Montag, 26. Juli 1971
Die Überreichung der Auszeichnung gemäss § 58 Gew.O., d.h. dass
die Firmen das Staatswappen führen dürfen, sowie die Ordensverlei-
hung an 10 vom Bundespräsidenten ausgezeichnete Personen wohnte
auch eine Frau bei, ist weniger feierlich. Die Zeit, es ist bereits
Urlaub ermöglicht nicht einmal dass wir ein Streichquartett bekom-
men können. Da ich aber diese Auszeichnungen immer als persönliche
Ehrung des Betreffenden auffasse, mache ich es sehr individuell.
Ich versuche aus dem Akt einige Detailkenntnisse mir zu merken,
und spreche dann sehr persönlich, ohne dies von einem Zettel herun-
terzulesen über den Grund der Auszeichnung. Ideal wäre, wenn ich
einige intime Details, die vielleicht aus dem Akt gar nicht ersicht-
lich sind, erfahren könnte. Ich habe deshalb Heindl ersucht, der
bei Marek immer seitenlange Reden vorbereiten musste, mir einige
Stichwörter zu verschaffen. Z.B. hatte ich Quester auszuzeichnen
ohne dass ich wusste, dass der Sohn von ihm der berühmte Rennfahrer
ist. Reg.Rat Puffler, unser Pressereferent, den wir nachher fragten,
sagte, das hätte er gewusst und er hätte viele andere Details recher-
chieren können. Puffler will nur nicht den Min.Rat Ottahal, der
alle diese Vorbereitungen sehr gewissenhaft trifft, in die Arbeit
hineinpfuschen. Ottahal ist schon deshalb – wie wir jetzt erfahren
konnten – ein bisschen betrübt, weil in seiner Agende Dienst um
die Person des Bundesministers aus der Geschäftsordnung gestrichen
wurde. Ich habe mich sofort als ich das Amt übernommen habe, gegen
diesen Ausdruck ganz entschieden gewehrt. Ich sehe darin noch ein
Relikt aus der alten Monarchie und glaube, alles sollte es geben
nur keinen Ausdruck: Dienst um die Person des Bundesministers. Der
Bundesminister ist – weil es nicht anders geht – ein oberster Chef
einer Behörde, aber deswegen braucht man keinesfalls einen so veralte-
ten Ausdruck einem doch so hohen Beamten wie einem Ministerialrat
zu geben, der einen Minister betreuen soll. In jedem grösseren
Industriebetrieb macht dies eine Sekretärin.
Sallinger ist bereits in Sölden auf Urlaub, wo er Hofstaat hält.
Mussil selbst muss sich erst ein zweites Mal wegen der Chinareise
impfen lassen und fährt erst Mitte der Woche nach. Mussil selbst
behauptet, er geht dort wenigstens in die Berge, Sallinger dagegen
hat natürlich ungeheuer viele Besucher, die mit ihm Probleme be-
sprechen wollen. Ich brachte Mussil meine Verwunderung zum Ausdruck,
dass er resp. seine Leute bei der letzten Sitzung zu erkennen ge-
07-0919
geben haben, dass sie noch einen besseren Kontakt wollen. Soviel
mir bekannt ist und Steiger mir nachher versicherte, wurden alle
Detailinformationen der Bundeskammer gegeben. Die Kritik aber ist
mir sehr recht, denn ich habe die Absicht und das bereits Mussil
angekündigt, dass wir in der Vorbereitungskommission für die EWG
einen ständigen Ausschuss der Interessensvertretungen installieren
werden. Ich wollte mit dieser Entscheidung nur zuwarten, bis Reiterer
zurück ist, damit ich mit ihm die notwendigen Anordnungen besprechen
kann. Durch diese Lösung komme ich scheinbar der Handelskammer sehr
entgegen, in Wirklichkeit aber installiere ich damit eine Institution,
worin auch die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund für alle
Zeiten verankert sind.
Mussil teilte mir auch mit, dass am nächsten Tag die Brauerei-Unter-
nehmungen bei ihm sind. Die Brauereien wollen jetzt auf alle Fälle
einen Preisantrag an den Preisunterausschuss über eine Bierpreis-
erhöhung richten. Reininghaus ist von seiner Funktion zurückgetreten,
um den Präsident Sallinger damit eindeutig zu desavouieren. Sallinger
hätte auf Drängen von Benya den Brauereien mitgeteilt, dass sie mit
Lohnzugeständnissen sehr zurückhaltend sein sollen. Eine Preiserhöhung
käme nicht in Frage und Benya hat gedroht, dass der § 3a zur Anwendung
kommen müsste, wenn sie ohne die Genehmigung der Paritätischen Kommis-
sion eine solche Bierpreiserhöhung vornehmen würden. Sallinger und
Mussil haben mir seinerzeit erklärt, dass eine Lohnfreigabe nicht in
Frage käme, da eben erst mit 1.8. ein Jahr seit dem letzten Lohn-
abschluss vorüber sei. Auch der Gewerkschaftsbund erklärte mir damals,
sie würden einer Lohnfreigabe im Lohnunterausschuss oder in der Pari-
tätischen Kommission zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zustimmen.
Auf Grund dieser Mitteilungen haben wir dann im Vorstand und ich noch
in Verhandlungen mit dem Brauereikomitee beschlossen, dass eine Lohn-
freigabe vor Oktober nicht zu erwarten ist. Eine betriebliche Regelung
aber war ein Ausweg, da auch die anderen Betriebe und Branchen in Wirk-
lichkeit immer zwischen den Freigaben durch die Paritätische Kommission
Lohnbewegungen auf betrieblicher Basis abschliessen. Mussil erkannte
dann als erstes, dass dieser Entscheid von ihnen ein grosser Fehler war
Da kein Kollektivvertrag abgeschlossen ist, kann auch keine Preis-
erhöhung erfolgen. Die Voraussetzung jedweder Preiserhöhung bezügl.
der Lohnkosten ist nämlich ein abgeschlossener Kollektivvertrag.
Diese Spielregel gilt seit Jahrzehnten. Mussil fürchtet nun, dass
natürlich auch der Preisunterausschuss und die Paritätische Kom-
mission an diesem System festhalten werden und deshalb die Erhöhungen
der Löhne, die auf betrieblicher Basis gemacht wurden, nicht anerkannt
werden. Mussil meinte, es hätte ja bereits alle Brauereien Lohner-
höhungen zugestanden. Ich bestritt dies und konnte ihm auf Grund
einer telefonische Rückfrage mit unserem Sekretär Macho folgende
Ziffern mitteilen:
Von 7.244 Brauereiarbeitern haben 6.432 eine Lohnregelung erhalten.
2/3 davon erhielten 2.– S auf die Stunde, das sind ⌀ 9 %, 1/3
erhielt gleich eine perzentuelle Regelung von 5–8,5 %, Vorarlberg
hat nur 5 % erhalten, da die bereits 16 3/4 Monatslöhne ausbezahlen.
Mussil war über die genaue Angabe insbesondere was die Arbeiterzahlen
betrifft, habe ich das Gefühl, sehr erstaunt. Er hätte nicht erwartet,
dass auf Knopfdruck eine so konkrete und exakte Information erfolgt.
Ich bin überzeugt davon, dass in der Paritätischen Kommission unter
diesen Umständen keine Bierpreiserhöhung im jetzigen Stadium zu er-
reichen ist. Die Brauereien werden schon im Herbst ihre Kollektiv-
verträge mit uns abschliessen müssen, um dann zu einer Preiserhöhung zu
gelangen. Sollten sie aber vorher, ohne den Beschluss der PK abzu-
warten, ihre Preise erhöhen, dann wird dies zweifelsohne ein Grund sein,
den § 3a tatsächlich anzuwenden. Hier würde die Handelskammer dann
über ihren Schatten springen müssen. Ich kann mir dies allerdings nicht
vorstellen.
Die Verhandlungen in der EWG Wegen der EFTA-Staaten verliefen verhält-
nismässig sehr lange. Aus einem Zwischenbericht um 7 Uhr abends war aber
bereits der Tenor zu hören. Eine Freihandelszonenregelung unter Aus-
schaltung der Landwirtschaft und wahrscheinlich noch einige schwierige
Probleme mit sensiblen Produkten, ausser Papier, Uhren und Edelstahl
sollen jetzt auch noch Holz dazukommen. Da wir Hitzeferien haben, waren
glaube ich im ganzen Haus nur sehr wenige Beamte anwesend. Mit Reiterer
wollte ich mich ins Einvernehmen setzen, der aber bereits das Haus ver-
lassen hatte, und ich glaube nachmittags auch gar nicht mehr kam.
Nur Dr. Simoncsics hielt die Stellung bis er von Brüssel zumindestens
den Zwischenbericht erhalten hatte. Ich muss sagen, mir imponieren
einige junge Beamte wirklich. Niemand hätte es ihm verübelt, wenn er
sich genau so verkrümelt hätte wie die anderen. Wenn ich ihn nicht
07-0921
um 1/2 6 Uhr angerufen hätte, wäre vielleicht sogar seine aufopfernde
Arbeit nicht einmal in Erscheinung getreten. Das Traurige ist nur, dass
man einen tüchtigen jungen Beamten auch nicht mehr auszeichnen kann,
als dass man ihm gelegentlich lobende Worte aussprechen kann. Wenn er
nämlich ein fauler Hund ist und nur entsprechend nicht gegen die Dienst-
ordnung verstosst, kommt er genauso zu dem Ziele, nämlich einen höheren
Rang zu erreichen, als wenn er fleissig ist und sich wirklich für die
Sache opfert. Der Vorteil der Schnellstlaufbahn ist maximal, dass er
zwei Jahre früher den Ministerialrat erreicht. Ich fürchte aber, dass
die Beamten hier solidarisch sein werden, da sie auf dem Standpunkt
stehen, man kann nie wissen, ob man nicht dann auch als tüchtiger Beamter
vielleicht wegen einer politisch anderen Gesinnung, aber was noch viel
gefährlicher wäre, weil man nicht mit dem Minister sachlich übereinstimmt,
nicht befördert wird, weshalb sie die garantierte Eselsleiter auch für
richtig empfinden. Durch diese Überlegungen wird das Leistungsprinzip
natürlich im Bundesdienst vollkommen ad absurdum geführt. Andererseits
kann ich es aber verstehen, dass Beamte so kalkulieren, denn ich könnte
mir sehr gut vorstellen, dass ein nicht entsprechender Bundesminister,
der ausschliesslich nach Leistungsprinzip vergeht, durch subjektive
Momente beeinflusst, ebenfalls Fehlentscheidungen treffen könnte. Es
gibt sicherlich kein unfehlbares System.
Tagesprogramm, 26.7.1971