Mittwoch, 24. März 1971
Vortrag vor dem 4. europäischem Seminar für Tourismus.
Ein äußerst fachkundiges und deshalb schwieriges Pu-
blikum. Schmäh allein genügt in diesem Kreis nicht.
Die Stimmung im Auditorium zeigt größte Aufmerksam-
keit und Anerkennung. Bei dieser schwierigen Aufgabe
ein bemerkenswerter Erfolg.
In der Diskussion spricht Landesrat Leitner, der frei-
heitliche Landespolitiker und Verantwortliche für den
Fremdenverkehr, der sich äußerst anerkennend äußert,
jedoch einen Zahlenvergleich über die durchschnittlichen
Tagesausgaben ausländischer Touristen in Österreich und
in der Schweiz kritisiert. Diese Zahlen sind einer noch
nicht offiziellen Studie des IFES entnommen und beziehen
sich in beiden Ländern lediglich auf gewerbliche Gast-
gewerbebetriebe, nicht auf Privatzimmervermieter. Der
Einwand Landesrat Leitners gegen diese Statistik, daß sie
unzutreffend sei, weil in den österreichischen Zahlen
die Privatzimmervermieter enthalten seien, ist demnach
nicht stichhaltig. Dennoch scheinen diese Zahlen, wie
ein OECD–Experte auf Befragen erklärt, äußerst pro-
blematisch, doch Dr. Staribacher hilft sich durch eine
geschickte rhetorische Glanzleistung.
Der rührige Bürgermeister von Bad Gastein, Kerschbaumer,
möchte die Vorteile seines Großprojektes anschaulich
demonstrieren und setzte dazu einen Hubschrauber ein, der
an und für sich für Vermessungsarbeiten gemietet wird
und den Minister an Ort und Stelle bringt, sowie einen
Überblick aus 3000 m Seehöhe über das Gelände ermöglicht.
Die imposanteste und eindrucksvollste Form von Direkt-
werbung die wir bisher erlebten – ein wirklich unver-
geßliches Erlebnis.
Am Flughafen Zell / See wartete der Wagen auf den Hubschrauber.
Im Postamt Kitzbühel werden telefonisch MR Schleifer die Di-
rektiven für die Koksverhandlung erteilt. Es besteht die Gefahr,
daß sich einheitliche Kokspreisregelung nur in Wien zustande
kommt, in den Bundesländern aber die Durchrechnung nach der bis-
herigen Methode erfolgt. Dr. Staribacher gibt in dieser Ange-
legenheit Schleifer klare Direktiven. Mit LH. Sima wird eben-
falls vom Postamt aus die leidige Frage der Form der Verleihung
der Kärntner Kommerzialratstitel – hoffentlich endgültig –
geklärt.
Die Reise bringt einige Beweise für Staribachers Popularität.
Die Beamten im Postamt erkennen ihn sofort und beim Mittagessen
in Wörgl erkundigen sich einigemale Gäste, ob es denn wirklich
der Handelsminister sei, der hier plötzlich in ihrer Mitte auf-
getaucht ist.
Frühzeitiges Eintreffen in Innsbruck böte die Chance, der Berg-
hauptmannschaft einen unerwarteten Besuch abzustatten. Bei den
befragten Stellen, auch beim Amt der Landesregierung, will man
uns unbedingt zur Bergwacht schicken. Gleichzeitig mit der
richtigen Adresse entdecken wird, daß bis 15.00 Uhr Mittags-
pause ist. Eine weitere Aktion von Harun al Stari unterbleibt
deshalb.
Eine von der SPÖ veranstaltete Pressekonferenz verläuft äußerst
friedlich, vermutlich aber auch mit geringem Ergebnis. Der
einzige Journalist mit Niveau ist der Vertreter der Tiroler
Tageszeitung. Ein Interview des ORF wird von ambitionslosen
Reportern eher als journalistische Pflichtübung betrachtet.
Vollversammlung der Arbeiterkammer Tirol. Das vorbereitete
Fremdenverkehrsreferat – ohne die kritisierten Zahlen – findet
ungeteilt Zustimmung. Als Draufgabe folgt eine Kurzfassung des
Referates über Konjunkturlage sowie Lohn- und Preispolitik,
geschickt über das Fremdenverkehrsreferat eingebaut. Sogar der
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Sprecher ÖAAB findet keinen Grund zur Kritik am Referat oder
an der Präsentation der Regierungspolitik und betont wieder
einmal wie sachlich und objektiv Staribacher auch in seiner
früheren Funktion stets war.
Ein Besuch in der Landesstelle des Vereines für Konsumenten-
information wird für den kleinen Kreis der idealistischen Mit-
arbeiter dieser Institution zur Anerkennung und Würdigung ihrer
langjährigen Tätigkeit. Es ist immer wieder erstaunlich, wie-
viel ein paar rechte Worte am rechten Fleck für Menschen zu be-
deuten vermögen. Das Lied vom Bürgermeister Lueger, der einem
Bürger einmal die Hand gedrückt hat, gilt in seiner modernen
Abart für manche Menschen heute mehr denn je. Als Nebenprodukt
scheinen sich bei dieser Besprechung eine Reihe direkter, ver-
mutlich recht ergiebiger Arbeitskontakte ergeben zu haben.
Die Tiroler Handelskammer lud zum Nachtmahl. Mussils Bemühungen,
um Staribacher einen Sicherheitskordon zu ziehen, verlieren zu-
sehends an Wirksamkeit. Im konkreten Falle bemühte sich TIEBER
zunächst ein Gespräch mit jungen Unternehmern zustande zu
bringen. Dieses Projekt scheiterte jedoch offiziell an der
Verhinderung des Obmannes. Man offerierte lediglich ein Ge-
spräch mit 10 jungen Unternehmern. Als wir dies akzeptierten
hieß es plötzlich Landesrat Bassetti werde persönlich an dieser
Veranstaltung teilnehmen. Wer A sagt, muß auch B sagen. Zu-
letzt verwandelten sich die 10 jungen Unternehmer in die
Spitzenfunktionäre der Handelskammer. Das "Kontaktgift" be-
ginnt zu wirken. Wobei es keineswegs als störend empfunden
wurde, daß Staribacher abschließend erklärte, nun müsse er
zum Freien Wirtschaftsverband.
Die gleichzeitig stattfindende Veranstaltung des Freien Wirt-
schaftsverbandes war eine relativ bescheidene Versammlung,
die von den Tirolern jedoch als ihre machtvollste Zusammen-
kunft seit Jahren betrachtet wurde. Die Abwesenheit des
Ministers bot die Gelegenheit, an Hand von Episoden seinen
Arbeitsstil zu charakterisieren. Eine eingehende Fachdiskussion
konnte in der letzten Phase vom Minister selbst geführt werden.
Bemerkenswert ist der Einzelfall: Eine Berufung eines Be-
triebes und die Ablehnung des Rechtes auch Ansichtskarten
zu verkaufen, ist im Handelsministerium seit zwei Jahren
unerledigt.
Die Nächtigung erfolgt in Feldkirch, unmittelbar neben
einer dröhnenden Kirchturmuhr.