Samstag, der 13. November 1971

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Samstag, 13. November 1971

In der Früh hätte ich mit Hrdlitschka und Scheer in der
Arbeiterkammer die Aussprache wegen des Kammeramtsdirektors.
Ich berichtete Hrdlitschka und zuerst aber Scheer, dass
Benya sehr einverstanden ist, dass er mein Nachfolger wird. Hrd-
litschka
wollte unbedingt jetzt von mir erfahren, wie ich mir den
weiteren Weg vorstelle. Er ist auch der Meinung, dass der Kammer-
amtsdirektor, wie er sich ausdrückte, für mich nicht mehr in Frage
kommt, deshalb muss er ja auch schon aus innerkammer-Gründen eben
jetzt Scheer mit dieser Funktion betrauen, möchte aber dann gerne
wissen, ob ich doch gegen Gratz oder Androsch als Nachfolger für
Kreisky in Frage käme. Ich erklärte ihm spontan, wo es wirklich
auch meine Überzeugung ist, dass ich solche Überlegungen nie ange-
stellt habe. Ich werde auch in Hinkunft nichts anstreben, was
auf ein gewisses Unverständnis bei ihm gestossen ist. Er glaubt
wahrscheinlich, dass dies rein taktisches Verhalten meinerseits
bedeutet. Ich denke aber nicht daran, Positionen, die mit viel
Ehren, dafür aber mit umso mehr Arbeit, oft mörderischer Art
verbunden sind, anzustreben. Ausserdem bin ich überzeugt, dass
z.B. Gratz aber selbst auch wahrscheinlich Androsch die jüngeren
aber vor allem die tüchtigeren Leute sind. Der einzige Posten, der
mich interessiert und ich habe noch niemals mit jemand anderem
darüber gesprochen, wäre, wenn Benya in Pension geht, Gewerkschafts-
bundpräsident zu werden. Auch hier erklärte ich sofort, würde ich
niemals eine Kampfabstimmung mit einem anderen mich stellen, wieso
mich Hrdlitschka aus dieser Reserve herauslocken konnte, ist mir eig-
entlich vollkommen unerklärlich. Bis jetzt hatte ich das immer
dahingehend getarnt, dass ich überall erklärte, der grösste Traum
meines Lebens und das mache ich bereit seit den 50er-Jahren, wäre,
einmal ein Präsident zu sein. Niemals allerdings erklärte ich,
dass ich damit den Gewerkschaftspräsidenten gemeint hatte. Meine
Frau kann diese Haltung überhaupt nicht verstehen, da ihrer Meinung
nach dieser Posten nichts anderes bringt als Streit, harte Ausein-
andersetzungen, viel Arbeit und wenig Anerkennung zumindestens
was die Anerkennung nach aussen betrifft, hat sie vollkommen
recht, dennoch glaube ich, dass zur Erhaltung des überparteilichen
Gewerkschaftsbundes und damit für die Zukunft der zweiten Republik
ich meine ganze Arbeitskraft einsetzen würde. Hier nämlich könnte


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die zweite Republik scheitern, wenn der Österreichische Gewerkschafts-
bund auseinanderfallt. Oder wenn der ÖGB gegenüber dem Staat in
wirkliche Opposition käme. Alle anderen Funktionen incl. der eines
Bundeskanzlers mögen sehr interessant sein und von grösster Bedeutung,
aber nicht diese Schlüsselaufgabe, die dem ÖGB für Österreichs
Zukunft zufällt.

Die Radiodiskussion mit Mayerhuber, Nickl von der Papierfabrik Wels
und Teschl als Zentralsekretär ist Hrdlitschka dann auch mitgegangen.
Anschliessend daran konnte ich alle Beteiligten dafür gewinnen, dass
wir im Handelsministerium jetzt versuchen, eine Konzept für die
Zellulose- und Papierindustrie auszuarbeiten. Da Anreiter krank
war, ist Dr. Haffner gekommen, der einen sehr guten Eindruck
auf mich macht. Da er auch die Lebensmittelbranche dazunehmen
muss, hat er Angst, dass er dies alles nicht wird erfüllen können.
Er war sehr beruhigt, als ich ihm erklärte, ich hätte vollstes
Verständnis, dass man etliche Jahre braucht, um alle Details zu
kennen. Fehlentscheidungen würden von mir gedeckt werden. Da Haffner
über diese meine Einstellung sehr verwundert war, meint Meisl, dies
hätte sich allerdings schon im Hause durchsprechen müssen.

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Tagesprogramm, 13.11.1971


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: Kammeramtsdir. AK Wien


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        Tätigkeit: AK, ÖIAG
        GND ID: 128336552


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          Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
          GND ID: 119083906


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            Tätigkeit: Welser Papierfabrik (?), Zentraldir. ÖPA


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              Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                Tätigkeit: Obmann Chemiearbeitergewerkschaft


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                  Tätigkeit: [Welser Papierfabrik; lt. Tagesprogramm Nickl, ev. ist der Name Peter Nickl, aber anhand des einzigen Google-Snippets nicht sicher zu sagen; 1971 mit JS bei Radiodiskussion]


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                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


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                      Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                        Tätigkeit: Beamter HM


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