Donnerstag, 5. August 1971
Koppe und Heindl haben sich durchgesetzt und wir fahren deshalb
nach Berlin zu Dalli Dalli. Ganz geheuer dürfte es Dr. Koppe
doch nicht sein, denn er hat schnell noch ein seriöses Inter-
view, wie er sich ausdrückte, über die industriellen Kennziffern
mit dem österreichischen Fernsehen für das Abendjournal orga-
nisiert. Das Institut für Wirtschaftsforschung hat die ersten
Kennziffern fertiggestellt und eine diesbezügliche Arbeit ab-
geliefert. Infolge der sauren Gurkenzeit nimmt das Fernsehen
selbst dies als Anlass für ein Interview. Swietly vom Fernsehen
hätte – wie er mir nachher gestand – viel lieber oft die Aufnahme
nicht in meinem Zimmer, sondern im Freien, um einen entsprechenden
Hintergrund zu haben und so arrangierte er, dass wir auf einem
Feld in Schwechat vor der Raffinerie dieses Fernsehinterview
machen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Ich glaube, man sollte, wenn er dies wünscht,
ihm insofern auch in Zukunft entgegenkommen, dass man in der Nähe
vom Ministerium doch Fabriken oder sonstige gute Gründe finden müss-
te, damit er nicht immer nur die vier Wände als Aufnahmeraum hat.
In Berlin erwartete uns vom Österreichischen Fernsehen und vor allem
der österr. Generalkonsul Dr. Hoess am Flugfeld. Dr. Hoess war Klaus-
Sekretär und ist sehr daran interessiert, zu beweisen, dass er sich
jetzt um die sozialistischen Minister sehr bemüht. Er hat – wie er
mir mitteilte – auch bei der letzten Dalli-Dalli-Sendung die österr.
Teilnehmer bestens betreut, was ich ihm ohne weiteres glaube.
Wir diskutierten in der Zeit zwischen den einzelnen Besuchen immer
wieder österreichische Probleme und ganz besonders seine Zeit, wo
er als Sekretär von Klaus in der Innenpolitik wesentlich tätig war.
Es kommen keine neuen Gesichtspunkte zutage, aber es wurde doch
immer wieder festgestellt, das was ich schon wusste, Klaus in
Wirklichkeit an den Bünden gescheitert ist. Hoess bestätigt, dass
man sich gar nicht vorstellen kann, welche Schwierigkeiten er oft
in den kleinsten Fragen mit den Bünden zwischen deren Vertreter
gehabt hat und wie selbst Klaus ausserstande war, wichtige Probleme
gesamtösterreichisch oder gesamtvolksparteilich nur zu lösen.
Ich fragte, Hoess, ob er das neue Buch von Klaus kennt und er
verneint. Hoess meint, Klaus sei doch noch nicht so alt, dass
er jetzt schon seine Memoiren schreibt und damit automatisch
seine Karriere abschliesst. Er selbst hat nur einmal glaube
ich 10 Seiten davon gelesen und Klaus hat ihn nur Einzelheiten
gefragt, wo Klaus nicht mehr Detailkenntnisse hatte.
Mit dem Wirtschaftssenator König war die Aussprache nicht sehr
ergiebig. West-Berlin lebt in Wirklich von der Bundesrepublik
Deutschland. Ein Brutto-Nationalprodukt von 23 Mia. und einem
Budget von 8 Mia. erhält es 3,2 Mia. Zuschuss von der BRD für
dieses Budget. Dazu kommen noch 2 Mia. Steuerpräferenzen und
l Mia. Kaufkraftübertragung, wie er sich ausdrückte, d.h. Pensionen
mit dem richtigen Ausdruck "Sozialer Transfer". Ausserdem erhält
Berlin noch für die Autobahn und für die U-Bahn einen Zuschuss
von 100 Mill. West-Berlin exportiert – wenn man dies so bezeich-
nen kann – 14 Mia. in die BRD, 2,5 Mia. in die anderen Weststaaten
und nur 400 Mio. nach dem Osten. Wenn ein Berliner Unternehmen
Schwierigkeiten hat, dann wendet es sich an den Wirtschaftssenator
und erklärt sofort, wenn er nicht einen Auftrag irgendwo bekommt,
dann muss er 30 Arbeiter entlassen und dies bedeutet sofort, dass
König alles daran setzen muss, der Firma irgendwie zu helfen.
Sein grösster Erfolg war, dass er einmal mit Patolitschew über Wirt-
schaftsbeziehungen verhandelt hat und dort Patolitschew erklärt hat,
er könnte Berlin doch sehr helfen, wenn er mehr Damenoberbekleidung
kaufen würde. Patolitschew griff zum Telefon und es wurde an Stelle
der bisherigen Lieferung von 200.000 DM 20 Mio. DM Oberbekleidung
für dieses eine Jahr abgeschlossen. Die Unternehmer glauben nun,
wie König sich ausdrückte, er könnte dies immer wiederholen, was
ihm natürlich nie mehr wieder gelang.
Der Bürgermeister Neubauer hoffte Hoess, dass wir über die Berlin-
Verhandlungen der Alliierten mehr erfahren könnten. Neubauer selbst
dürfte aber auch nicht über Details tatsächlich informiert gewesen
sein, resp. er hatte gar nicht die Absicht, uns irgendwelche Detail-
informationen zu geben. Für mich interessant war überhaupt nur die
Frage der Meistbegünstigung. Die Meistbegünstigungsregelung, die
07-0956
heute die DDR gerne in Westbelin erreichen möchte,
würde die EG und damit auch die BRD unter gar keinen Um-
ständen akzeptieren können. Deshalb kann sie in den Vertrag
unter gar keinen Umständen aufgenommen werden. Hoess meinte
noch, er hätte mich unbedingt mit diesem Bürgermeister bekannt
machen wollen, da er für die innere Ordnung und die Polizei
zuständig ist und wir vielleicht doch auch über die Erfahrungen,
die Westberlin mit den Universitätsstudenten und der Linken
hatten, einen Meinungsaustausch führen sollten. Ich habe mich
mit diesem Problem überhaupt nicht beschäftigt und habe auch
daher keinerlei diesbezügliche Diskussion geführt. Hoess ist
von der Berliner Mannschaft sehr begeistert, weil es sich dort
meistens um verhältnismässig sehr junge Politiker handelt, vom
Oberbürgermeister über die Bürgermeister bis zu den einzelnen
Stadträten.
In Berlin gibt es ein Wiener Kaffeehaus und Hoess hatte dem
Besitzer zugesagt, dass er versuchen wird, mich zu ihm zu bringen.
Hoess hat nun so herumredend immer wieder gemeint, es wäre doch
ganz gut, wenn ich ein bisschen etwas von der Sendung essen würde
und selbst Koppe war der Meinung, ich müsste unbedingt noch
irgendwie vorher einen Imbiss zu mir nehmen. Ich bin überzeugt,
das Koppe nicht mit ihm diesbezügliche Vereinbarungen oder Be-
sprechungen geführt hat, aber ich erkannte sofort, dass Hoess irgend-
einen Plan hat. Es war deshalb sehr erstaunt, als ich ihn ganz
direkt fragte, welche Vereinbarung er über mich getroffen hat.
Ich erklärte ihm, dass ich dies schon aus Österreich gewohnt bin,
entsprechende Vereinbarungen meiner Mitarbeiter auch jederzeit
einzuhalten. Er brauche sich keinesfalls hier versuchen, so
diplomatisch aus einer Situation herauszuwinden. Das Wiener Kaffee
am Kürfürstendamm ist sicher eine Novität. Diese Kommanditgesell-
schaft hat 500.000 DM investiert und hat jetzt einen Umsatz von
110.000 DM pro Monat. 4.000 DM allein muss sie Miete bezahlen.
Mit einem zweiten Lokal in Berlin, den Wiener Rutschen, und einem
ähnlichen Lokal in München hat diese Kommanditgesellschaft aber
einen ganz schönen finanziellen aber auch fremdenverkehrspolitischen
Erfolg für Österreich.