Samstag, der 4. Dezember 1971

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Samstag, 4. Dezember 1971

Diese Sitzung der Soz. Internationale über die Währungsprobleme war
in meinen Augen ein nicht sehr zielführende Zusammenkunft. Es hatte
zwar der Sprecher für europäische Fragen im Schattenkabinett, Harold
Lever, ein Elaborat ausgearbeitet und anschliessend 12 konkrete
Fragen gestellt. Doch so wie immer wurde nur über dieses Elaborat
allgemein diskutiert und erst nachmittags begannen auf die einzelnen
Fragen einzugehen. Der zweite italienische Delegierte, Dr. Messi,
der Vorsitzende des Komitees für währungspolitische Fragen der Soz. Par-
tei Italiens ist, kam überhaupt erst am späten Nachmittag, verlas einige
Seiten uns hat nichts anderes getan, als die ganze Konferenz für die
nächste Tagung nach Rom einzuladen. Von Deutschland kam Dr. Noe, ein
Sonderberater von Prof. Schiller, der nach wie vor auf dem Standpunkt
steht, dass das Floaten die einzige Möglichkeit für Deutschland
war und der auch nur zu den festen Wechselkursen dann zurückkehren
will, wenn gleichzeitig man doch auch statuiert, dass in Extremfällen
wieder floaten erlaubt sein sollte und als zielführend anerkannt
wird. Heinzi Kienzl meinte, die hätten noch immer nicht genug.
Die Exportsteigerungen bezeichnete Noe als ein Wunsch der Wirtschaft.
um ihre Produktionsinteressen besser vertreten zu können. Wenn der
Export jetzt sehr zu leiden hat, so würden sie – wie er mir beim
Mittagessen sagte – ein Redwooting einleiten. Die Frage, wen ihnen
denn die Dollar abkaufen würde, meinte er, die könnten sie gegebenen-
falls den Entwicklungsländern schenken. Die Hauptschwierigkeit sieht
er darin, dass die Amerikaner jetzt 13 Mia. $ Swing wünschen, die
kein Mensch erfüllen kann. Der franz. Vertreter mit dem für Währungs-
fragen tragischen Namen Deflassieux hat sogar wie die Künstler
einen Künstlernamen, Barel. Dieser brachte gleich einen wirklich
noch klassenkämpferischen Zug in die Diskussion. Er meinte, dass
die Amerikaner 50 Mia. $ in Europa investiert haben, in der gesamten
Welt haben sie seit 1945 84 Mia investiert und zwar über die Drucker-
presse. Sie machen jetzt jährlich 6 Mia. Gewinn und streichen 3 Mia. $
Lizenzen- und Patentgebühren ein. Die sales haben sie mit einem
überbewerteten Dollar spottbillig gekauft. Androsch selbst – und das
hat mir mächtig imponiert – hat nur in Englisch gesprochen und ver-
sucht in dieses Wirrwarr einige gemeinsame Punkte zu finden. Auch
Veselsky hatte eine Erklärung in Englisch abgegeben. Beim Mittag-
essen habe ich dann erfahren dass Kreisky in Wirklichkeit der An-
reger dieser Arbeitsgruppe gewesen ist. Als ich die Soz. Inter-


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nationale heuer im Sommer in Klessheim in Salzburg getroffen hat,
hat er angeregt, es sollte eine Arbeitsgruppe die Währungsprobleme
behandeln, um eine einheitliche Linie zu finden. Androsch hat deshalb
in Brüssel bei der ersten Konferenz seine diesbezüglichen Vorschläge
unterbreitet. Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass eine Institution,
die in Wirklichkeit kaum einen Einfluss auf die einzelnen Staaten hat,
wirklich imstande ist, durch eine internationale Aussprache dieses schwie-
rige Problem auch nur weiterzutreiben. Solange allgemeine Erklärungen,
dass wir wieder zu einer Währungsstabilität zurückkehren sollen, dass
die Währung für die unterentwickelten Ländern, aber auch von Industrie-
ländern von allergrösster Bedeutung ist, dass man daher versuchen sollte,
den Handel nicht durch Währungsmanipulationen zu stören, dass die
Amerikaner verhalten werden sollen, ihre restriktiven Massnahmen bezüg-
lich der Import abzubauen, solange man also solche Erklärungen abgibt,
kann man eventuell noch eine Übereinstimmung erreichen. Wenn es aber
darum geht, ganz konkrete Vorstellungen, wie z.B. im Papier von Lever
vorgesehen sind, zugestimmt oder abgelehnt werden soll, dann gibt es
sofort eine Diskussion, dass sehr schwer Übereinstimmung zu erreichen
ist. Heinzi Kienzl kam gerade aus Brüssel, wo der Internationale Bund
Freier Gewerkschaften ebenfalls eine solche Diskussion führt.
Gen.Sekr. Heribert Maier, ein Österreicher, den ich gut kenne, ist
dann prompt auch später eingetroffen da er mit dem Flugzeit geflogen
ist und natürlich nicht landen konnte. Auch dort hat man sich nur über
allgemein Phrasen einigen können. Die Tagungen der Soz. Internationale
unterscheiden sich nicht wesentlich von denen, die ich auf internationaler
Ebene bei den Gewerkschaften oder auch bei der ILO, das ist die Inter-
nationale der Lebensmittelarbeiter, erlebt habe. Wenn man konkrete Proble-
me wirklich in Angriff nimmt, dann müsste man vorher entsprechende Frage-
bogen ausschicken und dort die notwendigen Antworten durch Statement
vorher schriftlich verlangen. Dann kann man diese ganzen in einem Ela-
borat zusammenfassen und versuchen, dass dann in einer kurzen Dis-
kussion dieses Elaborat angenommen wird oder nicht. Ansonsten wird nur,
wie ich das immer wieder erlebe, herumgeredet und es kommt nichts
Konkretes dabei heraus. Für mich war es gut, dass ich den Aussenhandels-
minister Fayat zweimal getroffen habe, denn ich werde immer wieder,
wenn mich die Opposition anschiesst, darauf hinweisen können, dass ich
durch persönliche Kontakte bei inoffiziellen Besprechungen und Tagungen
viel wirkungsvoller den österreichischen Standpunkt inoffiziell den
Vertragspartnern mitteilen konnte.

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Tagesprogramm, 4.12.1971


Tätigkeit: Berater BRD-Min. Schiller; Falschschreibung?


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Vors. Komitee währungspol. Fragen PSI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: GS Bund freier Gewerkschaften


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: belg. Politiker


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Bundesfinanzminister, BRD, SPD


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: brit. Labour-Politiker


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: soz. Politiker, Vertr. SI-Sitzung Währungspol. 4.12.1971, Pseudonym: Jean-Pierre Barel


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  GND ID: 119100339


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Finanzminister
                    GND ID: 118503049


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 12254711X


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