Dienstag, der 12. Mai 1970

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Dienstag, den 12. Mai

Der Forschungsförderungsfonds hielt eine Sitzung ab und ich habe
mich dort angemeldet um die Arbeit des Fonds im Konkreten kennen-
zulernen. Die Unternehmervertreter benützten die Gelegenheit und
insbesondere Präsident Harmer, der mich begrüßte, wies darauf hin
daß es dringend notwendig wäre, daß dieser Fonds nach wie vor dem
Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie unterstehen
sollte. Prof. Plöckinger, von den Böhler-Werken, erklärte aller-
dings gleichzeitig, daß sie auf einer Tagung übereingekommen sind
die Forschungs-Forschungsteam aufzustellen, das heißt daß eigentlich
auch in der Forschung eine Planung vorgenommen werden müßte. Ich
benützte daher diese Aussage um darauf hinzuweisen, daß das neue
Wissenschaftsministerium diese Forschungs-Forschungstätigkeit eben
anregen und eine entsprechende Koordinierung durchführen sollte.
Dr. Salzbrunn vom WIFI (Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundes-
handelskammer) erklärte, daß es ein beklemmendes Gefühl für ihn
sei, daß sie jetzt transferiert werden sollten. Er meinte, jedes
Ministerium würde seinen Schrebergarten behalten, nur das Handels-
ministerium würde ihn an das Wissenschaftsministerium abtreten.
Er selbst würde von dieser Transferierung sehr betroffen sein und
die Bundeskammer würde entweder alles verlangen das in das Ministe-
rium kommen sollte oder nichts. Ich konnte dagegen argumentieren,
daß gerade Generalsekretär Musil auf dem Standpunkt steht, wenn
schon ein Übel passiert dann soll das kleinere Übel passieren, das
heißt der Forschungsförderungsfonds sollte ins Wissenschaftsministe-
rium eingebracht werden, aber nicht auch noch die Forschung vom
Bautenministerium. Da Krinburg erklärte, daß dies jetzt die gewerb-
liche Forschung trotz dem eigenen Forschungsfonds sehr schlecht
bestellt ist – nach seinen Aufstellungen ergibt das, daß das
Unterrichtsministerium ca. 25 % für die wissenschaftliche Forschung
kriegt, das Bautenministerium 11 %, das Land- und Forstwirtschafts-
ministerium 7 % und die gewerbliche Forschung nur 5 % – erklärt sich,
daß nach seiner Meinung eine Schlechterstellung der gewerblichen
Forschung nicht mehr möglich ist. Ich versicherte den Herren, daß
die finanzielle Sicherhheit für den Forschungsfonds der gewerblichen
Wirtschaft gesichert ist, weil der Finanzminister bereits zuge-
sagt hat, daß auf alle Fälle zwei Ansätze, der für die wissenschaft-
liche Forschung und der für die gewerbliche Forschung getrennt sein


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wird, auch im zukünftigen Budget bestehen werden und daß daher
ein Virement auch nicht möglich ist. Da mir die Frau Minister
Firnberg bei der gestrigen Aussprache gesagt hat, daß sie – wenn
ihr Gesetz durchgeht – (das heißt, wenn ein Gesetz durchgeht , dass
sie ein eigenes Wisschenschaftsministerium mit kooperierenden und
koordinierenden Tätigkeit bekommen kann, gegebenenfalls auf den
Forschungsfonds der gewerblichen Wirtschaft verzichtet, habe ich
mich dort sehr vorsichtig verhalten, und keine endgültige Stellung
abgegeben, sondern nur immer darauf hingewiesen, dass eine Lösung
gefunden wird werden, die alle befriedigen wird. Nach der Minister-
ratssitzung, die überhaupt keine besonderen Ereignisse zu verzeichnen
hatte, besuchte ich die Arbeitsgruppe Industriepolitik vom Wirt-
schafts- und Sozialbeirat. Kottulinsky erklärte, es ist das erste
Mal, dass ein aktiver Minister sich für die konkrete Arbeit inter-
essiert u d ich ersuchte denAusschuss nur, so schnell wie möglich
seine Arbeiten abzuschliessen, damit auf diesenErgebnissen bei uns
im Ministerium die Industriepolitik fortgesetzt werden kann.

Bei dem nachmittätigen Bericht an die Sektionsleitungen vom Minister-
rat wurde mir auch die Stellungnahme zum Gesetzentwurf über das
Forschungs- und Wissenschaftsministerium vorgelegt. Ich erklärte,

dass ich mir diesen Gesetzentwurf im einzelnen sehr genau ansehen
werde und habe vor allem Wanke ersucht, mit Frau Minister Firnberg
Kontakt aufzunehmen. Wie er mir mitteilte, war sie über die Stellung-
nahme nicht begeistert, aber sie hat kein effektives Veto dagegen
eingelegt. Wir werden daher die Politik weiterverfolgen, durch
weitestgehendes Entgegenkommen der Bundeshandelskammer zu versuchen,
die Zustimmung zum Gesetzentwurf über das Kompetenzänderungsgesetz
zu erlagen. Die Bundeskammer hat in einer Aussendung der Regierung
vorgeworfen, dass sie bezüglich der Gewerberechtsreform noch keinen
entgültigen Entwurf vorgelegt hat.Schuhmeier von der Presse wollte
eine Stellungnahme des Ministeriums dazu haben. ich habe ihm eine
solche Erklärung abgegeben, dass ich versuchen,werde, unter allen
Umständen das Einvernehmen mit den beteiligten Stellung, d.i. die
Bundeskammer und die Landwirtschaftskammer, herbeizuführen,da an
diesem Gegensatz ja bekanntlich die Gewerberechtsnovelle der ÖVP-Allein-
regierung gescheitert ist. Interessanterweise reagiert also die Presse
auf eine Bundeshandelkammeraussendung sofort, währenddem die soziali-
stische Korrespondenz dies scheints überhuapt nicht zur Kenntnis

genommen hat, zumindestesn wurde das Ministerium von der SK nicht


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gefragt. Bei der Besprechung mit der Wiener Landesleitung des
Freien Wirtschaftsverbandes ergab sich das alte Bild, dass sich
die Genossen scheinbar von mir erwarten, dass ich eine Politik
mache, die ausschliesslich den Lebensmittelkleinhandel vor unlauteren
Methoden wie sie es bezeichnen schützt unddass wir alles daransetzen
sollten, damit westdeutsches Kapital über die grossen Diskonter und
Filialbetriebe nicht nach Österreich hereinkommt. Ich habe den Ge-
nossen dort erklärt, dass ich mich im Rahmen ihres Zielprogrammes
bewegen werrde, dass ich aber die Wünsche, die dort konkret vorge-
bracht wurden, sehr genau prüfen werde, aber kaum erfüllen könnte.
Z.B. sieht das neue Berufsausbildungsgesetz, das nach jahrenlangen
Verhandlungen von der ÖVP-Regierung endlich beschlossen wurde, vor,
dass auch Kleidermacher, bevor sie einen Lehrling aufnehmen, in
Werkstättenbesichtigungen festgestellt wird, ob sie die Voraussetzun-
gen für eine Lehrlingsausbildung haben. Dies meinte der Vertreter
stosse auf grosse Schwierigkeiten und man sollte hier eine Novelle
versuchen. Ein anderer meinte, dass die Paritätische Kommission inso-
fern vermenschlicht werden könnte, als der Unternehmer gemeinsam mit
dem Betriebsrat dort erscheint, um seine Preisforderungen leichter
durchsetzen zu können, also unter Mitbestimmung versteht er, dass
eben auch die Betriebsräte, die hier die Interessen der Unternehmens
genauso vertreten wie die Unternehmervertreter,eben zu den Besprechun-
gen herangezogen werden sollte. Sollte wir hier eine neue Politik
beschreiten wollen, werden wir uns sehr bemühen müssen, diese Genossen
zu überzeugen, dass sie in den hergekommenen Art nicht möglich sein
wird und dass wir doch übergeordneten Ziele über die Einzelinteressen
von Gruppen und insbesondere von Wirtschaftssektoren, die kaum lebens-
fähig sind, stellen werden müssen.

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Tagesordnung 4. Ministerratssitzung, 12.5.1970

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Beilage Präsidium Handelsminister betr. rechtzeitige Materialvorlage

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Beilage Präsidium Handelsminister betr. termingemäße Anmeldung der TO-Punkte

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"Mitteilungen und Resolutionen" betr. staatsbürgerschaftliche Erziehung und Vietnam-Krieg

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Information für den Herrn BM betr. TOP 8

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Information für den Herrn BM betr. TOP 16

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Information für den Herrn BM betr. Patentkonferenz

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Information für den Herrn BM betr. TOP 7

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Information für den Herrn BM betr. TOP 9

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Information für den Herrn BM betr. TOP 19

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Information für den Herrn BM betr. TOP 12

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Information für den Herrn BM betr. TOP 7

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Beilage betr. Gehaltsüberleitungsgesetz-Novelle 1970

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Schreiben Rechnungshofpräsident an BK

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Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Präs. Fachverb. Nahrungs- u. Genussmittelindustrie


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: GF IV
        GND ID: 142815691


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: WIFI
          GND ID: 127015310


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Wissenschaftsministerin
            GND ID: 11869104X


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