Mittwoch, der 11. November 1970

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Gehart bemüht sich sehr intensiv eine Regelung betreffend die
Konzentration der Förderungsaktionen des Bundesministeriums und
insbesondere auch der Länder zu erreichen. Trotzdem geht diese
Arbeit nur sehr langsam vorwärts. Ich glaube, das Hauptproblem
liegt darin, dass wir auf diesem Sektor über die Zinsenzuschüsse
und Bürgschaften erstens ja nicht die Kompetenz haben und deshalb
wahrscheinlich unser Apparat im Haus kaum fähig ist und imstande,
eine wirkliche konstruktive Arbeit zu leisten. Zweitens wurde
auch innerhalb unserer Partei zu wenig Augenmerk zugewendet. Wir
haben in den vergangenen Jahren höchstens registriert, was auf
diesem Sektor geschehen ist, aber grundsätzlich keine eigene
Initiative entwickelt. Drittens ist, soweit diese Aktionen den Frem-
denverkehr betreffen, ein sehr starker Ländereinfluss zu bemerken.
Ich werde deshalb sehen, ob es überhaupt möglich sein wird, mit den
Finanzreferenten, die am 4. Dezember zusammentreten zu einem Arrange-
ment oder zu einer grundsätzlichen Übereinstimmung zu kommen. Bis
dorthin muss ich allerdings ein vollkommen ausgereiftes und womöglich
mit unseren Genossen abgestimmtes Konzept besitzen. Die Sitzung bei
mir mit den Genossen Abt, Millwisch, Lacina und Haiden haben mich
in dieser Auffassung nur bestärkt. Ich hatte das erste Mal auch
Sekt.Chef Habel zu dieser Besprechung zugezogen. Erklärt habe ich
ihm die Anwesenheit nur dieser Herren, dass ich sagte, die betreffen-
den Herren hätten zu dem Konzept, das Gehart ausgearbeitet hat, jetzt
einmal Stellung genommen. Ich habe ja über die Konzentrationen dieser
Aktionen auch bereits mit den Handelskammervertretern gesprochen, mit
Wirtschaftsbundleuten konnte ich deshalb noch nicht in Kontakt kommen,
weil ich mich leider bis jetzt vergeblich bemühe, mit diesen Kreisen
in ein engeres Naheverhältnis zu kommen. Sicherlich hat weder Sekt.Chef
Habel noch Sekt.Rat Marhold diese meine Auffassung akzeptiert, aber
immerhin es ist zumindestens eine glaubwürdige Ausrede. Ich weiss,
dass es unter den früheren Ministers gang und gäbe war, dass aus-
schliesslich parteipolitische Besprechungen stattgefunden haben. Ich
will aber zumindestens formell diesen Eindruck vermeiden.

In der Klubbesprechung wurde insbesondere der Vorschlag der Bundes-
regierung, den Familienlastenausgleich von 600 Mill. S für Schulbücher
und Fahrkostenvergütung zu belasten diskutiert. Mit die steirische


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Abgeordnete Hertha Winkler meinte, man hätte doch unbedingt
auch die Kindegärten und sonstigen sozialen Einrichtungen
berücksichtigen müssen. Alle anderen Diskussionsteilnehmer
waren der Meinung, dass dieser Entscheid einer der besten war,
der in den letzten Jahren von der Sozialistischen Partei ge-
troffen wurden. Ich hatte ja eigentlich nicht angenommen, dass
diese Lösung von Kreisky einen so starken positiven Widerhall
finden würde. Ich habe mich hier geirrt und bin sehr froh, dass
ich einmal wieder unrecht gehabt habe. Die Zeitungen haben die
Aktion ganz gross herausgebracht und Kohlmeier wird es sehr sehr
schwer haben, mit seiner Ablehnung all dieser Unterstützungen.
Allerdings wird man erst sehen, ob die Bevölkerung wirklich in
ihrer grossen Masse so positiv für diese Aktion votieren wird.
Wenn dies zutrifft, dann haben sich auch unsere Vertreter im
familienpolitischen Beirat, der sich ja im Prinzip nur für
eine Ehöhung der Kinderbeihilfen ausgesprochen hat, auch wesent-
lich getäuscht. Die Vorschläge von Winkler und einiger anderer
Frauen, nicht im Klub, aber ausserhalb dieser Organisation, hatten
deshalb leichter widerlegt werden können, weil sie wahrschein-
lich nur zu einem Streit geführt hätten, Wenn z.B. in einer Ge-
meinde ein Kindergarten errichtet wird, so hätten doch ganz
bestimmt, die umliegenden Gemeinden, die keinen bekommen, nur
geschimpft auf diesen einen errichteten Kindergarten in einer
bestimmten Gemeinde. Interssanterweise habe ich auch schon
von einigen Genossen gehört, dass diese Aktion – Schulfahrten
und Schulbücher frei - nur der Wiener Stadtverwaltung zugutekommt
und wahrscheinlich auch nur zugutekommen soll. Insbesondere
Ländervertreter meinen, dass dies nur zu einer Entlastung der
Wiener Budgets führen wird.

Bei der Fragestunde im Parlament entwickle ich jetzt überhaupt
eine neue Taktik. Da es sich bei den Anfragen in den wenigstens
Fällen um konkrete Daten handelt, kann ich ohne auch nur im
entferntesten auf Unterlagen zurückgreifen zu müssen, ganz
freimütig auf die Frage, die fast einer zwanglosen Diskussion
mit dem Anfrager gleicht, antworten. Dies hat glaube ich folgenden
Vorteil: erstens kann ich mich verhältnismässig sehr kurz fassen
was im Interesse aller liegt, denn letzten Endes sollen ja mehr
Fragen pro Fragestunde beantwortet werden als derzeit. Wir kommen
im Durchschnitt maximal auf 12 – 18 Fragen. Und zweitens gibt


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es dem Anfrager die Möglichkeit mit Waffengleichheit zu ant-
worten. Da er ja kaum über Informationen verfügt, mein Angebot
an die Klubs, sie sollten sich diesbezüglich an mich wenden,
wurde ja noch nicht in der Praxis durchgeführt, halten sich seine
Zusatzfragen auch auf einem allgemein verständlichen aber
natürlich nur an der Oberfläche befindlichen Niveau. Ich glaube
daher, dass dieses Anfragebeantwortungssystem auch bei den Abge-
ordneten der ÖVP auf positives Echo stossen wird. Ich nehme daher
an, dass durch diese Methoden ein weiteres gutes Einvernehmen und
gutes Klima zwischen den Oppositionsabgeordneten und mir weiterhin
bestehen bleibe wird, vielleicht sogar noch ausgebaut werden kann.

Bei der österr.-schwedischen Handelskammer, wo ich leider zur General
versammlung leider sehr spät infolge des Parlaments nur kommen
konnte, hatte ich aber doch Gelegenheiten, einige gute Gags anzu-
bringen. Insbesondere aber wies ich darauf hin, dass ich auf eine
Zusammenarbeit mit allen Handelskammern, natürlich ganz besonders
mit der österreichischen, aber auch mit den internationalen Handels-
kammern grössten Wert legen. Koppe fand die Art meiner Darstellung
so gut, dass er meinte, ich benötige überhaupt keinerlei Unterlage.
Dieser Meinung bin ich nicht. In Wirklichkeit müsste ich versuchen,
so wie dies z.B. bei dem Produktivitätskongress der Fall war, wirk-
lich tiefschürfende Details zu bekommen, die ich dann in meiner
launigen Art sicher in die Rede einflechten kann.Um es ganz brutal
auszudrücken: denken müssen schon die anderen, ich selbst kann
höchstens diese Gedanken dann zweckentsprechend und launig prä-
sentieren. Natürlich ist dies ein Plagiat, denn da ich frei spreche
erscheint es dann so, als ob diese Gedanken von mir stammen würden.

Dipl.Ing. Millendorfer, der ehemalige Leiter der Prognosegruppe
für mittelfristige Prognose ist wieder in Wien. Er arbeitet der-
zeit an einem ökonometrischen Modell für die Entwicklungsländer.
Er hofft, dass die Arbeiterkammer ihn in dieser Frage durch eine
lebende Subvention, d.h. Abstellen des Dkfm. Strache unterstützen
würde. Ich sagte ihm, dass ich auf die Arbeiterkammer in dieser
Beziehung keinen Einfluss mehr habe und er müsste sich mit den
Herrn dort ins Einvernehmen setzen.



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Generaldirektor Rabus kam mit Diplkfm. Dr. Rössler von Steyr-
Daimler Puch, um einen Kooperationsvertrag in Vorschlag zu
unterbreiten. Sie wollen mit den Ungarn ein 8-Zylinder-Motor
joint adventure beginnen. Da die ungarischen Besprechungen be-
vorstehen, war dies die erste Firma, die sich an mich wendete.
Ich fürchte, es wird die einzige bleiben. Ich hatte immer geglaubt,
dass vor solchen Besprechungen die Firmen oder Handelskammerwünsche
an den Handelsminister herantragen. Leider bin ich in dieser Frage
sehr enttäuscht worden. Auch bei den Russland-Verhandlungen haben
sich insgesamt nur drei Firmen gemeldet gehabt. Vielleicht sollte
man hier als Service für die Wirtschaft auf die Möglichkeiten im
Rundfunk hinweisen. Eine offizielle Aussendung oder Erklärung
kann ich ja kaum abgeben, weil es würde ja blamabel sein für den
schlechten Kontakt, der zwischen dem Ministerium und der Wirtschaft
in Wirklichkeit herrscht. Anschliessend an diese Unterredung er-
suchte ich Direktor Rabus er sollte mit seinem Fachverband un-
verzüglichst trachten, Vorschläge über die Entlüftungmöglichkeiten
vom Auspuff vorzulegen. Ich verwies ihn auf die Fragestunde, wo König,
der sich – wie ich mich ausdrückte – vielleicht bei den Lebens-
mitteln auskennt, aber sicherlich nicht bei der KFZ-Technik, eine
Forderung gestellt hatte, die die KFZ-Industrie schwer treffen könn-
te. Rabus versprach mir, noch im Laufe dieses Jahres entsprechende
Vorschläge vorzulegen.

Komm.Rat Hermann, Vertreter der Filmtheater kam, um mir mitzuteilen,
dass die Filmtheater gegen eine Abgabe, wie wie scheinbar von der Film
industrie verlangt wird, ganz entschieden protestieren. Ich habe der
Filmindustrie die bekanntlicherweise höhere Subventionen im Budget
wünschte, vorgeschlagen, sie sollten ein Expose mir vorlegen, wie
sie sich die Förderung ihrer Branche vorstellen könnte. Dies dürfte
innerhalb der Bundeskammer zu einer heftige Diskussion und Auseinan-
dersetzung geführt haben, weil die Filmindustrie in Wirklichkeit
nur auf ihr ursprüngliches Konzept wieder zurückverfallen ist,
nämlich durch eine Umlage oder einen Beitrag von seiten der Film-
theater die finanziellen Grundlagen für eine Filmförderung zu
schaffen. In der BRD wird für jede Eintrittskarte 10 Pfennig pro
Besucher verlangt, eine ähnliche Regelung schwebt scheinbar auch
der österreichischen Filmindustrie vor. Da die Bundeskammer eine
solche Regelung aber bereits seinerzeit 1967 abgelehnt hat, damals
aber auch gleichzeitig mitgeteilt hat, dass keine staatlichen Mittel


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dafür aufgebracht werden könne, kann ich – wenn es dann zu solchen
Vorschlägen jetzt kommen sollte – auf die seinerzeitige Stellung-
nahme der Bundeskammer verweisen.

Dr. Winkler, der wegen eines Zollsenkungsantrages der AK für Fisch-
konserven kam, benützte die Gelegenheit aber auch, um als Obmann
des Vereines zum Schutze des altösterreichischen Vermögens in der
CSSR seine Idee darzulegen. . Ihm schwebt vor, dass gegegebenenfalls,
wenn die Tschechen weiterhin in der Vermögensfrage sich so hartnäckig
zeigen,dass wir auf handelspolitischem Gebiet Repressalien ergreifen.
Ich sagte ihm sofort, mein Amtsvorgänger hat dies auch getan, wie er
mir mitteilte, dass eine solche Vorgangsweise ganz unmöglich sei.

Staatssekretär Weikhart hatte erfahren, dass Habel im Dezember in
Pension geht. Er versuchte deshalb mir einzureden, dass der beste
Mann sein ehemaliger Sekretär Min.Rat Fucik sei, der in den letzten
vier Jahren im Innenministerium ein kärgliches Dasein geführt hat.
Allen Genossen, denen dieser Plan zu Ohren gekommen ist, haben sich
nur entsetzt gefragt, was Weikhart veranlassen könnte, mir einen
solchen Vorschlag zu machen. Fucik ist nach Angaben all dieser
Leute ein guter Genosse, aber vollkommen ausserstande, eine solche
Funktion zu übernehmen. Für mich zeigt dieser Vorschlag, dass man
sich erstens auf Empfehlungen der Genossen nur sehr bedingt verlassen
kann und dass es sich zweitens hier um eine Wiedergutmachungen handelt,
die Weikhart seinem ehemaligen Sekretär jetzt anbieten möchte. Ich
werde mich – so wie ich das ja auch in der Vergangenheit getan habe,
bei Personalentscheidungen ausschliesslich nach sachlichen Gesichts-
punkten leiten lassen und mich vor allem niemals auf Empfehlungen
der Genossen verlassen.

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Tagesprogramm, 11.11.1970




Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Vizepräs. nö. HK, Präs. FWV


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖGB


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Fachverband der Lichtspieltheater


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 13847284X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Landesparteisekretär SPÖ NÖ


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM
                      GND ID: 1035518031


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Generaldir. Österr. Verkehrsbüro [?]


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg. bis 1973
                            GND ID: 117404101


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                              Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., ÖVP-GS


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                                Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


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