Freitag, der 9. April 1971

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Freitag, 9. April 1971

Gen.Direktor Werner von der ÖDK kam, um mich über den letzten
Stand der MALTA-Projektion zu informieren. Das Winterspeicherwerk
soll mit 1.12.1978 mit der ersten Maschine in Betrieb gehen
und 4,2 Milliarden Schilling kosten. In diesen Kosten ist aller-
dings die Gleitklausel, d.h. die Inflationierung nicht berück-
sichtigt. 1971 würde das Projekt 72 Mia. S verschlingen, die
aber leicht von der ÖDK aufgebracht werden können. Gen.Direktor
Hintermayer von der Verbund will aber nur dann die Produktion
mit Volldampf aufnehmen, wenn von Seiten der Regierung eine ent-
sprechende Finanzierungszusicherung gegeben wird. Werner dagegen
möchte auf alle Fälle, dass jetzt endlich der Bau beginnen kann.
Ich bin auch der Meinung, dass man schön langsam den Bau ernstlich
in Angriff nehmen sollte, da meiner Meinung nach eine solche
Erklärung ähnlich der des Kernkraftwerkes von der Bundesregierung
bei der budgetären Situation kaum zu erwarten ist. Das Werk
wird verhältnismässig äusserst günstig Spitzenstrom bereitstel-
len können, die Kosten werden sich nach der derzeitigen finan-
ziellen und betriebswirtschaftlichen Abrechnung auf 46 Groschen
pro kWh stellen, der Erlös wäre derzeit mindestens 53 Groschen
pro kWh, auch wenn es zu keiner Tariferhöhung kommen sollte.
Die Kapitalfinanzierung soll zu 25 % aus Eigenmittel und zu 75 %
Fremdmittel betragen. Werner teilt mir mit, dass Lanc ihm
gesagt hätte, die Zentralsparkasse wäre bereit, sich in einem
Konsortium an der Fremdfinanzierung mitzubeteiligen, ebenso
sollen von der BAWAG diesbezügliche Zusagen existieren.
Angeblich soll sich auch die KELAG im Prinzip bereits entschlossen
haben, am Malta-Projekt sich zu beteiligen. Laut Mitteilung
von Werner seien 30 % bereits fix in Aussicht genommen und
eine Möglichkeit diesen Anteil auf 50 % zu erhöhen, stehe
derzeit im Vorstand der Kelag zur Diskussion. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass die Kelag dieses Geld aufbringen kann, da sie
doch mit Inner- und Ausserfragant ihre eigene Speicherkapazität
ausbauen will. Den anfallenden Strom von Malta will sie in den
ersten Jahren der Verbund anbieten, wenn die Verbund bereit ist,
diesen Strom für sie zu verkaufen oder zu übernehmen, dann
stünde einer 50 %-igen Beteiligung an Malta durch die Kelag
angeblich nichts im Wege. Da dieses Projekt in einem der
schönsten landwirtschaftlichen Gegenden Österreichs liegt,


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wird auch bereits von der ÖDK die Fremdenverkehrsgesichtspunkte
weitestgehend berücksichtigt. Unter anderem sollen die Bau-
stelleneinrichtungen bereits von den Firmen in einem solchen
Zustand errichtet werden, dass sie nach Beendigung des Baues
als Fremdenverkehrseinrichtungen weiter verwendet werden können.
Die ÖDK hat aus den Erfahrungen, die sie mit Reisseck gemacht hat,
gelernt. Hier wurden die Bauhütten ursprünglich nur zu dem Zweck
errichtet um die Staudämme bauen zu können. Als dann die Bauarbeit
abgeschlossen war, ergab sich, dass für den Skisport und für die
Sommerattraktion als Kolbnitz in 2.300 m mit Hilfe der Schräg-
aufzüge und der Tunnelbahn fahren zu können, eine kleine Fremden-
verkehrseinnahme sich ergibt. Jetzt mussten die ganzen, ursprüng-
lich nur für kurze Zeit installierten Hütten erhalten werden
und in Wirklichkeit ergibt dies eine wesentliche Verteuerung.
Nun nützt die ÖDK gleich die Gelegenheit und versucht die auf-
laufenden Kosten für die zukünftigen Fremdenverkehrseinrichtungen
auf das Kraftwerksprojekt zu überwälzen. Dadurch wird ihre
nachfolgende Betriebsorganisation und Betriebsgesellschaft die
RKH mit weniger Kosten belastet. Ich persönlich glaube, dass das
Fremdenverkehrsprojekt Malta-Tal auf lange Sicht gesehen, wenn
die Tauernautobahn von Norden nach Süden fertig sein wird, den
deutschen Fremdenverkehrsstrom auch in seiner starkem Masse
in dieses wunderschöne Fremdenverkehrsgebiet führen wird.
Da die ÖDK eine winterfest Strasse bis zu der Sperre ins hintere
Malta-Tal errichten wird, können die Touristen ohne weiteres
sowohl zu Skiurlaubszwecken als auch im Sommer zu Besichtigungs-
zwecken auf einen der schönsten Punkte Österreichs gelangen.

In weiterer Sicht glaube ich sogar, dass die Hochgebirgsgletscher-
region für die Sommerskifahrten herangezogen wird werden. Ähnlich
wie in Kitzsteinhorn in Kaprun und jetzt beabsichtigt im Sonnblick-
gebiet von Bad Gastein wird Gletscher von Hochalmspitze von 3.360 m
ein herrliches Skigebiet abgeben.

Ein weiteres entscheidendes Problem für die ÖDK ist die Versorgung
von St. Andrä. Bisher wurde von Voitsberg über die Pack nach
St. Andrä geführt. Infolge der Wasserarmut musste der Lastver-
teiler auc St. Andrä I, ein sehr altes Dampfkraftwerk, einschalten.



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Der Kohlenverbrauch ist deshalb sehr gestiegen. Die Voitsberger
können die Mengen angeblich gar nicht liefern. Ich habe deshalb
bereits im Frühjahr zugestimmt, dass 10.000 t Kohle aus Jugos-
lawien importiert werden. Der Fachverband für Kohleerzeugung, Dr.
Denk hat dieser Einfuhr zugestimmt. Nun wünscht die ÖDK einen
Vertrag, der für das Jahr 1972 150.000 t, für das Jahr 1973 bis
1975 je 3000000 t und im Jahr 1976 200.000 t Kohle liefert.
Vom Aussenhandelsstandpunkt wäre eine solche Lieferung sehr ziel-
führend, da wir im Handelsvertrag mit Jugoslawien hoch aktiv sind.
Die Kohle stellt sich auf 80 S 10^6 und liegt noch immer günstiger
als die letzten Angebote der Ölpreise. Heizöl würde sich derzeit auf
95.- – 100.- 10^6 stellen. Mit dem Kohlenvertrag würde sich das
Handelsdefizit ca. um 6,5 Mill. $ in den fünf Jahren verringern.
Der Fachverband der Bergwerke fürchte ich wird aber Schwierigkeiten
machen, da er langfristigen Verträgen nicht die Zustimmung geben
will.

Im Zusammenhang mit dem Kohlenproblem ergibt sich jetzt auch die
konkrete Frage, wie wir mit Pölflingberger und Voitsberg weiter
fortfahren. Derzeit wird überhaupt nur von Fohnsdorf gesprochen,
obwohl Pölflingbergler genauso geschlossen werden muss. Veselsky
war bei einer Betriebsrätekonferenz in Fohnsdorf. Die Betriebsräte-
konferenz wurde von Kokail, dem BRO und Bürgermeister von Fohnsdorf
einberufen. AK-Präsident Schwarz hat sofort die Fahne aufgenommen
und sich an die Spitze dieser Aktion gestellt. Er war deshalb sehr
erschüttert, als er erfuhr, dass die Metallarbeitergewerkschaft
nicht daran denkt, an dieser Konferenz teilzunehmen. Verständlicher-
weise hat man in Wien andere Sorgen als derzeit den Bergleuten ir-
gendwelche grosse Versprechungen zu machen. Kreisky hat zwar ver-
sichert, dass Fohnsdorf für Österreich das Tennessee werden wird.
Ich glaube nur, dass es sich hier doch übernommen hat. Erstens
einmal sind nur 13.00 Beschäftigte, wovon der geringste Teil
überhaupt wahrscheinlich arbeitslos werden würde, wenn Fohnsdorf ge-
schlossen wird und zweitens wird es äusserst schwierig sein,
dort entsprechende Betriebe hinzubringen. Er wird zwar nach
Ostern, wenn der Kohlenabsatz und die Kohlenversorgung vorliegen
wird, eine Konferenz mit dem Landeshauptmannstellvertreter der
Steiermark und den Betriebsräten, der Gewerkschaft und die AK
einberufen. Ich bin neugierig, was bei dieser Besprechung heraus-
kommen wird. Auf alle Fälle glaube ich, müssen wir uns vorbereiten,
dass wenn der Tag X, d.h. die Stillegung kommt, wir jetzt bereits


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genau wissen, was vorher und nachher geschehen wird. Insbesondere
müsste Vorbereitungsarbeiten getroffen werden, wie die ÖDK nachher
ihr Kraftwerk Zeltweg mit Rohstoff versorgt. Derzeit hat die ÖDK
mit Fohnsdorf einen Liefervertrag bis 1980. In diesem Vertrag ist
sogar vorgesehen, dass – wenn Fohnsdorf nicht Kohle liefern kann und
sich die ÖDK auf anderen Brennstoff umstellt, sie 50 Mill. S
Schädigung von der Alpine, d.h. GKB bekommt. Fabricius hat mich
seinerzeit ersucht zu klären, ob die ÖDK auf die Vertragsbestim-
mung unter allen Umständen bestehen wird. Ich habe mit Werner unter
vier Augen über diesen Problem gesprochen, er hat mir zugesichert,
er würde sich dafür einsetzen, dass man auf diese Vertragsbestimmung
verzichten würde. Allerdings fürchtet er, dass der Rechnungshof
dann die ÖDK wegen Abgabe von 50 Mill. S hart angreifen wird. Ich
erklärte, dass wir in solchen Fällen einen entsprechenden Regierungs-
beschluss herbeiführen würden, dass die ÖDK gedeckt ist. Veselsky
meinte bei einer Diskussion, die wir am Abend führten, es genüge
vollkommen, wenn wir jetzt in Fohnsdorf erklären würden, was
wir alles unternehmen sollten, Grünwald dagegen meinte, dass das
alles nur Gewäsch wäre, wenn wir uns nicht entschliessen, einen
bestimmten Zeitpunkt der Schliessung zu fixieren. Ich muss sagen,
ich teile die Meinung von Grünwald. Wenn nämlich nicht von den
Arbeitern und Angestellten aber vor allem von der Direktion genau
erkannt wird, bis zu welchem Zeitpunkt noch abgebaut wird und wenn
jetzt nicht genau festgelegt, welche Ersatzarbeitsplätze geschaffen
werden, wenn weiters nicht genau festgelegt wird, wie jeder
einzelne Beschäftigte in Hinkunft seine Arbeit wird in diesen Raum
finden wird können, wird es immer nur ein leeres Gerede bleiben,
dass man zusperren muss ohne dass in Wirklichkeit konkret etwas
geschieht. Wenn der BOR Kokail jetzt von noch 25 Jahren abbaufähigen
Vorrat spricht, so weiss er ganz genau, dass dies unwirtschaftliche
kleine Adern sind, die nur mit höchsten Kosten noch Kohle bringen
würden. Sollte deshalb von der technischen Seite her einen Termin
in Aussicht nehmen, der wahrscheinlich im Jahre 1975 herum liegen
wird. Dann muss auch der ÖDK noch genau mitgeteilt werden, dass
ab diesem Zeitpunkt keine Kohle mehr geliefert wird, damit sie
sich an der Gasleitung, die die steirische Ferngas sowieso
dort legen will, bereits jetzt dimensionsmässig und absatzmässig be-
teiligt.



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Veselsky hat die Anwesenheit von Dr. Heinz Kienzl dazu benützt,
um sein ERP-Prgroamm für das nächste Jahr 1971/72 auszuarbeiten.
Die Regierung muss das Grundsatzprogramm und die Richtlinien noch
vor dem 30.6. beschliessen. Veselsky möchte nun, dass eine gewisse
modernere und nicht so konservative Verteilung der Gelder
erfolgt. Ich habe dafür vollstes Verständnis, glaube aber kaum, dass
es ihm möglich sein wird, eine wirkliche Änderung herbeizuführen.
Die einzelnen Sektoren sind seit Jahren, ja fast seit Jahrzehnten
bereits so festgefahren, dass eine Veränderung kaum möglich ist.
So erhält die Landwirtschaft noch immer 200 Mill. S und Veselsky
glaubt, dass Weihs 50 Mill. S dafür für den Fremdenverkehr bereit-
stellen wird. Ich gebe mich keiner Illusion hin, dass Weihs im sicher-
lich nur gesagt hat, er wird für die 200 Mill. S 50 Mill. S in
seiner Kommission dazu bestimmen, dass auch Fremdenverkehrsprojekte
damit verwirklicht werden können. Weihs wird wahrscheinlich der
Kommission den Auftrag geben, man soll Fremdenverkehrsgesichtspunkte
mehr berücksichtigen. Die Kommission wird deshalb 1 %-ige Kredite an
den Forst damit verbinden, dass sie erklärt, damit wird dem Fremden-
verkehr gedient. Mir will er für den Fremdenverkehrssektor, wo
wir bisher etwa 150 Mill. S bekommen haben, eine höhere Quote geben,
wenn der Finanzminister bereit ist, die Entwicklungshilfe, die
derzeit angeblich 88 Mill. S im Rahmen der 1,3 Milliarden ERP-
Mittel bekommt, aus dem Budget zu übernehmen. Ich glaube, da hat er
die Rechnung ohne Androsch gemacht.

Tätigkeit: GF Fachverband Bergwerke; evtl. Falschidentifikation


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    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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      Tätigkeit: Finanzminister
      GND ID: 118503049


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        Tätigkeit: AK-Präs. Stmk.


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          Tätigkeit: GD Alpine, GD-Stv. VÖEST, Bergrat


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            Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
            GND ID: 1053195672


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              GND ID: 12254711X


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                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                GND ID: 130620351


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                  Tätigkeit: ÖDK


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                      Tätigkeit: ehem. GD Verbund
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                        Tätigkeit: Bundeskanzler
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