Dienstag, der 17. Mai 1983

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Dienstag, 17. Mai 1983

Der Präs. der ungar. HK, Kallos, und der GD v.d. Metallimpex, Dr. Russay,
kamen nach Wien, um von mir die Orden persönlich überreicht zu bekommen.
Überrascht war ich, daß auch Präs. Sallinger, GSekr. Kehrer und noch ein
halbes Dutzend von HK-Funktionären und Beamten gekommen sind.

Sts. Albrecht hatte mit Sallinger bei dieser Gelegenheit, die ja für mich
so wertvolles Familientratscherl, wie sie mir nachher sagte, hatte Sallin-
ger
sie gebeten, sie möge unbedingt darauf drängen, daß wir uns bei ihm
sozusagen zur Verabschiedung in absehbarer Zeit treffen müßten.

GSekr. Kehrer, mit dem ich längere Zeit wegen dem Ausbau einer Exportagen-
tur für Klein- u. Mittelbetriebe neuerdings diskutierte, glaubt, daß sie
mit der Unterstützung von Einzelbetrieben, die einem Exportring angehören
oder beauftragen, wie z.B. i.d. Stmk., genug tun. Er teilte mir zwar mit,
daß jetzt der Präsident der steir. HK, Kaufmann, mit Präs. Sallinger eine
diesbezügliche Aussprache auch haben wird. Dieser Aussprache möchte
er nicht vorgreifen, aber ich habe den Eindruck, die HK macht nach wie
vor hinhaltenden Widerstand.

ANMERKUNG FÜR SC MEISL UND HAFFNER: Diese Taktik besonders beachten, da
sie sicherlich schiefgehen wird.

Giuli war einer der wenigen, dem ich angeblich sehr viel geholfen habe
und der sich unbedingt bei mir verabschieden wollte. Wenn dann bei solchen
Aussprachen die Betreffenden aufzählen, was ich alles für sie getan habe,
wundere ich mich persönlich jetzt im Nachhinein, daß mir dies eigentlich
früher gar nicht so aufgefallen ist.

Die Ministerratssitzung begann diesmal sofort und es war gar keine Vorbe-
sprechung. Kreisky meinte, die einzige Frage, die dann doch wer bei dem
Sudetendt. Tag diesmal teilnimmt. Sinowatz war das letzte Mal, jetzt wurde
von ihm vorgeschlagen, daß Sts. Löschnak gehen soll.

Im MR berichtete dann Dallinger über die Arbeitsmarktsituation, 120.000
Arbeitslose Mitte Mai, d.s. 4,3 %. Die Abnahme erfolgte 2 x so rasch in
absoluten Ziffern als Mitte Mai des Vorjahres. Auch die Jugendarbeitslosig-
keit bis 25 Jahre hat jetzt nur mehr 4,3 %. Im Jahresschnitt rechnet Dallin-
ger
, daß wir mit einer Arbeitslosenrate von 4,5 % durchkommen.

Kreisky ergriff dann wie er sagt in der letzten Sitzung noch einmal das
Wort. Er wird dem Bundespräsidenten jetzt Mitteilung machen, daß die Ge-


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spräche abgeschlossen sind und daß er Sinowatz mit der Regierungsbildung
betrauen soll. Der Parteitag wird das letzten Endes zu bestätigen haben.
Er wird Freitag wegfahren, möchte allen Mitgliedern der Bundesregierung
für die 13 Jahre aufrichtig danken. Es wurden große Reformen verwirklicht
auf allen Gebieten. Er möchte nicht pathetische Worte sagen, die ja viel
weniger Sinn geben, als die Tatsachen. Die 1. sozialdemokratische Re-
gierung in der Rep. Ö. hat in dieser Zeit Österreich von Grund auf verän-
dert. Am Parteitag wird er nur kurz berichten. Für ihn ist es eine große
Erleichterung, daß die Gewähr besteht, daß die Politik fortgesetzt werden
wird. Er möchte das hohe Maß der Zusammenarbeit und ganz besonders die
Geduld, die alle für ihn aufgebracht haben, neu herausstreichen. Alle
wurden nicht zuletzt durch ihn optimal gefordert. Noch niemals hat es
vorher einen solchen Geist der Freundschaft in der Regierung gegeben und
er kennt Regierungen jetzt schon in allen Schattierungen und jahrzehnte-
lang.

Sinowatz erwiderte dann, seit 45 die provisorische Staatsregierung gebil-
det wurde, sind 38 Jahre vergangen, 1/3 von dieser Zeit hat Kreisky die
Politik gestaltet. Es war eine lange Dauer der Arbeit für Österreich, wo-
zu erst niemand an die Lebensfähigkeit Österreichs geglaubt hat. Alle
haben sehr viel von Kreisky gelernt, insbesondere Gesinnungsstärke und
Selbständigkeit des Denkens. Jeder konnte selbstständige gute Arbeit un-
ter seiner Führung leisten. Sinowatz bedankte sich dann auch an alle.
Niemand mehr wird dann in der neuen Regierung sein von der ersten Stunde an,
die neue Regierung wird viele Schwierigkeiten haben und alles wird an-
ders sein. Die Freundschaft aber möchte er besonders herausstreichen.

Beim Bundesparteitag berichtete dann Kreisky wie erwartet doch nicht so
kurz. Zuerst, daß man die Wahlergebnisse, die ja in Gemeinden und Ländern
so verschieden sind, genau analysieren müsse. Dies höre ich immer nach
jeder Wahl. Die Analysen von IFES liegen jetzt längst vor. Im Detail be-
schäftigt sich aber im Grunde genommen dann keine Körperschaft mehr damit.
Vielleicht geschieht dies in kleinsten Kreisen.

Kreisky ging dann auf die Verhandlungen im Prinzip mit der ÖVP und FPÖ ein
Die VP mit ihrer populistischen Politik, vor der Kreisky sie lange vor
der Wahl schon gewarnt hat, keine Gesprächsbasis mehr gegeben. Ausschlag-
gebend war dann auch das Schlagwort Regierung der Partnerschaft, die auch
zu keinem Ergebnis geführt hätte, da die ÖVP-NR so wie bis jetzt argumen-
tieren und handeln wollten.

Mit den Freiheitlichen hatte Kreisky natürlich schon immer Vorgespräche
geführt, sie seien in der Regierung unerfahren und müssen einen harten


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Lernprozeß durchmachen.

Die Sozialpartner seien zwar nicht gesetzlich fundiert, aber garantieren
einen Interessensausgleich. Die der VP-Angehörigen beklagen sich
ständig, daß sie sich innerhalb ihrer Partei nicht durchsetzen können.

Eigentlich hat Kreisky nichts besonders Neues gesagt. Interessant war nur
die Art, wie er es jetzt darstellt. Noch interessanter und nicht nur für
den Parteitag und auch für mich beeindruckend war, daß, als er erwähnte,
jetzt 50 Jahre in der Politik für diese Partei zu arbeiten und von dieser
Partei das entsprechende Vertrauen gehabt zu haben, er fast in Tränen
ausgebrochen ist und daher nicht mehr weitersprechen konnte. Dies hatte
ich bei Kreisky, den ich ja jahrzehntelang jetzt kenne, noch nie erlebt.
Spurlos geht auch bei einem so kalten oder zumindest nach außen hin kal-
ten Politiker dieses Ereignis, nämlich Abschied zu nehmen von der Politik,
auch nicht vorüber.

Sinowatz hielt dann auch das Hauptreferat und hat dies sehr gut aufgebaut
und auch gehalten. Die Argumentation der ÖVP, die große Koalition hätte
eine größere Quanität von Abgeordneten gehabt, sagt er, ist zu wenig, auf
die qualitative Einstellung kommt es an. Die Regierung muß manövrier-
fähig sein und entscheidungsfähig bleiben. Die VP wollte, daß wir, für
ihn ganz klar, bei den Verhandlungen eigentlich nur den Wahlkampf fort-
setzen, es ging sogar so weit bis zur Phraseologie. Daß die Regierung von
Sozialisten gebildet werden muß, ergibt sich schon daraus, daß wir jetzt
nicht nur die stärkste Partei sind, sondern mit 48 % im Verhältnis zu
den Schweden, die mit 45, zu den Konservativen in Großbritannien, die mit
44, und der christl.-demokratia mit Italien mit 38 % die Regierung bilden
und die Verantwortung übernehmen.

Drei große Bereiche, berichtet er dann kurz, bei den Verhandlungen erzielt
worden, 1. die Grundsätze der Zusammenarbeit im Parlament, in der Regierung
für die nächsten 4 Jahre, 2. dann über die einzelnen Sachgebiete, 3. dann
über die Ressortaufteilung. Bei dieser Gelegenheit verwies dann Sinowatz,
daß Peter jetzt aus freien Stücken auf eine Kandidatur zum 3. Präsidenten
des NR verzichtet hat.

Zum Schluß kam Sinowatz dann auf die neue Regierung, der keiner der ersten
Stunde mehr angehören wird und auch keiner, der die 1. Mehrheitsregierung
1971 gebildet hat. Er verlangt ein ganzheitliches Denken in der Politik
und es war immer schon soz. Politik Wirtschaftswachstum, Technik und
Lebensqualität und Lebensraum gegenseitig abzustimmen. Er meinte, seine
neue Partnerschaft der Generationen notwendig. Eine Verbindung zwischen


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Theorie und Praxis. Ideenutopien seien notwendig. Unter Pragmatik ver-
steht er eben nichts anderes als Suchen nach praktikablen Lösungen. Beson-
ders strich er dann die Solidarität innerhalb der Soz. Partei heraus, die
noch wachsen muß. Es müßte eine bewußte Solidarität gemacht und dürfe
nicht nur Schlagwort und Denkmalpflege sein. Unter dieser Solidarität
müsse sich dann jeder unterordnen und er wird in Hinkunft darauf drängen.
Er erhielt dafür vom Parteitag einen frenetischen Beifall.

Über die beiden Referate gab es dann stundenlange Diskussionen; wie zu
erwarten, haben sich die Junge Generation und die SJ gegen die Regierungs-
beteiligung ausgesprochen und wollten, daß wir unbedingt in die Opposition
gehen und waren nicht bereit davon abzugeben. Ich glaube ja, daß es über-
haupt scheinbar in der Partei jetzt üblich ist, daß wenn irgendwo ein
Problem auftaucht, zuerst, bevor dieses Problem in den Gremien besprochen
werden kann, in den Massenmedien dargestellt, die Stellungnahmen von
einzelnen, oft dafür gar nicht Zuständigen verlangt werden und abgegeben
werden und dann eine gewisse Gruppe sich präjudiziert hat. Der Parteitag
war sichtlich erleichtert, daß es keine heftige Diskussion mehr wegen
der Kandidatur Peters zum 3. NR-Präsidenten geben wird, obwohl natürlich
alle, die es sich vorgenommen haben, dagegen zu polemisieren, es trotz-
dem eben ein wenig gewandelt haben. Bei der Abstimmung kam es dann, wie
zu erwarten, zu einer überwältigenden Bestätigung der Politik in Form
der Resolution des Parteivorstandes an den Parteitag, 18 Stimmen von
Jungen Generation und SJ-Leuten waren dagegen. Man kann sagen, diese
blau-rote Koalition war damit bestätigt.

Mit Präs. Mühlbacher besprach ich die gewünschten KR der Statistik des
Außenhandels. Mühlbacher hat mir vier als notwendig bezeichnet und mein-
te mit recht, man könne alle anderen auf alle Fälle zurückstellen.

Bei dieser Gelegenheit habe ich mich mit Mühlbacher lange und breit un-
terhalten, wie er jetzt in der BuKa seine Position als Freier Writschafts-
verband wird halten können. Er fürchtet, daß die Freiheitlichen jetzt doch
durch den Handelsminister Steger stärkeren Einfluß bekommen können.
Sallinger macht sich zwar jetzt sehr stark, aber es ist sehr fraglich,
ob er diese ablehnende Haltung durchhält. Ich persönlich glaube, und Mühl-
bacher
hat mir dies auch bestätigt, daß Sallinger früher oder später es
sich mit den Freiheitlichen regeln wird. Damit besteht die große Gefahr,
daß die Freiheitlichen dann als neue Gruppe dann auch bei den HK-Wahlen
selbständig auftreten. Jetzt sind sie ja meistens in einer Wahlgemein-
schaft mit dem Wirtschaftsbund und dadurch dann den Freien Wirtschafts-
verband stimmenmäßig überflügeln.



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Mit Erich Schmidt besprach ich zum ersten Mal, wie er sich im Haus die
weitere Arbeit vorstellt. Er glaubt, daß Steger ihm weitestgehend freie
Hand geben wird und er ziemlich die Politik nicht nur beeinflussen, son-
dern sogar machen kann. Er befürchtete, daß ich die von der Energiesek-
tion mir z.B. mir übergebenen Probleme alle dem Steger mitteilen werde.
Ich erklärte sofort, daß ich keinesfalls daran denke, aber doch wichtige
Entscheidungen, die jetzt anstehen, ihm zur Kenntnis bringen werde. Ich
habe mir vorgestellt, daß es bei jeder Sektion ein bis zwei Fragen sind,
die jetzt zu entscheiden wären, z.B. Donaukraftwerk Hainburg, Kernkraft-
werk Zwentendorf, Getreide-, Milch- und Heizöl-extra-leicht-Preisbildung,
Lehrlingsausbildung im Sozialministerium, die Reisen, die für den Mini-
ster in nächster Zeit anstehen, die Frage der Pölser Papierfabrik, um nur
die wichtigsten zu nennen. Schmidt ersuchte mich, wir sollten Donnerstag
um 8.30 Uhr ein diesbezügliches Gespräch im HGI führen, womit ich sofort
einverstanden war.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Termin vormerken.

Unser neuer Bezirksvorsteher Bergen hat mit dem alten, aber vor allem mal
auch mit dem Klub seine Ideen besprochen. Eine Aussprache mit Reviczky,
unserem derzeitigen Bezirksvorsteher, erscheint dringend notwendig, wes-
halb wir für 10 Uhr mit dem Präsidium im HGI einen Termin vereinbart haben
und ich beabsichtige Donnerstag um 16 Uhr zu den Bezirksmandataren auch
zu gehen.

ANMERKUNG FÜR MARTIN: Bitte diese beiden Termine vormerken.

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Tagesprogramm, 17.5.1983

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Tagesordnung 177. Ministerratssitzung, 17.5.1983

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Nachtrag TO 177. Ministerratssitzung, 17.5.1983

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hs. Notizen (Nachtrag TO MR-Sitzung Rückseite)

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Antrag SPÖ-Bauern Bundesparteitag 1983

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hs. Notizen (Antrag SPÖ-Bauern Rückseite)


Tätigkeit: Unterrichtsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sts. BKA


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sts. HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ital.-österr. HK


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Gen.Sekr.


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Sekr. Büro Staribacher


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Präs ung. HK; evtl. Falschschreibung


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                              GND ID: 118566512


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                Einträge mit Erwähnung: