Donnerstag, der 18. Juni 1970

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Die Vertreter der Raffinerie Lannach, Gen. Bauer von der ÖMV,
Gen.Dir. Mielich von der Shell, Dr. Dir. Wallner von der ERG
und Dr. Humer kamen , um sich zu erkundigen, wie weit die gewerb-
liche Genehmigung bereits in unserem Ministerium sei. Ich erklärte
ihnen, dass die wichtige Frage wäre, wie wir aus der Anti-
-Bewegung gegen die Raffinerie herauskommen könnten. Interessanterweise
hatte sie dafür überhaupt keine Vorkehrungen getroffen. Dir. Wallner
hatte geglaubt, er könnte – wenn er drei oder vier der wichtigsten
Sprecher nach Ingolstadt einladet – sie davon überzeugen , dass es
besser ist eine Raffinerie in ihrem Raum zu haben als keine. Dies
ging natürlich vollkommen daneben. Ich schlug ihnen deshalb vor,
sie sollten ihre public-relations-Leute zusammenrufen und mit
Koppe gemeinsam einen Plan besprechen, wie man – nicht die Queru-
lanten, aber die normalen, natürlich verängstigten Bürger dieses
Kainachtales davon überzeugen könnte, dass die Raffinerie von
Bedeutung ist und sie deshalb keine Angst haben sollten. Die
Unternehmervertreter waren über diesen Tip sehr erfreut und die
Unterstützung zu. Koppe hatte ein sehr gutes Argument, er sagte
nämlich Lannach und Fussach sind bei eng verwandt. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich mich auch erkundigen, ob die Heizölversorgung
im Winter klappen würde. Einen solchen Bericht hatte ich von Min.
Rat Meier bekommen, der nach Rücksprache bei der ÖMV erklärte, dass
keinerlei Schwierigkeiten für den Heizölsektor für den Hausbrand
gegeben seien.. In Wirklichkeit waren aber die beiden Herren, die
immerhin die grössten Versorger repräsentierten, anderer Meinung.
Ich hatte deshalb nach der Sitzung Min-Rat Meier zu mir gebeten.
Bei der Gelegenheit konnten wir auch feststellen, dass der Sekt-
Leiter Gasser, der an der Sitzung teilnahm, ganz einfach gekommen
war, weil er sagte, ich gehe hinunter und Min.Rat Mayer deshalb nicht
kommen konnte. Ich hatte dann unmittelbar danach eine fast würde
ich sagen, telefonischen Auftritt mit Min.Rat Gasser, weil ich
dezidiert erklärte, wenn ich jemanden zu einer Besprechung wünsche,
dann sollte er sich nicht den Kopf zerbrechen, was dort besprochen
wird und ob er dafür zuständig sei, sondern dass ich den Herren dazu
bitte, von dem ich glaube, dass es richtig ist. Er erklärte dann,
es hätte sich in dem Fall nur um ein Versehen gehandelt und selbst-
verständlich würde es in der Zukunft so sein. Wie weit es tatsächlich


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nur ein Versehen war oder wie weit die Taktik, dass die Sektions-
leitung bestimmt, wer zu Sitzungen kommt, konnte ich jetzt natür-
lich nicht mehr feststellen.

Bei der Eröffnung des neuen Werkes SMARTO im Industriegelände der
WITAG hatte ich die Möglichkeit, nicht nur eine prograammtische
Erklärung abzugeben sondern insbesondere auch, da es sich um eine
Damenschneiderei handelt, wo moderne Zuschneidemaschinen usw. stehen,
bei den Eröffnungsgepsächen darauf hinzuweisen, dass ich meine
Frau hier einmal an solchen Maschinen gestanden ist und ich hatte
deshalb die Festgäste und da die Arbeiter nur auf 5 Minuten unter-
brochen hatten, um sie bei der Ansprache, die ja im Arbeitsraum
stattfand, als Kolleginnen und Kollegen ansprechen können.

In der Fraktionsbesprechung bei den Lebens- und Genussmittelar-
beitern hatte die Brauereigruppe geglaubt, wir müssten uns unbedingt
nach ihren Vorschlägen richten. die Paritätische Kommission im
Unterausschuss hatte Hofstetter scheinbar eine Vereinbarung ge-
troffen, dass die Freigabe der Brauereiarbeiter erst im Juli er-
folgen sollte. Dies entsprach absolut dem Plan, den ich den
Brauereiarbeitern empfohlen aber auch letzten Endes ihre Zustimmung
dafür bekommen hatte. Ich hatte zwar keine Besprechung mit Hofstetter
über dieser Problem geführt aber Tonn Rudi, der Betriebsratsobmann
der Brauerei Schwechat, war am Parteitag mit Hofstetter zusammen-
gekracht, weil er ihm gesagt hätte, die Brauereiarbeiter könnten
nicht diktieren, wann die Paritätische Kommission ihre Freigabe
beschliesst. Koll. Deutsch, der in der Gewerkschaft als zweiter
Obmann fungiert, sagte mir zu, dass er sich mit Philip Schoeller
ins Einvernehmen setzen wird, damit dann ein gemeinsamer Termin
vereinbart wird. Die Philipp Schoeller-Familie hat derzeit einen
schweren Verlust erlitten, da ca. 150 Mio S in Aktienspekulationen
verlorengingen. Philip Schoeller hatte mir bei einer Besprechung da-
für den Dank ausgesprochen, dass dieses Problem von unserer Seite
auf so grosses Verständnis gestossen ist. Ich nehme an, das wichtig-
ste war ihm, dass bis jetzt zumindestens noch nichts in der breiten
Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Da es bei den Fusionierungsver-
handlungen, die Hammerbrotwerke wurden von der Ankerbrotfabrik
aufgekauft, die jetzt allerdings dem Bankhaus Schoeller gehört,
hat es zwar weniger bei der Unternehmungsleitung als bei der Zu-
sammenlegung der Betriebsräte grosse Schwierigkeiten gegeben.



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Es wird jetzt eine Zentralbetriebsratwahl stattfinden, die aber
organisatorisch sehr problematisch ist, weil es zwar nach den
gesetzlichen Vorschriften durchgeführt wird, aber die Tatsache, dass
zwischen Bock, der ebenfalls Vorstandsmitglied bei uns ist, und
derzeitiger Betriebsrat der Hammerbrotwerke war, und Deutsch, der
bei uns als Obmann stellvertreter als auch gleichzeitig als Betriebs-
ratsobmann von Anker fungiert, doch gewisse Spannungen gibt.

Die Presse wollte mich zu einem Mittagessen einladen und ich hatte
deshalb Chefredakteur Schulmeister geschrieben , ich würde viel
lieber ihn in seiner Redaktion besuchen kommen. Ich nützte die Ge-
legenheit im Pressehaus, zuerst mit Direktor Pogatsch, das ist
der von der Partei und vor allem von der BAWAG beauftragte Presse-
manager, eine Besprechung zu führen. Pogatsch ist für mich, wie ich
ihn schon vor längerer Zeit bezeichnete, der österreichische Springer.
Er ist ein ausgesprochen geschickter Manager und wirklich einer der
grossen Hoffnungen unserer Partei. Koppe vermittelte als erstes einen
Besuch beim Chefredakteur der Wochenpresse Dubowitz. Anschliessend ha-
tte ich eine Besprechung im Express mit Chefredkateur Zerbs, dann
Chefredakteurstellverteter Harman und auch Göbel, der bisher bei der
militanten ÖVP- Schriftführer gewesen ist. Pogatsch sagte mir aller-
dings, dass es zweckmässig ist, Göbel weiterhin in den Arbeits-
kreis der Journalisten in unserem Industrie einzuladen. Ich wollte
aber nicht direkt Einfluss beim Express nehmen, sondern überreichte ihn
nen eine Einladung für Dr. Beyde, der allerdings kaum kommen wird.
Ausserdem war bei dieser Besprechung noch der Innenredakteur,
der Aussenredakteur, die ich beide nicht gekannt hatte, von der
Kulturredaktion Redakteur Löwe anwesend. Bei der Kronenzeitung führte
ich Besprechungen mit Chefredakteur Dichant und Dr. Trojan. Beide
ware sehr erfreut, dass es jetzt endlich gelungen ist, Kontakte
aufzunehmen und als ich ihnen Vorschlug, uns mitzuteilen, wer von
ihnen der Kontaktmann zu Koppe sein sollte, erwiderten sie
einer von ihnen beiden. Ich sehe also, dass die Kronenzeitung auf
höchstem Niveau und als straff geführteste Redaktion entweder der
Chefredakteur oder seinen Stellvertreter schicken wird. Falk war
nicht mehr anwesend und er sollt aber in Wirklichkeit der Manager-
typ sein, der alles in der Kronenzeitung zu bestimmen hat. Die
Kronenzeitung wird jetzt noch nicht endgültig entscheiden, ob sie
jetzt eine eigene Druckerei beim Stadion sich bauen wird, da
Pogatsch sie sehr geschickt behandelt und ihnen immer wieder zu

erkennen gibt, dass es ein viel grösseres Risiko sei, wenn Sie eine


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Zeitung im eigenen Haus drucken, weil sie dann z.B. und er erinnert
sie immer an den Bananenprozess – gewerkschaftlich viel stärker
abhängig wären, als wenn sie derzeit im Pressehaus entweder eine
Möglichkeit hätten, wenn ein unberechtigter Streik vom Zaun gebrochen
wird, Regress beim Besitzer des Presseshauses, in dem Fall der BAWAG
finden würden. Sollte die Kronenzeitung aber weggehen, so wird sie in
ihrem eigenen Haus nur eine Grundauflage drucken und die Samstag-
Sonntag-Auflage wird in einer Auflage, die ungefähr über 500.000
liegt, wird dann im Pressehaus weitergedruckt.
Bei Schulmeister in der Presse hatte ich die Möglichkeit, zuerst
mit ihm allein zu sprechen und er bewahrheitete sich wieder als
Kassandra vom Dienst und aber als dann seine Redakteure Thür, Pollitsch
und Schuhmeier dazukamen, kamen wir über die aktuellen Probleme zur
Diskussion. Ich lud die Pressevertreter zu unseren Arbeitssitzungen
der Journalisten ein.

Im Wirtschaftsklub, einer Managervereinigung von sozialistischen
Unternehmern, erklärte ich die Politik der Regierung, soweit ich
sie in meinem Ministerium zu vertreten hatte, die im Grunde darin
gipfelte, dass wir eine liberalere Investitionspolitk, d.h. Investoren
aus der ganzen Welt versuchen würden nach Österreich zu bringen. Nach
dem Grundsatz, wir sind in einem kapitalistischen System und wenn wir
keine österreichischen Kapitalisten haben, dann werden eben ausländi-
sche Kapitalisten an ihre Stelle treten. In der Diskussion meinte
Ing. Witzmann von der Porr AG, dass diese ausländischen Kapitalisten
aber mit österreichischem Geld hier ihre Unternehmungen errichten.
Dies bestritt ich nicht, sondern ganz im Gegenteil, ich sagte
sofort, das ist eben auch kapitalistische Methode, wo
man Geld billig bekommen kann, nimmt man es und ich bedaure nur,
wenn österreichische Unternehmungen dies nicht entsprechend nützen.
Wahrscheinlich ist es doch so, dass die ausländischen Unternehmungen
sei es dass normal. sei es bessere kreditsichere Unternehmungen seien
und deshalb die Banken und Versicherungsgesellschaften eben bereit
wären, ihnen mehr Geld und lieber das Geld zur Verfügung stellen als
österreichischen Unternehmungen.

Anschliessend hatte ich eine Einladung zu Präsident Sallinger. Ich
kamm allerdings erst wesentlich später hin, aber ich traf dort Benya
Häuser, Hofstetter, Mussil und Sallinger. Wir hatten eine sehr ange-
nehmen Besprechung, wobei wir feststellen konnten, dass mein Angriff
vollkommen berechtigt war, dass die ÖVP nicht mehr ihren Klub in der

Hand hat, sondern dass es leider so ist, dass es irgendwelche wie


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Benya sich immer ausdrückt und Sallinger diesen Ausdruck über-
nommen hat, einie Schwindliche hier eine Lizitationspolitik
betreiben. Ich hatte ja bereits am Mittwoch, bevor die ganze
Problematik im Haus zur Sprache und Diskussion kam, mit Sallinger
und Mussil sehr ernst und sehr agressiv diskutiert. Ich erklärte
ihnen, dass es vollkommen hoffnungslos ist, uns links zu über-
holen und dass ich als Gewerkschafter sehr froh bin, dass wir so
billig zu dieser Regelung gekommen sind. Wir mussten weder an
den Bauernbund noch an die Unternehmer irgendwelche Zugeständnisse
mahcen. Gleichzeitig erklärte ich ihnen aber, dass ich als Handels-
minister eine solche Politik nicht genug verurteilen kann. Die
Regelung wird im öffentlichen Dienst 365 Mio S kosten für
die Witwen, für die Waisen 1,6 Mio S , im ASVG und GSPVG und
bei den Bauern würde unter Aufrechterhaltung der Obergrenze von
1.036.- S noch immer 485 Mio S dafür aufgewendet werden müssen.
Allerdings würde dann die Ausgleichzulage, die derzeit nur mit
50.- S vorgesehen ist, auf 100.- S erhöht werden. Insgesamt würden
also ca. 850 Mio S aus dem Budget aufgebracht werden müssen pro Jahr
und es ist gar kein Zweifel, dass derzeit im Jahre 1972 dafür
unter gar keinen Umständen die Deckung gefunden werden kann.

Tätigkeit: Bgm. von Schwechat, Nationalratsabg. SPÖ, BRO Schwechater


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    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: GD ÖMV


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        GND ID: 119096137


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            Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


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              Tätigkeit: MR HM, Leiter OB


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                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                    Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                    GND ID: 136895662


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                      Tätigkeit: BV Wien-Favoriten, Wr. SPÖ-GR-Abg., stv. LUGA-Vors., BRO Ankerbrot


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                        Tätigkeit: OB


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                          Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                            Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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