Dienstag, 29. Juni 1971
Besprechungen, die ich mit den Banken, dem Finanzministerium, dem
Verkehrsministerium wegen Flottmachung des bulgarisch-österreichischen
Vertrages führe, sind alle ergebnislos. In der Giro-Zentrale spreche
ich mit Dr. Drennig und dann sogar mit Gen.Direktor Dr. Taus. Die
Giro-Zentrale hat derzeit 2 Mill. $ Kredit in Bulgarien offen.
Sie hat die Forderung der Bulgaren auf 5 Mio. zu gehen, noch nicht
endgültig geprüft, aber steht sehr negativ zu diesem Wunsch. Sie
erwartet, dass die Bundesregierung sie dabei unterstützt, am liebsten
wäre den Banken, die im Bankenverband eine Aussprache gehabt haben,
wenn Androsch sich verpflichten würde, eine Bundeshaftung für die
ca. 60 Mill. $, die gewünscht werden, auszusprechen. Androsch selbst,
und ich verstehe das, erklärt mir immer neuerdings nachdrücklich,
dass er an eine solche Regelung nicht denken kann. Scheinbar hat – und
das wurde im Finanzministerium von Mitgliedern der Nationalbank bestätigt
– Schmitz, als er nach Sofia eingeladen wurde, dort Zusagen gemacht und
kann sie jetzt nicht erfüllen.
Die Fragen der Meistbegünstigung gehen auch nicht weiter, da die Bul-
garen nicht bereit sind, zollähnliche Abgaben gegenüber bilateralen
Staaten der EG oder auch anderen Staaten auszunehmen. Darüber hinaus
sind sie vor allem nicht bereit, Zollkontingente als Ausnahme zuzu-
lassen. Zuerst waren sie gegebenenfalls unter Anführung einer genauen
Liste von Produkten mit einer solchen Vorgangsweise bereit. Pultar
erklärt nun, dass das Landwirtschaftsministerium eine solche Produkten-
liste nicht geben kann, da er von vornherein nicht weiss, welche Wa-
ren einer solchen Zollkontingentregelung unterworfen werden.
Das Verkehrsministerium hat zwar sich bereiterklärt, auf die Bestim-
mung der Frachtaufteilung im Handels- und Schiffahrtsvertrag zu ver-
zichten, wenn gleichzeitig in einem Briefentwurf die Verpflichtung
der Bulgaren festgehalten wird, im Schiffahrtsabkommen eine solche
Regelung zu machen. Leider ist auch hier von den Bulgaren die selbst
einmal einen solchen Vorschlag gemacht haben, eine Zustimmung derzeit
nicht möglich. Um dem Aussenhandelsminister Nedew das Leben schöner
zu machen, sind wir auf alle seine Vorschläge bezüglich seines Aufent-
haltes eingegangen. Ich selbst bin sogar mit ihm in der Albertina
und in der Schatzkammer gewesen. Viel Erfolg wird er allerdings ni:ht
nach Hause bringen können.
Das einzige Abkommen, das derzeit abschlussreif ist, wird ein
Fremdenverkehrsabkommen sein. Da ich für dieses Abkommen aber sowohl
die Zustimmung der Länder brauche, auf diesen Tatbestand hat mich
Würzl aufmerksam gemacht, und ich habe ihm vorgeschlagen, er soll
sich mit der Verbindungsstelle der Bundesländer ins Einvernehmen
setzen, wichtig ist aber, dass ich einen Beschluss der Bundes-
regierung benötige, auf den mich Botschafter Marquet aufmerksam'
gemacht hat und ich habe mich deshalb im Ministerrat zur Paraphie-
rung und Unterzeichnung ermächtigen lassen.
Im Ministerrat habe ich auch einen Bericht über die Verhandlungen
mit der EG. Kreisky liest einen Bericht des Verfassungsdienstes
vor, worin er in Hinblick auf die Gerüchte, die jetzt in der Presse
und in der Öffentlichkeit herumschwirren, festhält, wie die Selbst-
auflösung des Parlamentes vor sich gehen müsste. Da Loebenstein nach
Schweden gereist ist, hat er einen solchen Bericht dem Bundeskanzler
gegeben. Abgesehen davon, dass er in dem Bericht vergessen hat,
dass z.B. die Verordnung über die Wahlkundmachung auch die Zustimmung
des Hauptausschusses bedarf, ein Versehen, das ich mir niemals vorge-
stellt hätte, dass dem Verfassungsdienst Loebenstein überhaupt passiert
frage ich mich, warum Kreisky dies in der Regierung zur Kenntnis
bringt. Anschliessend an die offizielle Regierungssitzung hatten wir
noch eine kurze Diskussion über die Terminprobleme und Kreisky
meinte, er hätte dies beabsichtigt, damit im Protokoll das aufscheint.
Ich glaube aber, hier hat er aus der Not eine Tugend gemacht, er
dürfe doch, als er den Aktenvermerk in der Sitzung das erste Mal zu le-
sen bekommen hat, nicht beabsichtigt haben, diesen tatsächlich
ins Protokoll hineinzubekommen. Tatsache ist, dass zwischen der Auf-
lösung und der Wahl ein Zeitraum von 75 Tagen als Mindestzeitraum
gerechnet werden muss.
Das Arbeitsgespräch zwischen der ungarischen Delegation und der
österr. Delegation erstreckt sich auf einer kurzen Einleitung von
Jonas, der erklärt, es handelt sich eigentlich um eine Fortsetzung
de-s seinerzeit von ihm geführten Gespräches in Budapest und Losonczi
erwidert mit einer umfangreichen tour d'horizon. Darauf repliziert
dann Kreisky und sonst kommt sowieso niemand zum Reden. Kirchschläger,
es ist ja nur der stellvertretende Aussenminister hier, hat sich
zwar während der ganzen Diskussion Aufzeichnungen gemacht, die er
ganz gern ergänzen wollte, da seine Linie nicht deutlich genug
06-0793
zum Ausdruck gekommen ist. Er erklärt allerdings mir nachher, es
macht ihm nicht allzu viel aus, denn er wird jetzt bei den Reisen
nach den Bundesländern Gelegenheit haben, seine Politik den Ungarn
zu erklären.
Der einzige konkrete Wunsch der Ungarn war, dass man sie unter-
stützt, damit sie im Rat der Weltgesundheitsorganisation einen
Sitz bekommen. Hier konnte ich die Qualität Kirchschlägers wieder
feststellen. Es war nicht Sicherheit anzunehmen, dass niemand gegen
einen solchen Vorschlag Bedenken haben könnte. Trotzdem hat er sich
den Generalsekretär Wodak zu sich gerufen und gefragt, ob hier
irgendwelche Einwände dagegen bestehen. Da dieser verneinte, er-
suchte er auch noch bei Weihs zu ergründen, ob vielleicht von dort
irgendwelche Bedenken gegen einen solchen Wunsch vorgebracht wurden.
Das ganze geschah natürlich, ohne dass die Ungarn es bemerkten, aber
er hat gar keinen Versuch gemacht, mir gegenüber diese Frage zu
decken. Er ist sich also seiner Qualität und, ich kann nur auch
sagen, seiner Grösse vollkommen bewusst und findet es daher als
selbstverständlich, dass er sich auch in einer solchen nebensäch-
lichen Frage vorerst berät, resp. Erkundigungen einholt, bevor er
entscheidet. Zur Antwort hatte er allerdings bei dieser Sitzung
keine Gelegenheit.
Die ERP-Sitzung über Fremdenverkehr benutzte ich, um den dortigen
Vertretern der Länder, u.a. ist ja auch der Finanzlandesreferent
von Salzburg, LH-Stv. Haslinger Mitglied der Kommission, die Ergeb-
nisse der Besprechungen über die neue Aktion für den Fremdenverkehr
ebenfalls anzudeuten. Gleichzeitig wies ich darauf hin, dass wir
im Rahmen der österr. Fremdenverkehrswerbung Budgetüberschreitungen
gegenüber dem heurigen Budget im nächsten Jahr bereits jetzt vornehmer
müssen. Alle Anwesenden anerkennen, dass es unmöglich wäre, erst nach
Vorlage des Budgets für das Jahr 1972 die Druckaufträge z.B. für den
Sommerprospekt zu vergeben, weil ja dann auf alle Fälle dieser zu
spät kommen würde. Im Prinzip erklären sowohl Haslinger als auch
von der Bundeskammer, Sektion Fremdenverkehrssyndikus Dr. Zedek,
dass sie eine Erhöhung von 13 auf 20 % wohlwollend zustimmen, wenn
dadurch auch der Bund, der dann einen perzentuell geringeren Anteil
hat, dafür aber einen höheren absoluten Betrag leistet. Die Ansuchen
über die ERP-Mittel betragen derzeit bei der Hoteltreuhand 745 Mio. S.
Zur Verfügung stehen für das Wirtschaftsjahr nur 150 Mio, Einzel-
aufteilungen habe ich dann nicht mehr abgewartet, da sie ja doch
weitestgehend zwischen den von der ÖVP nominierten und der SPÖ nomi-
nierten Kommissionsmitgliedern abgestimmt wurden.
Im Klub berichtete Skritek über die Abfertigungsregelung und Hobl
über das Kraftfahrgesetz. Hobl erklärt mir anschliessend, dass
die Ergebnisse ihrer Umfrage und wahrscheinlich wird dasselbe Er-
gebnis auch beim ÖAMTC herauskommen, kaum mit einer wesentlichen
Erleichterung bei Direktimporten zu rechnen ist. Sie werden zwar
noch alle die Unterlagen durcharbeiten, doch kann man jetzt schon
sagen, dass wirklich ein Strom von Direktimport-Autos sich nicht wird
nach Österreich ergiessen. Hobl wird uns offiziell als ARBÖ dies noch
mitteilen und wir müssen uns dann den Kopf zerbrechen, wie wir doch op-
tisch diese Aktion gut ausgestatten , obwohl der Effekt minimal
sein wird.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Bitte, wenn die wichtige Arbeit der Unterlagen-
erstellung für Kreisky zu Ende ist, dann doch mit dem ARBÖ einen dies-
bezüglichen Schlachtplan ausarbeiten.
Nachdem die Sitzung bereits geschlossen war, kam Kreisky von den Ver-
handlungen mit der ÖVP, d.h. dem Bundesobmann Schleinzer und der FPÖ
Peter in der Wehrdienstfrage zurück. und berichtete dem Klub. Drei
offene Punkte gibt es derzeit: 1. ist die Besoldungsfrage noch immer
ungeklärt. Derzeit könnten, wenn die Prämien für die verlängerten
ordentlichen Präsenzdiener VOPD tatsächlich mit 1.400 S pro Monat
für das er länger dient zur Auszahlung gelangt, mehr bekommen als
der zeitverpflichtete Soldat, der heute bis 9 Jahre beim Bundes-
heer sich verpflichtet hat. Allerdings ist bei dieser Berechnung,
wie mir Mondl nachher erklärte nicht berücksichtigt, die Abfertigung,
die z.B. nach 9 Jahren 10 Monatsgehälter beträgt. Der verlängerte
ordentliche Präsenzdiener soll ja an Stelle dieser Abfertigung eben
die 1.400 S Prämie pro Monat bekommen. Die längste Verpflichtungszeit
soll 3 Jahre sein. Kreisky hat nun den ÖVP-Leuten auseinandergesetzt,
dass insbesondere die Frage des Zulagensystems für den Truppendienst
geregelt gehört. Derzeit erhalten die Chargen Truppendienstzulagen,
obwohl viele davon den Truppendienst nicht durchführen, sondern in
Kanzleien, ja sogar im Ministerium selbst sitzen. Die zweite strittige
Frage war die 15.000-Mann-Bereitschaftstruppe. Kreisky geht zwar von
06-0795
einer falschen Berechnung aus, sagt aber, dass derzeit zwei
Monate als Ausbildung gerechnet werden und dann bereits Teile
der Präsenzdiener im Bereitschaftsdienst gerechnet werden. Da
rechnet er 20.000 Mann bereits jetzt Bereitschaftstruppe.
Dazu kommen noch 6.000 Mann Kaderpersonal und als Längerdienende
4.000 Mann, das sind nach dieser Berechnung eigentlich schon
30.000 Mann d.h. die doppelte Anzahl als die ÖVP verlangt vorhanden
sind. Diese Rechnung stimmt lt. Mondl auch nicht, denn derzeit
kann man nur mit 6.000 Mann Kaderpersonal rechnen, dazu kommt
allerdings noch von den Luftstreitkräften die insgesamt 4.000 Mann
umfassen, ca. 1.000 Mann als tatsächliche Bereitschaftstruppe.
Die zeitverpflichteten längerdienenden Soldaten machen ca. 1000 Mann
aus. Wenn man nun rechnet, dass von 12.000 Mann die 3-mal jährlich
einrücken, jetzt nach Erhebungen 40 % durchdienen wollen, d.h. ihre
Waffenübungen sofort ableisten wollen, so kann man mit 4.800 Mann
pro Einrückungstermin und damit eigentlich mit ca. 10.000 Mann fürs
ganze Jahr rechnen. Bekanntlich sollen ja 12.000 Mann 3-mal am
1. April, am 1. Juni und am 1.9. eingezogen werden. Durch länger-
dienende zeitverpflichtete Soldaten müssten deshalb ca. noch
4–5.000 versucht werden zu gewinnen. Die Absicht des Militärs ist
es nämlich, in die Bereitschaftstruppe auch von den Präsenzdienern
solche einzuziehen, die gleichzeitig sich eben auch Durchdienen
resp. auf Längerverpflichtung sich gemeldet haben. Die Waffenübungen
sind ein weiteres Problem, das offen ist, da Kreisky nur bereit ist
von den derzeit von der Regierung vorgeschlagenen 40 Tagen auf 50
Tage hinaufzugehen und keinesfalls die 60 Tage des ÖVP-Vorschlages
plus der 15 Tage strategische Reserve zu akzeptieren. Bezüglich des
Wehrersatzdienstes müsste laut ÖVP-Forderung unbedingt eine gesetz-
liche Regelung gleichzeitig getroffen werden, während Kreisky nur
zusicherte, man würde nach dem Bericht des Bundesjugendringes eine
gesetzliche Regelung aufbauen. Da alle diese Fragen noch offen sind,
konnte eine einvernehmliche Regelung nicht erzielt werden und es
wird deshalb – und Kreisky ist darüber nicht nur nicht unglück-
lich, sondern wünscht dies sogar – eine Kampfabstimmung im Parlament
über die Wehrdienstzeitverkürzung geben.
Ausgeklammert bleibt bei allen diesen Überlegungen, was die neue
Bundesheerregelung kosten wird. Derzeit haben wir theoretisch
Landwehrkräfte von 94.000 Mann Stärke und zwar sind dafür 120
Bataillone eingesetzt und eine Reservebrigade in der Steiermark
ist sogar gepanzert. Tatsächlich aber hat für den Mob-Fall dieses
Kraft überhaupt nicht die notwendigen Ausrüstungen. Nach den
06-0796
neuen Plänen sollte sogar diese Stärke von 94.000 auf 120.000
und im Endausbau sogar auf 150.000 erhöht werden. Derzeit kommen
nur ein verschwindender Bruchteil zu den Waffenübungen, da aber
weder das Gerät noch die Ausrüstung für die einzelnen abgerüsteten
Präsenzdiener vorhanden sind. Dadurch ergibt sich auch, dass oft
einzelne Präsenzdiener 3- und 4-mal Waffenübungen schon geleistet
haben, während eben über 80 % überhaupt niemals zu einer Waffen-
übung herangezogen wurden. Wenn man nun eine gleichmässige Ver-
teilung, die ja auch sozialen und Gerechtigkeitsgründen unbedingt
notwendig ist, anstrebt, dann müssen entsprechend mehr Geräte und
Waffen und Ausrüstungen gekauft werden und es würde dadurch ab dem
Jahre 1974 eine Mehraufwendungen im Budget von 1,8 Mia. S erforder-
lich sein. Hier sehe ich einen der grössten Streitpunkte in
Zukunft zwischen dem Finanzminister und dem Verteidigungsminister
wer immer es auch sein wird.
Bei dem Opernbesuch resp. dem anschliessenden Essen im Sacher
hatte ich Gelegenheit, mit Kirchschläger über die Integrationsfrage
zu reden. Kirchschläger erklärte mir, dass er den Angriff von
Karasek so versteht, dass er dazu von der ÖVP gezwungen wurde.
Karasek hätte ihm nämlich vor einiger Zeit erklärt, dass er
mit der Stellungnahme der Bundesregierung zur EG vollkommen überein
stimmt. Jetzt dagegen hat er umschwenken müssen und beginnt eine
Kritik aufzubauen. Kirchschläger freut sich schon auf die Sitzung
des Integrationsausschusses, weil er sich dort die Möglichkeit
verspricht, dass wir tatsächlich die ÖVP ganz fürchterlich blamieren
können.
Tagesprogramm, 29.6.1971
Tagesordnung 59. Ministerratssitzung, 29.6.1971