Samstag, der 29. Juli 1972

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Samstag, 29. Juli 1972

Bei der Vorarlberger – Dornbirner – Messeeröffnung konnte ich Material
verwenden, welches vor etlichen Monaten bei einer Jubiläumsfeier von
Vorarlberger Firmen ausgeschickt, resp. vorgetragen wurde. Dort hatte
ich gehört, dass man vor hunderten Jahren auch grosse Schwierigkeiten
gehabt hat, um Waren von Vorarlberg nach Innerösterreich zu schicken.
Dies war ein guter Anknüpfungspunkt, um bei den Europäischen Gemeinschafts-
verhandlungen und dem Abschluss auch auf diese Schwierigkeiten hinzuweisen.
In der Presse kam dann meine Bemerkung, dass aus dem Vertrag nicht nur
lauter Vorteile sondern sicherlich auch Nachteile für Einzelfirmen erwachsen
werden, viel stärker heraus, als ich eigentlich beabsichtigte und in meinen
Erklärungen darlegte. Dies macht mir aber gar nichts aus, sondern im Ge-
genteil, ich bin sehr froh darüber, dass nicht nur in Optimismus von mir
immer über die Europäischen Gemeinschaftsverhandlungen geschrieben wird.
Den Vorarlbergern hat es aber sicher sehr behagt, dass ich so viel
von ihren eigenen Problemen in der Vergangenheit, in der Gegenwart
und auch in der Zukunft spreche.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Es wäre ideal, wenn man – sei es durch Informationen
aus Vorarlberg selbst immer solches Material haben könnte.

Interessant war, dass der Alt-Nationalrat Hämmerle mir nachher versprach,
er wird mir noch Detailmaterial schicken, denn seine Firma hat auch in den
vergangenen Jahrhunderten grosse Schwierigkeiten mit Innerösterreich ge-
habt. Ich weiss, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man in Vorarlberg
als Wiener zu irgendwelchen Problemen politisch Stellung nimmt. Allzu
leicht nur kann es einem passieren, dass man auf Grund von falschen
Informationen, wie dies z.B. Otto Probst bei der Schiffstaufe in Fussach
passiert ist, von Genossen selbst in eine Angelegenheit hineinmanövriert
wird, aus der man dann nur allzu schwer herauskommt.

Aus diesem Grunde bin ich auch sehr vorsichtig mit der Hohenemser Stein-
bruchangelegenheit. SPÖ-Landesrat Winder, den ich so wie den Bürgermeister
über den offiziellen Schritt der Firma Verwaltungsgerichtshofbeschwerde
informierte, wollte von mir wissen, ob er gegebenenfalls durch entspre-
chende Demonstrationen oder Petitionen gegen diese Entwicklung jetzt
bereits Stellung nehmen sollte. Ich warnte ihn sehr und erklärte, dass


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wenn man das auslegen würde, dass sich Vorarlberg und ganz besonders
die SPÖ schon jetzt gegen einen Gerichtsbeschluss wendet. Das heisst,
die Rechtsstaatlichkeit verletzt. Im Gegenteil, ich stellte mich als
Märtyrer hin und erklärte, ich müsste ja jetzt auslöffeln, wenn der
Verwaltungsgerichtshof - was mit grösster Sicherheit anzunehmen ist –
mich verurteilt, weil ich im Interesse Vorarlbergs, in dem Fall der
Hohenemser Bevölkerung gehandelt habe. Dem Bürgermeister setzte ich
aber in seiner Gemeindestube, wo er mir gleich die ganzen Probleme seiner
Gemeinde darlegte und dann sogar noch eine Besichtigungstour mich ersuch-
te, mit ihm zu absolvieren, auseinander. Winder meinte, dass ich in Vorarl-
berg einen sehr guten Ruf erworben habe, schon allein, da ich so oft
in diesem Land bin. Der Dornbirner Bürgermeister, ein ÖVP-Mandatar, hatte
sogar auch den Fehler gemacht, beim offiziellen Mittagessen, mich als
Dornbirner Minister zu begrüssen. Winder meinte, vor nicht allzu langer
Zeit waren alle Sozialisten noch Bolschewiken, die man möglichst weit
von Vorarlberg weghalten sollte. So ändern sich halt wirklich die Zeiten.
Der schwarze Hohenemser Bürgermeister ist hoch erfreut, über den engen
Kontakt und über das Interesse für ihre Probleme, welches ich an den
Tag lege. Trotzdem habe ich ein unbestimmtes Gefühl, dass die ganze Sache
nicht allzu günstig für uns ausgehen wird. Die Firma rechnet ganz
fest mit Sprengungen, die ununterbrochen – so erklärt man mir – bohrt
man an der Wand bereits jetzt die Sprenglöcher. Wenn der Verwaltungsge-
richtshof nicht in merito entscheidet, sondern mich beauftragt, dann doch
eine Entscheidung zu treffen, da werde ich und muss ich auch versuchen,
die Landesregierung in diese Entscheidung mitverantwortlich heranzuziehen.
Ich habe dem Landeshauptmann Kessler und auch dem Wirtschaftsreferenten
Müller bei der Dornbirner Messe klar und deutlich erklärt, dass ich
noch immer nicht die Befundung der ganzen Wand, die ich von Vorarl-
berg verlangt habe, erhalten habe. Ich habe aber mit meinem Entscheid
solange zugewartet und werde deshalb jetzt säumig und komme vor
den Verwaltungsgerichtshof. Beide meinten zwar spasseshalber, es macht
nichts, wenn eine Bundesstelle wegen ihnen vor den Kadi zitiert und
vielleicht auch sogar den Prozess verliert. Wir müssen uns nur darüber
klar sein, dass letzten Endes die Sprengungen letzten Endes doch durchge-
führt werden. Wenn wir sie auch dann nachher nur als Sicherheitsprengun-
gen bezeichnen können. Ich habe mich Gott sei Dank nur verpflichtet,
mein Möglichstes zu tun und vor allem immer wieder erklärt, dass die


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Bevölkerung, bevor irgendetwas geschieht, von mir aufgeklärt wird. Zu
diesem Zweck habe ich auch erklärt, dass ich nach Hohenems ins Gemeinde-
amt komme, um hochoffiziell den Bürgermeister über den letzten Stand
zu informieren.

Der Bürgermeister von Bregenz, Ing. Mayer nützte meine Anwesenheit
um mir vom Polizeiboot Vorarlbergs am Bodensee aus seine Pläne neuerdings
in Erinnerung zu rufen. Für das Festspielhaus am See hat die Bundes-
regierung beschlossen, 40 Mill. S zu geben, wenn auch das Land und natür-
lich teilweise auch die Gemeinde entsprechende Zuschüsse geben. Die Gemeinde
ist nun durch ihre Spitalsbelastung ausserstande, die übernommenen finan-
ziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Derzeit hat er Schwierigkeiten, um
die Gehälter auszahlen zu können. Mayer behauptet nun, dass Min.Rat
Poppinger in einem Gespräch erklärt hätte, das Handelsministerium wäre
imstande, einen Zinsenzuschuss der Gemeinde zu geben, damit sie ihren
Anteil verbilligt auf dem Kreditwege einbringen könnten. Ich erklärte
Mayer, dass ich das erste Mal von diesem Projekt höre und genau prüfen
werde, ob solche Möglichkeiten bestehen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte kläre, wieso Poppinger und in welchem Aus-
mass er Zusagen gemacht hat.

Den zweckmässigeren Weg, dass – wenn die Gemeinde kein Geld hat und nichts
für das Festspielhaus auftreiben kann, dass er doch vielmehr mit Kreisky
neuerdings verhandeln sollte, damit der Bundeszuschuss erhöhen wird. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass es sinnvoll ist, dass wenn wir einen
Zinsenzuschuss der Gemeinde für ein Darlehen geben, welches sie aufnimmt,
um das Festspielhaus zinsverbilligt dann anteilsmässig finanzieren zu
können. Abgesehen davon ist es mir unerklärlich, wie man bei so einer
Finanzlage weitere Millionenverpflichtungen eingehen kann. Verständlich
ist andererseits aber, dass Mayer natürlich innerhalb seiner Legislatur-
periode womöglich recht viel für Bregenz in Angriff nehmen möchte, und
vor allem deutlich sichtbare Erfolge braucht. Das Problem über die Rhein-
tal-Autobahndurchfahrt Bregenz ist ja noch immer nicht endgültig gelöst.
Der Obmann der Sektion Fremdenverkehr, Beilsteiner, erklärte mir, dass
jetzt schön langsam, er war immer ein Gegner des Berghangprojektes, die
Stimmung wieder umschlägt. Er hat seinerzeit sich für jede Lösung ausge-
sprochen, weil er gemeint hat, dass damit endgültig ein Baubeschluss zu-
stande kommt. Er meint, dass vom Standpunkt Vorarlberger Fremdenverkehrs-


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wirtschaft eine Lösung, wie immer sie in Angriff genommen wird, nur jetzt
sehr bald und endlich begonnen werden sollte. Bautenminister Moser hat
mich aber gewarnt und gemeint, ich sollte keinerlei konkrete Erklärungen
oder Zusagen abgeben, weil scheinbar jetzt noch immer die Frage nicht end-
gültig entschieden ist. Selbst ohne den guten Tipp, für den ich Moser
sehr dankbar bin, hätte ich mich sowieso über diese heisse Eisen nicht
drübergewagt, es ist ja auch Gott sei Dank nicht mein Kaffee.

Als weiteres Grossprojekt wird die Bundesregierung nun in Angriff nehmen,
tatsächlich einen Arlbergstrassentunnel zu bauen. Sicherlich hat Kreisky
recht, wenn er meint, dass damit Vorarlberg stärker nach Innerösterreich
integriert wird und nicht noch mehr in den deutschen und Schweizer Raum ab-
schwimmt. Andererseits aber wieder ist dies ein weiteres Milliarden-
Projekt, welches neben dem Güterbahnhof Wolfrum und der Autobahnführung
Bregenz sowie der Festspiel-Aufwendungen dem Bund viel Geld kosten
wird. Ich habe mit Genehmigung von Moser ja vielleicht sogar auf seinen
Wunsch, als ich ihn fragte, wie weit dieses Projekt steht, auch bei der
Vorarlberger Messe-Eröffnung darauf hingewiesen. Auch dieses Projekt
nehmen die Vorarlberger als selbstverständlich hin.

Was mich am meisten verwundert hat, war, dass mich während der ganzen
Messe-Besuches niemand angesprochen hat, ob das Handelsministerium nicht
Geld für die weiteren Messen zur Verfügung stellen wird. Nächstes Jahr
ist die 25-jährige Jubiläumsmesse und die einzige Sorge von Präsidenten
als auch vom Bürgermeister von Dornbirn war, ob ich nicht beleidigt
wäre, nachdem der Dornbirner Bürgermeister beim Bundespräsidenten ange-
fragt hat, ob er nicht die 25. Jub. Messe eröffnen möchte. Ich erklärte
sofort, dass mir dies nicht nur nichts ausmacht, sondern dass ich ganz
im Gegenteil er sehr begrüssen würde, wenn der Bundespräsident diese
Messe tatsächlich eröffnet. Rhomberg als Präsident der Dornbirner Messe
meinte aber, es müsste garantiert sein, dass ich trotzdem zur Messe als
ihr Minister komme. Ich habe ihm eine solche Zusage spielend leicht
machen können. Verwundert hat mich, dass Dornbirn beabsichtigt, die Messe
zu verlegen und mich nicht ein einziges Mal um einen diesbezüglichen Bei-
trag bis jetzt angesprochen hat. Ich glaube, wir sollten hier eine eventuelle
Studie, die man doch vorher gründlich anlegen sollte, mitfinanzieren
und vielleicht sogar überhaupt erst den Anstoss zu solcher Studie geben.
Ich kann mir vorstellen, dass wir hier mit einem verhältnismässig geringen


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Betrag doch eine wirklich zweckmässige Arbeit leisten könnte,
wie wir dies auch bei den Studien in Fulpmes über die Schmiede-
genossenschaft und in Zwettl jetzt für den Industriepark tun.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte entsprechende Untersuchung veranlassen, oh-
ne dass für uns dann ein Zuschuss für die Durchführung erwachsen dürfte.

Der Honorarkonsul von Liechtenstein ersuchte mich, ob ich nicht einmal
zu einem offiziellen Besuch zu ihm kommen könnte. Er meinte, dass früher
doch ab und zu ein ÖVP-Minister nach Liechtenstein gekommen ist, wäh-
rend sich bis jetzt kein einzige SPÖ-Minister offiziell oder inoffi-
ziell in Liechtenstein aufgehalten hat. Er wollte, dass ich im Herbst
jetzt zu einer solchen Reise, die er organisieren würde und sicherlich
auch bezahlen würde, kommen sollte. Ich habe ihm erklärt, dass dies
vollkommen aus zeitlichen Gründen unmöglich ist und nur zugesagt,
dass ich vor der nächsten Dornbirner Messe auf alle Fälle einen Tag
sein Gast sein werde.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte entsprechende Vorarbeiten für diesen
inoffiziellen Besuch treffen.

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TB unbek. Autor betr. Pressefrühstk., Preisbeob., 31.7.1972

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TB unbek. Autor u.a. betr. Europa-Inst., 1.8.1982

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TB unbek. Autor betr. "Schweine-", "Reisebürokrieg", 2.8.1972

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TB unbek. Autor betr. Woll-VO, Preisbeob., Europa-Inst., Lebensmittelkennzeichnungs-VO, Extrapost 3, 3.8.1972

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Tätigkeit: Bgm. Bregenz


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    Tätigkeit: Bautenminister


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        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Landesparteisekr. SPÖ Vorarlberg, LT-Abg., Landesrat


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            Tätigkeit: Präs. Dornbirner Messe


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              Tätigkeit: Bundeskanzler
              GND ID: 118566512


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                Tätigkeit: LR, LH-Stv. Vbg.


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                  Tätigkeit: SChef HM
                  GND ID: 12195126X


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                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                    GND ID: 102318379X


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                      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                        Tätigkeit: LH Vbg., ÖVP


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