Donnerstag, 22. Juni 1972
In der Bundesratsfraktion berichtet Skotton, der auch der Sprecher
für die Bundesräte bei den Parteienverhandlungen über die Bezugs-
regelung war, dass er sich mit dem Vorschlag, dass der Bundesrat
60 % des NR-Bezuges beziehen sollte, nicht durchsetzen konnte. Er
ist so deprimiert, dass er erklärt, am liebsten würde er demissionieren,
wenn die Genossen dies von ihm verlangen. Übereinstimmend wird festge-
stellt, und alle trösten ihn deshalb, dass ein solcher Demissionsgrund
nicht vorliegt. Fischer berichtet, dass seit dem April 1970 130 Gesetze
bis jetzt beschlossen wurden und davon fast 90 % einstimmig. Für den
Bundesrat ist wichtig, dass das Länderforderungsprogramm, welches
derzeit in einer Regierungsvorlage im Ausschuss liegt, wonach
über 2 Dutzend Kompetenzen an die Länder gehen, deshalb nicht verhandelt
wird, weil die SPÖ eine einzige Forderung, nämlich, dass das Landar-
beiterrecht Bundessache werden sollte, angeschlossen hat. Zu der
Kodifikation des Arbeitsrechts ist es dringend notwendig, dass das
Landarbeiterrecht verbundlicht wird. Bei der jetzigen Regelung dauert
die Ausführung der Gesetze in einzelnen Länder oft bis zu fünf Jahren
und sind sehr unzulänglich. Die soz. LH und vor allem alle soz. Frak-
tionen in den Ländern haben diesen Wunsch der Landarbeiter, der ja
insbesondere von Pansi vertreten wird, zugestimmt. Bereits aber bei
der ersten Sitzung hat Prader von der ÖVP erklärt, sie verlangen,
das Fallenlassen dieser Bestimmung, ansonsten sind sie nicht bereit
in die Verhandlungen einzutreten. Im Herbst rechnet man mit 50
Regierungsvorlagen. Im Justizausschuss wegen der Strafrechtsreform
im Bautenausschuss wegen Assanierungsproblem im Gesundheitsausschuss
wegen des Lebensmittelgesetzes, der aussenpolitische Ausschuss wegen
der Sicherheitskonferenz und der Integrationsausschuss wegen der EG-
Verhandlungen sollte oder wird wahrscheinlich permanent erklärt werden.
Die Permanenterklärung ist auch keine endgültige Lösung, denn in
Wirklichkeit kommt es dann darauf, an, dass die Abgeordneten dann
wirklich bereit sind, in dieser sitzungsfreien Zeit, das ist
sowieso nur der September irgendetwas dann noch zusätzlich zu leisten.
Im Integrationsausschuss könnte es den Zweck haben, dass man noch
informative Besprechungen im Juli abhalten kann.
Im Bundesrat selbst hat sich Androsch sogar durch einen Brief ent-
schuldigt, dass er durch seine Moskau-Reise nicht an der Sitzung
teilnehmen kann. Die Diskussion über die Mehrwertsteuer war sehr lebhaft
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und vor allem mit sechs Rednern ungeheuer lang. Über die 360.– S
Steuerabsetzung haben ebenfalls sich zwei Redner gemeldet. Da die
Tagesordnung des Bundesrates aber immer äusserst gross ist, ich
glaube es waren über 40 Gesetze zu beschliessen, in einem Tag erle-
digt werden sollen, ging es dafür bei den anderen umso schneller.
NR Hobl erzählt mir, dass er mit den Ölfirmen durch eigene Durch-
rechnung auch zu der Überzeugung gekommen ist, dass 51 Groschen
Benzinpreiserhöhung notwendig sein wird. Wenn ich nur einen Groschen
von diesem Antrag kürze ist das ein 20 Mill. geringere Einnahme
bei der Ölindustrie. Die Hälfte davon trifft die ÖMV. Hobl er-
zählt mir, dass er bereits vor Monaten Gen.Dir. Celerin, mit dem
er im Imperial gegessen hat, mit Androsch traf. Gen.Dir. Celerin
hat damals bereits Androsch nachgewiesen, dass diese 51 Groschen
auf alle Fälle stimmen. Trotzdem hätte Androsch immer wieder erklärt.
seine Beamten hätten 30 Groschen errechnet und dabei bleibt es.
Hobl meint nun, dass für mich eine sehr schlechte Situation entstehen
wird, wenn ich den Preis dann endgültig festlegen müsste. Das Beste
ist, ich erkläre, dass der Finanzminister die 16 % Mehrwertsteuer
mit 31 Groschen Erhöhung so errechnet hat, dass er eben die Mineral-
ölsteuer aus dieser Berechnung ausgeschieden hat. Dieser Vorschlag
ist für mich unakzeptabel, denn das würde bedeuten, dass ich den
Finanzminister unterschiebe, dass er nicht gewusst hat, ob und in-
wieweit die Mineralölsteuer, wenn sie der Mehrwertsteuer unterworfen
wird, ihm als Finanzminister nicht feststand und die Auswirkungen
nicht bekannt wären. Wie ich aus diesem Dilemma herauskomme, ist
mir allerdings auch ein Rätsel.
Im Parteivorstand wurde die Gehaltsregelung für die Parteiangestellter
beschlossen. 9,5 bis 11 % sollen ab 1.8., der Betriebsrat forderte
1. Mai, ausbezahlt werden. Zur Klasse VI, das sind die kleineren
Angestellten, soll das Biennium von 160.– auf 170.– S erhöht
werden. Bezirkssekretäre sollen 5.000 S Anfangsgehalt bekommen.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir um diesen Betrag überhaupt
eine tüchtige Kraft kriegt. Bei uns im Bezirk ist das nicht möglich.
Überstundenpauschale wird von 850.– auf 1.030 S erhöht. Natürlich
hat der Bezirk noch die Möglichkeit dem Sekretär und den Angestellten
überhaupt einen selbständigen Zuschuss zu geben und ich glaube, alle
Bezirke machen dies. Wenn aber der Bezirkssekretär oder die -sekretärin
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keine Möglichkeit hat, als Abgeordnete dann eine kleine Aufbesserung
zu bekommen, kann man schon damit rechnen, dass man kaum wirklich eine
tüchtige Kraft bekommen kann.
Kreisky berichtete, dass bei der Aussprache im Gewerkschaftsbund über die
Stahlkonzentration alle Betriebsräte ausser 5 ÖAAB, davon 2 aus Linz,
2 von der Alpine und 1 von den Stahlfirmen, dafür gestimmt haben. Sogar
der ÖAAB-Vertreter von Böhler hat mit den Sozialisten, den Freiheitlichen,
den Kommunisten und den Unpolitischen positiv für die Stahlfusion, wie
sie Kreisky vorgelegt hat, gestimmt. In der Diskussion meldete sich dann
Schwarz, AK-Präsident der Steiermark, und meinte, dass es unverständlich
sei, dass die Oberösterreicher solche Beschlüsse gefasst hätte und die
Unterschriftenaktion der Oberösterreichischen Nachrichten nicht ent-
sprechend bekämpft hätten. Hillinger replizierte, dass die Alpine auch
früher schon entsprechende Beschlüsse gefasst hatte. Daraus entwickelte
sich dann neuerlich ein Disput zwischen Sebastian und Fridl. Jeder
einzelne, aber auch von den anderen Diskussionsrednern erklärt, dass
sie mit dieser Stahllösung, die jetzt gefunden wurde, einverstanden
sind. Kreisky meint in seinem Schlusswort mit Recht, dass er über diese
Diskussion erschüttert sei. Vormittags hätten die Betriebsräte einer nach
dem anderen sich gegen die paar ÖAAB-ler heldenhaft gewehrt und erklärt,
sie stehen zu dieser Lösung und werden sie vor allem auch überall jetzt
entsprechend vertreten. Hier im Parteivorstand dagegen gibt es noch immer
eine Diskussion nach Landsmannschaften und nach partikularen Interessen.
Ich glaube aber, dass durch die Methode, die Kreisky immer wieder anwen-
det, durch ununterbrochene Diskussion über Probleme, durch entsprechende
Information und vor allem durch Auseinandersetzen auch mit Gegnern einer
Idee, ob dies in der eigenen Partei ist oder ob dies die ÖVP ist, doch
dann eine solche Stimmung erzeugt, dass selbst am Anfang hoffnungslos er-
scheinende Situationen von ihm gemeistert werden können. In diesem Fall
muss man gar nicht durch ewige Kompromisse den schlechtesten Weg ein-
schlagen, sondern kann seine Idee dann durchsetzen, nur muss man sie fle-
xibel vorbringen und doch versuchen, einen Einwand, der einigermassen be-
rechtigt ist und begründet teilweise zumindestens Rechnung zu tragen.
Bis jetzt und in unserer Partei erweist sich also dieser Weg als zielführen-
der, als wenn man einsame Beschlüsse irgendwo fasst und dann entsprechend
kraft der Autorität durchdrückt.
Czernetz fragte mich vorher, ob ich den Artikel vom Spiegel werden
Investitionen von Steyr-Daimler-Puch in Saloniki gelesen habe. Ob
dies auch wahr sei, ich bejahe und er stellte dann natürlich unter
Allfälliges eine diesbezügliche Anfrage, ob es denn möglich sei,
dass tatsächlich für die griechische Militärdiktatur eine solche Unter-
stützung gegeben wird. Er wird diesbezüglich in den Versammlungen gefragt.
Da Pittermann auch anwesend war, hatte ich angenommen, dass auch er da-
gegen polemisieren wird Zu meiner grössten Verwunderung aber konnte ich
nachdem ich sofort antwortete feststellen, dass nur mehr Kreisky dann
gegen Czernetz emisierte . Er erklärte nämlich, dass es für die Steyr-
Daimler-Puch von allergrösster Bedeutung war, dass diese joint venture
zustandegekommen war und dass aber der Artikel, wo er über die Waffen
spricht, nicht den Tatsache entspricht. Waffen und Munition dürften nur
mit Zustimmung von Rösch resp. Kirchschläger ausgeführt werden und die
seien hier als Neutralitätshüter sehr rigoros. Kreisky meinte, Steyr-
Daimler hätte dieses Offert im ärgsten Konkurrenzkampf mit anderen
Staaten abgegeben und sei für die Beschäftigungslage von allergrösster
Bedeutung. Derzeit stehen viele hunderte Lastautos und sind unverkäuflich
und Steyr- muss sich daher um jeden Markt kümmern auch um den griechischen
Man sieht also, dass ideologisch ungünstige Geschäfte von einer erfolgrei-
chen Regierung gegen die eigenen Parteiideologen leicht verteidigt werden
können. Wenn hier der eine oder andere noch aufgestanden wäre, um irgend
welche parteiideologische Bedenken gegen eine solche Politik zu haben,
wäre sicherlich auch noch der Gewerkschaftsbund und die Gewerkschafter
in die Bresche gesprungen und hätten diese Gruppe in der Diskussion sicher-
lich mundtot gemacht.
Vom RKW, d.h. Kuratorium für Wirtschaftlichkeit, von Prof. Rauscher, Gen.
Direktor Mayer und der Geschäftsführer Dipl.Ing. Vetiska intervenieren,
dass sie 1970 252.000 S und 1971 keinen Groschen mehr Subvention be-
kommen haben. Sie wussten und haben auch zugegeben, dass es zielführender
ist, statt der Vereinssubvention eine Sachsubvention für einen Auftrag
zu bekommen. Sie hätten aber 1971 diesbezügliche Projekte vorgelegt und
letzten Endes hätte dann die Abteilung ihnen abschlägig entschieden.
Wanke und mir war es vollkommen unerklärlich, wie dies zustandegekommen
ist. Da wir dem ÖPZ, Österr. Produktivitätszentrum, auch im Vorjahr
eine grössere Subvention gegeben habe, verstehe ich wirklich nicht, wieso
ein Teil nichts bekommen hat. Wenn man die Projekte überprüft hat und
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gefunden hat, dass kein einziges dabei ist, was für uns von Bedeutung
ist, so könnte ich das noch verstehen. Doch wurden weder ich noch Wanke
jemals um eine Stellungnahme gefragt.
Anmerkung für wanke: Bitte dem Fall wirklich nachgehen und neues Programm
mit Vetiska besprechen.
Bei der letzten Diskussion mit den Intellektuellen von der Landwirtstrasse
wurde von einem Arzt behauptet, er könnte bei mir keinen Vorsprachetermin
bekommen. Er hätte dies auch schriftlich der Ärztekammer mitgeteilt.
Dr. Schmidt kam deshalb jetzt auf meine Einladung, der Polizeiarzt, den
ich nicht namentlich kenne und er zeigte mir tatsächlich ein Schreiben,
wo ich zwar nicht erklärt habe, dass sie nicht kommen könnten, sondern
wo ich mitteilte, es wäre zielführend, noch einige Stellungnahmen abzuwarten
bevor sie bei mir vorsprechen. In der letzten Kraftfahrgesetznovelle wurde
bestimmt, dass das Limit für ärztliche Untersuchungen bei Führerscheiner-
werb mit 12.00.– limitiert ist. Polizeiärzte in Wien, nur hier spielt
das eine Rolle, kommen nun mit diesem Limit nicht aus. Im Vorjahr haben
sie 34.000 Untersuchungen durchgeführt und hätten dadurch im Durchschnitt
nur 16.20 erhalten, obwohl ihnen 24.– S zustehen. Auf jeden Arzt entfallen
derzeit durch dieses Limit 480 Untersuchungen und die 46 Ärzte möchten
deshalb nach dieser Untersuchungsreihe, wo das Limit ausgeschöpft ist
keine weiteren Untersuchungen mehr durchführen. Diese Drohung geht bei
mir natürlich vollkommen daneben, weil dann muss sich eben die Pol.Dion
Wien um mehrere Ärzte umsehen, damit dann die Untersuchungen auch bezüg-
lich des Aktenanfalles, d.h. dem Führerscheinwerber entsprechend abgeschlos-
sen werden können. Da diese Limitierung im letzten Kraftfahrgesetz beschlos-
sen wurde, erklärte ich, dass ich ausserstande bin, jetzt vielleicht eine
neue Novelle sofort wieder zu beantragen. Die Ärztekammer selbst dürfte
einen grossen Fehler gemacht haben, dass sie diese Bestimmung, als der
Gesetzentwurf zur Debatte stand, nicht entsprechend beachtete, weil es
sich nur um ein Wiener Problem handelte. Ich konnte deshalb, ohne demagogisch
zu sein, das nächste Mal wird halt die Ärztekammer bei einer Novelle des
Gesetzes diese Forderung stärker vertreten müssen. Das einzige, wo die beide
Intervenienten einverstanden waren, war, dass ich so schnell ihnen den
Termin gegeben habe. In der Sache selbst konnte ich darauf hinweisen, dass
doch eine gewisse Schuld bei der Ärztekammer liegt und das hat sie zwar
nicht befriedigt, aber sie mussten es zur Kenntnis nehmen.
Tagesprogramm, 22.6.1972
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)