hätte das gezeigt, das
sie doch ein bisschen besser informiert sind als die scheinbar der Fall
ist.



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Die Direktoren von Agip sind nun bei der ersten Vorsprache bei mir,
wo ich ihnen das Ergebnis der Verhanldungen mit Bauer berichtete,
mit dem VOrschlag gekommen, sie möchtne sich vielmals bedanken, dass
ich mich eingesetzt habe, aber es werden jetzt die beiden Anwälte der
Fa. ÖMV und AGIP das Problem der Vertragserfüllung und des gesamten
VErtrages diskutieren. Am späteren Abend sind sie dann erschienen und
haben erklärt, dass die ÖMV diese Verhanldungen ablehnt und mich er-
sucht, ich möge mich also doch jetzt neuerdiungs einschalten, ob
es nicht eine Möglichkeit von Verhandlungen der beiden Anwälte gibt.
Hier gäbe es für Min.Rat Mayer von der OB eine gute GElegenheit, sich
als Branchenreferent und Vermittler einzuschalten. Wenn wir auch keinen
Erfolg erzielen können, so dokumentiert dies der AGIP und sicherlich
dann damit auch der ganzen Branche, dass das Handelsministerium sehr
wohl seine Funtkion als Service-Stelle für die Wirtschaft auch dahin-
gehend auffasst, in Streitfällen als Schlichter, wenn es beide Teile
wünsche, aufzutreten.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, das man versuchen müsste, vonSEiten
der Branchenreferate auf solche Aktivitäten in ERscheinung zu treten,
da sie uns keine
BElastung bringen, wenn positive Ergebnisse erzielt
werden, unser Ansehen sehr steigt und wenn es zu keiner Einigung kommt,
dann natürlich die Firmen untereinander böse sind und sicherlich nicht
auf das Handelsministerium.

Die Prognosesitzung im Wirtschaftsforschungsinstitut, an der ich
früher gelegenetlich teilgenommen habe und derzeit natürlich ganz un-
möglich dort erscheinen kann, bringt glaube ich, immer interessante
Ziffern. Es stimmen zwar die Ansätze meistens nicht, denn im Laufe
des Jahres müssen sie ständig korrigiert werden, doch gibt es doch
immerhin einen sehr guten Überblick. Das Lustige an diesen Prognose-
ziffern und dem Timing, d.h. dem Zeitablauf ist ja, dass die Wahr-
scheinlichste aber auch noch nicht sicherste Prognose immer bei der
Dezembersitzung für das abgelaufene Jahr erstellt wrid und erstellt
werden kann. Wenn aber so wie im Jahre 1972 dann in den letzten Monaten
ein derartige Boom einsetzt, stimmen selbst die Dezemberziffern nicht
annähernd. Lt.BErechnugnen vin Dr. Lachs beträgt der Investitionsan-
teil ungefähr ein Drittel am Bruttonationalprodukt. Das ist natürlich
eine irrsinnig hohe Rate, die meiner Meinungn nach aber nicht auf
Berechnungen beruht sondern eben nur gegriffen ist. Sicher wird im


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Konjunkturaufschwung die Erträge der Unternehmungen und vor allem
deren Brutto- aber auch Nettogewinne wesentlich steigen. BEreits im
Jahre 1972 sind die Gewinne von 5 % im Jahre 1971 auf über 15 % im
Jahre 1972 gesteigen. Die Löhne dagegen haben von 15 % auf 13,5 % abge-
nommen. Wenn diese Ziffern offiziell bekannt werden, wird es zu einer
riesigen Polemik und zu riesiger Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft
kommen. Wahrscheinlich spürt jetzt bereits die Masse der Unselbständigen
dass sie im Jahre 1972 schelchter abgeschnitten haben als 1971. Dies
kann und wird wahrscheinlich auch mit einer der Gründe sein, warum wir
jetzt in den städtischen Gebieten die Wahlen mehr oder minder verlieren.

Der Vortrag von Kausel im Kautsky-Kreis über die Währungsparitäten und
seine These, dass der Schilling unterbewertet ist, die DM aber überbe-
wertet, nicht nur im Verhältnis von Schilling zur DM sndern auch zu
anderen Währungen, war sehr interessant, aber wenn es um den ziffern-
mässigen Bereich geht, habe ich immer grösste BEdenken. Da wir noch
niemals einen freien Devisenmarkt, d.h. freie Währungskursbildung gehabt
haben, muss man , auch wenn man einen Zeitraum 1955 als Basis nimmt,
die damaligen Einflüsse, die zur Kursbildung geführt haben und vor allem
einmal die weitere Entwicklung genau beobachten. Da die Austauschver-
hältnisse der Warenpreise im Aussenhandel ständig wechseln, aber doch
nicht dem Freien Markt überantwortet sind, ich denk z.B. an die manipu-
lierten Agrarpreise, ergeben sich manipulierte Austauschrelationen.
Überall wirken pressure-groups und überall sind deshalb Spezialeinflüsse
und Spezialwünsche, die das allgemeine Bild verzerren und vor allem einen
falschen Eindrukc über die tatsächlichen Verhältnisse geben. Wenn man
jetzt erklärt, die DM ist überbewertet und dies jetzt entdeckt hat, wo
1 % die letzte Aufwertung betragen hat, dann frge ich mich, warum man ger
rade zu diesem Zeitpunkt und in dieser wirtschaftspolitischen Situation
zu dieser Erkenntnis gekommen ist. Interessant ist, dass wenn man auf
längere Zeiträume irgendwelche Kurse verfolgt, dass es zu ganz komischen
Erscheinungen kommen soll. Ich habe in ERfahrung gebracht, dass vor
hunter Jahren der Dollar zur DM ebenfalls 4.20 DM für den $ gewesen ist.
Bis vor der letzten Abwertung , in der Zwischenzeit ist er ja sehr gefal
len, hat die Austauschrelation auch ungefähr 4,20 DM gegen 1 $ betragen.
Dies mag ein Zufall sein, dies man aber vielleicht doch in der gemeinsame
Entwicklung dieser beiden Industriestaaten begründet werden. Mit ent-
sprechenden Schwankungen infolge Kriegs- Nachkriegs- und sonstigen
Wirren dürfte sich doch die Austauschrelation zwischen einzelnen Industrie-
nationen kaum äbdern. Wie weit aller dings ein Kleinstaat wie Österreich
hier in diesen Relationen von wirtschaftlichen oder von aussenwirtschaft-


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lichen FAktoren seine Wechselkurse festsetzt, möchteich nicht im einzelnen
untersuchen und vor allem keinerlei Behauptungen aufstellen, Sicher aber
ist in einem Kleinstaat mit einem verhältnismässig unbedeutenden Wirtschafts-
potential die Währungsparität von wesentlichen ausserökonomischen Verhältnis-
sen abhängig.

Dr. Grünwald möchte von mir wissen, wie weit ich der Gasleitung von Monfalcone
nach Süddeutschland Bedetuung und Priorität zumessen. Die ÖMV muss jetzt
wegen der BEeteiligungsverhältnisse von dem ÖIAG-Vorstand resp. Auf-
sichtsrat eine Zustimmung bekommen und Grünwald macht sich grosse Sorgen,
dass zu viele Projekte jetzt in Angriff genommen werden. Diese Bedenken
gelten weniger gegen die ÖMV, die ja wie ich ihm erkläre,ohne diese Gaslei-
tung vom algerischen Gas, d.h. von der zweiten Quelle vollkommen abgeschnit-
ten wäre, sondern wegen der sonstigen Investitionen, die noch auf dem Stahl
und Aluminiumsektor usw. beabsichtigt. Wenn eine Europa-Gasverbund entsteht,
dann glaube ich. sollten wir unter allen Umständen darauf drängen, dass
österr. Firmen über die Gasleistungen rsp. Erdölleitungen in Österreich
tatsächlich verfügen. Ich halte eine Lösung, wie sie bei der TAL getroffen
wurde, wo Österreich durchquert wird und wir kaum einen Einfluss darauf
haben, für unzweckmässig. Natürlich ergibt sich bei Gasleitungen ein geiwsses
Risiko, dass der Lieferant ausfallen kann oder ganz einfach nicht die ent-
sprechenden Mengen tatsächlich liefert. In diesem Fall werden die Leitungen
dann nicht hundertprozentig genützt. Trotzdem glaube ich muss sich auf
Lange Sicht gesehen, ein Leitungsbau auch kommerziell gut verwerten lassen.
Auf alle Fälle ist an einen Gas-Europa-Verbund mit Speichermöglichkeiten
in Österreich nicht zu denken, wenn die ÖMV hier nicht auch tatkräftist
sich einschaltet. Die Gefahr, die GRÜNWALD sihet, dass gegebenedalls dann
eine andere Firma, er dachte hier gar nicht spezifisch andie Austro-Fern-
gas, ebenfalls weitere Leitungen prallel dazu baut, sehe ich derzeit nicht.
Hier hätten wir sicherlich mit Hilfe des Energiewirtschaftsgesetzes aus
der Nazi-Zeit die Möglichkeit, Schwierigkeiten zu bereiten. Ich kann Grün-
wald
und seine Bedenken bezüglich der grossen Investitionen, die jetzt
von Seiten der verstaatlichten Industrie durchgeführt werden, vollkommen
verstehen. Vor allem teile ich seine Meinung, dass er grosse Bedenken
wegen der Elektroly-Ausbaues in Ranshofen hat. Österreich bestitzt für
eine Aluminiumproduktion weder die Rohstoffe, Bauxit, noch den billigen
elektrischen Strom. Die Vorteile der billigen Arbeitskraft sind in dem
FAll minimal und ändern d.h. gleichen sich ja ständig den europäischen Ver-
hältnissen an, sodass eigentlich dieser dirtte Faktor vollkommen wegfällt.
resp. wegfallen wird. Grünwald ist darüber sehr unglücklich, dass insbesondere
Kreisky auf den Ausbau der Elektrolyse drängt. Wenn ich an die oö Wahlen im


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Herbst denke, aknn ich mit sehr gut vorstellen, welche verbindliche
Zusagen er hier diesbezüglich schon gemacht hat oder vielleicht gar noch
machen wird. Selbst wenn der Bedarf an Aluminium rapid steigt und wenn wir
damit rechnen können, dass wir die Produktionsmengen, die die neue
Elektrolyse erzeugt, auch tatsächlich absetzen können, bin ich trotzdem
fest überzeugt, dass wir immer in einer schlechten Konkurrenzlage zu den
anderen Aluminium produzierenden Staaten, die insbesondere einen ganz
billigen Strom zur VErfügung haben, stehen werden.Hier ist ist wieder
ein typisches Beispiel, wie in der Ökonometrie wahrscheinlich nach den
verschiedensten Einflüssen von Wirtschaftlicher Seite für dieses spezi-
fische GEbiet gesucht wird und in Wirklichkeit eine rein politische Ent-
scheidung aus ausserökonomischen Gründen gefällt wurde oder geefällt wird.

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Tagesprogramm, 28.3.1973


Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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    Tätigkeit: Ökonom


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      Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
      GND ID: 1053195672


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        Tätigkeit: [unklar, entweder HM oder HK; Zusammenhang Gespräch mit Mussil und Christian 1971 zur Gewerbeordnung]


        Einträge mit Erwähnung:


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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              Tätigkeit: OB


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                Tätigkeit: SChef HM
                GND ID: 12195126X


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                  Tätigkeit: HK


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                    Tätigkeit: GD ÖMV


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                      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                        GND ID: 118566512


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