Freitag, 1. Oktober 1971
Eine Gruppe amerikanischer Bankvertreter haben zwei Tage Frank-
furt, zwei Tage Stuttgart und zwei Tage Wien besucht. Sie inter-
essierten sich angeblich für Investitionsmöglichkeiten. Reiterer
und Gröger hatten bereits an einem Bankett am Vortrag teilgenommen.
Zum Glück hatte ich die deutsche Verhandlungsdelegation gelaen
sodass nicht ich an dem Bankett teilnehmen konnte und musste. Ich
glaube nämlich, dass es vollkommen falsch gewesen wäre, mich
mit meinen Englisch-Kenntnissen bei diesem Essen selbst wenn
Min.Rat Dinzl, der wirklich ein perfektes Englisch spricht, dort
assistiert hätte, an dem Bankett teilgenommen hätte. Die Amerikaner
erschienen mit Sprechgeräten ich ich hätte dann eine wortwörtliche
Übersetzung verlangen müssen. Selbst dann wäre es noch sehr kri-
tisch gewesen, da die Aufzeichnungen wirklich wortwörtlich leicht
später einmal ein Missverständnis hätten aufdecken können. Jetzt
sass ich zwischen Gröger und Dinzl, während Dinzl meine deutsche
Antwort übersetzte, hat mich Gröger bei der englischen Anfrage
sofort immer assistiert und stichwortartig die Antwort geflüstert,
dadurch hatte ich ein äusserst gutes Gefühl, in Wirklichkeit aber
eine perfekte Täuschung der materiellen Kenntnisse und der
Englischkenntnisse.
Zur 75-Jahrfeier des ÖAMTC hat der Bundespräsident 85 Orden, darunter
25 Frauen und 12 Pannenfahrer verliehen, die ich in der ÖAMTC-
Zentrale persönlich überreichte. Min.Rat Samsinger hat mit die
Mappen und die Orden, so wie es bisher üblich war, gegeben,
sodass ich sie jedem einzelnen ohne dass ich ihren Namen genannt
hätte oder gar einige Bemerkungen gemacht hätte, diesen in die
Hand drücken sollen. Ich musste ihn erst einige Male daran erinnern,
dass ich die Mappe geöffnet haben will, damit ich auf Grund dessen
wenn ich sehe, das ist ein hoher Inspektor oder ein Buchhalterin
oder der Betriebsratsobmann, einige persönliche Bemerkungen bei
der Überreichung dazusage. Da dies scheinbar wirklich noch nie
der Fall gewesen ist, war nicht nur die Ausgezeichneten begei-
stert, wie er mir mitteilte, sondern vor allem die Veranstalter
und die vielen ausländischen Spitzenfunktionäre der Bruderorganisa-
tionen hatten so etwas scheinbar auch noch nie erlebt. Man hat
scheinbar angenommen, nach einer Ansprache, die ich natürlich für
alle Ausgezeichneten einleitend hielt, sei meine Tätigkeit bereits
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hundertprozentig erfüllt und nun würde ganz formlos und ohne
jedwede Einzelanerkennung die Übergabe für 85 so husch husch er-
folgen.
Bei meiner Festansprache beim ÖAMTC hatte Koppe einen sehr guten
Gag. Er wies darauf hin, dass die Kraftfahrer mit der Behörde
nur ungern in Kontakt kommen. Auch der ÖAMTC hat mir gegenüber
ein entsprechendes gesundes Misstrauen – wie ich mich ausdrückte –
zu Beginn meiner Tätigkeit gezeigt und mir in einem offenen Brief
seine Wünsche mitgeteilt. In der Zwischenzeit konnte ich dieses
Misstrauen, so hoffte ich, abbauen und ein Vertrauensverhältnis schaf-
fen, wo ich wieder freisprechend sicher Dutzende Versprecher drinnen
hatte, konnte ich sogar einen Zwischenapplaus ernten. Wenn ich
alle Für und Wider einer gelesenen Rede mit einer freigesprochenen
vergleiche, glaube ich doch, dass das Freisprechen nicht nur für
mich der adäquatere Zustand ist, sondern dass man auch damit
sicherlich besser abschneidet.
Am meisten war ich aber verwundert, als beim Festessen im Inter-
continental Mautner-Markhof als Präsident bei der Tischrede
neuerdings meine für sie so bedeutende Rede herausstrich und
gleichzeitig sich noch einmal bedankte, für die anerkennende Art,
wie ich die Orden überreicht habe. Entweder bin ich mir gegenüber
zu kritisch oder die andere Seite – ob Freund oder Feind – sind
doch vom Charme und vor allem von dem Wiener Schmäh zu sehr beein-
druckt. Ich hoffe, dass man mir nicht nur gefälligkeitshalber
überall eine so positive Einstellung mir gegenüber entgegenbringt.
Das Bundesgremium des Mineralölgrosshandels wollte auch aus
meinem Munde hören, ob sie schon eingeführten Mengen, obwohl die
Anordnung mit 1. Oktober mit 0,7 Gramm pro Liter Bleigehalt in Kraft
trat, noch verkaufen können. Diese Bestimmung steht zwar klar
und deutlich jetzt in der neuen Verordnung drinnen, doch scheinbar
haben sie diese nicht genau gelesen oder eine identische Inter-
pretation von mir erwartet. Bei dieser Gelegenheit machten sie
mich gleich aufmerksam, dass sie eine Änderung des Frachtkosten-
systems wünsche. Die Zone I, welche eine höhere Abgabe zu leisten
hat, beschränkt sich derzeit nicht auf das Gemeindegebiet Wien
sondern aus der russischen Zeit hat es noch auch wesentliche
nö. Teile umfasst. Die Ölhändler wollen nun, dass die Zone I
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sich mit dem Gemeindegebiet deckt. Dadurch würden sie einen
Teil ihrer Abgaben sich ersparen. Da der Frachtausgleichfonds
sehr aktiv ist, könnte man bei der Preisregelung einem solchen
Wunsch nahetreten, da sicherlich nicht die Forderungen, die diese
Gruppen an einen höheren Benzinpreis stellen, erfüllt werden wird
können. Ausserdem wünschen sie, dass auch für Petroleum die Preis-
regelung aufgehoben wird. Sie gaben zu, dass dies nur mehr für
ganz wenige Bauern von Bedeutung ist, anerkannten auch, dass
die Landwirtschaftskammer sich dagegen wehrt, meinten aber, es
macht für sie doch eine wesentliche Belastung, für den einzelnen
aus, wenn er die zwar bescheidenen Petroleummengen zustellen muss.
Entweder hat der Vertreter, der dies vorträgt, vollkommen ver-
gessen, dass ich doch noch immer mehr Konsumenteninteressenschützer
bin als Handelsvertreter, denn er meinte, er könnte doch nicht
auf die Dauer verpflichtet werden, diese Mehrkosten zu tragen,
womit er mir innerlich die Begründung lieferte, dass wir an der
Preisregelung für Petroleum doch festhalten müssen.
Gen.Direktor der AGIP, Ratti, ist extra von Rom nach Österreich
gekommen, um mit dem Österr.-Vertreter Piscicelli über die negativen
Ergebnisse der AGIP im letzten Jahr zu verhandeln. Die AGIP, Rom, hat
eine Kapitalerhöhung für Agip-Österreich von 50 Mio. S vorgenommen
und hat aber feststellen müssen, dass heuer ein Verlust von 35 Mio. S
durch die Nichterhöhung der Benzinpreise entstanden ist. Gen.Direktor
wollte gerne erfahren, wann die Benzinpreiserhöhung zu erwarten ist.
Ich wies auf die Vereinbarung mit der Ölindustrie hin und sagte,
dass der späteste Termin der 1.1.1972 sein würde. Agip ist
deshalb in einer schlechten Lage, so wurde vom Gen.Direktor erklärt,
weil es erst sehr spät am österreichischen Markt aufgeschienen ist,
und daher alle Investitionen in den letzten Jahren durchführen
musste, bevor sie überhaupt in eine Ertragszone bei normalen Ben-
zinpreisen kommen konnte. Die alteingesessenen internationalen
Firmen wie Shell, Mobil, BP haben hier eine jahrzehntelange Organi-
sation und damit auch die Möglichkeit, aus ihren Reserven eventuelle
Verluste leichter abdecken zu können. Die Muttergesellschaft der
Agip, die ENI, ist über die Entwicklung sehr ungehalten. Ich konnte
Gott sei Dank dem Gen.Direktor sagen, dass ich mich immer für
die ENI eingesetzt habe, z.B. das letzte Mal bei der Gasleitung
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von der CSSR über Österreich nach Italien. Dies hat d. Gen.Direktor
auch sofort anerkannt.
Die Passagendiskussion im AEZ wird – trotzdem jetzt Wahlzeit ist –
in Wirklichkeit flauer, statt dass sie lebhafter wird und aggressiver.
Dies ist glaube ich darauf zurückzuführen, dass scheinbar doch mehr
Sympathisanten von uns und vielleicht sogar Angehörige der Jungen Gene-
ration sich bereiterklären, durch Fragen, die auch ganz interessant
sind, aber doch nicht so aggressiven Charakter haben, an diesen Passagen-
diskussionen jetzt teilzunehmen. Immer wieder tauchte die Frage auf,
wieso König erklären könnte, dass für die ÖVP verboten ist, zwischen
den Wahlen Passagendiskussionen durchzuführen, währenddem ich doch
solche durchgeführt habe. Da ich nicht erklären konnte und wollte,
dass wir eigentlich auch keine Genehmigung haben, versuchte ich mich
dahingehend auszureden, dass ich von der Jungen Generation eingeladen wur-
de, und mich daher selbstverständlich zur Verfügung gestellt habe.
Auf der Landstrasse haben wir im Parteiheim zu einem Gesundheitskurs
und Ernährungskurs, wo jeder 30.– S Kursbeitrag bezahlen muss, einge-
laden. Zu meiner grössten Verwunderung war der Saal voll und es
waren sogar einige Nicht-Genossinnen anwesend. Ich nützte deshalb
selbstverständlich diese Gelegenheit, um auf die Umweltschutz- und
die Gesundheitsfragen, wie sie die Regierung sieht, einzugehen, ohne
auch nur ein einziges Wort über die Wahlen zu verlieren. Wenn man
vielleicht auch keine Wähler, die nicht der SPÖ angehören gewinnen
kann, so gibt es doch bei der Parteimitgliedschaft den Eindruck,
dass ich ein objektiver Minister bin, der sich ausschliesslich mit
anderen Personen auch in der Wahlzeit über Sachprobleme unterhält, ohne
Politik und Wahlwerbung zu machen. Von solchen Veranstaltung halte
ich daher sehr viel.
Für vollkommen sinnlos halte ich jetzt die zweite Veranstaltung der
Jungen Generation, denn bei der Veranstaltung von der Wieden hatte
ich schon feststellen können, dass kaum Indifferente daran teilgenommen
haben. Bei unserer glaube ich habe ich alle von dem einen Dutzend
Teilnehmern persönlich gekannt. Nur ein junger Mann, der sich als
Assistent von der Hochschule entpuppte und mich wegen der Herab-
setzung des Bleigehaltes angriff, war mir bis jetzt nicht bekannt.
Der Mann hatte vor etliche Monaten versucht, in meinem Ministerium
mit jemandem über die Unzulänglichkeit der Bleiherabsetzung zu disku-
tieren. Er steht auf dem Standpunkt, dass die ÖMV, was ich sowieso
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wusste, ausschliesslich Firmeninteressen vertritt und deshalb Dr.
Grünwald, der Laboratoriumsleiter, natürlich auch nur ÖMV-Inter-
essen wahrzunehmen hat. Er hätte sehr gerne Gegenargument geliefert.
Ich bedauerte zutiefst, dass er sich nicht an uns gewendet hat, denn
wir hätten ihn sicherlich in diesem Kampf eingesetzt und ich habe
Koppe, der zufällig anwesend war, sofort ersucht, mit diesem Mann
ständigen Kontakt zu halten und ihn für unsere Arbeit zu gewinnen.
Nach einer längeren Diskussion, wo auch noch vereinzelt andere Probleme
zur Sprache kamen, ist er sofort mit mir weggegangen. Es war deshalb
klar ersichtlich, dass er und zwei Damen, die ihn begleitet hatten,
ausschliesslich wegen dieser Aussprache zur Diskussion der Jungen
Generation gekommen ist.
Zum Glück musste ich wirklich aus sachlichen Gründen, da wir noch nach
Graz fahren musste, diese Veranstaltung frühzeitig verlassen. Eine
sinnvolle Diskussion hätte sich ja kaum entwickeln können. Unter sinn-
voll verstehe ich hier nicht, dass ich sehr gerne mit unseren jungen
Genossen über Probleme diskutiere, sondern dass man in der Wahlzeit
versuchen sollte, die Zeit zu nützen, um an Indifferente heranzukommen.
Tagesprogramm, 1.10.1971