Donnerstag, 6. Oktober 1977
Klubobmann Fischer war fest davon überzeugt, dass ich an diesem
Tag wenig oder gar nichts zu tun habe, denn bis anfangs der
Woche war beabsichtigt, an der Ministertagung der Internationalen
Energieagentur teilzunehmen. Ich war überrascht, dass es im
Klubvorstand darüber eine Diskussion gab und alle meinten, ich
müsste unbedingt hierbleiben, was ich sowieso beabsichtigt hätte,
er war überrascht über mein umfangreiches Tagesprogramm.
Die wichtigste Sitzung war für mich die Aussprache mit den
jungen neu aufgenommenen Genossen, die im Ministerium in den
letzten Jahren eingetreten sind. Ich setzte ihnen auseinander,
dass ich grössten Wert darauf lege, dass Initiative entfaltet
wird, allerdings unter unbedingter Wahrung der Hierarchie.
Wenn es vielleicht in den 107 Jahren bis 1970 üblich war, dass
ein junger Beamter seinem Vorgesetzten bedingungslos zu gehorchen
hat, keine eigene Aktivität entwickeln soll, ja nicht einmal
seine Meinung äussern darf, so hoffe ich, dass sich dies jetzt
geändert hat. Jedermann hat das Recht, in meinen Augen sogar die
Pflicht, stets das zu sagen, wie er die Angelegenheit sieht.
Trotzdem erscheint es mir unbedingt unerlässlich, dass der
junge Beamte nicht glauben darf, seinen Vorgesetzten übergeben
zu können, weil dieser ihn entweder gar nicht versteht oder ihm
gar nicht die Möglichkeit einer initiativen Arbeit geben will.
Wer glaubt, sich nicht in die Hierarchie einordnen zu können,
muss Konsequenzen ziehen und das Ministerium wieder verlassen.
Insbesondere erörterte Zluwa dann in der Diskussion die Zweckmässig-
keit einer Kanzlei-Ordnung, auch wenn sie auf die Kaiserin Maria
Theresia zurückgeht. Jeder Beamte ist nur ein kleines Rädchen,
muss jederzeit ersetzbar sein, weil das grosse Gebilde – der Staat –
stets kontinuierlich weiterlaufen muss. Die Hauptkritik der Jungen
richtete sich darauf, dass sie sich gar nicht kennen, obwohl sie
vielleicht sogar zusammen studiert haben, jetzt nicht einmal
wussten, dass sie im selben Ministerium arbeiten. Dies war ein
grosser Fehler der Fraktion, die eigentlich diese Kontaktmöglichkeit
vor meinem Treffen mit den jungen Leuten hätte forcieren müssen.
Die zweite grosse Problematik besteht darin, dass der Informations-
fluss insbesondere der horizontale überhaupt nicht funktioniert.
Dies musste ich gestehen, ist mir auch in den siebeneinhalb Jahren
nicht gelungen zu ändern. Die Sektionen waren früher Kaiserreiche
von denen der eine auf den anderen keinen Einfluss nehmen konnte
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wollte und daher auch keine Information horizontal weitergab.
Die Einführung der Sektionsleiterbesprechung, die nicht das von
mir gewünschte Ergebnis gebracht hat sollte wenigstens dazu nützlich
sein, die einzelnen Beamten durch Weitergabe der Sektionsleiter-
Besprechungsprotokolle zu informieren. Plesch verwies darauf,
dass es in unserem Ministerium informelle Strukturen gibt und
wahrscheinlich immer gegeben hat wie CV, ÖAAB, christliche
Gewerkschafter usw. Natürlich gibt es auch derzeit diese
informellen Strukturen und wenn sich jetzt eine sozialistische
junge Beamtengruppe zusammenfindet, ist dagegen nichts einzuwenden,
verhindert muss allerdings werden, dass dort nicht nur konspiriert
wird. Sehr beeindruckt hat mich, dass wieder verlangt wurde,
wir sollten mehr für die Schulung de jungen Beamten tun, ja
sogar überhaupt erst einmal wieder solche Schulungen durchführen.
Ich versprach sofort, wir werden wieder für alle jungen Beamten
Weiterbildungsmöglichkeiten, wie wir sie vor Jahren erfolgreich
einmal begonnen haben, ausschreiben.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte sofort ein Programm wie
seinerzeit mit dem ÖPZ erstellen. Bitte aber mit Vertretern der
jungen Beamten abstimmen.
Gen.Dir. Hetzer von Kodak ruft an und ersucht um Klarstellung
für die Positionen von Film, die in den 30 %-igen Mehrwertsteuer-
satz einbezogen werden sollen. Nach seiner Auffassung würden auch
Röntgenfilme darunter fallen, was sicherlich nicht beabsichtigt
war. Ich verweise ihn an das Finanzministerium, weil ich ja
bei der Erstellung dieser Liste überhaupt nicht eingeschaltet
war. Androsch glaubt, alles selbst machen zu müssen und zu
können. Um die Mitarbeit reisse ich mich im wahrsten Sinne des
Wortes nicht, de-n dazu fehlen unseren Beamten die notwendigen
Kenntnisse und bei Verhandlungen im Finanzministerium würden
wir uns wahrscheinlich sogar noch blamieren. Ich erinnere mich
vor Jahrzehnten, als der neue Zolltarif gemacht wurde, welche
Detailarbeit wir damals in der Arbeiterkammer vollbrachten
und wie ausser den Sozialpartnern nur das Finanzministerium
immer dominierend bei diesen Arbeiten in Erscheinung getreten
ist. Das Handelsministerium war halt auch dabei. Eine solche
Postion brauchen wir aber wahrlich nicht beziehen.
Dir. Bandhauer, Verbund, wird endlich die notwendige Zusammen-
fassung der derzeitigen Energiestatistiken zusammenfassen.
Insbesondere brauche ich die Entwicklung seit 1966. Ich erinnere
mich an eine Aufstellung, wo zwischen 1966 und 1970 fast keine
Baubeschlüsse gefasst wurden, Seit 1970 dagegen geht es konti-
nuierlich weiter. Die bisher von der Energiesektion vorgelegten
Daten sind für die Klubtagung vollkommen unbrauchbar.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte veranlasse, dass auch Frank sich mit dem
Problem beschäftigt.
Im Zollausschuss vertrat ich Finanzminister Androsch bei zwei
unbedeutenden Gesetzen. Beitritt Kolumbiens zum GATT, Rechtshilfe-
abkommen mit Ungarn über Zollfragen. Von Min.Rat Manhart, Finanz-
ministerium, lag eine Information in dieser Angelegenheit vor.
Tatsächlich hat dann Gorton erwartet, genau die Fragen gestielt,
die in der Information vorweg schon behandelt wurden. Dies
nenne ich ein Service.
Beim Jour fixe mit der AK und ÖGB wurde das neue Papierförderungssystem
taxpara fiscal 5 % Abgabe auf Papier von Wanke vorgetragen. Die
Papierindustrie erwartet, dass die Einnahmen zur Exportförderung ver-
wendet werden. Ich habe mich ganz entschieden dagegen ausgesprochen,
denn die 300 Mill. S, die hier pro Jahr aufgebracht werden, müssten
ausschliesslich zur Strukturverbesserung verwendet werden. Die
Papierindustrie glaubt nur einen Verteilerschlüssel in diesem
Fall nicht finden zu können, und möchte deshalb auf die Exportquoten
die 300 Mill. S anteilsmässig verteilen. Die Arbeiterkammer, Wehsely,
und ÖGB, Schmidt, sprachen sich ganz entschieden gegen diese Absicht
der Papierindustrie aus. Zuerst wollten sie nicht einmal darüber
reden. Zum Glück hatte ich bereits vorher klargestellt, dass
wir eine Strukturbereinigung finanzieren müssen, diese dringendst
notwendig ist. Dagegen kann sich auch Wehsely nicht verschliessen.
Schmidt dagegen meint, die Beispielfolgerung für andere Industrien
wären verheerend. Schon aus diesem Grund aber auch noch, weil er schein-
bar die Situation bei der Papierindustrie nicht so kritisch betrachtet,
lehnt er diese Vorgangsweise ab. Das einzige, was ich erreichen konnte
war, dass Wanke mit der Papierindustrie und in späterer Folge
mit den Interessensvertretungen gemeinsam die Verhandlungen weiter
führen kann.
Beim Massnahmenpaket wurden alle Vorschläge, die das Handelsmini-
sterium beabsichtigt zugestimmt, mit Ausnahme, wo es sich um direkte
zusätzliche Belastungen für den Konsumenten durch Neueinführung
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von Abgaben, Abschöpfungen usw. handelt. Die bisher bekannten
und mehr oder minder von den Funktionären Benya und Czettel
schon bei der Sitzung akzeptierten, mussten auch die Beamten
der Institutionen akzeptieren. In dieser Beziehung hat Benya
und Czettel, da sie ja bei den Sitzungen mit Kreisky ständig
dabei warne dort sogar die entscheidenden Vorschläge und Änderungen
machten, Zöllner, Schmidt usw. präjudiziert. Im einzelnen würde ich
sagen versuchen jetzt die Kollegen zu retten, was noch zu retten
ist. Bei den Detailverhandlungen werden wir grosse Schwierig-
keiten noch haben.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte diese Detailverhandlungen sofort beginnen.
Bezüglich der KFZ-Bestandteile und Service-Leistungen wird jetzt
das amtliche Preisverfahren eingeleitet. Ich glaube, dass dies
der einzig brauchbar Vorschlag der Interessenvertretung AK OÖ
war, der mir überhaupt nur die Chance einer positiven Erledigung gibt.
Wenn nämlich der § 4 des Preisgesetzes nicht wirkt und das befürchte
ich, da ich die betriebswirtschaftliche Nicht-Notwendigkeit
der Preise kaum nachweisen kann, so gibt es angeblich Zugeständnisse
und Erklärungen der Importhändler, dass sie den Zollabbau nicht
sofort weitergegeben haben. Damit machen sie sich eindeutig
nach dem Preisgesetz strafbar. Mir erscheint auch dringendst notwendig
dieses Verfahren jetzt abwickeln zu lassen, denn die Handelskammer
provoziert mich ständig, ich hätte ein Preisgesetz und würde es
nicht anwenden. Die Fahrschultariferhöhung wird jetzt im Preis-
unterausschuss detailliert geprüft und mir dann entsprechend der
Bericht übermittelt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Singer die Abwicklung des Preis-
verfahrens genau besprechen, damit nicht wieder etwas passiert.
Staatsoperndirektor Seefehlner möchte eine Unterstützung wegen
seines beabsichtigten Gastspiels in Amerika, welches 22 Mill. S
kostet. Die Amerikaner würden 700.000 S aufbringen, damit kann
er nicht das Gastspiel finanzieren. Ich erklärte ihm sofort, dass
ich keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen könnte,
weil.in meinem Budget dafür überhaupt nichts vorgesehen ist,
wohl aber würde ich ihn in jeder Beziehung propagandistisch unterstütze
und er solle sich auch mit der ÖFVW Dir. Zolles ins Einvernehmen
setzen. Seefehlner war schon sehr zufrieden, dass ich ihn, wenn
das Projekt neuerdings in der Regierung zur Sprache kommt, unterstütze
oder vielleicht sigait Minister Sinowatz persönlich darüber spreche.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte bei der nächsten Regierungs-
vorbesprechung auf mein Programm setzen.
Dir. Walter von der PORR AG kam mit dem Vertreter HungarHotel
GD Rosak und seinen Leuten um das Intercontinental-Hotel
300 Mill. $ 400 Betten in zwei Jahren schlüsselfertig zu er-
örtern. Gleichzeitig war der Vertreter Intercontinental in Frankfurt
Bleich gekommen, der mir dezidiert sagte, Intercontinental
würde das Hotel nur mit österr. Firmen und österr. Kreditfinan-
zierung abwickeln. So überzeugt bin ich davon nicht, wohl aber
dass Bleich Interesse hat, dass Österreich dieses Projekt bekommt,
Die letzten wurden in den Oststaaten meistens von den Schweden,
Franzosen und anderen Ländern ausgeführt. Vorher hatte mich
schon Dir.Schneider von der CA angerufen und gesagt, er hofft,
dass dieses Projekt die Universale bekommt. Er hätte diesbezüglich
schon mit der ungarischen Nationalbank Fekete, diesen Direktor
kennt er angeblich persönlich sehr gut, diesbezügliche Vor-
gespräche geführt, um nicht zu sagen Vereinbarungen getroffen.
Rosak hat mir dann mitgeteilt, dass dieses Projekt zu 85 % aus
österr. Lieferanteilen, ja sogar die Bauarbeiter müssen nach Buda-
pest kommen, bestehen würde. Die Länderbank wird einen letter
of intent, wie Walter sagt, den Ungarn in kürzester Zeit geben.
Mir persönlich ist es natürlich ganz egal, welche der beiden
Firmengruppen dieses Hotel bauen wird. Entscheidend ist nur,
dass sie sich nicht so gegenseitig herunterlizitieren und letzten
Endes der lachende Dritte nur die Ungarn sind.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Freibauer verbinden.
Dr. Witt, Inhaber der Plastikfabrik Schmidberger, kam mit
seinen Fachverbandsekretären und Dir. Papst von der Chemie Linz,
um mit mir das Problem des Precyclings zu besprechen. Der Fach-
verband war aufgescheucht wegen meiner Erklärung, ich würde alles
dransetzen, die Einwegflaschen in Österreich zu verhindern, damit
nicht 5 Mia. Stück jährlich dann auf der Mülldeponie landen.
Witt meint, dass diese Ziffer, die Min.Rat Gröger errechnet hat,
falsch ist, denn in Frankreich gibt es nur für alkoholfreie
Getränke 5 Mia. Einwegflaschen und Frankreich ist doch wesentlich
grösser als Österreich. Allerdings glaubte er, dass man Kohlen-
säuregetränke wie z.B. Cola Pepsi, Vöslauer, Bier usw. derzeit
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nicht abfüllen könne, zumindestens wollte er mir dies ein-
reden. Ich habe aber dann sofort in einem Fachgespräch mit Papst
von Chemie Linz festgestellt, dass dieser sehr wohl zugeben
musste, dass die letzten Entwicklungen zwar noch teure
aber absolut von der Gesundheitsbehörde zulässige Flaschen er-
zeugen können. Mit Hilfe des Precyclings soll der Müll in ein
anderes Produkt verwandelt werden. Nicht so wie bei Glasflaschen
wieder in Glas sondern zu anderen chemischer oder baustoffmässiger
Verwendung. Der Fachverband war sehr froh, dass wir für die
Studie einen grösseren Betrag zur Verfügung gestellt haben, wunderte
sich aber, dass wir trotzdem im Handelsministerium gegen diese
Einwegflaschen sind. Der Fachverband musste allerdings selbst
zugeben, dass die Zweideziliter-Flaschen ein Unfug ist, die man
sogar verbieten soll. Den Fachargumenten konnte er sich nicht
verschliessen, meint nur, die 250 Industriebetriebe mit 12.000
Beschäftigten und die 300 Gewerbebetriebe mit 6.000 Beschäftigten
müssten auch eine Arbeitsmöglichkeit in Zukunft haben. Dies
habe ich niemals streitig gemacht, bin auch der Meinung, dass
wir kaum die jetzt in Einwegflaschen abgefüllten Produkte werden
verbieten können, möchte nur unter allen Umständen verhindern, dass
wir die grosse Masse von zusätzlichen Einwegflaschen, ganz egal oder
Plastik, Eisen, Alu in Hinkunft produzieren. Ich habe meiner
Meinung nach sogar im Interesse der Industrie gehandelt, als
ich zeitgerecht gewarnt habe und damit Fehlinvestitionen ver-
hinderte. Immerhin verbrauchen wir jetzt schon 60 kg Plastik
pro Kopf, in Deutschland sind es 80.
Im Vorstand der Lebensmittelarbeitergewerkschaft gab es nach
meinem Bericht eine interessante und aussergewöhnlich lange
Diskussion über die Laufzeit eines Vertrages. Die meisten Gruppen
bei uns haben die 12 Monate Laufzeit erreicht und möchte unter
allen Umständen daran festhalten. Längere Laufzeiten wie z.B.
bei den Molkereiarbeitern, 17,5 Monate, bringen ungeheure
Schwierigkeiten mit sich. Die Kollegen sind, obwohl es natür-
lich dann höhere perzentuelle Abschlüsse gibt, wenn ich
mir die Schwierigkeiten vorstellen, die wir bei der letzten Braue-
reilohnverhandlung gehabt haben, dann kann ich ermessen, wie wir
über diese neue Hürde hinwegkommen werden. Der ÖGB wird drängen
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und die einzelnen Gewerkschaften werden letzten Endes zu-
stimmen, dass wir längerfristige Laufzeiten akzeptieren müssen.
In einer kommenden Rezession wird es sehr schwer möglich sein,
diese jährlichen Abschlüsse durchzuziehen.
Der Druckerei-Firma Strouhal habe ich zum 100-jährigen Be-
stehen die Genehmigung zur Führung des Staatswappens überreicht.
Die Firma erklärte mir, Herr Strouhal platzt aus allen Nähten,
weshalb sie die Feier nicht im Betrieb durchführen konnten, sondern
in der Handelskammer am Hohen Markt. Die Belegschaft war zwar
eingeladen, aber ich hätte es viel lieber im Betrieb gemacht.
Da ich ihn dann gleich hätte besichtigen können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Staatswappen- und Ordensverleihungen
wenn irgendwie möglich stets im Betrieb unter Zuziehung der Beleg-
schaft überreichen.
Bei der Geburtstagsfeier für Benya am Kahlenberg ist dann
spät abends Walter, der Manager in Österreich von Wolff von
Amerongen erschienen, um mir mitzuteilen, dass die Fa. Anger
jetzt saniert werden müsste, und auch könnte. Wolff von Amerongen
würde sich nach Prüfung dazu entschliessen, einen Teil des
Aktienpaketes dieser Brillenfirma zu erwerben. 40 % hat jetzt
ein Deutscher DERR, der es um 20 Mill. DM an Wolff von Amerongen
und der Deutschen Bank verkaufen möchte. Das Hauptproblem liegt dar-
in, dass die Firma Anger kurzfristig 10–17 Mill. DM für Lohn-
zahlungen braucht. Walter hat derzeit einige Produktions- und
Handelsfirmen in Österreich u.a. die Skibindungsfabrik
SUWE. Mit Hile , der Vertriebsorganisation Anger, glaubt er nun,
dass er Carrera-Vertrieb dafür verwenden könnte. Im nächsten
Jahr hat die Wolff-von-Amerongen-Gruppe einen Umsatz von 300 Mill.
ein Stammkapital von 35 Investitionen aber von 53 Mill. S vorge-
sehen. Ich kenne mich bei Walter, der mir von Vranitzky, CA,
empfohlen wurde, nicht aus. Auf der einen Seite will Walter
scheinbar die CA von Anger ausspannen, auf der anderen Seite
wurde er mir von CA empfohlen. Strengst vertraulich ersuchte er
mich, ich sollte vermitteln, dass er mit Gen.Dir. Flöttl, BAWAG,
Kontakt bekommt. Dies habe ich ihm zugesagt, er wird mir eine
notwendige Information schriftlich schicken. Da Flöttl bei der
Geburtstagsfeier Benyas ebenfalls anwesend war, habe ich ihm
unter vier Augen über dieses Gespräch informiert.
Zur Geburtstagsfeier war auch der erblindete Vizekanzler
Pittermann von seiner Tochter geführt, gekommen. Ich habe
mich sofort an seinen Tisch gesetzt, obwohl ich vorher schon
mit Kienzl und Fischer, Blecha vereinbart habe, dass wir
uns an einen Tisch zusammensetzen. Ich brachte er nicht übers Herz
ihn mit irgendeinem womöglich Wildfremden dort sitzen zu lassen.
Die paar Stunden, die ich mit ihm geplaudert habe, waren nicht
nur sehr interessant sondern auch sehr unterhaltsam. Unwahrschein-
lich, welche geistige Kapazität dieser Mann gewesen ist und wie
soweit nicht seine Gehirnfunktion gestört ist, er noch immer
diesen Esprit besitzt. Die Festansprachen waren typisch. Firnberg
einleitend hat alle herzlichst begrüsst, auch der Bundespräsident
war erschienen und Benya sehr herzlichst gratuliert. Sekanina
für die soz. Gewerkschaftsfraktion, die ja gemeinsam mit der
Partei eingeladen hatte, meint, er wird kurz sein, hielt dann eine
seiner üblichen langwierigen ein wenig geschwollenen Reden.
Besonders verwies er natürlich darauf, was er alles Benya
verdankt. Jede Rede Sekanina ist immer: Ich-bezogen. Der wirkliche
Höhepunkt der Festansprachen war einmal mehr Kreisky. Er analysierte
die Aufstiegsmöglichkeit eines Arbeiters bis in die höchste Stellung
des Staates. Für die, die Detailinformationen hatten, hatte er sogar
über die Auffassungsdifferenz zwischen Benya und ihm eben
derzeit wo Kreisky sich um die Parteiobmannstelle gegen Pittermann
beworben hat, sehr geschickt angedeutet und erklärt. Zum Schluss
dann das ehrliche Bekenntnis, dass noch niemals zwischen Gewerk-
schaft und Partei ein so inniges Verhältnis bestanden hat.
Dies kann ich wirklich bestätigen, denn ich weiss über die
Differenzen seit 1945. Bei der Antwort Benya zeigte sich dann,
wie in Wirklichkeit der Toni ein batzweicher Mann ist. Wenn er
hart spielt, dann wirklich nur manchmal aus einer Situation
heraus, wo er glaubt, gar nicht anders handeln zu können.
Im Grunde seiner Seele ist er ein konzilianter und ausge-
sprochen gefühlsbetonter Mensch. Insbesondere als er auf die
Bedeutung und Mitwirkung seiner Frau in seinem bisherigen Leben
zu sprechen kam, übermannten ihn derartig die Tränen, dass er
kaum weiterreden konnte. In jedem Menschenleben gibt es Phasen,
die ein Aussenstehender vielleicht erklären, aber niemals mit-
fühlen kann. Für Benya dürfte in seinem persönlichen Leben seine
Frau, die er in der ersten Republik schon heiratete und ihn
dann zeitweise, wie er sagte, selbst erhalten musste, als er arbeits-
los war, eine grosse Rolle gespielt haben. Richtig ist, dass
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beide ihre natürliche Einfachheit Gott sei Dank erhalten
haben. Auf die Notwendigkeit, dass sich Arbeiterführer, Sozialdemo-
kraten ganz besonders ihrer Herkunft immer erinnern und nicht
bürgerliche Allüren annehmen, hat Benya in seiner Rede einige
Male angespielt. Für einige im Saal hätte das müssen eine
heilsame Lehre und Erkenntnis sein. Für mich war es mehr
denn je eine Bestätigung für meine bisherige Politik und Auftreten
in der Politik seitdem ich mich damit befasse. Nämlich so zu
bleiben, wie man ist. Dass das Ist allerdings verändert wird,
durch die Tätigkeit in der Politik, glaube ich, muss ich schön
langsam allerdings auch zu Kenntnis nehmen. Auch Benya hat einen
grossen Wandel mitgemacht. Bis jetzt allerdings glaube ich wirklich
sagen zu können, zu seinem Vorteil und zum grossen Nutzen der
Arbeiterorganisation. Allerdings kann ich mich auch in dieser
Beziehung vielleicht sehr irren. Oft glauben Bekannte und Freunde,
dass man in der Position, in der man ist und in der Politik, die
man macht, eine Erfüllung einer Idee zu suchen ist. Wer weiss aber
wirklich, ob dies stimmt. Vielleicht liegen wir von der Erfüllung
einer Idee oft viel weiter entfernt als wir glauben oder als
wir es uns einreden. Niemand kann dies allerdings beurteilen
als dann die nachfolgenden Geschlechter, wäre vielleicht zu viel
gesagt, sicher aber die unmittelbaren Nachfolger. Wir können nur
hoffen, dass wir den richtigen Weg gehen.
Tagesprogramm, 6.10.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)