Donnerstag, 20. Mai 1971
Ich hatte es übernommen, für die Bundesregierung den Sonnen-
zug zu verabschieden. Der Sonnenzug ist eine Aktion, wo karitat-
ive Verbände aber auch die Arbeiterkammer und sonstige Inter-
essenvertretungen Spenden leisten, damit die körperbehinderten
einmal durch Österreich, die Schweiz und Jugoslawien fahren
können. Mein Büro teilte mir mit, dass um 9.45 Uhr ich die
Verabschiedung machen sollte. Zu meiner grössten Verwunderung
kam ich um 1/2 10 Uhr auf einen leeren Bahnhof. Die Fahrdienst-
leitung teilte mir mit, dass der Sonnenzug bereits um 7.30
abgefahren ist. Ich kann mir nicht erklären, wieso derartige Fehler
passieren können.
Eine Besprechung mit den Freunden aus der illegalen Zeit, die
heute alle bereits in meinem Alter oder älter sind und deren
Kinder heute schon 14–16 Jahre sind, bestätigte mir, dass
der Zusammengehörigkeitssinn noch immer existiert. Da mich
diese Genossinnen und Genossen seit Jahrzehnten kennen, bin
ich überzeugt, würden sie sich kein Blatt vor den Mund nehmen.
Aus der Diskussion konnte ich feststellen, dass man noch immer
sehr starkes Vertrauen zu unserem Führungsteam hat und dass man
hofft, dass alles gut gehen wird. Die einzelnen Berufsgruppen
haben natürlich Spezialprobleme. Z.B. ist die Frage des Polizei-
nachwuchses und des 24-Stunden-Dreier-Radls sehr kritisch disku-
tiert worden. Ich glaube, dass man hier im Einzelfall viel
mehr Kontakt mit den unteren Dienststellen haben müsste. Dies
gilt aber nicht nur für die Polizei sondern wahrscheinlich für
alle nachgeordneten Dienststellen in Bund, Land und Gemeinde.
Da ich ausser der Bergbehörde und der Kraftfahrzeugüberprüfung
keine nachgeordneten Dienststellen habe, müsste ich eigentlich
mich mit diesem Problem nicht auseinandersetzen. Ich bin aber
überzeugt, solange die unteren Zellen oder Gruppen unserer
Genossen in den nachgeordneten Dienststellen halten, solange
kann auch die Regierung entsprechend oben maniferieren .