Samstag, der 19. Juni 1971

06-0737

Samstag, 19. Juni 1971

In der Fraktion des Arbeiterkammervorstandes musste ich fest-
stellen, dass die Genossen durch die verschiedensten Äusserungen
sehr desorientiert sind. Da Benya jetzt auf Herbstwahlen drängt
und Kreisky sich erst noch nicht endgültig in diesem Punkt ge-
äussert hat, erscheint den Genossen ein Zwiespalt zwischen den
beiden zu existieren. Das Hauptproblem liegt in meinen Augen
darin, dass man in der Taktik verschiedener Meinung sein kann,
aber immer dann denken muss, dass die mittleren, aber auch selbst
höhere Funktionäre grosse Schwierigkeit haben, sich selbst zu
orientieren. Gerade in der SPÖ ist man gewöhnt, dass eine ziemlich
klare und einheitliche Linie überall vertreten wird. Die gegne-
rischen Zeitungen und die Öffentlichkeit, die uns nicht wohlge-
sonnen ist, werden sich sicherlich auf den scheinbaren Gegensatz
stürzen.

Herr Kranister von der Schule ist gekommen und hat mir erzählt,
dass ihn viele Mitschüler angesprochen haben, dass ich bei Dalli
Dalli mitwirke. Er meint nun, ich müsste auf alle Fälle mittun,
denn sonst würde der Eindruck entstehen, ich sei feig gewesen und
hätte mich gedrückt. Wenn nun Parlament ist, kann ich ganz unmöglich
daran teilnehmen. Selbst wenn kein unmittelbarer Tagesordnungspunkt
behandelt wird, wo ich unbedingt anwesend sein müsste, muss ich
gewärtig sein, dass die ÖVP erklärt, ich würde dem Fernsehspiel
den Vorzug geben gegen meine parlamentarische Anwesenheitspflicht.
Ich glaube, das haben wir nicht bedacht und das Ergebnis wird auf
alle Fälle jetzt ein negatives sein.

06_0736_01

Tagesprogramm, 19.6.1971


Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
GND ID: 119083906


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    Tätigkeit: lt. JS "von der Schule"


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      Tätigkeit: Bundeskanzler
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