Klubtagung in Baden bei Wien.
Kreisky hielt das Hauptreferat und erklärte einleitend, dass er
sei sehr glücklich, dass die FPÖ als erstes mit der ÖVP gegen die
Aufhebung des Uniformzwanges im Hauptausschuss gestimmt hatte.
Als Gegenmassnahme meinte er, sollte in den Bezirksorganisationen
wo entsprechende Kasernen sind, durch Flugzettel,die Soldaten auf
diese Entscheidung aufmerksam gemacht werden. Seiner Überlegung nach
war die Ablehnung durch die ÖVP und die FPÖ ein grosser Fehler und
es sollte jetzt eben als sofortige Reaktion der Sozialistischen
Partei die Soldaten auf diese Entscheidung aufmerksam gemacht werden.
Weiters wollte Kreisky, dass so wie die Royal Commission auch in
Österreich gearbeitet wird, Zu diesem Zweck wurde ja von ihm die
Heereskommission, die sich mit der Herabsetzung der Wehrdienstzeit
von 9 auf 6 Monate beschäftigte, als auch die Privilegiertenkommis-
sion, die sich mit der Aufhebung der Privilegien der Politiker be-
schäftigen soll, ins Leben gerufen. Von Seiten des soz. Klubs war
Weihs vorgesehen, doch infolge seiner Berufung zum Landwirtschafts-
minister muss jetzt an diese Stelle Gen. Thalhammer nominiert werden.
Thalhammer wurde vor allem auch deshalb nominiert, weil er in der
Debatte sich ganz entschieden gegen ein Nachgeben in dieser Frage
ausgesprochen hatte, seiner Meinung nach sollten wir überhaupt nicht
in eine entsprechende Verhandlung eintreten, denn es würden letzten
Endes ja doch nur eine negatives Ergebnis zeitigen. Für die ÖVP
wurde Neuner und von der FPÖ Scrinci in diese Kommission berufen.
Kreisky erörtere seinen Plan bezüglich der Investitionspolitik
und erklärte, dass das soziale Kapital – darunter versteht er die
Krankenhäuser, Schulen, Institut, die also das Kapital der Gesell-
schaft darstellen – weder einen Ertrag bringen noch als Deckung
herangezogen werden können, deshalb müsste man auch mit anderen
Methoden an diese Produktion von sozialem Kapital schreiten und
seiner Meinung nach wäre das eben mit einem Leasing-Verfahren mög-
lich. Da ihm ja die Deutschen in der Bundesrepublik zugesagt hatten,
hier in Österreich stark einzusteigen, empfiehlt er diese Methode
auch dem Klub. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Deutschen
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aber nicht nur ein Monopol haben sollten, sondern dass man auch
die Schweiz und Amerika heranziehen wird. Gegebenenfalls auch
Italien. Er erwähnte auch, dass man noch mit gewissen Instituten
ins Reinekommen müsste, d.h. er sagte nicht ausdrücklich, dass die
Nationalbank bisher gegenüber dieser Art der Investitionsfinanzierung für
Bauten ablehnend sich verhalten hat. Bezüglich der Öffentlichkeits-
arbeit der Regierung sagte er, dass hier eine permanente Auseinander-
setzung der Partei mit der ÖVP Platz greifen müsste, da die sozia-
listische Minderheitsregierung keine Mittel dafür aufwenden würde.
Nach seiner Auffassung müsste er an die Partei appellieren und
ihren Organisationen, dass sie für die Regierungsaufklärung der nächsten
ein bis eineinhalb Jahre Mittel zur Verfügung stellen sollten
umdiese auch finanzieren zu können. Mit anderenWorten, die Leute,
die erwartetn haben, dass die Regierung die Partei und ihre Organi-
sationen durch Mittel entsprechend unterstützen würde, müssten nach
diesem neuen Plan selbst neue Mittel aufbringen, um die Regierung
zu unterstützen, wie weit dies möglich sein wird, kann ich mir aller-
dings nicht vorstellen. Bekanntlicherweise hat der letzte Wahlkampf
noch ca. 40 Mio S offen und ein kleines Konzept hat Charly Blecha
für diese Regierungsaufklärungsarbeit mit ca. 18 1/2 Mio betitelt,
wie er mir in einer Diskussion, die ich dann mit ihm unter vier
Augen führte, zugestand. Bezüglich der Kompetenzen erklärte er,
dass die Ablehnung des kleinen Kompetenzgesetzes für uns eine Schlappe
wäre, und deshalb gewisse Vorleistungen bezüglich des Wahlrechtes
gegenüber der FPÖ wahrscheinlich erbracht werden müssten. Bezüglich
des grossen Kompetenzgesetzes stand er auf dem Standpunkt, da sollte
sich der Nationalrat dann auseinandersetzen und zeigen, ob er bereit
ist, eine vernünftige Aufteilung der Ministerien nach sachlichen Ge-
sichtspunkten auch tatsächlich durchzuführen. Anschliessend refe-
rierte Koll. Häuser über sein Programm. Als erstes sei die Kodifi-
kation vorwärtszutreiben, als zweites wollte er, das Betriebsrätegesetz
zum Schutz der Betriebsräte und in § 14 wegen der Erhöhung der Mit-
bestimmung der Betriebsräte novellieren. Bezüglich des Pensionsan-
passungsgesetzes PAG stand er auf dem Standpunkt, dass hier noch
genaue Untersuchungen durchgeführt werden.Die 1 %-ige Erhöhung
des Richtsatzes kostet ca. 100 Mio S. Die Bundeszuschüsse bei 6,4 %
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wie sie derzeit auf Grund der gesetzlichen Gegebenheiten er-
rechne werden, ergeben also 640 Mio S. Wenn man nun den oberen
theoretischen Grenzwert mit 7,7 %, der aber ungerechtfertigt ist,
nach Auffassung Häuser, einführt, würde das 770 Mio S kosten. Gleich-
zeitig müssten auch die Richtsätze für die Ausgleichszulagen, die ab
1.6. mit 50.- S erhöht werden um 500 Mio kosten, auch angezogen werden
in einer späterenEtappe. Jede 10.- S sind nach seiner Berechnung
50 Mio S. Bezüglich der Witwenpension könnte nur in Etappen vorge-
gangen werden, derzeit sei eine solche nicht beabsichtigt.
In der Debatte kam es ausser zu Angelegenheit Öllinger zu sehr hef-
tiger Kritik insbesonder der sogenannten Sozialbastler – wie ich
sie immer bezeichnet habe. Es hatte nach Auffassung der Genossin
Winkler, Präussler und vieler anderen Aufgabe der soz. Regierung
zu sein, unverzüglichst das gesamte Sozialpaket in Kraft zu setzen,
insbesondere weil ja wie sie sich ausgedrückt hatten im Wahlkampf ent-
sprechende Empfehlungen und Versprechungen gemacht wurden. Demgegen-
über stellte Häuser in seinem Schlusswort fest, dass er unter gar
keinen Umständen so vorgehen könnte, man müsste auf die allgemeine
finanzielle Situation des Bundes unbedingt Rücksicht nehmen und
andererseits erklärte er, daß nur das zu erfüllen sei das man auch
tatsächlich als sozialistische Partei versprochen hat und nicht
was einzelne Referenten und nicht was einzelne Referenten oder
Abgeordnete im Wahlkampf gesagt hatten. Bezüglich des Angriffes
einiger Genossen, daß wir uns in der Kompetenzfrage bekriegen,
konnte ich richtigstellen, daß dies vom ÖVP-Pressedienst so
herausgestrichen wurde obwohl ein solcher Zustand wirklich nicht
besteht. Es wird nur im Rahmen der Novellen und im Rahmen der
Begutachtungsverfahren von den Ministerien die Stellungnahmen nach
sachlichen Gesichtspunkten ausgearbeitet, aber z.B. hatte auch
mein Ministerium keinesfalls den Entwurf abgelehnt bezügl. der
Errichtung eines eigenen Wissenschaftsministeriums sonder nur auf
die Zweckmäßigkeit der Beibehaltung des Forschungsförderungs-
fonds hingewiesen. Daß der ÖVP-Pressedienst und gewisse Zeitungen
dies anders berichten ist verständlich, darauf dürften unsere
Genossen nicht hineinfallen. Ich erklärte, daß es wirklich keiner-
lei Schwierigkeiten gibt, wenn es um Kompetenzfragen geht, sondern
es sicher möglich sein wird im Rahmen dieser großen Kompetenz-
änderung einen zweckmäßigen und entsprechenden Entwurf auszuarbeiten.
Benya, mit dem ich abends noch bei der Geburtstagsfeier von
Hrdlitschka zusammenkam, erzählte mir, daß er und auch Hofstetter
sowie viele andere Gewerkschafter über das Verhalten der einzelnen
Genossen sehr erschüttert sind. Kreisky allerdings hat in seinem
Schlußwort sich ein gutes Bonmots ausgedacht, er sagte "es hat
halt der sozialistische Klub in den vergangenen 4 Jahren die
Oppositionsrolle sehr gut gelernt und auch wirklich zweckmäßig
und erfolgversprechend angewendet – und das wird halt jetzt auch
gegen die neue Regierung fortgesetzt. Hobel hat in seinem Diskussions-
beitrag darauf hingewiesen, daß er auf dem Standpunkt stünde, man
müßte also doch die guten Beziehungen – die einzelne Abgeordnete
u.a. auch er – zur FPÖ bereits aufgebaut hätten, ausnützen. Ich
könnte vorher mit ihm klären, daß ich eine Vorgangsweise wie er
sie vorgeschlagen hatte nicht akzeptieren würde. Er wollte mit
Scrinzi Verhandlungen aufnahmen, damit bei der Ablegung der
Führerscheinprüfung der Nachweis erbracht werden müsse, daß der
Betreffende einen Erste-Hilfe-Kurs besucht hat. Ich wendete mich
erstens gegen die Vorgangsweise – niemand sollte ja bekanntlicher-
weise mit Besprechungen aufnehmen, außer auf ausdrückliche Geneh-
migung von Kreisky – und zweitens, dafür sei mein Ministerium
zuständig und ich hätte zu bestimmen, ob ein Initiativantrag
eingebracht werden könnte. Ich lehnte dies primär ab, da ich auf
dem Standpunkt stand – zuerst müßten die Ministerien und die
Bundesregierung versuchen diese Probleme nicht nur zu besprechen,
sondern auch positiv abzuschließen. Da Broda zur Nachmittagssitzung
später kam, hatte ich bei seinem Erscheinen sofort eine Aussprache
zwischen Hobel, Broda und mir und stellte diesen Sachverhalt
eindeutig klar. Ich erwiderte in meiner zwar charmanten Art, aber
sehr hart, daß auch ich jetzt mit der Handelskammer gemeinsam
einen Initiativantrag über die Novelle des gesamten Familienrechtes
einbringen würde und er doch sicher darauf sehr begeistert reagie-
ren würde. Er zog daher sofort seine Zusagen zurück und erklärte
er hätte sich ausschließlich von dem Gesichtspunkt leiten lassen,
daß eventuell halt Initiativanträge hier an dieser Frage ziel-
führender sein könnten, aber selbstverständlich müßte das immer
im engsten Einvernehmen mit mir geschehen. Ich hatte, glaube ich,
diese Situation richtig erfaßt. Wenn ich hier nachgegeben hätte
wäre wahrscheinlich nicht nur der ARBÖ sondern andere Organisa-
tionen in allen diesen Fragen, die das Ministerium betreffen,
initiativ geworden. Ich muß daher sehr vorsichtig auch bei ARBÖ
vorgehen, denn Hobel dürfte hier bemüht sein, sich irgendwie
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besonders stark in Szene zu setzen. Dies ist umso mehr problematisch
als er sich ja Ministerialbeamter meines Ministeriums bedient um
– wie er sagt – seine Forderungen entsprechend gut ausgearbeitet
mir unterbreiten zu können. Ich werde daher nur zuwarten bis die
ersten Vorschläge von ihm kommen und dann einen an anderen Weg
einschlagen.
In der Angelegenheit Fremdenverkehrswerbung und Fremdenverkehrs-
konzept kam ich mit unseren Genossen überein, daß wir eine Arbeit
so schnell wie möglich in Angriff nehmen und abschließen sollten,
wo die Schwerpunkte in der zukünftigen Fremdenverkehrspolitik
liegen sollten.
Am Abend hatte ich die Pflicht bei einer Geburtstagsfeier von
Hrdlitschka im "Intercontinental" anwesend zu sein und konnte
feststellen, daß sie ihn mit Geschenken überhäuften. Es war dies
seine Gewerkschaft, wo ihm nicht nur der Zentralvorstand sondern
auch die einzelnen Landesleitungen entsprechende Presente gaben.
Ich hatte mir fest vorgenommen und bestätigte diesen Entschluß
innerlich neuerlich, daß man bei mir keine Gelegenheit haben
würde, für mich solche Geburtstagsfeiern zu veranstalten.