Samstag, der 9. Jänner 1971

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Samstag, 9. Jänner 1971

In der Fraktion des AK-Vorstandes berichtete Hrdlitschka über die
Prognose, die das Wirtschaftsforschungsinstitut für die Bundes-
regierung erstellt hat. Er hat allerdings entweder diese Prognose über-
haupt nicht gelesen oder wollte nur einleitend darauf hinweisen,
dass es eine solche gab und mich sofort ersucht, ich sollte daran
meine Mitteilungen resp. Berichte anschliessen. Ich konnte ausgehend
von dieser Prognose darauf hinweisen, dass und dies ist ja die Absicht
jeder Prognose, wir bemüht sein werden, die Entwicklung in Österreich
zu verbessern als diese mittelfristige vierjährige Prognose des
Wirtschaftsforschungsinstituts darstellt, die bekanntlicherweise im
Durchschnitt nur eine mittelfristige 4 %-ige Wachstumsrate vorsieht.
Die Prognosen hatten bis jetzt, so erklärte ich, der Bundesregierung
sehr geholfen. Die Preisprognosen von 4 % Verbraucherpreissteigerung
1970, die Nemschak noch im Feber unter Klaus abgegeben hat, kann jetzt
als unsere gute Propagandawaffe gebraucht werden. Bekanntlich hat
die Bundesregierung durch ihre preisdämpfenden Massnahmen, so kann man
es nämlich wirklich auch behaupten, die Preisprognose von 5 % auf 4,3 %
tatsächliche Verbraucherpreissteigerung herabgedrückt. Die Bundes-
republik Deutschland liegt infolge der preisdämpfenden Massnahmen
insbesondere der letzten Monate mit 3,8 % noch günstiger, Italien
und Frankreich allerdings haben 5,5 %. Österreich liegt also mit
seiner Preissteigerungsrate wirklich unter dem Drittel. Für das Jahr
1971 prognostiziert des Wirtschaftsforschungsinstitut wieder 5 %,
Nemschak erklärte sogar in den ersten Monaten würde es zu noch höheren
Preissteigerungsraten als im Vorjahr kommen, Koren spricht bereits
von 6 % und der Vertreter der Bundeskammer im Prognoseteam des Wirt-
schaftsforschungsinstituts hat sogar von 7 % gesprochen. Diese Ziffern
muss man meiner Meinung unverzüglichst jetzt ins Gespräch bringen,
aber immer gegenüberstellen die Tüchtigkeit der Regierung, der es
gelingt, die Prognoseziffern weit zu unterbieten, wie das auch 1970
der Fall gewesen ist. Er teilte mit, dass die Regierung die Paritäti-
sche Kommission ersucht hat, die Prognose, d.h. die mittelfristige
Wirtschaftsprognose von 4 Jahren zu überprüfen und dass anzunehmen
ist, dass sie dies auch tatsächlich machen werden, d.h. der Wirt-
schafts- und Sozialbeirat wird sich mit dieser Arbeit beschäftigen.
Weiters teilte er mit, dass die AK auch die Budgetprognose für das
Jahr 1972 revidieren wird und entsprechend bereits jetzt günstige
Ziffern zu erwarten sind als seinerzeit angenommen hatte.



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Benya meldete sich sofort zu Wort und erklärte, dass er
erwarte, dass die Arbeiterkammer aber auch das Institut mit seinen
Facts in der Öffentlichkeit vorsichtiger vorgehen wird als dies
bis jetzt der Fall gewesen ist. Er beschuldigte sowohl mich als
Obmann des journalistischen Beirates, der für die Facts verantwortlich
sei, aber vor allem auch die Arbeiterkammer, dass sie durch ihre Popu-
laritätssucht die Bestrebung hätte, immer wieder in die Bevölkerung
Unruhe hineinzutragen. Seiner Meinung nach sollte man mit
den Mitteilungen sehr sparsam sein und womöglich überhaupt keiner-
lei Aussendungen machen. Benya selbst ist bekanntlicherweise sehr
publicity-scheu, d.h. er möchte womöglich die Dinge alle über die
Bühne bringen, ohne dass viel in der Öffentlichkeit geredet wird,
Manchmal hat er sicher recht ,wenn er sich gegen eine frühzeitige
Publikation wehrt und ich selbst hatte ihm nur sofort erwidert,
dass ich im engsten Einvernehmen mit dem ÖGB, d.h. mit ihm persön-
lich vorgehen werde, wenn es sich um gravierende Mitteilungen
an die Öffentlichkeit handelt. Ich glaube, dass die beste Lösung
darin zu suchen ist, dass wir – wie wir beabsichtigen, Benya in den
journalistischen Beirat des öfteren zu Worte kommen lassen, damit
er das Gefühl kriegt, dass man mit Journalisten auch in grösserem
Kreis ganz offen sprechen kann, ohne dass die Welt gleich einstürzt
und es für das Image des Gewerkschaftsbundes und seines Präsidenten
von allergrösster Bedeutung ist, wenn er nicht als so abgeschlossen
und so zurückhaltend gegenüber der Presse amtiert. Seine Politik
wäre es, alle Preissteigerungen vom ersten Halbjahr 1971 auf das
zweite Halbjahr 1971 zu verschieben, damit wir eine ruhigere Ent-
wicklung bis zu den Bundespräsidentenwahlen, die er zwar nicht
expressis verbis genannt hat, haben könnten. Allerdings machte ich
ihn darauf aufmerksam, dass im ersten Halbjahr auf alle Fälle
einige Lebensmittelpreise auf Grund der Lohnbewegungen der Lebens-
mittelarbeiter aber auch der Forderungen der Bauern wie z.B.
die Milchpreise in Bewegung geraten werden. Bezüglich der Budget-
prognose konnte ich ihn insoferne mitteilen, dass selbst wenn
die Arbeiterkammer diese Arbeit jetzt in Angriff nimmt, frühestens
erst mit Mitte des Jahres mit konkreten Ziffern zu rechnen ist.

Mit Kottulinsky, dem neuen Geschäftsführer der Industriellenvereini-
gung hatte ich eine erste offizielle Besprechung. Ich versicherte
ihn, dass ich, da ich ihn ja jahrzehntelang kenne, und dass
sein integrerer Charakter sehr unbestritten ist, und er beson-


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ders einen wesentlich besseren Start bei allen Leuten hat, die
ich kenne. Er selbst meinte, dass die Industriellenvereinigung eine
unabhängigere Politik machen wird als die Handelskammer und er
sich daher bemüht, mit Sachdiskussionen die Interessen seiner
Industrie zu vertreten. Ich erklärte ihm, natürlich dass ich mit
Schoeller auch eine ähnliche Diskussion geführt hatte und die
Hauptschwierigkeit darin sehe, dass sie mit der Handelskammer doch
einen Ausgleich herbeiführen müssten, denn letzten Endes sei ja die
Handelskammer die mächtigere politische, aber auch wirtschaftlich mächtige
Körperschaft in einer stärkeren Position. Er meinte, dass er mit Klose
den besten Kontakt hätte, mit Mussil einen sehr sehr guten und mit
Sallinger halt einen guten, denn der hätte doch als Wirtschaftsbund-
obmann und Gewerbevertreter eine eigene Auffassung und sei sehr
angerührt, was die Fragen der Industriellenvereinigung und die
Handelskammer betreffen. Fachlich wollte er dann vor allem wissen,
wie die Organisation der Sektion III Industriepolitik gemacht werden
würde. Ich setzte ihm auseinander, dass ersten die neuen Branchen-
referenten sich einen Überblick verschaffen müssten, dass aber darüber
hinaus bereits durch die Dokumentation, durch die Kooperation, durch
die Managementschulung Ansätze einer über die Branchen hinausgehenden
Arbeit für die Industrie geleistet werden sollte. Die grundsätzliche
Industriepolitik, die er von mir verlangt, würde wahrscheinlich in
der Grundsatzabteilung gemacht werden, da erst Gröger sich schön lang-
sam an der Spitze dieser Branchengruppe in der Industriesektion als
der Mann qualifizieren müsste. Kottulinsky selbst würde nach wie
vor in der Grundsatzabteilung mitarbeiten und war, glaube ich, über
die Ausführungen sehr befriedigt. Er stellte dann nur fest, dass
z.B. oft in ERP-Fragen wie die letzten Anregungen von Kienzl, Wir-
landner
zur Endfinalisierung der Industrieinvestitionen die Handels-
kammervertreter überhaupt nicht beigezogen wurden, ich erklärte ihm,
dass dies auch in den vergangenen Jahren nicht der Fall gewesen ist,
dass aber durch die Konzentration aller Wirtschaftsagenden im Handels-
ministerium hier eine Verbesserung eintreten wird. Ausserdem würde
das Handelsministerium, d.h. diese Aufgabe obliegt ja insbesondere
Gehart von der Grundsatzabteilung, die notwendigen Kooperationsgespräche
mit den einzelnen Ministerien herstellen und führen. Als Beispiele,
wie wir in Zukunft vorgehen werden, wies ich auf die Management-
Ausbildungs-Konzentration im Handelsministerium hin, an der ja
Industriellenvertreter Dr. Leitner sehr wesentlich beteiligt ist.

Tätigkeit: Leiter Wirtsch.pol. Abt. HK


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    Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


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      Tätigkeit: MR HM


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          Tätigkeit: [unklar; 1972 Kassier der Arbeitsgemeinschaft für Managementausbildung bzw. AG Managementinstitute; vorerst nicht gefunden; ev. ident mit einem anderen Leitner]


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            Tätigkeit: GF IV
            GND ID: 142815691


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              GND ID: 118586963


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                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                  Tätigkeit: AK, ÖIAG
                  GND ID: 128336552


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                    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                    GND ID: 119083906


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                      Tätigkeit: BK 1966-70, ÖVP


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                        GND ID: 119100339


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                          GND ID: 13892421X


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                            Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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