Samstag, der 29. April 1972

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Samstag, 29. April 1972

Bei der Eröffnung der Grazer Messe hatte ich den Eindruck, dass
seit dem Ableben von LH Krainer nicht mehr so viele Leute zum
Frühstück in die Burg kommen. Vielleicht auch war dies ein reiner
Zufall, denn die Diplomaten waren eigentlich in derselben Stärke
vertreten. Diesmal war auch Schleinzer erschienen und ich kam
ziemlich nahe, Niederl setzte ihn gleich zu seiner linken Seite,
mit ihm ins Gespräch. Ich nützte die Gelegenheit, um ihm neuerdings
zu versichern, dass er doch wahrscheinlich sowieso über die EWG-
Verhandlungen genau informiert sei, aber wenn dies nicht der Fall
sein sollte, ich jederzeit ihm zur Verfügung stehe. Er interessier-
te sich für einige Details, meinte aber abschliessend, dass er
trotzdem mich entsprechend angreifen würde. Dies war insbe-
sondere glaube ich eine Reaktion, als auch gleich vorweg festge-
stellt habe, dass seine Erklärung, die Opposition in Österreich
wird sich nicht so verhalten wie die Opposition in Grossbritan-
nien, als positiv zu betrachten sei und damit eigentlich eine
Zustimmung als gegeben von mir angenommen wird. Dass die Opposi-
tion dann kritisiert und angreift, dafür habe ich vollstes Ver-
ständnis, erklärte ich gleich vorweg.

Bei der offiziellen Ansprache ging ich auf einige Bemerkungen von
Niederl ein, doch war dieser wesentlich vorsichtiger, als Krainer
seine Wünsche an die Bundesregierung deponiert. Vor allem aber hat
er darauf hingewiesen, dass bei den Entwicklungsmöglichkeiten im
steirischen Raum die Gemeinden und das Land koordinieren müssten.
Er hat also ganz bewusst den Bund vergessen und ich habe darauf so-
fort reagiert, indem ich gesagt habe, es dürfte sich hier doch nur
um eine beabsichtigte Achtung der Kompetenz – Bund soll
Bundessachen entscheiden – handeln, und ich möchte sofort diese
Ergänzung, nämlich Kooperation aller drei Gemeinden, Länder und
Bund hinweisen. Ausserdem hat Niederl auch Schwerbaum auf die
EWG-Verhandlungen resp. auf die Notwendigkeit, eine klare und
schnelle Entscheidung herbeizuführen, in ihrer Rede angespielt.



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Dies war natürlich auch für mich ein guter Aufhänger, um über die
EG-Problematik kurz zu berichten. Da insbesondere auch Schleinzer
bei der Vorsprechung eine diesbezügliche Bemerkung gemacht hat,
erwähnte ich diese Diskussion auch in meiner offiziellen Ansprache.
Ich versuchte, die Aktualität und die Art, wie ich seinerzeit mit
Krainer Messe-Eröffnungsreden abgewickelt habe, auf alle Fälle bei-
zubehalten. Den ORF-Leuten sollte ich eine Durchschrift unseres
Entwurfes geben, doch habe ich leider diesen im Auto liegen gelassen,
da ich darauf vergessen habe. Ich glaube, dass sie aber auch mit dem
Entwurf nicht allzu viel hätten anfangen können. Das Grundkonzept
war von Koppe glaube ich sehr richtig erstellt, Doch ergeben sich eben
aus der Aktualität immer wieder entsprechende Abweichungen, die
nachmal sehr weit führen können, sodass ich nämlich kaum etwas vom
ursprünglichen Konzept übernehmen kann. Ein bisschen tut er mir
ja immer leid, dass ich dann geistige Arbeit von Koppe nicht sofort
entsprechend verarbeiten kann. Da ich zum Unterschied von den anderen
Ministern ja meistens allein reise, ich möchte nämlich nicht haben,
dass die Kollegen ihre Freizeit, die sie sowieso nur in bescheidenem
Masse haben, durch Anwesenheit bei meinen Veranstaltungen noch stärker
eingeschränkt bekommen, gibt es dann auch für Koppe und die anderen
kaum eine Möglichkeit festzustellen, was in den aktuellen Ereignissen
und Mitteilungen wirklich notwendig war und was nicht. Dadurch habe
ich allerdings keine Kritik über meine Ansprachen.

ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich hoffe, dass Du mir immer sagst, wenn Du bei
solchen Eröffnungen wirklich anwesend sein willst. Ich selbst wäre da-
mit sehr einverstanden.

Der Bürgermeister und der Oberamtsmann von Podersdorf, wo die
Teilnehmer der Schweizerischen Handelskammer letzten Endes gelandet
waren, nützte die Gelegenheit, um mich mit ihren Wünschen und Sorgen
vertraut zu machen. Podersdorf musste, es liegt phantastisch am
See, eine Kläranlage für 3 Mill. S bauen. Die gesamte Kanalisation muss
durch Pumpen bewerkstelligt werden. Das Dorf, welches vor 10 Jahren
noch ein furchtbar schlechtes Infrastrukturnetz gehabt hat – es gab
fast keine Strassen, sondern nur Gatschpisten, das Seeufer war ein
Gansel-Paradies – hat sich, wie die Schweizer, die vor diesem Zeit-
raum bereits einmal hier waren, und dies überraschend feststellten,
wirklich zu einer Fremdenverkehrsgemeinde herausgemausert. Da ihre


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Wünsche bei anderen Ministern ressortieren, konnte ich und
wollte auch keinerlei Zusagen machen. Was mir am meisten imponiert
hat, war, dass sie in ihrem neuen Gemeindehaus gleich einen riesigen
Keller unten für Buschenschank eingerichtet haben. Als sie bauten,
waren die Gemeindeväter besorgt, dass er so gross ausgefallen ist.
Jetzt stellt sich bereits heraus, dass er viel zu klein ist. Poders-
dorf hat jetzt 1.800 Betten, aber was das Wichtigste ist, einen riesi-
gen Campingplatz, der insbesondere von den deutschen Gästen über 70 %
frequentiert wird. Bei einer Bootsrundfahrt erzählten mir die Schif-
fer, dass die Gemeinde Podersdorf durch den tüchtigen Oberamtsmann
und Bürgermeister einen phantastischen Aufstieg genommen hat. Leider
trifft dies für andere Gemeinden nicht so zu. Insbesondere soll
Illmitz, dass sich einige Kilometer südlich befindet, wesentlich
schlechter in seiner Entwicklung sein, weil dort nicht diese
Initiative Platz greift, wie das in Podersdorf der Fall ist. Auch
auf diesem Gebiet kann man also feststellen, dass es ausschliess-
lich auf die Person ankommt, die für Fremdenverkehr oder Gemeinde ver-
antwortlich ist.

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Tagesprogramm, 29.4.1972




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    Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


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      Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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