Dienstag, der 27. Februar 1973

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Dienstag, 27. Feber 1973

Im Unterausschuß des Handelsausschusses, betreffend Gewerbe-
ordnung ging es zeitweise besser. Der Vorsitzende Staudinger
hatte mit allen Fraktionen gesprochen und insbesondere mit
seiner, der ÖVP Fraktion, festgehalten, daß expeditiver ge-
arbeitet werden muß. Das Betriebsanlagenrecht haben wir in
der ersten Runde durch. Damit haben wir das 1. Hauptstück bald
erledigt und es beginnt allerdings dann der spezielle Teil.
Hier erklärt Mussil immer wieder, hier wird es sehr schnell
gehen. Ich glaube nicht daran. Schon allein um sich ein Alibi
zu verschaffen, werden dann die einzelnen Gruppen vorgeladen
werden, um ihre Wünsche bezüglich Umstufung handwerklich gebunden
oder frei Gewerbe angehört zu werden.

Im Ministerrat entwickelte sich.eine Diskussion wegen der De-
legierung der Beamten ins Ausland. Das Wissenschafts- und Unter-
richtsministerium hat zu einer Tagung des Europa-Rates eine
Delegation mit vier Beamten, ohne Außenamt, vorgeschlagen.
Kreisky wies darauf hin, daß es doch ganz sinnlos ist, so viele
Leute nach Straßburg zu delegieren, wo bei dieser Tagung kaum
irgendwelche entscheidenden Beschlüsse gefaßt werden. Sinowatz
verzichtete dann auf Dr. Bandion, weil der sowieso nicht fahren
kann. Trotzdem waren von dem Ressort noch immer vier vertreten.
Kreisky wies darauf hin, daß es zielführender wäre, die Ver-
tretungsbehörden für solche Delegationen vorzusehen um Kosten
zu sparen. Bei dieser Gelegenheit wies er darauf hin, daß er
jetzt Briefe bekommt, wo über die Überziehung der Repräsentations-
kosten Beschwerde geführt wird. Die Wochenpresse hat eine dies-
bezügliche Aufstellung veröffentlicht, wo einige Ministerien
700 % ihrer Budgetansätze überschritten. Kreisky meinte, hier
müßte man genau untersuchen ob es notwendig war und wenn es tat-
sächlich zu solchen Überschreitungen kam, dann erklären, wie so
es durch die internationalen Kongresse oder sonstigen Gründen
eine solche Überschreitung gab. Auch bei ihm im Bundeskanzleramt.
Zu einer OECD-Reise, die Veselsky referierte, explodierte dann
Kreisky. Veselsky beantragte dann nämlich noch, daß Prof. Frisch


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als Experte zu der vielen Beamtendelegation zugezogen wird.
Kreisky fragte ganz empört, was denn eigentlich die Beamten
in Paris machen würden, wenn sie jetzt Prof. Frisch als Ex-
perten bräuchten. Sind sie Beamte und beherrschen die Materie
dann brauchen sie keinen Experten, beherrschen sie die Materie
nicht, wozu fahren sie dann hin. Veselsky erklärte, daß hoch-
wissenschaftliche Besprechungen dort geführt werden, deshalb
der Mann, der die Unterlagen wissenschaftlich bearbeitet hat,
nämlich Prof. Frisch unbedingt daran teilnehmen muß. In der
Delegation war Gehart vom Handelsministerium und Pleschiutschnig
vom Landwirtschaftsministerium vorgesehen. Niemand kam auf die
Idee den Handelsministervertreter zu bestreiten, doch wurde
allen Ernstes erklärt, warum das Landwirtschaftsministerium
dabei anwesend sein soll. Letzten Endes wurde aber auch diese
Delegation genehmigt, wobei Kreisky nur erklärte, er würde
für die nächste Ministerratsvorbesprechung entsprechende Vor-
schläge für die radikalste Einschränkung der Dienstreisen vor-
legen. (Achtung für die Schreiberin, Korrektur MR. Obermann ist
zu streichen und durch Bandion zu ersetzen.) Als Gipfel
kam dann noch, das Finanzministerium mit einem Nachtrag, wo
eine Delegation von 7 Personen nach Bonn reisen wird mit dem
deutschen Finanzministerium die konjunkturpolitische Situation
und die währungspolitischen Probleme sowie stabilitätspolitische
Maßnahmen zu besprechen. Hier war Kreisky weniger aufgeregt,
aber erklärte neuerdings, daß dieses Problem wirklich jetzt
einer Lösung zugeführt werden muß. Broda selbst schloß sich
dieser Auffassung an, weil er, wie er sich ausdrückte, in seinem
Ressort große Schwierigkeiten hat, wenn andere unverhältnismäßig
hohe Dienstreisevorschläge immer wieder vorlegen.

Im Bundesvorstand des ÖGB berichtete Benya über die wirtschafts-
politische Situation und hat dies sehr geschickt aufgebaut. Er
hat sich das Programm des Bundeskongresses 1971 beschlossen, als
Grundlage genommen und er klärte eben die und die Punkte, wo
er Stellungnahmen in der letzten Zeit abgegeben hat und die
von der ÖVP Fraktion hart kritisiert wurden, sein alle ein-
stimmig beim Bundeskongreß seinerzeit beschlossen worden.



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Altenburger konterte natürlich dann sofort in dem er meinte,
daß Benya in seiner Person nicht nur Präsident des Gewerkschafts-
bundes, sondern auch Nationalratspräsident und ein entscheiden-
der Parteimann der SPÖ sei. Dadurch wäre die Unabhängigkeit des
ÖGB gefährdet. Er verwahrte sich auch daher gegen den Zweckopti-
mismus und fragte immer wieder, wo die entsprechenden Beschlüsse
z. B. der Äußerung des Stabilisierungsabkommens usw. gefaßt
wurden. Er griff dann auch mich an in dem er erklärte, ich hätte
das Wohlverhalten der Wirtschaft bezüglich Einbindung der Mehr-
wertsteuer herausgestrichen. Dann stürzte er sich auf die Tatsache
daß das Statistische Zentralamt so lange braucht, bis der neue
Lebenshaltungskostenindex errechnet ist. Seiner Meinung nach
wartete man nur bis 76 mit Einsetzen des geänderten Schemas weil
dann die Wahlen vorüber sind. Die KP-Vertreter Hofer, aber auch
die Arbeitsgemeinschaft der gewerkschaftlichen Einheit kritisierten
natürlich die Wirtschaftssituation und die Äußerungen Benyas.
Häuser replizierte insbesondere Altenburger und wies darauf hin
daß er nicht als Häuser Sozialminister sei, sondern als Gewerk-
schafter. Auch ich wehrte mich dagegen, vielleicht gar als
Knecht der Industrie bezeichnet zu werden, sondern erklärte frei
weg, daß ich mich auch als Gewerkschafter in der Regierung fühle,
auch dann, was besonders bei mir sehr schwierig ist, eigentlich
die Handelskammerinteressen zu vertreten hätte. Meine Funktion
sei es doch primär den Sozialminister als Gewerkschafter nicht
nur keine Schwierigkeiten zu machen, sondern auch in seiner
Politik weitestgehend zu unterstützen. Ich verwies darauf, daß
auch Frau Sozialminister Rehor nebenbei bemerkt auch im Vorstand
anwesend war und ist, aus ihrer Erfahrung feststellen kann,
welche Schwierigkeiten ansonsten vom Handelsressort ihr gemacht
wurden. Häuser hatte auch bereits diesbezügliche Andeutung auf
die ÖVP-Alleinregierung mit ihren bündischen Schwierigkeiten
hingewiesen, die es, wie er sich ausdrückte, bei uns ja nicht
gibt.

Nach der Sitzung hat Tommy Lachs mich neuerdings darus gefragt
warum ich gerade die Tätigkeit der Unternehmer und deren angeb-
lich positiven Lösungen so herausstreiche, wo doch in Wien fest-


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gestellt wurde, daß 1.300 die errechneten Preise des Computer
überschritten haben. Ich frage mich dann immer wie ich Lachs,
wenn ich auf dieselbe pessimistische und negative Information
seine kritische Würdigung in der Öffentlichkeit auftreten würde,
dann Benya der Arbeiterschaft klarlegen könnte, daß man oft zu-
warten muß und die weitere Preisentwicklung abwarten muß. Ich
erkläre zu diesem Zweck ja überall, daß ein gewisses Wohl-
verhalten an den Tag gelegt wurde, daß aber natürlich die
Überschreiter zur Verantwortung gezogen werden müssen.

GenDir Bauer von der ÖMV hofft, daß die UdSSR für 1973 noch
150 bis 200 Mio. mehr Gas liefern wird. 75 Mio sei eine Nach-
lieferung, die die Sowjetunion mit 14,10 Dollar weiter-
liefert und der Rest auf die 200 Mio würde der Schillingpreis
umgerechnet, d.h. durch die Dollarabwertung dann die Sowjet-
union 17,01 Dollar verlangen. Außerdem ist er überzeugt, daß
bezüglich der Abtretung der Snam von den 6 Milliarden mit 100
Mio beginnend bis in den nächsten Jahren 350 Mio und von der
Ruhrgas 7 Milliarden ebenfalls 100 Mio beginnend bis 250 Mio.
der ÖMV zur Verfügung gestellt werden. Die Rückgabe würde dann
durch das Algeriengas 1978/79 erfolgen. Eine Zustimmung von
der Sowjetunion erreicht werden. Landeshauptmann a. D. Weißmann,
der jetzt Vorstandsmitglied der KELAG ist hat mich gebeten, daß
ich mich für eine Gaslieferung nach Kärnten einsetze. Ich konnte
ihm mitteilen, daß ich im Einvernehmen mit der ÖMV und der
Austro-Ferngas, d.h. den Landesgesellschaften nicht nur engsten
Kontakt habe sondern auch vorgesorgt ist, daß Kärnten auch
sicherlich mehr Gas bekommen wird. Bauer hat mir nämlich
vorher gerade versichert, daß die 50 Mio. die Kärnten unbe-
dingt braucht, in der ersten Phase garantiert ihm geliefert
wird. Ich habe dies natürlich nicht so dezidiert gesagt, doch
angedeutet, daß alle Schritte eingeleitet wurden, um Kärnten zu
versorgen. Die Forderungen der Kärntner sind hochgeschraubt und
meiner Meinung nach überhöht. Die ÖDK will 100 bis 160 Mio,
die Zementfabrik in Wittersdorf 100 Mio, Radenthein 80 – 100 Mio.
Klagenfurt für den Stadtbetrieb 7 Mio und 30 Mio fürs Fernheiz-
werk, Villach ca. 5 – 10 Mio. Insgesamt sollen 4 Abzweigungen
in Kärnten errichtet werden. Die Kärntner Ferngasgesellschaft


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war eine Gründung Weißmanns mit 10 Industriellen 1964.
Jetzt ist die Kelag eingestiegen und hat der Ferngas als 100 %ige
Tochter. Suchanek ist, wie Weißmann mir erzählte, gelungen,
durch Abtreten von zwei Aufsichtsratsposten bei der Kelag da-
für die Kärntner Ferngas zu inhalieren. Da Weißmann immer
schon anstrebte Geschäftsführer der Kärntner Ferngas zu
werden ist er jetzt als Vorstandsmitglied der Kelag 100%ig
befriedigt und hat deshalb auch gar nichts dagegen einzuwenden
gehabt, daß eben die Kärntner Ferngas jetzt in die Kelag auf-
gegangen ist. Die Kelag muß jetzt vom Verteilernetz ungefähr
250 – 300 Mio. S investieren, um die Gasversorgung aufnehmen
zu können. Weißmann war über die Aussprache, wie er mir ver-
sicherte, sehr befriedigt, weil ich der Erste sei, der die
Energieprobleme richtig angepackt habe und vor allem solches
Verständnis zeigte.

Im Klub der Mandatare auf der Landstraße diskutierten wird
die Grazer Wahlergebnisse. Die wichtigste Erkenntnisse außer
der Diskussion war, daß eben Leistungen, die man in einer Ge-
meindeverwaltung aber wahrscheinlich auch im Amt oder Bund er-
bringt die Grundlage sind, daß automatisch dann die Wähler
wieder der Partei ihre Stimme geben. Die Jungen setzen dies
als ganz selbstverständlich voraus. Deshalb haben sie sich
auch Scherbaum, der auf eine gute kommunalpolitische Arbeit
mit seiner Fraktion hinweisen kann, eben nicht gewählt. Die
Leistung war selbstverständlich und die Fehler die durch das
Abwürgen des Volksbegeherens betreffend Autobahn von ihm ver-
anlaßt wurde eben eine negative Stimmenabgabe erbrachte. Ich
glaube allerdings, daß die Bundespolitik auch einen großen
negativen Einfluß gehabt hat. Da ich Graz ungefähr in derselben
Struktur betrachte wie die Landstraße, wird es für uns von
großer Bedeutung sein, die endgültigen Gründe durch die Er-
hebung des IFES-Institutes genau zu kennen.

In der öffentl. Diskussion in der Leopoldstadt hat Schranz mich
anfangs gefragt ob ich die Grazer Wahlergebnisse eingehen wolle.
Ich habe nicht nur, weil es zu meinem Thema, ich sollte die Wirt-
schaft referieren, gar nicht paßte, dies abgelehnt, sondern


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hauptsächlich deshalb, weil dort doch nicht nur Funktionäre
oder Mitglieder der sozialistischen Partei sondern auch
Indifferenten saßen. Eine allgemeine Analyse, wie sie in
der AZ stand wäre nicht sehr sinnvoll gewesen und entsprach
auch gar nicht meinem Stil, sondern ich hätte dann eine Offene
Kritik und Vermutungen angebracht, die sicherlich nicht für
die Ohren von Nichtgenossen bestimmt gewesen wären. Ich habe
mich deshalb ausschließlich auf mein Thema beschränkt und auch
in der Diskussion wurde ich darüber Gott sei Dank nicht gefragt.
So freimütig ich Probleme mit den Landstraßer Funktionären
diskutiere, so sehr fühle ich mich nicht zuletzt aus Partei-
disziplin verpflichtet, mit Nicht-Genossen in öffentl. Ver-
anstaltungen äußerst vorsichtig andere Organisationen oder
gar Persönlichkeiten zu kritisieren. Außerdem stehe ich auf
dem Standpunkt, daß man wirklich jetzt abwarten muß, was die
Erhebungen von Blecha ergeben. Ich glaube nämlich, daß Kreisky
sehr verwundert sein wird wenn sich dann herausstellt, daß
doch die Bundespolitik doch einen entscheidenen Einfluß auf
Graz genommen hat. Ich habe seinerzeit schon bei dem Wahler-
gebnis im Burgenland und Salzburg erklärt, daß insbesondere
im Burgenland die negativen Einflüsse von der Bundespolitik
nur durch die überragende Bedeutung Kerys überdeckt wurden.
Kery ist sicherlich bei manchen Funktionären als duldsamer
Obmann der Partei und Landeshauptmann verschrien . Vielleicht
zu Recht. Trotzdem glaube ich, daß er bei den Wählern guten
Anklang findet und nur seine Persönlichkeit den negativen
Trend der Bundespolitik überdeckt hat. Leider hat man damals
in Burgenland keine Untersuchungen unmittelbar danach durch
Meinungsumfragen eingeleitet. Jetzt in Graz ist dies geschehen
und ich hoffe, daß wir sehr bald entsprechende Informationen
über den wahren Grund der Wahlniederlage erhalten können und
werden.

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Tagesprogramm, 27.2.1973

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 61. Ministerratssitzung, 27.2.1973

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Nachtrag TO 61. Ministerratsitzung, 27.2.1973


Tätigkeit: Unterrichtsminister


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
      GND ID: 119083906


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GD ÖMV


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ehem. Sozialministerin, ÖVP


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ÖGB-Vizepräs., FCG


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 129507873


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Justizminister


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                    Tätigkeit: Konsum (späte 30er-Jahre), später SC im Unterrichtsministerium


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                      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                        Tätigkeit: bgld. LH


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                          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                            Tätigkeit: Ökonom


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                              Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                Tätigkeit: Bundesvors. GLB


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                                  Tätigkeit: Ktn. LH-Stv., SPÖ


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                                    Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                      Tätigkeit: Grazer Bgm. bis 1973


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                                        Tätigkeit: Präsidentschaftskanzlei bis 1973, ab 1975 Wr. Magistratsdir.


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                                          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                                            GND ID: 118566512


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                                              GND ID: 12254711X


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