Samstag, der 5. Februar 1972

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Samstag, 5.2., Sonntag, 6.2.1972

Beim Abflug des rum. Maschinenbauministers Avram fragte ich mich,
warum wir eigentlich für Samstag Vormittag kein Programm angeboten
hatten. Ich habe zwar bei allen Besprechungen anschliessend seine
Übersetzerin ersucht, sie möge ihn fragen, ob er irgendwelche Wünsche
noch hat, selbstverständlich hat er dies abgelehnt, da er eben kein
Programm wirklich vorgesehen gewesen ist. In Zukunft glaube ich
sollten wir uns um Gäste, auch wenn sie nicht offiziell eingeladen
wurden, mehr kümmern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass z.B. im
Aussenamt, wenn Kirchschläger Gäste hat, diese nicht bis zur letzten
Minute tatsächlich auch Von ihm oder seien Beamten betreut werden.
Ottahal steht scheinbar auf dem Standpunkt: Entscheidend ist, ob
er offiziell eingeladen wurde oder nicht. In ersterem Fall ist er
bereit, ein hochoffizielles Programm zu erstellen. Das beginnt damit,
dass die Delegation dann selbstverständlich im Imperial oder im Bristol
zumindestens wohnt und dass die Staatstheater, aber vor allem auch
Museen und sonstige Besichtigungen am Programm stehen. Wenn er
dagegen, wie dies bei Avram der Fall ist, aus eigenem kommt, ich
weiss nicht, warum er nicht eingeladen wurde, dann musste ich drängen,
dass er zumindestens einen Opernbesuch bekommen hat.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte den wirklichen Grund der Differenzierung
zu untersuchen und mir erklären.

Mit Kirchschläger besprach ich das Problem der Frankreichreise. Der
Staatsbesuch ist in seinen Details noch immer nicht fixiert und er
bereitet Kirchschläger grosse Sorgen. Da Pompidou mit Jonas nur unter
vier Augen verhandeln wird, nimmt er an, dass er und ich dann eine
Parallelbesprechung haben werden. Natürlich werden wir versuchen,
das Integrationsproblem, da ja in Frankreich in Wirklichkeit der
Hauptwiderstand oder besser gesagt die Ausnahmewünsche ihre Ursache
haben, zur Sprache zu bringen. Wir wissen aber noch nicht, wann und
mit wem wir endgültig verhandeln werden. Kirchschläger nimmt auf alle
Fälle – so wie nach Italien – den Gen.Sekr.-Stellv. Halusa und keines-
falls Botschafter Marquet mit. Damit ist klar und endgültig ent-
schieden, dass auch ich Reiterer, selbst wenn ich wollte, nicht mitnehmen
kann. Ich werde Reiterer dies diplomatisch mitteilen müssen, ohne dass
er zu sehr beleidigt ist.



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Die Besuchsdiplomatie Jonas', der Bundeskanzler, dann Aussen-
minister und ich machen Kirchschläger natürlich einige Kopfzer-
brechen. Der Aussenminister soll ja sorgen, dass eine einheitliche
Linie gefunden wird, ausserdem soll er zeitlich die Besuche so ab-
stimmen, dass sie den grösstmöglichen Effekt haben. Ich selbst habe in
der Vergangenheit und werde das sicherlich auch in Zukunft tun, alles
im engsten Einvernehmen mit Kirchschläger gemacht. In Wirklichkeit hat
er als Berufsdiplomat die grössten Erfahrungen ich verstehe nicht,
dass man sich nicht noch wesentlich mehr nach ihm richtet. Schliess-
lich ist das sein Geschäft und ich zumindestens werde versuchen, ihm
auch weiterhin keine Schwierigkeiten zu machen. Natürlich können
innerpolitische Gründe manchmal eine auch über die Aussenpolitik
nicht gerade zuträgliche Entscheidung notwendig machen. Ich bin
überzeugt, dass jetzt die ÖVP denken wird, dass Kreisky und Stari-
bacher
eben abgesprochen haben, solange mir einer Interventionsreise
zu warten, bis eben der Bundeskanzler diese in den Hauptstädten durch-
geführt hat. Reiterer nämlich hat ja bereits angedeutet, dass es
auch notwendig sein wird, dass ich nicht nur nach Brüssel, sondern
auch in alle Hauptstädte reisen sollte. Ich habe aber oft das Gefühl,
dass er dies ausschliesslich von dem Gesichtspunkt aus betrachtet,
dass er dann mit mir die notwendigen Interventionen vornehmen kann.
und sollte. Wenn sich herausstellen sollte, dass Krichschläger
auch dieser Meinung ist, dann werde ich mich dieser Tortur unter-
ziehen. Ich selbst erwarte mir nämlich ehrlich gestanden von all
diesen Reisen nicht sehr viel. In meinem Fall würde ich sogar sagen,
gar nichts.

Den franz. Botschafter Leduc traf ich Sonntag bei einem Konzert.
Er hatte von der Reise Kreiskys, wie er mir mitteilte, auch nur
heute über die Zeitungen erfahren. Er wollte natürlich Details über
diese Besuchsreise wissen. Insbesondere interessierte ihn, was zur
Sprache kommen sollte. Da ich keine Detailinformationen hatte, aber
andererseits von Kirchschläger wusste, dass er mit Pompidou selbst
verhandeln wollte, deutete ich an, dass es sich selbstverständlich darum
handelt, günstigere österreichische Konditionen bei den Verhandlungen
in Brüssel zu erzielen. Leduc meinte sofort, dass hier gewisse Schwie-
rigkeiten sich ergeben könnten. Die Kommission hat ja jetzt einen
Auftrag vom Ministerrat, der sehr günstig und weitgehend unseren
wünschen entspricht. Leduc bezog sich dabei glaube ich insbesondere


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auf die Freihandelszonenregelung. Nach Auffassung von Leduc haben
wir ja immer erklärt, dass dies für Österreich die beste Lösung sei
und er verwunderte sich daher, dass jetzt weitere Wünsche noch kommen.
Die sensiblen Produkte-Ausnahme meinte er, sei ja nur eine vorübergehende
Sache, da sie spätestens nach 3 Jahren mit dem Zollabbau begonnen wird.
Mein Einwand aber, dass bei Papier dies viel länger dauert und vor allem
dass hier sogar die Zölle gegenüber den Beitrittskandidaten wieder aufge-
baut werden müssen, gab er zu, dass dies gelöst werden müsste. Ein Zoll-
aufbau wäre zu vermeiden, Dagegen eine terminmässig begrenzte
Aussetzung des Zollabbaues ändert an dem jetzigen Zustands ja nichts.
Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass bis jetzt die EFTA als
eine Einheit gewesen ist und in Hinkunft natürlich mit den Nichtbeitritts-
kandidaten jeder einzelne seinen Vertrag mit Brüssel machen müsst. Die
Ursprungsregelung könnte deshalb seiner Meinung nach nicht kumulativen
Ursprung versehen. Da ja jeder Staat einen einzelnen Vertrag und eine
einzelne Regelung mit der EWG haben wird. Die Landwirtschaft erklärte
er ganz dezidiert, bleibt auf alle Fälle draussen. Mein Einwand,
dass aber bei den landwirtschaftlichen Nachfolgeprodukten die Liste
1.059 resp. 204 gegenüber den einzelnen neutralen Staaten verschieben
gehandhabt wird, hat ihn sehr verwundert. Er selbst sagte, kenne die
Details noch nicht, doch könne er sich eine differenzierte Behandlung
schwer vorstellen. Die Hauptschwierigkeiten liegt darin, dass bei all
diesen Detailverhandlungen eine Abstimmung der verschiedensten Interessen
innerhalb der EWG notwendig ist. Mein Hinweis, dass ganz besonders die
Franzosen hier Einzelwünsche haben, stritt er nicht ab, doch meinte er,
er gäbe sicherlich auch andere Staaten und vor allem richten sich
wie z.B. die Bestimmungen über Zellwolle, Molybdän und Papier nicht so
sehr gegen Österreich, sondern beim letzteren ganz deutlich nur gegen
Schweden. Dass Österreich dabei aber in Mitleidenschaft gezogen wird,
bestritt er nicht. Er wies allerdings sofort darauf hin, dass er weiss,
dass Plansee-Werk sehr gut beschäftigt ist und eine Übergangsperiode
ohne weiteres ertragen kann. Zusammenfassend meinte er, dass eine Aus-
sprache in Paris über Sicherheitsfragen oder über die grossen weltpoliti-
schen Ereignisse wesentlich leichter möglich ist. Die einzelnen Staaten
haben in solchen spezifischen Fragen eine grundsätzliche generelle Ein-
stellung und man kann leicht alle Für und Wider in einer Diskussion
feststellen und dann zusammenfassend entscheiden Ja oder Nein.Bei
einem so diffizilen Problem aber bei einer Freihandelszonenregelung
ergibt sich sofort die Gefahr, dass dann über Drittmärkte entsprechende


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Waren in die EWG eingeschleust werden, sodass es unbedingt gilt, dies
zu verhindern. Die Verkehrsverlagerung wird scheinbar von Frankreich
noch immer sehr gefürchtet. Ich denke allerdings, dass es sich hier
weniger um das Problem Verkehrsverlagerung als viel mehr um ganz klein-
liche Konkurrenzinteressen von franz. Firmen handelt. Leduc hat
allerdings recht, dass sich nach einer Übergangszeit dann dieses
Problem automatisch auflöst. Dies gilt allerdings nicht für
die landwirtschaftlichen Nachfolgeprodukte und insbesondere für
einige landwirtschaftliche Produkte, für die wir doch jetzt ent-
sprechende Regelungen erreichen sollten.

Um mir ein Bild über die Beschwerden der Tirolerhof-Siedlung über
den Steinbruch bei Giesshübl zu machen, habe ich diesen besucht.
Sonntag wird nicht gearbeitet und ich habe deshalb angenommen,
dass überhaupt niemand in dem Steinbruch sein wird. Zu meiner
grössten Verwunderung aber wurde ich von einem Mann beobachtet,
der scheinbar dort wohnt und mich deshalb beim Betreten sofort ge-
stellt hat. Da ich von rückwärts den Steinbruch betrat, meinte er,
was ich hier mache und warum ich nicht von vorne gekommen bin, dass
ich kein Recht hätte einzudringen. Da ich ihm sehr energisch erklärte,
dass ich sehr wohl ein Recht hätte, ich nannte sogar nur meinen
Namen, beruhigte er sich, ohne dass er mich kannte und meinte,
ich hätte doch können kommen, wenn sein Chef hier ist. Der Stein-
bruch selbst hat ein riesiges Brechwerk und auf einem sehr grossen
Areal liegen Unsummen von Geräten herum. Gesprengt wird alle paar
Wochen nur einmal, wie er mir dann freimütigst erklärte, doch die
schweren Transportgeräte verlassen den Steinbruch nie. Die richtige
Siedlung Tirolerhof, die mit Reihenhäusern seinerzeit errichtet
wurde, ist verhältnismässig weit vom Steinbruch entfernt. Anders
dagegen sind einzelne Einfamilienhäuser ziemlich nahe bereits an
die Steinbruchgrenze herangerückt. Wie ich hier ein Kompromiss finden
soll, ist mir derzeit noch vollkommen schleierhaft.

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Tagesprogramm, 5.2.1972


Tätigkeit: Botschafter, Onkel v. Louis Marquet; evtl. Falschidentifikation


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    Tätigkeit: frz. Botsch. bis 1973


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      Tätigkeit: rum. Maschinenbauminister


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        Tätigkeit: Bundeskanzler
        GND ID: 118566512


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          Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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            Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


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              Tätigkeit: Stv. GS im Außenministerium [1971]


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                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                GND ID: 102318379X


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                  Tätigkeit: Sektionschef HM, Diplomat, Verteter bei der EG


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                    Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                    GND ID: 118723189


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                      Tätigkeit: franz. Staatspräsident


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