Sonntag, der 20. Mai 1979 bis Mittwoch, der 23. Mai 1979

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Sonntag, den 20.5. – Mittwoch, 23.5.1979

Die EFTA-Tagung in Bodø, Nord-Norwegen, oberhalb des Polar-
kreises, verlief im Grunde genommen auch routinemässig. Dem
Wunsch des Konsultativkomitees ging eine Besprechung der Minister
mit diesem Komitee voraus. Hier zeigte sich, dass die ansonsten
sehr konträren Ansichten der einzelnen Interessenvertretungen,
die meistens in Attacken gegeneinander und ganz besonders dann
auch noch gegen den Ministerrat der EFTA festzustellen sind, gleich
wesentlich friedlicher verliefen. Eine alte Erfahrungstatsache,
wenn man den Leuten Gelegenheit gibt, ihre Wünsche zu präsentieren,
dann werden sie wesentlich gemässigter. Dies galt für die nordi-
schen Gewerkschaftsvertreter genauso wie für die Schweizer Unter-
nehmervertreter. Die in Österreich praktizierte Wirtschafts- und
Sozialpartnerschaft ergab automatisch, dass in unserem nationalen
Lager und dann natürlich auch bei den Konsultativgesprächen, wie
mir insbesondere der Gewerkschaftsvertreter Muhm mitteilte, eine
gemässigtere Linie vertreten wurde. Ich glaube nur, und habe dies
dann auch bei dieser Sitzung deponiert, dass es zweckmässiger wäre,
wenn das Konsultativkomitee sich mit ein oder zwei Problemen
beschäftigen würde und dann womöglich versucht, womöglich ein-
stimmige konkrete Ergebnisse zu präsentieren. Daß dies äusserst
schwierig sein wird – in den meisten Fällen sogar unmöglich – ist
mir klar. Ich konnte dies auch feststellen, als ich bei der ersten
gemeinsamen Tagung vom Konsultativkomitee und Ministerrat in
Stockholm, das sich mit dem besonderen Problem der Beschäfti-
gungspolitik beschäftigte, anwesend war. Dass die Delegationen be-
sonders stark waren, viele hatten auch ihre Frauen mitgenommen,
führte ich darauf zurück, dass der Tagungsort Bodø für viele ein
Anreiz zur Teilnahme war.

Das informelle und dann formelle Treffen der Minister artete
natürlich wieder in Routine aus. Ausserhalb der Sitzung versuchte
ich die Minister davon zu überzeugen, dass es doch zweckmässiger
wäre, wenn wir nur einmal im Jahr eine Routinesitzung hätten. Wenn
die Notwendigkeit besteht, so könnten wir ja stets ausserordent-
liche Sitzungen machen. Heuer wäre es die Unterzeichnung des
spanischen Vertrages. Im nächsten Jahr wird es das 20jährige Be-
stehen der EFTA sein, mit anderen Worten, man kann, wenn man will
stets einen Grund finden, um eine ausserordentliche Tagung zu ver-


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anstalten. Dies gibt dann der EFTA die Möglichkeit ausserhalb
der Routinesitzung im Herbst, für diese ausserordentliche Tagung
eine entsprechende Publicity zu erreichen. Auch in Bodø wäre
es bald zu einer solchen negativen Publicity gekommen. Der nor-
wegische Minister Bakke hat aus innenpolitischen Gründen ver-
sucht, ähnlich der Wiener Deklaration, die allerdings monate-
lang vorbereitet war, eine ähnliche Bodø-Deklaration zu
verlangen. Natürlich haben sich sofort die Schweizer quergelegt.
Auch die zuerst angeblich positiv eingestellten nordischen Staaten
sind dann im Prinzip davon abgekommen. Insbesondere der isländi-
sche Vertreter, ein Kommunist, hat dann im Laufe der Verhandlungen
sich immer deutlicher von jedweder aktiveren Politik der EFTA
distanziert. Die Schweizer waren von vornherein eindeutig auf
der Linie, die EFTA kann und soll nur im Rahmen ihres Vertrages
operieren. Die Norweger, nicht zuletzt durch die Gewerkschafts-
bewegung, auch im Konsultativkomitee beeinflusst, möchten gerne
dass die EFTA eben ein wirtschaftlich stärkeres Gebilde wird,
das weit über die Freihandelszonenregelung hinausgeht. So wie
immer wurde dann das Resolutionskomitee ermächtigt, eine Kompro-
misslösung zu finden, die alle akzeptieren können. Insbesondere
der österreichische Standpunkt und mein persönlicher, ging ganz in
diese Richtung. Keine eigene Deklaration, weil man damit nur die
Wiener abwerten würde, dafür aber alle Wünsche in das Pressekommuni-
que. Natürlich wurde dieser angebliche Gegensatz zwischen der
Schweiz und den Norwegern gross herausgestrichen und ging sogar
teilweise in die Presse. Dort allerdings durch eine falsche Be-
richterstattung und durch vollkommen unrichtige Übersetzungen
meiste ganz verstellt. Ein Beispiel, im Rahmen der Verhandlungen
mit den Entwicklungsländern ist beabsichtigt, für die unter-
entwickelten eine Startentwicklungshilfe zu geben, an dem sich
alle Staaten beteiligen. Der Fachausdruck dafür heisst "zweites
Fenster". In Zeitungen taucht es jetzt nun als "zweiter Schalter"
auf. Österreich wird sich an diesen second window mit 2 Mio. Dollar
beteiligen, ein Betrag, den man gar nirgend sagen kann, sondern
überall eben nur die prinzipielle Bereitschaft herausstreicht.
Wenn man bedenkt, dass jetzt in Manila bei der UNCTAD-Tagung
angeblich 5.000 Delegierte teilnehmen, so könnte man allein
aus den Kosten, die den Staaten daraus erwachsen, anstelle dieser
Tagung wirklich den Entwicklungsländern wesentlich mehr helfen.
Ich habe oft den Eindruck, dass solche internationale Veranstaltungen
zur Hilfe von schwachen Ländern nur dazu dienen, um die Kongressreise-


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tätigkeit von reicheren, aber auch oft sehr armen Ländern zu
ermöglichen. Die Ergebnisse solcher Tagung und noch vielmehr die
wirkliche Hilfe ist umgekehrt proportional der Teilnehmeranzahl
und der Kosten eines solchen Massentreffens.

Überraschend für mich war, dass mein jetzt seit Jahren ver-
suchter Vorstoss, die Herbsttagung zur ordentlichen Minister-
ratstagung zu machen und es bei dieser einen bewendet sein zu lassen
und gegebenenfalls ausserordentliche Tagungen zu veranstalten,
von allen Ministern akzeptiert wurde. Ich habe daher sofort MR
Steiger und unsere ständigen Vertreter in Genf bei der Mission
ersucht, so schnell als möglich zu einem Arrangement über diesen
Punkt zu kommen. Selbst Generalsekretär Müller von der EFTA,
hatte ich zumindestens in Bodø für diese Idee gewonnen. Ich
bin sehr gespannt, wer sie wieder umbringen wird resp. welcher
Widerstand kommen wird, damit es ja zu keinem Ministerratsbeschluss
in diesem Punkt kommt.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass Dir ständig von Steiger über
diese Verhandlungen berichten.

Ein formeller und richtiger Beschluss war, dass wir jetzt in
Hinkunft auch das EFTA Bulletin in einer skandinavischen Sprache
drucken. Dies kostet 60.000 sfr pro Jahr. Zur Kosteneinsparung,
schlage ich schon jahrelang vor, könnte man jederzeit die fran-
zösische Sprache als Arbeitssprache neben Englisch in der EFTA
aufgeben. Niemand spricht von den Teilnehmerländern französisch,
ausser ein Teil der Schweizer und die würden darauf verzichten.
Das Gegenargument ist allerdings, es spricht auch niemand Englisch.
Vielleicht ist diese Sprache aber durch ihre weite Verbreitung
und vor allem durch ihr jahrzehntelange, jetzt in der EFTA getätigte
Hauptsprache wirklich die am besten geeignete. Für mich sind
diese EFTA-Tagungen überhaupt in Wirklichkeit meist nur Sprachübungen.

Die Portugiesen teilten mit, dass sie ihre Importabgabe von 20
auf 10% reduziert haben. Die Isländer dagegen mussten sie von
3 auf 6% erhöhen und mit 1 1/2 Jahren begrenzen. Überhaupt haben
für diese Staaten die anderen volles Verständnis, wenn durch
Zahlungsbilanz wenn durch Zahlungsbilanz Schwierigkeiten sie
solche Importabgaben einheben müssen. Überraschend für mich war,


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im Konsultativkomitee die Behauptung der schweizerischen
Arbeiterparteivertreterin, dass die schwedische Industrie
mehr vom Staat gestützt wird, als das schweizerische Budget
ausmacht. Diese Behauptung blieb unwidersprochen, obwohl
ich dann bei Gesprächen mit einzelnen Delegierten feststellen
musste, dass der Höhe nach dies unmöglich ist. Immerhin beträgt
das Schweizer Budget 16 Mia. sfr.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Auf nächstes Jour-fixe AK und ÖGB setzen.

Bundesrat Honegger teilte mir mit, dass 1.5 Mia. sfr die Agrar-
stützung in Schweizer Budget ausmachen. Jetzt wollen die Bauern
bei einem derzeitigen Erzeugerpreis von 76 Rappen eine Erhöhung um
4 Rappen. Gleichzeitig möchten sie eine Erhöhung des Ablieferungs-
kontingents von 29 Mio. Zentner, um weitere 500.000 Zentner. Bei
Getreide und Futtermittel soll die Anbauprämie allerdings nicht
wesentlich erhöht werden. Insgesamt würde das Agrarbudget dadurch
um 220 Mio. sfr, bei jetzt schon 430 Mio. für die Milch allein
erhöht werden. Interessant war, dass Honegger mir ganz offiziell
sagte, er hätte abgelehnt vor den 20. Mai darüber mit ihnen zu ver-
handeln, da an diesem Tag dass Plebiszit über die Mehrwertsteuer,
die 6% eingeführt und 1,2 Mia. Schilling Mehrerlös dem Bund brin-
gen soll, abgestimmt wird. Er sagte ganz offen, auch den Bauernver-
tretern, er erwartet, dass sie die Vorlage des Bundesrates unter-
stützen, damit er Geld bekommt, um die Subventionen erhöhen zu
können. Das Schweizer Budget hat ein Defizit von 750 Mio. sfr, wovon
allerdings die Schweizerische Bundesbahn allein 630 Mio. ausmacht

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Der Schweizer Referent soll jetzt über die
Zürcher Zeitung und andere Publikationen die weitere Vorgangsweise,
nachdem die Mehrwertssteuervorlage abgelehnt wurde, genau verfolgen.

Bundesrat Honegger ersuchte mich zu prüfen, ob Österreich nicht doch
zustimmen könnte, dass das Pharma-Abkommen innerhalb der EFTA, an
dem die Schweizer pharmazeutische Industrie sehr interessiert ist,
verabschiedet werden könnte. Ich war in den Details nicht informiert
und habe ihm daher nur versprochen, mich in Österreich dafür genau
zu kümmern.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dir bitte alle Unterlagen geben und
nächstes Jour fixe setzen.

Die Norweger werden die 20.000 Tonnen Feinkristallzucker in
Kilopackung übernehmen und dadurch allein schon durch diese Post
unseren Aussenhandel, der von 77 800 Mio., auf 772 Mio. 78
gefallen ist, wieder auf die 77er Ziffern zumindestens bringen.
Auch Gemüse wird jetzt in stärkerem Ausmass exportiert. Bei einem
Essen in Oslo, das der österreichische Handelsdelegierte Dr. Roth
mit norwegischen Unternehmervertretern gegeben hat, hatte ich auch
Gelegenheit über die Weinexporte zu sprechen. In all diesen nordisch
Staaten kauft das Monopol nur dann österreichische Weine, wenn ein
entsprechender Bedarf vorhanden ist. Dieser Bedarf kann aber nur
dann dem Monopol mitgeteilt werden, wenn er tatsächlich bei den
Hoteliers und Restaurants vorher geweckt wird, Ein Tischnachbar
neben mir war Vorsitzender einer norwegisch-akademischen Wein-
gesellschaft. Er versprach mir, sich einzusetzen, dass man jetzt
überall österreichische Weine verlangen wird. Roth behauptet,
dass der österreichische Weinwirtschaftsfond sich überhaupt nicht
um den nordischen Markt kümmert.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Goldmann soll entsprechende Recherchen führen.

Auf der Aussenhandelsstelle lernte ich auch Herrn Pansini aus
Bari kennen, der entsprechend neue patentierte Verputzbeläge
entwickelt und weltweit verkauft. Er möchte neben der Fabrik in
Bari jetzt eine in Österreich errichten, wofür er 200 Mio. Schilling
Investitionen vorsieht. Er ist mit Handelskammerpräsident von
Klagenfurt, Baurecht, in Verbindung. Ich habe ihm selbstverständlich
die österreichische Investorenwerbung im Handelsministerium ange-
boten. Wenn er irgend welche offene Fragen hat und Unterstützung
braucht.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Gröger soll sich mit Kärntner Landesregie-
rung in Verbindung setzen.

Überraschend für mich war zu erfahren, dass die Norweger heuer
für 30 Mio. Tonnen Erdöl gegenüber 17 Mio. im Vorjahr, produzieren
wollen. Noch überraschender der hohe Stromverbrauch von 81 Mia.
Kilowattstunden bei 4,5 Mio. Bevölkerung gegenüber Österreich
mit 33 Mia. bei 7.5 Mio. Bei diesem Klima – und vor allem aber


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auch günstigen Wasserdargebot?? leicht verständlich.

Im Flugzeug hat mich ein Kurt Hirsch aus Wr. Neustadt angesprochen,
der jetzt nach Grossbritannien und Norwegen Kunststoff-Folien
exportiert. Er hat eine Abdeckung für Sonnenspeicher entwickelt,
findet keine Interesse bei Stiebel Eltron und bei Aluminium-
Ranshofen. Er hat seine erste Fabrik Chemie Linz verkauft, will
mit der neuen Fabrik heuer 60 Mio. und im nächsten Jahr 100 Mio.
Umsatz machen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit ihm in Verbindung setzen,
Telefon 02622/4591.

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Tagesprogramm, 20./23.5.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Kurt Hirsch Ges.m.b.H., Kunststoffverarbeitung, Wr. Neustadt


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