Montag, 19. Juli 1971
Die Salzburger Handelskammer will, dass die Bundeskammer das Schloss
Grubhof in Lofer kauft und deshalb hat Sallinger den Präsidenten des
Rechnungshofes Dr. Kandutsch und mich eingeladen, damit wir an Ort
und Stelle des Projekt besichtigen. Ich war mit dieser Fahrt einver-
standen, doch war ich bestrebt, mit Sallinger gemeinsam in einem Auto
zu fahren, damit wir über einige Probleme Besprechungen abhalten
können. Sallinger hatte zuerst die Absicht, gleich von Lofer nach
Lenzing zu fahren, dort hätten sie eine Präsidialsitzung am nächsten
Tag gehabt und wollte zuerst gar nicht mit seinem Wagen wieder zurück-
fahren oder auch nicht mit meinem Wagen. Da er letzten Endes dann in
Wien abends noch eine Veranstaltung hatte, war es möglich, dass Mussil
er und ich in seinem Wagen nach Lofer fuhren. Wir kamen unverzüglich auf
das Problem der EWG zu sprechen. Die beiden wünschten ein Gespräch
über die weitere Entwicklung. Mussil befürchtet, dass wir doch nur ein
Satellitendasein innerhalb der EWG finden. Er befürchtet aber insbeson-
dere, dass die Schweden viel stärker in die EWG sich engagieren werden
als wir und deshalb eine differenzierte Behandlung der Neutralen er-
folgen könnte. Ich setzte ihm unseren Standpunkt auseinander und wies
insbesondere darauf hin, dass jetzt auch die ÖVP scheinbar akzeptiert
hat, dass die politische Seite der Integration vom Aussenministerium
geregelt werden muss, da sich Schleinzer und Karasek an ihn gewendet
haben, obwohl sie genau wissen, dass ich eigentlich noch dazu zuständig
bin. Diese Mitteilung war für Sallinger und insbesondere für Mussil
sehr unangenehm. Ich erklärte, dass ich organisatorisch keine Änderungen
beabsichtige und im vorparlamentarischen Raum, d.h. durch die inter-
ministeriellen Besprechungen, wo die Handelskammer und die anderen
Interessenvertretungen anwesend sind, das System der Information und
der Mitsprache bestens gewahrt ist. Sie bestätigten diese Auffassung.
Ich verlangte ein unverzügliches Gespräch mit ihren Institutionen der
Industrie aber auch mit den Bankenvertretern, um das bulgarische Aktiv-
saldo abzubauen. Ich kündigte an, dass wir eine diesbezügliche Sitzung
im Laufe der nächsten Wochen haben werden. Die Bundeskammer will noch
Überlegungen anstellen und bittet um einen Zeitaufschub.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, aber die entsprechenden Vorkehrungen zu
treffen.
Ich verlange von beiden eine positive Stellungnahme zum passiven
Veredlungsverkehr. An Hand der Firma MEWA, die Nylonhemden in Jugoslawien
nähen lassen will, erklärte ich auch aus handelspolitischen Gründen diese
Notwendigkeit. Mussil ist strikte dagegen, da er erklärt, sie hätten sich
nach monatelangen Verhandlungen in der Bundeskammer dazu entschlossen, das
Loch – wie er es bezeichnet – nicht aufzureissen, bezüglich eines passiven
Veredlungsverkehrs. Sie wären dann ausserstande innerhalb ihrer eigenen
Organisationen eine Koordination vorzunehmen. Er sagt, man müsste doch die
Ostpolitik neuerdings überdenken und man könnte nicht bereits vorweg dieses
Konkurrenzinstrument spielen lassen. Mit Hilfe der Billigsteinfuhren und
der Ostimporte von solchen Bekleidungsartikeln wird ein ganz Industriezweig
ruiniert und er selbst müsse die Arbeitsplätze schützen, wenn ich dies nicht
machen würde sondern aus handelspolitischen Gründen nachgehen werde. Ich
bot ihm an, einen Probegalopp mit den Nylonhemden aus Jugoslawien zu starten.
Mussil verspricht mir einen entsprechenden Gegenvorschlag, wie wir das
Aktivsaldo abbauen könnten, zu geben.
Mussil beschwert sich, dass das Handelsministerium neuerdings einen umfang-
reichen Fragebogen an die Firmen ausgeschickt hat. Er meint, das Büro Wanke
resp. Koppe stecken dahinter und wir würden hier die Bundeskammer systema-
tisch ausschalten wollen. Er zeigt mir dann einen Brief Peschkes, wo die-
ser die Firmen auffordert, innerhalb von 8 Tagen eine umfangreiche Ant-
wort über betriebsinterne Kennziffern zu liefern.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, klären, wieso noch immer solche Fragebogen
hinausgehen, die meiner Meinung nach doch ganz sinnlos sind, da sie nie-
mand bei uns im Haus dann systematisch wirklich aufarbeitet. Es wäre doch
viel zweckmässiger, wenn dieses Problem zuerst in der Grundsatzgruppe be-
sprochen wird.
In Lofer ist auch LH-Stv. Haslinger, der Finanzreferent des Landes Salz-
burg, und ich kann daher mit Sallinger gleich das Problem der 20 %-igen
Quoten für die österreichische Fremdenverkehrswerbung für die Bundesländer
und die Bundeskammer besprechen. Sallinger will sich bei den ÖVP-Landes-
hauptleuten dafür einsetzen und Haslinger bestätigt ihm, dass er immer
schon für eine solche Lösung gewesen ist. Haslinger selbst erwartet jetzt,
dass das Finanzministerium endgültig zu den Zuschüssen betreffend Fremden-
verkehrskrediten, die zu zwei : eins nach Wunsch der Länder aufgeteilt
werden sollen und aber insbesondere auch zur Haftungsübernahme durch die
neu zu gründenden oder schon bestehenden Haftungsgesellschaften, die Er-
höhung vom Finanzminister vorgesehenen 300 Mio. eventuell die seinerzeit zuge-
sagten 500 Mill. Stellung nimmt. Da ich nicht weiss, ob Androsch bereits
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positiv zu dieser Sache wirklich steht, erklärte ich ihm, dass das
Finanzministerium noch Durchrechnungen vornehmen muss.
Das Schloss entpuppt sich als ein um die Jahrhundertwende errichteter
Bau, der in der letzten Zeit ein bisschen renoviert wurde. Die Landes-
hypothekenanstalt ist mit viel Geld an diesem Ausbau beteiligt gewesen
und möchte deshalb, ohne dass der Besitzer davon etwas weiss, einen
Verkauf erreichen. Der Besitzer ist bass erstaunt, dass schon wieder eine
so bedeutende Gruppe das Haus besichtigen kommt, man hat ihm gesagt, es
handelt sich gegebenenfalls im eine längerfristige Miete, und äussert
sich selbst sehr negativ über einen diesbezüglichen Ausbau. Er meint,
dass er bis 1972 noch bei Vorhandensein entsprechender Mittel einen
Golfplatz anlegen will, entsprechendes Schwimmbad, Halle bauen will,
eine Reitschule jetzt im Bau hat und damit erst das Hotel für Gäste
attraktiv ist. Derzeit hat er überhaupt niemanden. Das Schloss, kann
ich mich erinnern, war seinerzeit eine Weberei untergebracht und wahrschein-
lich ist daher das ganze innerlich in einem sehr zerrütteten Zustand.
Derzeit hat die Weberei in der Nähe des Schlosses einige Quadratmeter
Grund gekauft und arbeitet dort Tag und Nacht. Im Sommer ist in der
Nähe des Schlosses ein Springbrunnen tätig und überdeckt das Geräusch.
Im Winter gibt der Besitzer selbst zu, kann man nicht einmal die Fenster
offen haben. Kandutsch, der von Sallinger bearbeitet wird und seine Frau
die auch mit ist, sie sind alle untereinander per Du, hat riesiges Bauch-
weh, aus AHF-Beiträgen einen solchen Kauf mit zu finanzieren. Ich selbst
erkläre, wenn der Rechnungshof mir bestätigt schriftlich, dass keine
Bedenken dagegen bestehen, könnte ich mir vorstellen, dass man einen ein-
maligen Betrag zur Verfügung stellt. Ich empfehle aber dann, dass man
das Schloss gleich schleifen sollte und dort eine neue Seminarstelle
für Aussenhandelsstudien zu eröffnen. Sallinger und insbesondere Mussil
erklären mir auf der Rückfahrt, dass das Hauptproblem darin liegt,
dass sich die Salzburger Kammern an dieser Institution mit einem wesent-
lichen Anteil auch im Betrieb beteiligen müsste. Das Projekt in Hern-
stein, wo bekanntlich auch auf ein altes Schloss dann ein Neubau hinzu-
gefügt wurde, kann man so leicht nicht wiederholen. Ausserdem glaube ich,
war das Hernsteiner Schloss in einem wesentlich besseren Zustand und
hat auch als kunsthistorisch einigermassen interessantes Projekt eine
Berechtigung gehabt, erhalten zu werden. Kandutsch möchte am liebsten,
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dass die Bundeskammer anregt, das Aussenhandelsförderungsgesetz neu
zu novellieren, damit in § 1 nicht mehr die Förderung des Waren-
verkehrs allein im Ausland als Definition als Geldausgabe herange-
zogen werden kann. Kandutsch möchte, dass zumindestens das Wort
"Dienstleistung" hineinkommt. Die Bundeskammer aber erwägt eine solche
Novelle unter gar keinen Umständen anzustreben. da sie befürchtet,
dass dann andere Wünsche von verschiedensten Gruppen, sei es auf
Herabsetzung der 0,3 ‰ Obergrenze, sei es dass nachher ein Kuratorium
eingesetzt wird, sei es dass die Beträge auch für etwas anderes dann
verwendet werden, ebenfalls in eine solche Novelle aufgenommen werden.
Unter diesen Umständen behilft sie sich lieber mit einem schlechten
Gesetz und versucht, den Rechnungshof insbesondere Kandutsch davon
zu überzeugen, dass er doch in irgendeiner Form die Zustimmung zu
solchen Transaktionen geben soll.
Wegen des Fremdenverkehr entspinnt sich dann während der Heimfahrt
eine längere Diskussion insbesondere über die Möglichkeiten im Waldviertel
etwas Neues zu schaffen. Da wir bei der Ankunft in Lofer kaum auf den
Strassen uns bewegen konnten, es waren dort alle Fremden der Umgebung
scheinbar zum Einkauf und Essen gekommen, veranlasst Mussil als Abge-
ordneter vom Waldviertel, über eine solche Fremdenverkehrseinnahme-
quelle zu sprechen. Meiner Meinung nach liegt das Hauptproblem darin,
dass sie im Waldviertel viel zu wenig attraktive Hotels aufzuweisen
haben. Ich verwiese darauf, dass unsere Komfortzimmeraktion gerade
für diese Gegend von grösster Bedeutung ist. NÖ hat seinerzeit Landes-
hauptmannstellvertreter Kargl eine solche Aktion auch gestartet gehabt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, feststellen, welchen Erfolg eine solche
Aktion gehabt hat und genauen Bericht anfordern, insbesondere auch die
Richtlinien der damaligen Aktion.
Die Fahrt war an und für sich ganz sinnlos für mich, doch ich habe damit
bewiesen, dass ich auf Einladung der Bundeskammer bereit bin, jederzeit
auch einen Tag zu opfern, um mit ihnen ihr Problem zu besprechen und
mir ihr Problem an Ort und Stelle anzusehen. Ich bemerkte, dass Mussil
nur einen gewöhnlichen Reisepass besitzt. Vielleicht hat er einen Dienst-
pass, den er nur für Dienstreisen benützt. Wenn dies nicht der Fall ist,
ist es glaube ich sehr gut, wenn ich ihm einen solchen Dienstpass ver-
schaffe, ohne dass er etwas davon oder viel bemerkt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte, erkundigen, ob Mussil einen solchen Dienst-
pass hat, seine Sekretärin müsste darüber Bescheid wissen und wenn dies
nicht der Fall ist, sofort einen Antrag von der Sekretärin verlangen.
Kreisky verlangte in der Ministerratsvorbesprechung, dass wir
innerhalb einer Woche dem Bundeskanzler mitteilen, was wir für
die Bundesländer in der vergangenen Legislaturperiode als Regierung
gemacht haben. Wandel wird dann mit den einzelnen Ministern bzw.
Sekretären ins Einvernehmen setzen, um herauszuarbeiten, was in Zu-
kunft geschehen sollte. Das dürfte scheinbar für eine Rede von Kreisky
sein, darüber hinaus aber sicherlich als zukünftiges Regierungsprogramm
resp. Wahlplattform abgeben.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, sich unverzüglich vom propagandistischen
Standpunkt überlegen, was wir in diesen beiden Fällen vorschlagen sollen.
Seinerzeitige Leistungsbericht Kreiskys, der jetzt als unkorrigiertes
Probeexemplar abgestempelt wird, hat nämlich einige wichtige – z.B. die
KFZ-Gesetznovelle, mit deren Hilfe einen besseren Umweltschutz zu ermög-
lichen, nicht erwähnt, dafür aber die Novelle zum Verkehr mit Schuhputz-
mitteln, Fussbodenpasten und flüssigen Putzmitteln. Ebenso fehlt die Ab-
schaffung der 10 %-igen Autosondersteuer.
Das Ombudsmanngesetz, wir wollen in Österreich den Ausdruck Volksanwalt
dafür verwenden, wie Pittermann ihn vorgeschlagen hat, geht jetzt in
die Begutachtung. Wegen der Rechtssicherheit soll eine Verjährung der
Streitfälle nach einem Jahr erfolgen. Bis zu diesem Zeitpunkt müsste
sich der Betreffende an den Volksanwalt gewendet haben. Ursprünglich war
eine Fünfjahresfrist vorgesehen, der Verwaltungsgerichtshof hat in
seiner Begutachtung eine maximale Zeit von 3 Jahren vorgeschlagen.
Da aber dann z.B. alle Bauten so lange unterbleiben müssten, solange
nicht die dreijährige Frist abgelaufen ist, wenn sich irgendjemand
dagegen wendet, würde eine sehr starke Rechtsunsicherheit entstehen,
deshalb hat sich Kreisky entschlossen, sich mit einem Jahr Fristlauf
zu begnügen. Der Ombudsmann wird eine fünfjährige Bestellungszeit
haben, nicht mehr wie vorgesehen, eine Legislaturperiode.
Die verfassungsgesetzliche Regelung, wonach die Länderrechte vergrös-
sert werde, soll mit 10.8. in einen zweieinhalbmonatige Begutachtung
gehen, ebenso soll das grosse Kompetenzgesetz Mitte September fertig-
gestellt sein.
Die Samstag-Urlaubsregelung wird nun vom BK zurückgezogen. Mit der Ge-
werkschaft wurde fraktionell besprochen, dass eine solche Lösung,
die ihm seinerzeit seine Personalabteilung vorgeschlagen hat, vollkommen
unakzeptabel ist, es würden zusätzliche Dienstposten bei der Bahn und
der Post in die Hunderte gehen, notwendig werden. Die verschiedenen
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Regelungen innerhalb der Verwaltung werden allerdings aufrecht bleiben,
Weihs hat seinen Leuten allerdings – wie er sich ausdrückt – nur zuge-
sagt, für das Jahr 1971 diesen zusätzlichen Urlaubstag für einen Feier-
tag der an einem Samstag fällt, zugestanden zu haben. Für 1971 würde
dann wieder die Regelung Platz greifen, die sie jetzt auch von allen
Ministerien gehandhabt werden soll. Die anderen Ministerien weisen darauf
hin, dass wir im Regierungsgebäude auch sonstige Vergünstigungen haben,
wie z.B. die Hitzeferien und sich daraus eine gewisse differenzierte
Behandlung zwischen Bundeskanzleramt und Regierungsgebäude z.B. ergeben
kann.
Kirchschläger berichtet von Italien, dass es ihm geglückt ist, drei
Verträge abzuschliessen, wobei er bei einem nicht einmal noch die
Zustimmung des Ministerrates gehabt hat und sie nachträglich einholen
wird. Durch diesen Vertrag werde 15.000 Italiener, die ins Ausland
reisen, in Hinkunft die Wiedereinreise automatisch gesichert haben
und nicht wie jetzt immer neuerdings ansuchen müssen. Der Vermögens-
vertrag sieht 30 Mio. S Entschädigung vor und ist als sehr günstig
zu bezeichnen, da die gesamten Ansprüche auf 58 Mio geschätzt wurden.
Bei den schwarzen Listen gelang es, sechs Personen zu streichen, darunter
Molden, der seinerzeit sich mit 1 Mill. S für die Befreiungsfront von
Südtirol mit Bacher beteiligt hat. Die Begnadigung von Reder, der 26
Jahre eingesperrt ist, dürfte jetzt möglich sein. Nach österr. Recht
hätte er nämlich, wenn er lebenslänglich verurteilt wurde, die Chance
nach 20 Jahren auf alle Fälle aus der Haft entlassen zu werden.
Die Verhandlungen über die Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Aussenminister
Moro verliefen sehr positiv. Moro ist derzeit Vorsitzender des EWG-
Ministerrates und wird sich sehr für eine Freihandelszonenlösung ein-
setzen. Der Landwirtschaftsminister Natali und insbesondere der Aussen-
handelsminister Zagari werden ebenfalls für eine Erweiterung für die
landwirtschaftlichen Produkte plädieren. Italien dürfte großes Inter-
esse daran haben, daß Obst, Gemüse und Wein in eine Regelung mit einbe-
zogen werden. Dadurch würde die Landwirtschaft ebenfalls eine Chance habe:
in bilateralen Besprechungen ihre Wünsche bezüglich Vieh- und Molkerei-
produkten durchzusetzen. Zagari wird am 6. 9. zum italienischen Tag
auf die Wiener Messe kommen und ich werde ihn einladen.
Anmerkung für Heindl: Bitte entsprechende Vorkehrungen treffen.
Ich glaube er wird sich nur einen Tag in Wien aufhalten und ich glaube
es wird sehr zweckmäßig sein, wenn ich ihm einen Brief schreibe, wo-
nach ich nach einem Bericht von Kirchschläger erfahren habe, daß er
nach Wien kommt und ich würde mich sehr freuen, wenn er mein Gast
wäre.
Ich berichtete dann ebenfalls über das Bestreben der ÖVP, sich jetzt
in die Verhandlungen einzuschalten und daß Schleinzer mit Kirchschläger
entsprechende Verhandlungen geführt hat, damit er bei der Botschaft
in Brüssel akkreditiert wird, obwohl eigentlich die Kompetenz eindeutig
bei mir liegt. Ich war über diese Entwicklung sehr einverstanden, da
sie damit dokumentiert, daß die Oppositionspartei bereits die zukünftige
Kompetenzabgrenzung, die wir ja anstreben, akzeptiert hat.
Die Nationalratsbeschlüsse müssen wie die Geschäftsordnung vorsieht,
vom Nationalratspräsidenten unverzüglich und vom Bundeskanzler sofort
an den Bundesrat weitergeleitet werden. Sie sind deshalb alle bis
16. noch in der Kanzlei des Bundesrates eingetroffen. Die Präsidial-
abteilung hat aber die Beschlüsse des letzten Nationalratstages nicht
mehr auf die Tagesordnung gesetzt. Ich nehme nicht an, daß sich hier
irgendwelche Gesetzentwürfe auf der Tagesordnung des Bundesrates habe,
bitte aber unverzüglich festzustellen, ob dies der Fall ist, dann
werde ich mich natürlich in den Bundesrat begeben müssen.
Fischer wies auf die zwei Anfragen, die die ÖVP an alle Minister ge-
richtet hat hin, um eine einheitliche Anfragebeantwortung zu erreichen.
Die Frage, welcher Budgetansätze dem Finanzminister überreicht wurden,
wird in einem gleichlautendem Schreiben von allen Ministern beant-
wortet von denen Androsch gesagt hatte, es sollte nur zur Antwort
kommen im Sinne der Richtlinien. Die zweite Anfrage beschäftigt
sich mit der Durchführung des Vorschlages der Verwaltungsreform-
kommission in jedem einzelnen Ministerium. Da passierte Heinz Fischer
ein großer Fauxpas. Er meinte, das Büro von Minister Gehart hätte
immer diesbezüglich gefragt, damit ein einheitliches Vorgehen möglich
wäre. Alle fragten sofort wer der Minister Gehart ist. Heinzi Fischer
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kam dann zum Schluß noch zu mir und entschuldigte sich bei mir,
obwohl ich sofort versicherte, daß ich seinerzeit größten Wert
darauf gelegt habe, daß alle Mitarbeiter von mir ein entsprechendes
Pouvoir haben und seinerzeit bei der Amtseinführung ja sogar erklärt
wurde, es käme nicht ein Minister sondern drei, da ich ja Koppe
und Wanke veranlaßt habe, daß sie bei der Vorstellung sofort an
meiner Seite gestanden sind. Kreisky meinte er möchte doch aber
wenigstens wissen, wenn neue Minister bereits im Gespräch sind.
Er verglich die Situation wie dies wäre, wenn der Vorfall
sich in Sofia ereignet hätte und meinte, dann wären einige Leute
dann wahrscheinlich blass geworden. Ich selbst erwiderte nur
kurz: "Zum Glück sind wir nicht in Sofia." Wir beschlossen, daß
jeder Minister darauf hinweisen wird, daß seine endgültige Klärung
erst möglich sein wird, bis das große Kompetenzgesetz beschlossen
wird, weil dann entsprechende organisatorische Änderungen vorge-
sehen sind.
Betreffend der vorzeitigen Pensionen für die Brigadiere und Ge-
neräle haben Lütgendorf eine endgültige Lösung doch nicht erreichen,
da die entsprechenden personalpolitischen Voraussetzungen
erst geschaffen werden müssen. Androsch befürchtet ein sehr gefährliches
Präjudiz und Kreisky selbst meinte, dies müßte doch im Einvernehmen
mit den Gewerkschaftsvertretern geschehen. Vor der Wahl gibt es also
auch für Lütgendorf diese Reform nicht, da Kreisky befürchtet, daß
ansonsten im Wahlkampf erklärt wird, die SPÖ möchte so die Beamten
rausschmeißen.
Nach Ende der Vorbesprechung kläre ich mit Kreisky und Lütgendorf
das Bestreben von Mandl, der unbedingt jetzt seine Fabrik verkaufen
will, wenn er sie nicht a Block verkaufen kann, beabsichtigt er
die Maschinen zu verkaufen. Lütgendorf hätte größten Wert darauf
gelegt, diesen Betrieb zu erhalten und wäre sogar bereitgewesen ihn
für den Staat zu erwerben. Dieser kommt aber nicht in Frage. Ich
werde deshalb mit C Buchner, der für Dynamit Nobel den Betrieb er-
werben will, verhandeln und gegebenenfalls sind die Banken bereit,
sich an diesem Projekt zu beteiligen.
Die Pulverfabriken die in Zwettl errichtet werden soll, würde
eine 25 %-ige Beteiligung der Sowjetunion vorsehen, wie die Ex-
ponenten dem Verteidigungsminister mitgeteilt haben. Mussil der
an diesem Projekt sehr interessiert ist und schon einigemale bei
mir interveniert hat, damit er gegebenenfalls Mittel für die Er-
richtung dieses Betriebes zur Verfügung stehen, waren über eine
sowjetische Beteiligung nicht informiert. Ich war bei der ersten
Besprechung nicht dabei, doch dürfte sich nah nach jetziger Aus-
sage von Lütgendorf es sich hier um ein sehr nebulöses Projekt
handeln. Auf alle Fälle muß ich jetzt Klarheit mir im Laufe der
nächsten Woche verschaffen. Im Prinzip wäre mir eine Beteiligung
von der Sowjetunion an irgendeinem österreichischen Betrieb nur
recht. In diesem Falle könnte sogar vielleicht wirklich ein größerer
Absatz der Produkte im Osten gesichert werden. Mir erscheint für
jede Beteiligung der Sowjetunion an einigen Fabriken in Österreich
zweckmäßig, damit wir der Argumentation, daß wir uns nur gegenüber
dem Westen verkaufen, Paroli geboten werden kann.
Tagesprogramm, 19.7.1971