Samstag, der 14. November 1970

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Bei der Fraktionssitzung der Arbeiterkammer hatte ich Gelegenheit
auf die zwei Punkte, nämlich
1) die preisdämpfenden Massnahmen und
2) die Erhöhung der Minralölsteuer zu referieren.
Benya meldete sich als erster sofort zum Wort und protestierte auf
das heftigste dagegen, dass man in der Öffentlichkeit jetzt von Seiten
der Arbeitnehmeroganisationen den Eindruck erweckt, dass durch diese
preisdämpfenden Massnahmen vielleicht die Lebenshaltungskosten wesent-
lich gesenkt werden könnten. Seiner Meinung nach müsste man hier äusserst
behutsam vorgehen, da die Lebensmitteln und die Agrarpreise ja kaum
gesenkt werden können und deshalb eine Entlastung auf den Lebenshaltungs-
kosten nur minimal zum tragen kommen wird. Hrdlitschka dagegen meinte,
dass man doch eine bessere Kontrolle einbauen sollte, um die Zollsen-
kungen dann auch auf die Letztverbraucher verfolgen zu können. Hedrich
wieder vertrat die Ansicht, dass man doch immer eine entsprechende
Zollsenkung von Seiten der Arbeiterkammern verlangt hat und er im
Zollausschuss ja immer wieder feststellen konnte, wie sehr gerade
Zöllner hier entsprechende Vorschläge unterbreitet hat. Millendorfer
sprach sich ganz gegen irgendwelche Einfuhren von Ziegeln oder sonstigem
Baumaterial aus den Oststaaten aus, weil er darin eine Konkurrenzierung
insbesondere der burgenländischen Ziegelfabriken erblickte. Ich kam
in meinem Schlusswort auf die Entwicklung dieser Diskussion zu sprechen
und stellte fest, dass hier eine einheitliche Linie nicht herauszufinden
war. Auf der einen Seite natürlich werden wir Zollmassnahmen setzen,
nicht wie die Handelskammer vorgeschlagen hat, eine 15%-ige generelle
sondern punktuelle Zollsenkungen, die natürlich auch gewissen Gewer-
kschaftsintereseen zuwiderlaufen können. Zweifelsohne war die Forderung
des Arbeiterkammertages und des Gewerkschaftsbundes zu umfangreich
und hat deshalb schockierend auf die Unternehmer gewirkt. Die Unter-
nehmerseite hätte aber in den vergangenen Monaten Gelegenheit gehabt,
mit mir ihre Postitionen im einzelnen durchzudiskutieren, die
Gnundsatzabteilung in meinem Ministerium hat sich redlich bemüht,
die zolldämpfenden Massnahmen im Einnernehmen zwischen den Interessens-
vertretungen zu erstellen. Leider hat die Handelskammer und die


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Industriellenvereinigung hier keine positive Mitarbeiter gezeigt und
deshalb muss jetzt unter Zeitdruck das Paket von der Arbeiterkammer
und vom Gewerkschaftsbund verhandelt werden. Für die Bundeskammer er-
gibt sich auf diesem Sektor genaue dieselbe Situation wie dies bei der
Novelle des Preisregelungs- und Preistreiberei- und Rohstofflenkungs-
und Lastverteilergesetz im vergangenen Sommer gewesen ist. Auch
dort hat die Bundeskammer zurückhaltenden Widerstand geleistet und muss
nun im Parlament dazu Stellung nehmen. Die günstige Situation für die
Bundeskammer in diesem Fall liegt nur darin, dass diese Gesetze mit
2/3-Mehrheit beschlossen werden können. Die Zoll- und Ausgleichsteuer-
senkungen aber können gegebenenfalls vom Finanzminister insbesondere
die Zollsenkungen § 6-ZG ohne Zustimmung der Bundeskammer erlassen
werden. Hier sind keinerlei gesetzliche Änderungen notwendig, sondern
dies kann im Verordnungswege der Finanzminister allein tun. Beim Weg-
gehen versuchte ich doch Benya davon zu überzeugen, dass die
Zusammenarbeit im Rahmen der Präsidentenkonferenz doch aufrecht erhalten
werden müsste. Benya ist über die Vorgangsweise Hrdlitschkas sehr empört
und sagt, er wird an keiner Präsidentenkonferenz mehr teilnehmen. Nach
seiner Auffassung war es bis jetzt noch niemals der Fall, dass aus einer
Präsidentenkonferenz heraus eine Mitteilung an die Presse ergangen ist;
als die Handelskammer das letzte Mal die Konjunkturpolitischen Massnahmen
die Tommy Lachs und insbesondere Zöllner und Reithofer ausgearbeitet
hatten, von der Handelskammer abgelehnt.wurden, ging diese Ablehnung
dann in die Presse. Aus diesem Grund hat Sallinger und Mussil mir schon
mitgeteilt, sie werden sich überlegen, an der Präsidentenkonferenz noch
weiter teilzunehmen und insbesondere fühlt sich Benya desavouiert und
will überhaupt an keiner Besprechung mehr teilnehmen. Ich versuchte,
Benya, umzustimmen, und glaube, wenn ich jetzt noch Sallinger und Mussil
für die weitere Zusammenarbeit in der Präsidentenkonferenz gewinnen kann,
dass eine Aussprache Benya-Sallinger vielleicht dieses Problem aus der
Welt schafft.

Ich hatte noch mit Kirchschläger Gelegenheit, über die gestrige Budget-
debatte im Finanzausschuss zu sprechen. Kirchschläger versteht die An-
griffstaktik der ÖVP in diesem Punkt überhaupt nicht. Er sagt, er glaubt,
dass hier von mir keinerlei Gesetze verletzt wurden, da ja er auch
auf dem Standpunkt steht, dass er sich nur im Namen der österr. Bundes-
regierung nach Brüssel begeben hat. Er wird aber nachdem er den
Sekt.Chef Loebenstein vom Verfassungsdienst sehr gut kennt, er dürfte
mit ihm befreundet sein, diesen um eine Stellungnahme fragen.



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Sollte diese positiv ausgehen, dann werde ich ganz offiziell kurz-
fristig von Loebenstein eine diesbezügliche offizielle Stellungnahme
anfordern. Auf alle Fälle bestätigte mit Kirchschläger, dass in der
vorhergehenden Bundesregierung die Minister aufeinander so happig
bezüglich eines Erfolges gewesen sind, dass sie womöglich zu dritt nach
Brüssel gewandert sind, auch wenn es dort gar nichts zu verhandeln ge-
geben hat. So hatten seinerzeit Vizekanzler Bock, Aussenminister Toncic
und Landwirtschaftsminister Schleinzer gemeinsam in Brüssel eine
Aussprache, wo nicht einmal ein einziger Minister von der EWG anwesend war.
Der damalige Generalsekretär Ray war nur ganz kurz anwesend und dafür
hat der Direktor Herbst mit den drei Ministern gesprochen. Dies war
eine ausgesprochene Schande für Österreich. Und nach Meinung Kirchschläger
ein absolut negativer Erfolg.



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        Tätigkeit: ehem. ÖVP-Vizekanzler, Präs. Donaueurop. Institut, AR-Vors. Leykam


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