Montag, 21. Juni 1971
Der Textilverband mit Catharin und Kalice, dem Leiter der Arbeits-
gemeinschaft für Textilpflegekennzeichnung, wollte unbedingt ver-
hindern, dass wir eine Textilkennzeichnungspflegeverordnung erlassen.
Richtig ist, dass wir seinerzeit erklärt haben, wir würden im Einver-
nehmen mit den Arbeitsgruppen des Konsumentenbeirates vorgehen. Der-
zeit aber ist an eine weitere freiwillige Lösung nicht mehr zu denken.
Die Putzereien und insbesondere die Konsumentenvertreter erwarten nun
eine Entscheidung des Handelsministeriums. Die Arbeiterkammer hat er-
rechnet, dass jährlich 600 Mill. S an Textilien durch falsche Be-
handlung verlorengehen. Da die Arbeitsgemeinschaft und der Textilver-
band erwarten, dass wir in dieser Verordnung auch vorschreiben, wie
die Auszeichnung erfolgen soll, haben sie natürlich wesentlich grössere
Befürchtungen an einer negativen Wirkung dieser Pflicht gegenüber ihren
Mitgliedsfirmen. Wir versuchten darzulegen, dass wir nur beabsichtigen
eine Kennzeichnungspflicht einzuführen, aber keinen Einfluss nehmen
wollen, wie diese Kennzeichnung dann durchgeführt wird. Als ersten
Schritt konnten wir erreichen, dass die Arbeitsgemeinschaft, die
auf freiwilliger Basis der Firmen aufgebaut ist und auch internationale
Beziehungen unterhält, akzeptiert, dass wir einen solchen Verordnungs-
entwurf in die Begutachtung schicken.
Den Landesregierungsvertretern, es waren Landesräte, aber auch Beamte
der einzelnen Länder ausser Vorarlberg anwesend, den Industriellenver-
einigungsvertretern und Bundeskammervertretern sowie Arbeitsamtver-
tretern des Sozialministeriums verhandelte ich über Projekte der
Investorenwerbung, die wir dem Handelsminister der Vereinigten Staaten
übermitteln wollten. Bei dieser Gelegenheit konnte ich den einzelnen
Landesregierungsvertretern unsere Investitionspolitik auch gegenüber
Russland auseinandersetzen. Ich wies darauf hin, dass es notwendig er-
scheint, der SU ebenfalls ein Anbot auf eventuelle Investitionen in
Österreich zu machen und dass ich deshalb meinen ersten Aufenthalt
in Russland dazu benützt habe, Patolitschew dieses Anbot zu unterbreiten.
Damit soll im Hinblick auf die EWG-Verhandlungen die sowjetische Seite
dokumentiert werden, dass wir bereit sind nach Ost und West gleich-
mässig offen zu sein.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Vielleicht sollten wir diese Aussprache bei einer
Gelegenheit auch irgendwo öffentlich dokumentieren.
Die einzelnen Länder gehen nun bei der Gewinnung von Investoren
verschieden vor. Kärnten und z.B. Steiermark wollen zuerst potentielle
Investoren finden, die sie nachher durch Hinreise eines grösseren
Team bearbeiten, um sie in ihr Land zu bringen. Andere Bundesländer
wieder stehen auf dem Standpunkt, dass man in einer grösseren Anzahl
Investorenprojekte in den entsprechenden Ländern, die sich dafür inter-
essieren, Amerika, Deutschland eventuell auch die Schweiz, bekannt
macht.
Landesrat Schneider von NÖ erzählte, dass die Neusiedler Papier
ihre 6 Betriebsstätten konzentrieren will und deshalb das Werk Stup-
pach mit 300 Beschäftigten stillgelegt wird. Wenn sich unverzüglich
ein Unternehmer für dieses Werk interessiert, dann kann er auch noch auf
die 300 Beschäftigten rechnen, ansonsten würden sie sich verlaufen.
Ein weiterer Schwerpunkt in NÖ ist Ybbs, wo die Fa. Wüster mit 500
Beschäftigten wahrscheinlich demnächst ihre Produktion einstellen
wird. Entlang der Donau ergeben sich auch aus verkehrstechnischen
Gründen, sowohl in Hainburg, wo eine Kaserne zur Verfügung steht,
und in Krems Möglichkeiten von Industriesiedlungen. Das Industrie-
zentrum der Flugmotorenwerke in Mödling ist weitestgehend bereits
ausgebucht. Das Land besitzt aber in Wolkersdorf 10 ha, in Hollabrunn
10 ha und in Korneuburg 10 ha Industriegrund, den sie zur Verfügung
stellen könnten. Ebenso seien in Horn 20 ha, in Retz bis 8 ha und selbst
in Mistelbach grössere Industriegelände von Privaten möglich zu er-
werben.
Kärnten steht nur mit Spittal an der Drau ein einziger Industriestand-
ort mit 600 männlichen Beschäftigten zur Verfügung.
Im Burgenland, berichtete Landesrat Vogl, stellt das Land 50 ha an Indu-
striesiedlungen bereit.
Die anderen Länder hatten meistens nur eine, höchstens zwei Industrie-
gebiete, in denen sie interessiert wären, neue Betriebe zu bekommen.
Übereinstimmend wurde festgehalten, dass die Finanzierungspolitik
sowohl des ERP-Fonds, als auch der anderen Kreditinstitute und ins-
besondere des E+E-Fonds überhaupt nicht befriedigend arbeitet. Ich
verwies darauf, dass ich am nächsten Tag eine diesbezügliche Besprechung
mit all diesen Stellen durchführe und auch auf die Wünsche und An-
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regungen der Ländervertreter kommen werde. Der Hinweis des Industriellen-
verbandsvertreters, dass die Eigenkapitalbildung zu gering ist und
Fremdkapital immer stärker in die Betriebe einströmt, konnte ich
mit dem Vergleich Japan entkräften. Bei uns ist das Verhältnis Eigen-
kapital zu Fremdkapital 4:6, in Japan ist es nur 1:9, trotzdem
also 90 % in der japanischen Industrie Fremdkapital ist, wird dort
ein Wirtschaftswachstum und eine Industrieprogressivität verzeichnet
wie in der gesamten übrigen Welt nicht.
Min.Rat Hanisch beschwerte sich, dass wir seine Arbeitskraft nicht nützen
er schlug vor, man sollte ihm mehr Arbeitskräfte, d.h. Beamte zur Ver-
fügung stellen, damit er dann entsprechende Arbeit auf dem Gebiete des
Umweltschutzes und insbesondere auch der wirtschaftlichen Landesver-
teidigung leisten könnte. Sein Mitarbeiter in der Wirtschaftlichen
Landesverteidigung, Walz, hat eine ganz gute Studie über die Erdölver-
sorgung in Krisenfall ausgearbeitet. Er betrachtet diese Arbeit als
äusserst richtig und natürlich strengst vertraulich, ich habe ihm auch
in der Beziehung zugesagt, dass Walz für diese Tätigkeit besonders
danken werde. Tatsächlich geht es ihm aber darum, Mitarbeiter, die er
heute bereits hat, wie z.B. Engelmayer, der aus Hobby die Umweltfragen
bearbeitet, und der bei ihm wirklich fleissig mitarbeitet, als Referenten
zugeteilt zu bekommen. Hier gilt natürlich der gute alte bürokratische
Grundsatz: nicht wenn einer mitarbeitet ist es entscheidend, sondern ent-
scheidend ist, dass er in meiner Abteilung registriert ist, d.h. zuge-
teilt ist, nur dann kann ich ihm anschaffen und dann aber auch steigt mein
Prestige, weil ich so und so viele Mitarbeiter habe. Sicherlich beschwert
sich Hanisch mit Recht, dass die Sektion III, die Industriesektion, eigent-
lich nicht geführt wird, er selbst hat ja einmal vorgeschlagen, an Stelle
des Römer, der in die Sektion II von seinem Vorschlag hätte versetzt
werden sollen, dann er die Sektion II hätte als Sektionsleiter führen
können. Ich hoffe, dass im Laufe der Jahre doch die Sektionsführung der
Industriesektion sich mehr profiliert, damit dieses berechtigte Argument
von Hanisch nicht mehr zutrifft.
Der Geschäftsführer der TAL in Deutschland, Dr. Pansegrau, erklärte, dass
die TAL nur mehr bereits ist, der AWP, d.h. der ÖMV anzubieten, dass über
die 5 Mill. t hinausgehende Menge 1,50 $ je t gegenüber 80 Cent für
die Grundmenge kosten würde. Diese 1,50 $-Preis würde 63 % vom Ingol-
städter Tarif sein. Die TAL erwartet, dass bei einer optimalen Aus-
nutzung von 50 Mill. t Jahresdurchsatz – derzeit beträgt er 20 Mill. t –
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die Kosten wesentlich sinken würden und daher der Ingolstädter Tarif
ebenfalls reduziert wird. Ich wiederholte der TAL mein Angebot,
dass ich – wenn die TAL und die AWP es wünschten – bereit bin, hier
vermittelnd einzugreifen, um die nun seit zwei Jahren zurückreichende
Streitfrage zu lösen.
Die erste Vorbesprechung mit Min.Rat Metzner und Dr. Grubmann über
den Initiativantrag des Gelegenheitsverkehrsgesetzes von Mussil ergab,
dass auch Metzner nicht annimmt, dass wir imstande sind, in so kurzer
Zeit dieses schwierige, diffizile Problem zu lösen. Mein Ministerium
wird deshalb eine Gegenüberstellung des derzeitigen Textes mit dem
Initiativantrag ausarbeiten, damit wir die notwendigen Vorarbeiten
auch mit den Unterausschussmitgliedern des SPÖ-Klubs in Angriff
nehmen können. Heinz Fischer und ich vereinbarten, dass wir gegebenen-
falls, wenn Mussil auf alle Fälle auf einer Formulierung beharrt,
die z.B. bei der Regelung des Taxi-Gewerbes oder beider Einführung
der Tarifkommission zum Schaden der Konsumenten sich auswirken würde,
einen entsprechenden Einspruch des Bundesrates vorsehen. Damit
würde dieser Gesetzentwurf ins Nationalratsplenum zurückkommen und
kaum mehr heuer behandelt werden können.
In der Ministerratsvorbesprechung berichtete Kreisky, der verspätet
kam, dass er mit den Gewerkschaftsvertretern über die Personalvertre-
tungsgesetznovelle verhandeln musste. Die im Ministerrat das letzte
Mal herausgestrichenen Stellen werden nun doch wieder im Parlament
von der ÖVP urgiert werden und da die Gewerkschaft einstimmig be-
schlossen hat, auf ihren Forderungen zu beharren, wird es auch zu
ähnlichen Regelungen kommen wie die, die seinerzeit zwischen Gewerk-
schaft und Bundeskanzleramt vereinbart waren. Dadurch wird die Mini-
sterentscheidung doch weitgehend hinausgezögert. Eine Personalent-
scheidung hätte der begutachtenden Stelle, d.h. einer Kommission
vorgelegt werden müssen, wenn kein Einvernehmen zwischen dem Ressort-
minister und der Personalkommission zustandegekommen ist. Nun
wird diese begutachtende Stelle wieder eingeschaltet, aber einen
Termin von 4 Wochen bekommen. Der Minister wird zwar dann nicht an
den Spruch gebunden sein, doch wird de facto natürlich in der Mehr-
zahl der Fälle er sich ausschliesslich nach diesem Spruch richten.
Gratz will das Privatschulgesetz, das nun im Parteipräsidium und im Par-
teivorstand akzeptiert wurde, als Regierungsvorlage ins Haus bringen.
Trotzdem wird, da dieses Gesetz nicht bis Mitte Juli vorgelegen ist, es
nicht mehr in der Frühjahrssession behandelt. Kirchschläger wies aber
darauf hin, dass im Konkordat vereinbart wurde, dass die hundertprozen-
tige Anerkennung der Personalausgaben für die konfessionellen Schulen
mit September in Kraft treten müsste, da eine diesbezügliche Vereinba-
rung im Vertrag unterschrieben wurde.
Häuser hat von seinem Programm nur mehr das Arbeiterschutzgesetz,
das Betriebsrätegesetz und die Selbständigen Sozialversicherungsfrage
offen, die in einem Unterausschuss behandelt wird. Im Sozialaus-
schuss konnte er alle anderen Vorlagen über die Bühne bringen.
Frühbauer berichtete, dass die Privatbahnen bei ihm waren und gefordert
hatten, dass baldigst die Tarife für die ÖBB erhöht werden sollten, damit
auch sie nachziehen können, denn ihre finanzielle Situation wird vollkom-
men unerträglich. Ebenso berichtete er, dass der Verbundkonzern am
16.7. eine Elektrizitätstariferhöhung einbringen wird. Er hat dem
Verbundkonzern mitgeteilt, er könnte sie daran nicht hindern. Wir
haben aber beschlossen, dass wir diesen Preisantrag dilatorisch be-
handeln. In Graz gibt es derzeit 4 Versorgungsgesellschaften und deshalb
werden zwei verschiedene Tarife in Graz verrechnet. Der eine Tarif,
den die STEWEAG, STEG und Fa. Franz verrechnen, liegt um 10 % unter den
anderen Stromtarifen. Nun wünschen die Grazer, dass dieser Tarif nachge-
zogen wird, damit in Hinkunft einheitliche Elektrizitätspreise auch
in Graz gelten. Ich habe mit dem Bürgermeister von Graz, Dipl.Ing. Scher-
baum, vereinbart, dass wir in der jetzigen Phase eine Strompreiserhöhung
nicht akzeptieren können, dass wir aber bereit sind, bei der nächsten
Tarifregulierung diese zurückgebliebenen Tarifsätze nachzuziehen.
Ich erfuhr durch Zufall, dass die ÖVP an alle Bundesminister eine An-
frage gerichtet hat, um zu erfahren, welche Budgetansätze dem Finanz-
ministerium übermittelt wurden, resp. welche Dienstpostenanforderungen
an das BKA gestellt werden. Wir kamen überein, dass alle Minister
jetzt unverzüglich antworten, damit nicht in weitere Folge die tat-
sächlichen Budgetansätze, die ja jetzt noch nicht dem Finanzministerium
mitgeteilt wurden, genannt werden müssen. Gratz hat zumindestens diesen
Weg bereits gewählt.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, wir müssten Vorkehrung treffen, dass
wir unverzüglich von eminent politischen heissen Eisen als Ministerbüro
informiert werden, damit auch wir unsere Taktik festlegen können, wie
man auf solche Anfragen reagiert. Es wäre in diesem Fall wirklich nicht
zielführend gewesen, die Drei-Monats-frist bis zum letzten Tag abzuwar-
ten.
Betreffend der Dienstposten konnte Kreisky berichten, dass nach der
letzten Aufstellung er 2.121 einsparen kann. Das Unterrichtsministerium
aber hat eine Mehrerfordernis von 1.980 und das Wissenschaftsministerium
von 730 Dienstposten. Der Rechnungshof steht auf dem Standpunkt, dass
alle beabsichtigten Dienstposten bereits im Dienstpostenplan verzeichnet
sein müssen. Der Vorschlag von Kreisky, dass wir nur die Dienstposten
aufnehmen, die wir auch tatsächlich besetzen können, wird vom Rechnungs-
hof abgelehnt. Trotzdem meint Kreisky, wir werden an dieser Methode fest-
halten, denn wir werden gegebenen Fall dann in geeigneter Form dem
Nationalrat zur Kenntnis resp. Genehmigung etwaige weitergehende Wünsche
einer Dienstpostenvermehrung im laufenden Jahr zur Kenntnis bringen.
Gratz hat errechnet, dass er derzeit statt 50.000 nur 44.000 Dienst-
posten beanspruchen kann, für die Landeslehrer und damit in seinem
Budget 1,,118 Mio. S als Ersparnis ausweisen würde. Wenn er von der
Soll-Ziffer, nämlich 26 Schüler pro Lehrer ausgeht, müsste
er 50.000 haben. Er kann aber höchstens auf Grund der Lehrerbildungs-
anstalten-Entlassenen 44.000 bekommen. Als neuer Begriff wurde deshalb
neben der Soll-Ziffer und der Ist-Ziffer die sogenannte Kann-Ziffer
geboren.
Bezüglich der Samstagregelung für den Urlaubsanspruch wurde einvernehm-
lich festgelegt, dass die Ministerien, die die Samstag-Regelung bereits
durchgeführt haben, es sollen das das Finanzministerium, das Innenmini-
sterium, das Land- und Forstwirtschaftsministerium sein, es bei dieser
Regelung verbleiben sollte, die andren Ministerien aber sollen abwarten,
was die Aussprache zwischen Gewerkschaft und dem BKA ergibt.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Bitte endgültig jetzt klären, wie das bei uns
gehandhabt wird.
Kirchschläger berichtete, dass er mir der CSSR jetzt eine härtere
Sprache wird sprechen müssen. Die Tschechen haben die Vermögensver-
handlungen, die in Wien stattfinden sollten, auf unbestimmte Zeit
vertagt. Als Ausrede dient, dass in der Arbeiter-Zeitung Husak ein
Zick-Zack-Kurs vorgeworfen wurde. Kirchschläger will deshalb den
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Kulturverkehr, aber auch die Konsultationen mit der CSSR sehr ein-
schränken.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, darauf achten, dass wir dann auch in den
Handelsvertragsverhandlungen wahrscheinlich kaum weiter kommen werden.
Die DDR wünscht ein Einreisevisum für die Mitglieder des Volksstimme-
Festes im Prater. Da nun die DDR 60 Härtefälle von österr. Staatsbürgern,
die gleichzeitig allerdings aus dem Jahre 1939–1945 die deutsche Staats-
bürgerschaft geworben haben, nach Österreich auswandern dürfen, wird nun
ebenfalls Kirchschläger erklären, dass wir dann keine Visa für Ost-
deutsche ausstellen wollen. Ich bin neugierig, ob diese Retorsionsmass-
nahme einen Einfluss haben wird und die DDR bereit ist und entgegenzu-
kommen und ob bei einer Anzahl von österr. Staatsbürgern die Ausreise
aus Ostdeutschland erlauben werden.
Rösch teilte mit, dass die nö, Landesregierung eine Beschwerde über
die Nationalratswahlordnung bei Verfassungsgerichtshof einbringen
will. Vorarlberg und Tirol haben abgelehnt, da sie wissen, dass diese
Beschwerde fruchtlos sein wird.
Tagesprogramm, 21.6.1971