Freitag, 1. Dezember 1978
In der Fraktion des Gesamtvorstandes der Lebensmittelarbeiter
sollte beschlossen werden, dass anstelle des Kollegen Deutsch,
Bezirksvorsteher in Favoriten, der Betriebsratsobmann von Coca
Cola, Simperl, in Hinkunft in die Fraktion des ÖGB entsendet wird.
Was sich gestern schon bei der fraktionellen Sekretärbesprechung
angedeutet hat, wurde jetzt von 2 Funktionären der Länder als
grosses Programm verkündet. Die Bundesländervertreter wollen in
Hinkunft im Präsidium stärker vertreten sein. Sie beabsichtigen,
wie mir Suko von Salzburg nachher mitteilte, beim nächsten Ge-
werkschaftstag einen Obmannstellvertreter zu bekommen. Da sie in
der Besetzung der Fraktion im ÖGB ein Präjudiz sehen, stimmten sie
dem Vorschlag unseres Fraktionspräsidiums, Simperl zu entsenden,
nicht zu. Die Obmänner der Landesorganisationen, die oft nicht ein-
mal soviel Leute vertreten als einzelne Gruppen, wollen in Hin-
kunft als Vorbesprechungsgremium fungieren. Da die Wiener gar keinen
Landesobmann haben, meinten einzelne Ländervertreter nach der Unter-
brechung, man solle die zwei stärksten Gruppen zu einer Obmänner-
besprechung, sozusagen als Wiener Vertreter dazuziehen. Damit stiessen
sie sofort auf den geschlossenen Widerstand der anderen Gruppen, die
nicht berücksichtigt wurden. In Wirklichkeit ist nämlich unsere
Organisation eine zentralistisch geführte, die Gruppen haben bezüg-
lich ihrer Kollektivvertrags- und Lohnpolitik eine gewisse Autonomie.
Hier aber ist der Zentralsekretär Blümel immer stärker eingeschaltet
worden. Interessant für mich war nur, wie schön langsam jetzt doch in
den Ländern, die eigene Sekretäre haben, allerdings von Wien bestellt,
von Wien bezahlt und daher der Zentrale ausschliesslich verantwort-
lich, ähnlich wie bei der politischen Organisation ein stärkeres
Mitspracherecht verlangen. Das Problem der Ländervertreter wird nur
werden, wie sie einen guten Mann finden, auf den sich dann alle einigen.
Die Gefahr, die ich sehe, ist allerdings, dass sie eben keinen guten
Mann haben und sich dann trotzdem auf einen Kandidaten einigen werden.
Das Problem wurde zurückgestellt und von mir vorgeschlagen, nächstes
Jahr zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine Gesamtvorstandssitzung zur
Beschlussfassung einzuberufen. Der Fehler, den ich gemacht habe, war,
dass ich vorher mit niemandem Kontakt aufgenommen habe. Die positive
Seite dieses Vorganges war andererseits, dass ich darauf verweisen
konnte, dass ich wirklich mit niemandem über den Vorschlag Simperl's
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gesprochen habe. Niemand kann sich daher benachteiligt fühlen,
niemand kann mir vorwerfen, dass ich eine Kollegenschaft bevorzugt
habe.
In der Gesamtvorstandsitzung gab es dann die üblichen Berichte.
Von den Brauern wurde ich ersucht, Suko wurde ihr Sprecher in dieser
Frage, alles vorzukehren, dass jetzt nicht neuerlich grössere Im-
portmengen von Bier aus Deutschland importiert werden. Unsere Auf-
stockung des Abschöpfungsbetrages hat sich günstig ausgewirkt.
Die Deutschen haben jetzt angeblich ihren Subventionsbetrag von
31 DM auf 51 DM erhöht.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass dies prüfen.
Ein grosses Problem ist, dass die Lebensmittelunternehmungen in
immer stärkerem Masse Frächter heranziehen resp. heranziehen wollen.
Dadurch werden so und so viele Kollegen von uns, wenn sie in Pen-
sion gehen, nicht mehr durch neue Arbeiter ersetzt. Natürlich ist
dies eine Schwächung der Betriebsräte, aber auch der Organisation,
weshalb sich diese ganz besonders dagegen ausgesprochen haben. Ein
erfreulicher Bericht war, dass wenigstens in 144 Betrieben, die in
der Nahrungs- und Genussmittelindustrie infrage kommen, in 22 Jugend-
vertrauenspersonen gewählt wurden. Die Jugendorganisation bei uns
wird im ÖGB gemeinsam im nächsten Jahr eine grosse Jugendaufklä-
rungsaktion starten und gleichzeitig auch die Gesetzesbrecher gegen
Jugendvorschriften angreifen. Die Steirer verlangten, dass der
Grazer Schlachthof, der 140 Mio Schilling Investitionen gekostet hat,
derzeit wird nur unzulänglich am Grazer Schlachthof geschlachtet,
die Steirer erwarten, dass in Hinkunft auch Importtiere in Graz
geschlachtet werden. Diese Forderung ist uralt und hat sich nie-
mals durchsetzen können. Die geringen Mengen, die importiert werden,
wurden in Wien oder maximal in Wr. Neustadt geschlachtet. In der Ge-
samtvorstandsitzung gab es keinerlei fraktionelle Probleme, obwohl
natürlich in den Berichten und Diskussionsbeiträgen genug Grund zum
kollegialen Streit gegeben war. Die fraktionelle Führung einer Ge-
werkschaft - zumindestens bei uns – ist kein Problem, soferne man mit
den Fraktionen vorher für Nachbesetzung des Kollegen Deutsch sich
einigen kann.
LÖWA hat in Liesing ein Verwaltungsgebäude von Steyrermühl günstig
gekauft. Der Besitzer von LÖWA ist extra von Deutschland gekommen.
Dr. König, der scheinbar das grosse Sagen – wie es heute so schön
blöd heisst – in dieser Organisation hat und der bereits in Ober-
wart mich mit Kaffee aufgewogen hat und dort die Eröffnungsanspra-
che hielt, hat auch diesmal darauf verwiesen, wie notwendig die Kon-
zentration im neuen Verwaltungsgebäude ist. In Favoriten waren
sie vollkommen unzulänglich untergebracht. Auf drei Linien wird
LÖWA jetzt noch grösseren Einfluss versuchen zu erreichen. Seine
Wertkaufgeschäfte, seine Supermärkte und vor allem Zielpunkt-Ver-
kaufsgeschäfte. LÖWA wird sich noch mehr anstrengen, österreichi-
sche Waren zu verkaufen. Jetzt schon hat er einen verhältnismässig
sehr günstigen Anteil. Angeblich sind nur 10% Importwaren. Unser
Branchenreferat hat dies festgestellt. Ich verwies natürlich bei
meiner humorvollen Ansprache auf diesen Tatbestand.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND BURIAN: Mit Dr. König bitte engeren Kontakt
halten. Er setzt sich für unsere Ideen ein.
GD Bandhauer, Verbund, teilte mir mit, dass die Fraktionsbesprechung
der EVUs dazu geführt hat, jetzt doch nicht den Ländern den Prä-
sidenten des Verbandes der E-Werke anzubieten, sondern die restlichen
1 1/2 Jahre wieder, wie ursprünglich ja die Reihe gewesen wäre, den
Vertreter der Stadtwerke. Dafür soll der Grazer Direktor Schachner
vorgeschlagen werden. Bandhauer hatte ursprünglich Bedanken, ob dieser
annehmen würde. Ich habe ihm sofort erklärt, Schachner ist so poli-
tisch ambitioniert, dass er jedes Mandat in jeder Funktion annehmen
wird. Bandhauer wird zu diesem Zweck Samstag extra nach Graz fahren,
um mit ihm die Gespräche zu führen.
Bandhauer hat sich damit abgefunden, dass ein eigenes Gesetz nicht
kommen wird, um die Verluste resp. Investitionen vom Kernkraftwerk
Zwentendorf in 10 Jahren abschreiben zu können. Grosse Schwierig-
keiten würde es auch bereiten, wenn der Verlust über den Pool verrech-
net wird. Im Pool können nur produktionsabhängige Kosten verrechnet
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werden und die anlaufenden Investitionen und Verluste würden von
den anderen Sondergesellschaften nicht akzeptiert werden. Bandhauer
sieht aber folgende Möglichkeiten: 3,5 Mia Schilling Verlust abzüglich
250 Mio für Brennstoffe, die jetzt in Kommission der KWU zurück-
gegeben werden. Von den 3 Mia 250 50% aktivieren, ergibt 1 Mia
650. 700 Mio Schilling, davon aufgrund des Elektrizitätsförderungs-
gesetzes gebildete Wertberichtigungen, verbleiben 950 Mio. 620 Mio
Schilling, davon abzüglich Rückstellungen, die er auflösen kann,
verbleiben 330. Von 600 Mio Schilling, die er Gewinnn hat im
Rahmen des Pools, fallen 130 Mio auf die Verbundgesellschaft, sodass
noch 200 Mio Schilling echter Verlust bleiben, die er vorträgt.
Bandhauer wird uns ein diesbezügliches Elaborat zur Verfügung stellen.
Glücklich ist er, dass er mit den Energieversorgungsschwaben mit
670 Mio DM auf 20 Jahre für Zillergründl jetzt vor diesem Desaster
abgeschlossen hat. Er ist nämlich nicht mehr überzeugt, dass heute
die Schwaben noch zu denselben günstigen Konditionen der Verbund
helfen würden, nachdem die Verbundgesellschaft ja durch die Nicht-
inbetriebnahme von Zwentendorf stark finanziell betroffen wird.
Unser ehemaliger Obmann der Landstrasse Adelpoller feierte seinen
80. Geburtstag und Tischler, Seeböck und ich gingen ihn besuchen.
Er kann noch ganz gut reden, schwer gehen und ich weiss nicht, wie
weit es noch mit seiner geistigen Kapazität her ist. Das wirkliche
Problem ist, dass er ständig gerührt ist und bei jeder Gelegenheit
fast in Tränen ausbricht. Ich frage mich wirklich, ob es wünschenswert
ist, so alt zu werden.
Tagesprogramm, 1.12.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)