Donnerstag, 3. Feber 1972
Bei den Verhandlungen mit den Rumänen zeigt sich, dass auch diese kein
Verhandlungspouvoir haben. Fälbl wollte ähnlich wie den den Polen eine
generelle Liberalisierung bis 1975 und dafür an Stelle von Hardcore-
Fällen die polnische Schutzklausel. Obwohl die Rumänen grössten Wert dar-
auf legen, dass ein Vertrag jetzt unterzeichnet wird, konnte auch meine
Intervention bei Avram nicht erreichen, dass sie einer solchen Lösung
zustimmen. Nach der Aussprache mit Bundespräsident Jonas versuchte ich
ihm unsere Forderung klarzumachen. Ich wies darauf hin, dass eine
Hardcore-Regelung wie sie sie jetzt vorschlagen, nur dazu führen kann,
dass dann 1975 über viele Positionen wird diskutiert werden müssen,
weil diese als Hardcore-Fälle gelten. Andererseits erklärte Avram, dass
sie jetzt schon alles liberalisieren haben, In diesem Fall müssten sie
doch grössten Wert darauf legen, dass auch wir alles liberalisieren und
keine Hardcore-Regelung vorschlagen. Er erklärte zwar, dass er seine Leute
beauftragen wird, noch einmal das ganze Problem durchzudenken, doch be-
richtete Fälbl mir später, dass es zu keiner positiven Änderung
gekommen ist. Wir können natürlich die vorgeschlagene Lösung akzeptieren,
doch ist damit die polnische weitgehende Lösung nicht erreicht. Um nun
noch eine Chance zu haben, hat Avram auch vorgeschlagen, wir sollten
gegebenenfalls weiter verhandeln, da im Mai ja wieder in Bukarest die
nächste Besprechung der Beamten über das Jahresprotokoll 1973 beginnt.
Fröhlich von der Nationalbank berichtete mir, dass er die Verhandlungen
zur freien Konvertibilität Annäherung bei den Besprechungen erreicht wurde.
Wenn die Rumänen heuer noch bereit wären, diesen Vertrag abzuschliessen,
glaubt er, dass dann sowohl die OeNB als auch vielleicht einzelne Banken
ihnen bei Krediten entgegenkommen würden. Er schlug vor, er ich sollte
Avram dafür gewinnen, dass ein Auftrag gegeben wird, dass die beiden
Gruppen bis Mai ebenfalls entsprechende Verhandlungen führen. Avram
stimmte dem sofort zu. Immer, wenn es sich nicht um konkrete Abschlüsse
oder konkrete Punkte handelt, sondern nur dass man über etwas reden soll,
dass es zweckmässig wäre in irgendeiner Richtung Untersuchungen anzustellen,
sind die Rumänen so wie alle anderen Oststaaten sofort dafür. Formell kommen
sie einem weitestgehend entgegen, für materielle Zugeständnisse brauchen sie
scheinbar ganz komplizierte Beschlüsse. Nach dem Mittagessen sprach ich
mit dem Osthandelsreferenten von der Kammer, Deurer, sowie dem Handels-
delegierten von Rumänien Orisich und Fälbl. Ich erklärte ihnen, dass
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die Zugeständnisse, die wir erreicht haben, ausschliesslich darauf
zurückzuführen sind, weil wir ihnen die 30 %-ige Präferenz zugestan-
den haben. Da die Handelskammer in einem Schreiben neuerdings dagegen
polemisiert hat, erklärte ich ihnen, warum wir zu diesem Zugeständ-
nis gekommen sind. Deurer kennt die Geschichte sehr gut und hat daher
gar nie dagegen remonstriert, zumindestens nicht in meiner Anwesenheit.
Mitterer hat bereits seinerzeit beschlossen, auf Vorschlag von Willen-
part, dass für diese 30 %-ige Zollpräferenz die self selection das
ausschliessliche Kriterium sein soll. Er hat den Rumänen deshalb vor
Jahren bereits entsprechende Hoffnung gemacht. Insbesondere beim dama-
ligen Staatsbesuch Ceausescus in Österreich. Ich glaube, dass sie mate-
riell die 30 %-ige Zollsenkung überschätzen und der Handelsdelegierte
Orisich meinte, dass er sich hier um ein Prestigeproblem handelt.
Ausserdem glauben die Rumänen damit einen gewissen Vorsprung gegen-
über den anderen Oststaaten in Österreich zu erreichen.
Die Delegation der stromintensiven Unternehmer mit Dr. Rief von der
Bundeshandelskammer verlangten von der Regierung eine grössere Unter-
stützung gegen die Strompreisabsichten der Verbundgesellschaft. Der
Verbund hat in einem Brief von uns die Aufforderung bekommen, bei den
Verhandlungen die stromintensiven Betriebe zu berücksichtigen. Wie mir
anschliessend der Direktor von der Kelag, Pacheiner, berichtete, würde
er um bei den stromintensiven Betrieben den Strompreis gleich zu lassen,
6 Mill. S Nachlass benötigen. 3 Mill. hätte ihm der Verbund, Hinterma-
yer, zugestanden. Rief wollte am Ende erklären, dass die Regierung
also nicht bereit ist, die stromintensiven Betriebe zu unterstützen
und dass sich daraus Konsequenzen, die von den einzelnen Betrieben
angedroht wurden, nämlich Stillegungen ergeben würden. Ich argumen-
tierte sofort, dass die Regierung keinen Strom verkauft und die
Verbund nach kaufmännischen Gesichtspunkten vorgeht. Die Verbund er-
klärt, dass sie sofort den Strom billiger ihnen geben kann, wenn sie
direkt beliefern dürfte. Dies ist allerdings technisch in den selten-
sten Fällen möglich, weil die Landesgesellschaften ihre Leitungen zur
Verfügung stellen müssen. Ein Unternehmer meinte, dass sich Österreich
halt den Luxus nicht leisten kann, neun Landesgesellschaften und Sonder-
gesellschaften und dann darüber noch den Verbund zu haben. Ich stimmte
dem sofort zu und fragte, ob die Handelskammer hier gemeinsame Konse-
quenzen zu ziehen. KELAG-Direktor Pacheiner protestierte natür-
lich sofort heftigst gegen eine Konzentrationsabsicht.
Gestern war ich von SPÖ-NR Neuhauser gefragt werden, ob ich Vor-
kehrungen treffen würde, damit nicht wieder Überschneidungen der
einzelnen Messetermine zu verzeichnen wären. Heute sprach Direktor
Porges mit seinem Finanzreferenten Draxler im Parlament bei mir vor
um die Mehrwertsteuerprobleme zu besprechen. Die Messe AG hat auch im
Namen der kleinen Messen eine Eingabe an das FM gemacht. Sie wünschen
in § 10 Abs. 2 nach den Schaustellern auch als Messe taxativ aufge-
zählt zu werden, damit auch sie die 8 % des ermässigten Steuersatzes
garantiert bekommen. Die kleinen Messen möchten darüber hinaus auch noch
Eintrittskarten nur mit 8 % belasten. Ich nutzte die Anwesenheit um Neu-
hauser dazu zu bitten und das Problem der Abstimmungen der Messen zu
besprechen. Eine Überschneidung ergibt sich ja immer nur zwischen der
Welser Messe und der Wiener Messe. Porges hat versprochen, er wird dieses
Problem versuchen zu klären, d.h. wenn ihm international die Mög-
lichkeit gegeben wird, ein bisschen im September zurückzuverlegen. Die
Welser müssen bei ihrem Anfang-September-Termin unbedingt bleiben, da
sonst die Bauern die Ernte noch nicht eingebracht haben und ein späterer
Zeitpunkt auch wegen ihres landwirtschaftlichen Charakters nicht in Frage
kommt. Ausserdem ersuchte ich Porges, sie möchten prüfen, ob sie nicht
doch auch bei der ARGE der österr. Messen beitreten könnten. Derzeit
sind sie nur als Beobachter anwesend. Die Argumentation Draxlers mir
gegenüber, dass dann nur eine entsprechende Bindung gegenüber den
anderen österreichischen Messen erfolgen würde, bevor sie internatio-
nal erst ihre Termin abgestimmt haben, konnte ich dahingehend entkräften,
dass sie ja letzten Endes alle auf die Internationale Wiener Messe
Rücksicht nehmen würden.
Gestern hat in einer kurzen Besprechung Kreiskys mit den zuständigen
Ministern der Wirtschafts- und Preis-Arbeitsgruppe das Programm festgelegt.
Androsch und ich waren aber nicht anwesend. Rösch erzählte mir nun, er hät-
te vorgeschlagen, Staatssekretär Karl wird die Preise und Staatssekretär
Veselsky wird für die Wirtschaftsgesetze als Sekretär fungieren sollen.
Konkret wurde nur vereinbart, dass man überprüfen soll, was jetzt
in die Preisregelung sofort einbezogen werden soll, dass andererseits
Rösch Unterbehörden wegen einer besseren Preisauszeichnung anweisen
soll und dass Kreisky das nächste Mal die LH auffordern wird, hier kräf-
tiger mitzuarbeiten. Aus dem Bericht entnehme ich, dass sich der Bundes-
kanzler stärker einschalten will.
Reiterer hat Wanke gegenüber gesagt, er müsste unbedingt mit mir
wegen der Sitzung über die sensiblen Produkte bei Schleinzer be-
richten. Am Abend im Parlament meinte er dann, er könnte so schwer mit
mir zusammenkommen, was ich aber sofort entkräftete, indem ich erklärte,
er hätte doch jederzeit die Möglichkeit gehabt, mich schon vor Tagen
im Parlament oder im Haus zu sprechen. Er legte dann ein Telegramm
von Buresch vor, wo dieser vorschlug, dass wir eventuelle die nächste
EFTA-Tagung im Herbst in Wien abhalten.Es ist dies die Abschiedstagung
der vier Beitrittsstaaten. Über diesen Brief hat mich bereits Kirch-
schläger vor etlichen Tagen verständigt und gefragt, ob ich einverstan-
den wäre, dass wir diese Tagung in Wien abhalten. Ich hatte damals be-
reits zugestimmt. Reiterer benützte dies nun als Aufhänger, um an sei-
nen Wunsch unterzubringen, dass er unbedingt aus Prestigegründen nach
Frankreich mitfahren will. Ich hatte vormittags in der Präsidentschafts-
kanzlei erfahren, dass ein Programm überhaupt noch nicht ausgearbeitet ist
Die Franzosen lassen sich ungeheuer viel Zeit, weil sie scheinbar an
diesem Staatsbesuch kein besonders Interesse haben. Ich hatte deshalb
leicht, ihm zu sagen, ich wüsste noch gar nicht, ob ich überhaupt
mitfahren und wer entsprechend vom Bundespräsidenten eingeladen wird.
Ich erklärte noch einmal, dass ein Sektionschef für mich ein persönlicher
Vertreter ist und deshalb es absolut angängig ist, wenn ich allein und
nicht in Begleitung des Sektionschef solche Reisen mache. Reiterer
meinte, dies sei für seine Verhandlungsposition in Brüssel, wo er
doch über die sensiblen Produkte verhandeln muss, doch unerträglich,
dass er nicht gleichzeitig auch in Paris dann als mein Begleiter, wenn
dieses Problem eventuell zur Sprache kommt, aufscheint. Er schnitt
dann auch an, dass er von Beamten erfahren hätte, dass der Bundes-
kanzler jetzt in die Hauptstädte der EWG-Staaten reisen wird. Ich
entschuldigte mich und sagte, ich hätte angenommen, dass ich ihm dies
bereits mitgeteilt habe, da ich ja auch Leitner davon verständigt hatte.
Er repliziert sofort, dass er auch erfahren hätte, dass Marquet mit-
fahren würde. Kirchschläger hat Marquet Kreisky vorgeschlagen, wo Kreisky
allerdings, wie mir Kirchschläger mitteilte, ausdrücklich erklärt
hätte, er würde nur Besprechungen unter vier Augen führen. Dies gab
ich Reiterer zu verstehen, Ohne ihm das Gespräch mit Kirchschläger wieder
zugeben. Die Tätigkeit der Beamten ist scheinbar nur auf Prestige
und Reisen ausgerichtet. Bei der Aussprache über die sensiblen Produkte
bei Schleinzer hat er kein Wort geredet. Ich bin allerdings sowieso
überzeugt, dass er kaum etwas davon weiss.
Im Parlament startete die ÖVP eine dringliche Anfrage gegen Steuer-
absichten, resp. zu geringe Information des Parlamentes gegen Androsch.
Dieser meinte dann zu mir, er hätte versucht mit der Handelskammer diese
Probleme gemeinsam zu besprechen und vielleicht auch zu lösen und
jetzt werde er von der ÖVP attackiert. Er würde sich in Hinkunft über-
legen, ob er mit der Handelskammer diesbezügliche Besprechungen führen
sollte, resp. ob Mussil hier nicht ein doppeltes Spiel spiele. Es ist
sicherlich eine grosse Sauerei, wenn auf der einen Seite die Bundes-
kammer immer wieder versucht, sich überall einzuschalten und mitzureden
und auf der anderen Seite dann die ÖVP attackiert und so tut, als wüsste
sie nichts. Andererseits sehe ich ein, dass die ÖVP auf die Handels-
kammer in dem Fall kaum Rücksicht nimmt und nehmen kann, denn sonst
würde sie z.B. auf unserem Sektor im Handelsministerium kaum Angriffs-
punkte haben. Ich weiss natürlich nicht, wie lange dieser Zustand was
die politische Arbeit im Parlament betrifft, äusserst günstig ist, anhal-
ten wird. Auf die Dauer glaube ich kaum, dass es möglich sein kann,
wenn ich alle Probleme immer im vorparlamentarischen Raum bespreche,
dass dann die Opposition auf irgendwelche Angriffe gegen mich verzichtet.
Solange ich aber imstande bin, diesen Zustand aufrechtzuerhalten, werde
ich mich nicht in eine Situation wie die anderen Minister freiwillig
begeben.
Tagesprogramm, 3.2.1972