Sonntag, der 4. April 1971

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Sonntag, 4. April 1971

Die Versammlungen am Vormittag, vor denen ich am Anfang
eigentlich von der Zweckmässigkeit gar nicht überzeugt war,
stellte sich dann als sehr zielführend heraus. Sowohl in
Arriach als auch in Einöde hatte ich in wirklich ganz abge-
legenen Dörfer volle Gasthäuser, das darauf zurückzuführen ist,
weil in diese Gegenden überhaupt sehr selten ein Politiker
hinkommt. Ausserdem waren dort die Ortsmächtigen der ÖVP
und da es sich um freiheitliche Gemeinden handelte, waren
auch sehr viele FPÖ-ler anwesend. Ich konnte daher mit Gegnern
diskutieren. Die Auseinandersetzungen, die ich ja suchte, waren
wie mir der Sekretär nachher sagte, für sie deshalb so wertvoll,
weil doch die FPÖ-ler wahrscheinlich für Jonas resp. für die
SPÖ gewonnen werden konnten. Die Nachmittagsversammlungen dagegen
waren fast wieder nur lauter Parteiveranstaltungen an stelle des
vorgesehenen Mittagessens in Villach mit dem Bürgermeister
Ing. Resch hatte ich aber die Gelegenheit benützt, um mich
bei der BBU – Bleiberger Bergwerksunion – sowohl den Bergbau
als auch in Arnoldstein nachher die Hütte genauer anzusehen.
Da ich von Wien aus nichts organisiert hatte, ich hab nur Samstag
Vormittag das Werk angerufen, dass ich wenigstens in den Be-
trieb hineingehen kann, konnte man auch keinen grossen Empfang
für mich veranstalten. Ich lege aber auf solche Empfänge
überhaupt keinen Wert und war deshalb sehr froh, dass ich in ganz
kleinem Kreis mit einem Genossen, der der Elektromeister des
Bergbaubetriebes ist, und dem Bürgermeister von Bleiberg zuerst
in der Direktion eine entsprechende Aufklärung über die Aufschlüs-
se und die neuen Felder bekommen konnte. Sie haben dort eine
phantastische Reliefkarte gehabt und man konnte sich wirklich
einen allgemeinen Einblick verschaffen. Anschliessend zeigte
man mir noch das Thermalbad, bei einem Wassereinbruch in einen
Stollen konnten sie ein Thermalquelle entdecken, haben diese
gefasst und damit ein Hallenbad ganz moderner Art mit Sauna und
allem Komfort errichtet. Damit hoffen sie auch im Sommer mehr
Fremde in die Gegend zu ziehen. Die Abbauarbeiten, wie sie jetzt
Jahrhunderte lang in Bleiberg durchgeführt werden, hinterlassen
natürlich riesige Schutthalden und dies bilden gerade keinen
idealen Fremdenverkehrsrahmen. Da sie derzeit aber die Halden


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nochmals nach Blei resp. Zink aufschliessen, derzeit ist das
technische Know-how so weit, dass man aus diesen Halden noch
rentabel Erz gewinnen kann, werden diese Halden nun zielführender-
weise, nachdem sie abgearbeitet sind, in das Bergwerks in aufgelassene
Stollen womöglich abgelagert. Ich interessierte mich auch für den neu-
aufgeschlossenen Schacht, die Schichtarbeit war allerdings am Sonntag
eingestellt. Wie wenig zielführend aber hier die einzelnen Interessen
zwischen Fremdenverkehr, Luftverschmutzung usw. abgestimmt sind,
konnte ich bei der Besichtigung des neuen Schachtes feststellen.
Der Schacht hat eine eigene Dieselanlage, die Tag und Nacht Gestank
und Lärm entwickelt, weil sich die BBU mit der KELAG nicht über den
Strompreis einigen konnte. Bei der Besichtigung der Ober-Tag-Ein-
richtungen vom Bergbau kam die Schichtablöse für den einzigen Pumpen-
wärter. Der Förderschachtmann musste, um den Pumpenwärter aus 600 m
Tiefe herauszuholen, die Anlagen in Betrieb nehmen. Entgegen allen
Vorschriften, der Bürgermeister ersuchte mich, ich sollte ja nichts
der Bergbehörde mitteilen, konnten wir deshalb noch die ganzen Gru-
beneinrichtungen auch besichtigen. Zum Unterschied von früher wird
jetzt in der neuen Schachtanlage unter Tags das Gestein aufgebrochen
und gleichzeitig auch zerkleinert, dann wird es automatisch gewogen
und in einen Förderkorb mit 6,5 t verfrachtet. Dieser wird dann voll-
kommen automatisch zur Frutationsanlage über Tag gebracht. Während
dieser ganzen Arbeiten ist der Förderschacht unbesetzt, nur wenn
Menschen transportiert werden, hat die Bergbehörde vorgeschrieben,
muss der Förderschacht auch noch durch einen Förderwächter besetzt
werden. Der Erztransport in der Grube selbst wird nicht mehr auf
Schienen bewerkstelligt, sondern mir kleinen Kipp-Autos. Ich habe von
den Grubeneinrichtungen von und von deren rationellerer Ausgestaltung
den besten Eindruck.

Anders sieht dies leider in Arnoldstein mit der Hütte aus. Dort sind
noch sehr alte Öfen in Gebrauch und es wird daher dringend Zeit, neue
Investitionen vorzunehmen. Schützelhofer, der sehr verärgert war,
dass man ihn erst so spät informiert hatte, dass ich sowohl den
Bergbau als auch die Hütte besichtigen wollte, kam um 1/3 2 Uhr
dann angerast, um mir zu erklären, warum er einen neuen Ofen jetzt
dringend aufstellen muss. Mit diesem neuen Wirbelofen kann er
die Produktion entsprechend aus- und einschalten, was bei den
derzeit vorhandenen uralten Öfen nicht der Fall ist. Diese müssen
kontinuierlich Jahr und Tag rennen. Schützelhofer sagt, erst jetzt,


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wo sie erstmalig in eine Gewinnzone kommen, können sie auch
in der Hütte Rationalisierungsinvestitionen tätigen. Bei der Be-
triebsbesichtigungen kamen wir auch zu Superphosphatwerk und
Schützelhofer klagte mir sein Leid. Die überschüssige Schwefel-
säure, die er auch der Produktion automatisch anfällt und die
er daher weiterverarbeiten muss, bedingt, dass er unbedingt die
Superphosphat-Erzeugung aufrechterhalten muss. Die Stickstoff-
werke aber haben in den letzten Jahren einen richtigen Produktions-
rückgang verzeichnen müssen und sind nicht bereit, ihm auf diesem
Produktionssektor entgegenzukommen. Da es sich um 2 verstaatlichte
Betriebe handelt, habe ich Ossi Grünwald die ganze Problematik erzählt
Er wird sich bemühen einen Lösungsvorschlag auszuarbeiten, resp.
von der Kantgasse ausarbeiten zu lassen.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Bitte, dieses Problem auch von unserem
sektoralen Industriereferat prüfen lassen.

Ich kann mir vorstellen, dass Gen.Direktor Buchner von den Stickstoff-
werken über diese Entwicklung nicht sehr erfreut ist. Wenn ich mit
ihm über die Acrylfaser weitere Verhandlungen führen werde, muss
ich auch dieses Problem zur Sprache bringen. Ich hoffe, dass ich
bis zu diesem Zeitpunkt schon die entsprechenden Elaborate ausge-
arbeitet vorfinden werde.

Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
GND ID: 1053195672


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    Tätigkeit: Bgm. Villach


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      Tätigkeit: Dir. BBU


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        Tätigkeit: Bundespräsident bis 1974


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          Tätigkeit: SChef HM
          GND ID: 12195126X


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            Tätigkeit: Chemie Linz


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