Freitag, der 9. Februar 1973

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Freitag, 9. Feber 1973

Obwohl der Unterausschuß den ganzen Tag von 9.00 bis 15.00 Uhr
tagte, geht es furchtbar langsam weiter. 37 § wurden bis jetzt
einmal durchdiskutiert und über die wichtigsten Fragen besteht
immer noch geteilte Meinung. Zwischen dem Wirtschaftsbund und
dem Bauernbund. Die sozialistischen Abgeordneten sind sehr opti-
mistisch und vergleichen die Fortschritte anderer Gesetzesma-
terien und meinen das geht rapid weiter. Das Haus fühlt sich
überlastet, selbst die eigenen Abgeordneten. Wichtig ist, daß
wahrscheinlich viele Materien gleichzeitig im Parlament beraten
werden sollen und daß daher einzelne Abgeordnete kaum Zeit haben
zu den einzelnen Problemen wirklich Stellung zu nehmen. Bei der
Verhandlung über die Gewerbeordnung sieht es deshalb so aus, daß
in Wirklichkeit nur Mussil für die ÖVP und für die FPÖ Dr. Orator,
ein Rechtsanwalt, spricht, der zweite Experte der FPÖ ist ein
Salzburger Landesbeamter und der 3. ein Kommerzialrat aus Graz,
der überhaupt keine Ahnung hat sondern halt gelegentlich seine
Erfahrungen aus der steirischen Praxis erzählt. Ich habe der soz.
Fraktion gleich bei Beginn vorgeschlagen, wir sollten davon ausgehen
daß wir sagen, die zur Verfügung stehenden Abänderungs-
anträge werden jetzt diskut9ert und dann gilt eben die Gewerbe-
ordnung wenn diese Probleme gelöst sind, als beschlossen. Leider
hat auch die soz. Seite, Müller vom Burgenland ist unser
Sprecher, vorgeschalgen, man sollte doch paragraphenweise vor-
gehen. Dadurch kommt es jetzt bei jedem § zu entsprechenden
rechtspolitischen Überlegungen und dies dauert Zeit und bringt
in Wirklichkeit nichts. Um die Situaton zu retten habe ich dann
mit Mussil vereinbart, daß die Experten aller Gruppen bei
SChef Jagoda die Formulierungen der offenen Punkte versuchen
sollten und insbesondere nachdem der Ausschuß seine poltische
Meinung kundgetan hat, in diesem Sinne eine entsprechende
Formulierung das nächste Mal vorgelegt werden soll. Auf diese Weise
hoffe ich den Zeitverlust, der sich durch die endlosen Diskussion
über jeden § ergibt, einigermaßen aufzuholen. Erfreulich ist, daß
Jagoda diese Materie aus dem ff beherrscht. Trotzdem macht er dies
sehr geschickt, daß er gelegentlich auch die anderen Beamten ins-
besondere Mache, Kinscher und Buchmann einsetzt. Die ersten zwei


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Experten vom Gesundheitsministerium wurden auch schon angehört.
Die Bauernschaft wehrt sich dagegen, daß in Hinkunft nur mehr
die Viehschneiderei von Tierärzten durchgeführt werden soll. Wohl
können die bis jetzt Gewerbeberechtigten ihre Tätigkeit ausüben,
aber es soll in Hinkufnt kein neuer mehr gelassen werden. Da did
Tierärzte dabei sicherlich mehr verlangen als die jetztigen Vieh-
schneider ist es für die Landwirtschaft auch ein Kostenproblem.
Außerdem hat der Tierarzt heute durch die Viehschneider eine ge-
wisse Konkurrenz. Ich bin überzeugt, daß ein Viehschneider, der
Jahr und Tag immer diese Arbeit macht wesentlich besser mit dem
Vieh umgeht, als ein Tierarzt der vielerlei anderen Möglichkeiten
auch hat. Ich kann mir aber nicht verkneifen zu sagen, daß das
Sozialprestige des Tieres heute verlangt, daß er eben auch von
einem Arzt und nichtgvon einem Laien behandelt wird. Das zweite
Problem betrifft das österreichische Seruminstitut für welches
das Gesundheitsministerium verlangte, es sollte aus dem Gesetz
ausgenommen werden. Andere Firmen, die eventuell das Serum er-
zeugen sollten sehr wohl eine Gewerbeordnung in Hinkunft unter-
worfen sein. Dies war natürlich ein gefundenes Fressen für die
FPÖ die d hier eine Bevorzugung von staatlichen Instituten sieht.
Interessant war für mich dann nur noch ein weiterer Gesichts-
punkt. Bei der Prüfung der Zuverlässigkeit die die Gewerbeordnung
bei der Ausgabe eines Gewerbescheines durchzuführen hat, wollte
sowohl Hanreich als auch Horator, daß man auch den Gesundheits-
zustand des Betreffenden überprüft. Bei gesundheitsgefährlichen
Berufen wird sowieso auf Grund des Bazillenausscheidungsgesetzes
Untersuchungen vorgenommen. Warum aber bei allen anderen Gewerbe-
betrieben eine entsprechende Gesundheitskontrolle nötig sei, läßt
sich meiner Meinung nach nur erklären, daß sich doch immerwieder
die Idee die auch Scrinzi im Haus vertreten hat, die Bevölkerung
einer gewissen Kontrolle unterziehen, erklären. Einheitlich wurde
aber diese Idee von allen abgelehnt. Er vergleicht, daß man auch
bei der Kraftfahrprüfung über die Tauglichkeit untersucht wird,
hinkt. Wenn jemand einen Gewerbebetrieb beginnen will so muß es
ihm selbst überlassen bleiben ob er die entsprechenden körperlichen
Voraussetzungen mitbringt. In vielen Fällen wird sogar ein Un-
selbstständiger, der die Arbeit bis jetzt geleistet hat, vielleicht


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deshalb ein Selbstständiger, weil er den Rythmus und die An-
forderungen die heute an gewisse Arbeiter gestellt werden nicht
mehr erfüllen kann und deshalb glaubt, daß ein Selbstständiger
ein bißchen mehr laschieren zu können. Ich glaube nicht an den
sozialen Charakter, dieser von der FPÖ geforderten Untersuchungs-
methode. Mussil, Staudinger, aber auch Hanreich versicherten mir,
nachdem ich am Ende der Sitzung protestiert habe, daß es wieder
Ende des Monats eine weitere Sitzung stattfinden wird, daß sie
nichts verzögern wollen. Im Gegenteil, sie meinen, daß unbedingt
noch heuer die Gewerbeordnung beschlossen werden muß. Sie be-
schwerten sich nur, daß eben das Parlament mit Gesetzesmaterien
überhäuft wird. Ich bin froh, daß ich als einzig großes Werk nur
die Gewerbeordnung in der Regierungserklärung angegeben habe.
Mir tut es schon schrecklich leid, daß ich durch das Drängen von
Kreisky in der Berggesetznovelle, d.h. eigentlich in ein neues
Berggesetz hineingetrieben wurde. Vielleicht allerdings wird bei
dem Berggesetz nicht eine so umfangreiche Unterausschußtätigkeit
notwendig sein.

Gesandter Kämmler und Handelsrat Krüger, der jetzt die entsprechen-
de wirtschaftliche Tätigkeit in der Botschaft der DDR übernommen
hat, besprachen bei der Abschiedsbesuch von Kämmler unser Handels-
vertragsentwurf. Krüger meinte im Detail, daß ihm der Artikel 2,
wo die entsprechende Liberalisierung auf der einen Seite, nämlich
Österreich wird bis 1. l. 1975 liberalisieren, während die DDR
entsprechende Aufstockungen vornehmen soll, daß dieser Punkt noch
eingehend erörtert werden muß. Unerklärlich ist,daß wir im Artiekl
5 über die Zahlung nichts aussagen, als daß dies auf Grundder be-
stehenden Rechtsvorschriften geschehen solle. Im ursprünglichen
Entwurf, der vom Finanzministerium in diesem Punkt formuliert
war, haben wir österreichischerseits vorgesehen gehabt, daß eben-
falls die Multilateralisierung vorgesehen werden soll. Jetzt
wünscht die Handelskammer eine entsprechende Revision und eben
die weitere Beibehaltung der .....Bezahlung. Kämmler wies mit
Recht darauf hin, daß die volkseigenen Betriebe viel lieber in
Ländern mit freien Währungen exportieren. Ebenso ist es so, daß
die Importe der DDR, d.h. also unsere Exporte wenn sie eingeplant
wenn die Konten überzogen sind, dann unsere Exporteure erleben


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werden, daß die Firmen in freikonvertierbaren Ländern kaufen.
Ich verwies auf die Befürchtungen die einzelne Betriebe und
ganze Branchen durch die Umstellung des Vertrages von dem
Kammerübereinkommen auf einen staatlichen Handels- und Zahlungs-
vertrag befürchten. Kämmler versicherte mir, daß die DDR alles
daran setzen wird, daß wenn einzelne DDR-Firmen durch dumping –
Exporte glauben, den österreichischen Markt erobertn zu müssen,
entsprechende sofortige Konsultationen, dies wird beseitigen
können. Kämmler hat dann noch gefragt, ob er dann bei seiner
Rückkunft nach Berlin für mich entsprechende Wünsche oder Auf-
träge übergeben können. Da mir Handelsrat Krüger namens des
Ministers Sölle zur Leipziger Messe einlud, habe ich Kämmler
ersucht, er möge bitte mich auch mündlich entschuldigen, da ich
derzeit durch parlamentarische Tätigkeit und andere Arbeiten
nicht im Stande bin, schon nach Leipzig zu fahren. Die Ausländer
werden dort an einem Samstag festlich empfangen und am Sonntag
ist dann die offizielle Eröffnung. Ich hoffe, daß ich Kämmler
überzeugt habe, daß ich wirklich nur aus Termingründen diesen
engen Kontakt bis jetzt noch nicht aufnehmen konnte. Ich ver-
sicherte ihm, daß ich ja auch in den vergangenen Jahren immer-
wieder bei jeder Gelegenheit den DDR-Pavillon besucht habe,
um die wirtschaftlichen Interessen zwischen beiden Staaten
weitestgehend zu fördern.

Die Austro-Ferngas-Leute wollten mir über den Stand der Ver-
handlungen berichten. Da sie annehmen, daß ich sie in ihrer
Tätigkeit unterstütze, haben sie verhältnismäßig lange Zeit
mir alle Details erzählt. Sie hoffen, daß sie spätestens bis
15. März im Konsortium mit Frankreich, Saarland und Süddeutsch-
land aufgenommen werden. Die Franzosen drängen darauf und wollen
auch die Schweiz im Konsortium aufnehmen. Süddeutschland möchte
dann wieder, daß gleichzeitg auch Österreich aufgenommen wird.
Der Streit geht eigentlich im Konsortium noch immer wo die ent-
sprechenden Schiffe anlanden sollen, in Vossionaire bei Marseille
oder in Monfalkone. Die Süddeutschen möchten unbedingt Monfalkone,
weil sie dadurch kostenmäßig besser aussteigen. Monfalkone sollte


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mit 7 Milliarden m³ und einer Leitung nach Süddeutschland
ausgestattet werden. Davon hätte Bayern 2 Milliarden, Württemberg
2 Milliarden und die Saar 3 Milliarden beziehen sollen. Die
Saar ist nun mit ihren 3 Milliarden bereits ausgesprugen und
hat sich für Vossionaire, d.h. für den franz. Hafen entschie-
den. Die Franzosen möchten nun, daß nun alles über Vossinaire
geleitet wird und sind deshalb einverstanden, daß die 500 Mio.
die Württemberg vob seinem Kontingent der Schweiz abtritt, ebe-
falls über Vossinaire angelifert wird. Dann sind die Franzosen
bereit, auch die Schweiz ins Konsorium aufzunehmen. Die Süd-
deutschen sind nunmehr einzig und allein die Verfechter, daß
Österreich ebenfalls gleichzeitig mit der Schweiz aufgenommen
wird. Die Algerier würden dann die Milliarden die Österreich
wünscht, zu den Bedingusngen, die sie auch dem Konsotium zuge-
standen haben, liefern. Wenn Österreich in das Konsortium nicht
aufgenommen wird, muß man damit rechnen, daß wesentlich schlechtere
Bedingungen von Österreich akzeptiert werden und die 2 Milliarden
dann, wo ist noch nicht ganz klar, zu übernehmen wären, bekommt.
GenDir Reisinger und Dr. Gruber aber haben mich ersucht ob ich
bereit wäre, da in den nächsten Woche Dienstag im Kuratorium ent-
schieden werden soll ob Österreich aufgenommen wird, einen ent-
sprechenden Brief an den franz. Wirtschaftsminister und dem belg.
Minister zu schreiben. Dazu war ich grundsätzlich bereit, teilte
ihnen aber mit, daß ich kaum einen Weg sehe, daß bis Dienstag
noch die Mitglieder des Konsoriums von ihren Ministern auch nur
eine Verständigung von diesen Brief bekommen würden. Ein Fern-
schreiben zu schicken halte ich für unzweckmäßig. Diesen Fall
hätte ein hecktischer Eindruck entstehen müssen. Ich erklärte
mich nämlich nur dazu bereit den franz. Minister zu schreiben,
daß ich auf G und unserer letzten Aussprache in Paris beim Staats-
besuch mit Jonas von ihm gehört habe, daß er größten Wert darauf
legt, auch franz.-österreichische Kooperationen zu fördern. In
dem Fall der gemeinsamen Gasbezuges und Verarbeitung sehe ich
nun einen Fall der Kooperation und möchte ihm nur versichern, daß
ich selbst auch sehr für diese Zusammenarbeit eintrete. Ich würde
ihn daher bitten, daß er ev. Schwierigkeiten sich vielleicht er-
geben könnten, sich gemeinsam mit mir versuchen sollte zu beseitige


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Anmerkung für HEINDL
Ein Briefentwurf wird uns die Austro-Ferngas, der dann im
obigen Sinne abgeändert wird, wenn der Inhalt nicht entspricht.
Ich glaube aber, daß es auch notwendig ist, das Aussenministerium
von diesem Schritt zu verständen.

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Tagesprogramm, 9.2.1973




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Jurist (FPÖ), Liquidator Duswald-Mühle


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Handelsrat DDR


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Außenhandelsminister DDR
            GND ID: 126882177


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.
              GND ID: 115848835


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: FPÖ-Politiker


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                  Tätigkeit: Beamter HM? Falschschreibung?


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                    Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                      GND ID: 102318379X


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                        Tätigkeit: Beamter HM


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                          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                            GND ID: 118566512


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                              Tätigkeit: Sekt.R HM


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                                Tätigkeit: GD NEWAG


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                                  Tätigkeit: GD Wr. Stadtwerke


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