Samstag, der 8. Mai 1971

05-0568

Samstag, 8. Mai 1971

Die Gesamtvorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter im Hueberhaus
dauerte so lange, dass ich nicht einmal an der Eröffnung des Bundes-
tages der sozialistischen Akademiker teilnehmen konnte. In Wirklichkeit
aber sind diese Gesamtvorstandssitzungen wenig ergiebig. Die Sekretärs-
besprechungen, die man tags zuvor machen muss, um einzelnen Probleme
mit den Sekretären zu besprechen, nehmen in Wirklichkeit alle Detail-
arbeiten bereits vorweg. Ich glaube auch gar nicht, dass sich die
einzelnen Vorstandsmitglieder dafür sehr interessieren würden. Die
Berichte einzelner Landessekretäre und mancher Gruppensekretäre sind
oft sehr ins Detail gehend, um ihre Tätigkeit zu beweisen. Einige haben
noch immer nicht bemerkt, dass es für mich nicht entscheidend ist,
wenn er einem Problem recht lange Zeit widmet, sondern wenn dieses Problem
gelöst ist, ganz kurz nur erwähnt und dann andere Fragen zur Diskussion
oder zum Bericht stellt. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen – obwohl
es ohne weiteres möglich ist – dass so geringe Aktivitäten von einzelnen
Kollegen in den Bundesländern nur entwickelt werden, dass sie mit nur
einem oder zwei Berichten, die recht lange ausfallen glauben, die Tätigkeit
dann entsprechend tarnen zu müssen. Andererseits möchte ich natürlich die
Kollegen nicht enttäuschen und ihnen womöglich das Wort abschneiden.
Ausser unseren Anträgen und die Delegierung zum Gewerkschaftskongress
im September wurden keine entscheidenden Beschlüsse gefasst. Da unsere
Gewerkschaftsarbeit sehr dezentralisiert durch die Gruppen durchgeführt
wird, brauchen wir auch nicht spektakuläre Beschlüsse oder gar Unter-
stützungen für einzelnen ins Stocken geratene Verhandlungen. Einige
Funktionäre wünschten, dass die Gesamtvorstandssitzung in Hinkunft
nicht mehr am Samstag oder Sonntag sondern auf einen Arbeitstag fallen
sollte. Ebenso soll in Hinkunft nur mehr einmal im Monat eine Zentral-
vorstandssitzung stattfinden. Anfänglich wehrte ich mich gegen diesen
Plan, doch letzten Endes gab ich nach, da ich deutlich sichtbar in
der Minderheit geblieben wäre. Sekretäre und Funktionäre wollen eben auch
die Fünftagewoche haben, so gut soll es mir einmal gehen.

Um 11 Uhr nachts rief mich Botschafter Leitner von Brüssel an und teilte
mir den letzten Stand der Verhandlungen mit. Details wusste er allerdings
selbst auch nicht, da die Verhandlungen strengst vertraulich und abge-
schirmt geführt wurden. Da ihm aber Schmitz anrief, um Details von ihm
zu wissen, fühlte er sich verpflichtet, auch mir diese mitzuteilen.
Auf alle Fälle ist es das erste Mal, dass Brüssel sich bei mir rührt.
Ich war angenehm überrascht.

Tätigkeit: öst. Botschafter EWG


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    Tätigkeit: Präs. OeNB


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