Dienstag, der 27. Oktober 1970

03-0701

Bei der Ministerratsvorbesprechung hat Weihs versucht, den Nachweis
zu erbringen, dass er derzeit den Milchkrisengroschen von 19 auf 10
Groschen ab 1.11. senken kann. Lehner von der Präsidentenkonferenz
verlangte die Rückführung auf 7 Groschen mit 1.9. Nach den Berechnun-
gen von Weihs hat er derzeit einen Überschuss von 44 Mill. S, die But-
terstützung erfordert derzeit nicht 24.- S sondern 16.- bis 18.-- S
in der Prognose für das nächste Jahr hat er 18.- S aber doch einge-
stellt. Für Emmentaler-Stützung braucht er derzeit 4.- S gegenüber
5.- wies dies in der Prognose zugrunde gelegt wurde. Für Milchpulver
für das er derzeit 6.80 bis 6.90 bezahlt hat er in der Prognose für
das nächste Jahr 7.70 veranlagt. Nach seiner Meinung wird wahrschein-
lich im nächsten Jahr nicht die Milchanlieferung 2 % gegenüber 1970
steigen, sondern wird eher gleichbleiben der Milchanlieferung von 1970.
Dies würde bedeuten, dass er mit den Budgetansätzen leicht das Auslangen
finden kann. Seine Überlegung, basiert auf der Tatsache, dass derzeit
neuerlich 15.000 Stück Milchkühe weniger sind, was einer 30.000 t
Jahresliefermenge geringerer Anlieferung bedeutet. Wir kamen überein,
dass der Landwirtschaftsminister selbst im Ministerrat einen mündlichen
Bericht geben sollte. Sowohl Androsch als auch ich wiesen darauf hin,
dass wir in dieser Frage sehr flexibel bleiben müssten, denn es kann
sich ohne weiteres herausstellen, dass im nächsten Jahr die Entwicklung
zur Milchproduktion wieder sehr steigend und wir dann neuerdings eine
entsprechende Erhöhung des Krisengroschen vornehmen müssten. Gleich-
zeitig nahm Weihs in Aussicht, den Hartkäsereizuschlag um 12 Groschen
zu erhöhen, dadurch soll aber keinerlei Belastung des Verbrauchers
verbunden sein. d.h. die Emmentalerpreiserhöhung von 2.- wird zurück-
gestellt. Der Ministerrat konnte nur verspätet beginnen, da die Fuhr-
werker eine Demonstration am Ballhausplatz durchführten. Die Sprecher
dieser Demonstration, darunter war auch Dr. Römer, mit dem ich in der
Milchwirtschaft eine Zeit lang zusammengearbeitet hatte, der scheinbar
jetzt einer der grössten Sprecher der Fuhrwerksdemonstranten wird.
Sein Vater, der ÖVP-Bundesrat, hat scheinbar heute im Wirtschaftsbund
politisch ausgespielt und deshalb versucht der Sohn, diese Position
zu erringen.
Die Tagesordnung war verhältnismässig sehr bald erledigt, da sowohl
Kreisky als auch ich die betriebswirtschaftliche Woche eröffnen sollten
und Androsch und Häuser im Parlament Finanz- und Sozialausschuss hatten.

Broda ersuchte mich. dass er die Rückstellung der Novelle zum Unlauteren-
Wettbewerbsgesetz beantragen würde, ich erwiderte sofort, dass lieber


03-0702
ich den Antrag stellen würde, diese Novelle zurückzustellen, weil
er noch Gelegenheit haben will, mit Schönherr dieses Problem zu be-
sprechen, der ihn nämlich um eine Aussprache ersucht hatte. Ich
glaube nur, es ist zweckmässiger, wenn jeder Minister selbst zu er-
kennen gibt, dass er bereit ist, diese Rückstellung zu veranlassen,
an Stelle dass ein anderer Minister durch Einspruch eines Rückstellung
erzwingt.

Bei meiner Begrüssungsansprache bei der Betriebswirtschaftlichen Woche
nützte ich die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass ich den Ehren-
schutz über diese Organisation sehr genau nehme. Durch ihre Wünsche, die
ich bei Vorstandssitzungen kennenlernte, habe ich mich veranlasst gesehen,
mit der Handelskammer Besprechungen aufzunehmen, damit eine Abgrenzung des
Arbeitsbereiches zwischen Wirtschaftstreuhändern und Organisationen, die die
Kleinbetriebe beraten und Buchhaltungen für sie führen, vorgenommen wird.
Ich habe also – wie ich mich ausdrückte – ein Streitproblem aus der Welt
geschafft. Beim nachmittägigen Vortrag von Benya kam deshalb Dr. Witek
von der Handelskammer und meinte, aus der Welt geschafft sei dieses Problem
noch nicht, aber die Verhandlungen werden geführt und er glaubt auch,
dass es zu einem positiven Abschluss kommen wird. Ausserdem stellte ich
bei dieser Eröffnung fest, dass das Bundesministerium in der Industrie-
politik nach der Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirates vorgehen wird
und jedwede Gerüchte über dirigistische Massnahmen, die jetzt in Angriff
genommen werden, jeder Grundlage entbehren, auch dann, wenn die Salzburger
Nachrichten einen diesbezüglichen Artikel verfasst habe. Diese Bemerkung
war äusserst wertvoll, denn Taus, der das Hauptreferat über die Finanzierung
über die Industrieinvestitionen hielt, schlug in dieselbe Kerbe. Anspie-
lend an den Wunsch von Androsch, gegebenenfalls der Investitionskredit AG
3oo Mill. S über die Nationalbank finanzieren zu lassen, ohne dass er
natürlich dieses Projekt erwähnte, wies Taus darauf hin, dass solche Ent-
scheidungen von eminenter wirtschaftspolitischer Bedeutung sind. Es gibt
nach Meinung Taus's keine wertfreie Finanzierung der Industrieinvestitionen
sondern hier handelt es sich um gesellschaftspolitische Konsequenzen. Ich
hatte nach dem Vortrag von Taus mit ihm eine längere Aussprache, wobei ich
ihm vorwarf, dass mit den 300 Mill. S doch nur eine Endfinanzierung der
begonnenen Industrieinvestitionen durchgeführt werden sollte. Da der ERP-
-Fonds die notwendigen Mittel, die dafür notwendig sind, nicht aufbringen
kann, muss über diesen Weg versucht werden, die Endfinanzierung sicherzu-
stellen. Taus hatte gegen die Endfinanzierung auch gar nichts einzuwenden,
er ist nur absolut dagegen, dass die Investitionskredit AG allein diesen


03-0703
Betrag zur Verfügung bekommt. Seiner Meinung nach müssten auch die
fünf potentiellen Investitionsbanken mit dieser Möglichkeit ausge-
stattet werden. Ich versprach ihm , mit Androsch über dieses Problem
noch einmal zu sprechen und womöglich einen Besprechungstermin zwischen
ihm und Taus vereinbaren. Ich akzeptierte allerdings nicht seine Be-
gründung, in Wirklichkeit geht es in meinen Augen ja doch um das zusätz-
liche Geschäft, sondern erklärte sofort, dass zu den Massnahmen, die wir
jetzt einleiten wollen, die Investitionskredit AG ja auch gegründet wurde.
Taus erklärte mir rundweg heraus, dass er ja seinerzeit schwer gegen die
Investitionskredit AG aufgetreten sei, man hätte ihm allerdings dann zu
verstehen gegeben, dass er zu schweigen hätte, denn es waren nach Auf-
fassung der damaligen politisch Verantwortlichen der ÖVP nur auch Geschäfts
gründe, Konkurrenzgründe, die ihn zu dieser Stellungnahme veranlasst hätte.

Der Verein für Gemeinwirtschaft hat zu einem Vortrag in die Arbeiterkammer
Wien eingeladen. Benya sprach über die betriebliche und überbetriebliche
Mitbestimmung. Der Saal war pummvoll und es mussten sogar einige noch
draussen stehen. Man sieht, dass heisse Themen, die von bedeutenden Män-
nern angeschnitten werden, noch immer imstande sind, die Manager und
Gegner, aber auch die eigenen Funktionäre zu mobilisieren. Von der
Regierung war Broda und in Vertretung von Kreisky Veselsky und auch ich
erschienen. Die betriebliche Mitbestimmungsforderung definierte Benya,
dass es da zwei Unterschiede geben müsste. Routineentscheidungen sollten
durch Richtlinien, die zwischen dem Betriebsrat und der Unternehmensleitung
vereinbart sind, vorweggenommen werden und nicht mehr in Einzeldiskussionen
durchgeführt werden. Nur grundsätzliche Entscheidung wie z.B. Verlegung von
Arbeitsstätten oder die Schliessung von Betriebsstätten sollte jeweils
mit dem Betriebsrat im einzelnen verhandelt werden. Derzeit beabsichtigt
der ÖGB nichts anderes als den § 14 BRG, der ein gewisses Mitwirken und
Mitbestimmen der Betriebsräte vorsieht, von einer Kann-Bestimmung in eine
Muss-Bestimmung umzuwandeln. Demnach sollten die Unternehmungen verpflich-
tet werden, über die Wirtschaftslage, über den Umsatz, über die Produk-
tion, über die Betriebsführung usw. allmonatliche Besprechungen abzuhalten
Über die überbetriebliche Mitbestimmüng gab Benya eine lückenlose Dar-
stellung, wie es zu dieser insbesondere in der Zweiten Republik gekommen
ist und bestätigte, dass der jetzige Zustand zwar nicht endgültig sei
aber doch im Prinzip befriedigend.



03-0704

Nach dem Referat kamen die Direktoren der BBU und der Mitterberger
zu mir und wollten jeder einen grösseren Anteil über die Bergbau-
förderung erhalten. Da diese beiden Betriebe aber sich im Prinzip
über die zur Verfügung stehenden Mittel einigen müssten oder ich eine
Entscheidung treffen, hatte ich ihnen folgendes vorgeschlagen:
Sie sollten – wenn es ihnen möglich ist – einen gemeinsamen akkordier-
ten Vorschlag mit unterbreiten und ich würde den – wenn er wirklich
sinnvoll ist – sofort akzeptieren. Sicher ist eines, dass ein solcher
Vorschlag kaum zustandekommen wird. Andererseits aber bin ich der
Meinung, dass es nicht sehr sinnvoll ist, wenn von den Firmen ununter-
brochen Bilanzen und Statuse ihrer finanziellen Lage verlangt werden,
da ja letzten Endes doch nur eine bescheidene Aufteilungsmöglichkeits-
variation besteht. Ich glaube, wir müssten hier mit der Obersten
Bergbehörde Besprechungen führen, dass wir die Überprüfungen auch ent-
sprechend vereinfachen. Wenn mann die Zusammenstellung der Unterlagen
und die Sitzungen, die hier für die Bergbauförderung durchgeführt
werden, umrechnet auf Kosten- so weiss ich nicht, ob nicht mindestens
ein genauso hoher Betrag als wir letzten Endes Bergbaufördenung geben,
allgemeiner Aufwand ist, um die endgültigen Berechnungen zu erstellen.

Anmerkung für Wanke: Bitte, feststellen, ob nicht ein vereinfachtes
System möglich wäre.

In der Vertrauenspersonenkonferenz des 3. Bezirkes gab es über die
Mitgliedbeitragserhöhung eine lebhafte bis spät in die Nacht hinein
dauernde Diskussion.



03-0705

Nach dem Referat kamen die Direktoren der BBU und der Mitterberger

zu mir und wollten jeder einen grösseren Anteil über die Bergbau-
förderung erhalten. Da diese beiden Betriebe aber sich im Prinzip
über die zur Verfügung stehenden Mittel einigen müssten oder ich eine
Entscheidung treffen, hatte ich ihnen folgendes vorgeschlagen:
Sie sollten – wenn es ihnen möglich ist – einen gemeinsamen akkordier-
ten Vorschlag mit unterbreiten und ich würde den – wenn er wirkliCh
sinnvoll ist – sofort akzeptieren. Sicher ist eines, dass ein solcher
Vorschlag kaum zustandekommen wird. Andererseits aber bin ich der
Meinung, dass es nicht sehr sinnvoll ist, wenn von den Firmen ununter-
brochen Bilanzen und Statuse ihrer finanziellen Lage verlangt werden,
da ja letzten Endes doch nur eine bescheidene Aufteilungsmöglichkeits-
variati0n besteht. Ich glaube, wir müssten hier mit der Obersten
Bergbehörde Besprechungen führen, dass wir die Überprüfungen auch ent-
sprechend vereinfachen. wenn mann die Zusammenstellung der Unterlagen
und die Sitzungen, die hier für die Bergbauförderung durchgeführt
werden, umrechnet auf Kosten- so weiss ich nicht, ob nicht mindestens
ein genauso hoher Betrag als wir letzten Endes Bergbaufördanung geben,
allgemeiner Aufwand ist, um die endgültigen Berechnungen.zu erstellen.

Anmerkung für Wanke: Bitte, feststellen, ob nicht ein vereinfachtes
System möglich wäre.

In der Vertrauenspersonenkonferenz des 3. Bezirkes gab es über die
Mitgliedbeitragserhöhung eine lebhafte bis spät in die Nacht hinein
dauernde Diskussion.

03_0700_01

Tagesprogramm, 27.10.1970

03_0700_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

03_0705_01

hs. Notizen

03_0705_02
03_0705_03
03_0705_04
03_0705_05
03_0705_06
03_0705_07

Tagesordnung 27. Ministerratssitzung, 27.10.1970

03_0705_08
03_0705_09

Nachtrag Tagesordnung 27. Ministerratssitzung, 27.10.1970

03_0705_10
Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Präs. LWK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Vertr. Spediteure [26.1.1972 von JS als Unternehmer im 10. Bezirk, Sprecher der Transportunternehmen und Sohn des ÖVP-BR Albert Römer genannt, vorerst aber nicht eindeutig gefunden]


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Justizminister


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Rechtsanwalt


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
            GND ID: 119083906


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
              GND ID: 130620351


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: SChef HM
                GND ID: 12195126X


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                  GND ID: 118566512


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 12254711X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 118756265


                      Einträge mit Erwähnung: