Samstag, der 6. November 1976

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Samstag, 6. November 1976

Die 100-Jahr-Feier LENHART Wien Simmering, die Eröffnung der neuen
Betriebsstätte und die Übergabe des Staatswappens, war, wenn man
so will, eine dreifache Feier. Es waren zwar über ein halbes Dutzend
Festredner, da aber Samstag war, herrschte eine Bombenstimmung
auch bei den versammelten Arbeitern. Das grösste Geschenk brachte
Stadtrat Mayr, er erklärte, er hat heute ihnen die freudige Mit-
teilung zu machen, dass sie einen weiteren Auftrag für 2,5 Mill. S
bekommen und hatte dann noch einen besonderen Gag. Die Betriebsstätten
in Wien werden durch die Gemeinde entsprechend subventioniert.
Durch eine für die Firma günstige Rechtsauslegung konnte er nun
einen Baukostenzuschuss von weiteren fast 500.000 S zugestehen. Er
hatte den Vertrag mitgenommen und feierlichst am Rednerpult unter-
zeichnet. Genau dasselbe in der Gemeinde wie beim Bund. Wer Geld hat
schafft an und kann sich auf der einen Seite natürlich immer be-
liebt machen. Auf der anderen Seite allerdings kann er durch die
Ablehnungen durch entsprechende Einnahmenerhöhungen usw. von diesem
Positiv-Image auch etwas verlieren. Wenn ein Finanzreferent nicht
eine sehr geschickte Politik macht, so überwiegt glaube ich trotz
der ungeheuren Möglichkeiten, die er hat, das negative Image.
Wie kein anderer Minister oder Stadtrat ist er von der allgemeinen
Wirtschaftslage abhängig, da diese bis jetzt gut war, ist auch
für die Finanzleute alles verhältnismässig gut gelaufen. Bei
einem Minister bei einer solchen Veranstaltung ist schon allein
die Anwesenheit für die Firma und die Belegschaft eine Auszeichnung.
Da ich dann noch das Staatswappen überreichte, hatte ich auch
eine sehr gute Stimmung und der Schmäh ist glaube ich auch
sehr gut angekommen.

Mit Stadtrat Mayr besprach ich den Wunsch von Ruthner auf dem
WIG-Gelände neben dem alten Ruthner-Turm auf dem Bierzelt-Platz
ein neues Demonstrationsprojekt aufstellen zu dürfen. Stadtrat
Mayr wird mit Gartenbaudirektor Auer diesbezüglich am Montag
sprechen. Ich setzte Mayr auseinander, dass für die Exporte in
die arabischen Gebiete ein solches Demonstrationsprojekt ungeheuer
wichtig wäre. Würde dieses z.B. schon jetzt bestehen, wäre es
für Ruthner leichter, den Libyen-Auftrag zu bekommen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Auer und Ruthner dann Kontakt
aufnehmen.



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Beim Empfang der amerikanischen Botschaft für die 12 Senatoren
wegen der Verbreitung von Nuklear-Material traf ich Dir. Nentwich
vom Atomkraftwerk Tullnerfeld. Ich habe ihn sofort mit der Frage
konfrontiert, dass sie neuerdings aus dem Zeitplan: Beginn Winter
1977/78 abweichen. Er hat auf Grund dieser Attacke mir sofort zu-
gegeben, dass frühestens Mitte des Jahre 1978 der Betrieb beginnen
könnte. Die KWU wird mit den österreichischen Methoden, die sich
von den deutschen doch grundlegend unterscheiden, nicht fertig.
Der technische Überwachungsverein TÜV in Österreich verlangt jetzt
entsprechend genaue Spezifikation aller eingebauten Anlagen und
nachher eine entsprechende Überprüfung. Das Gesundheitsministerium
wieder verlangt von ihnen, bevor sie ihnen auch nur die Null-Ladung
zulässt, dass die GKT einen Wiederaufbereitungsvertrag nachweisen
muss. Ein solcher existiert noch nicht und kann nach Meinung von
Nentwich frühstens in ein paar Jahren wirklich vorgelegt werden.
Für die Endlagerung besteht derzeit überhaupt noch keine endgültige
Meinung. Nentwich teilte mir auch mit, dass die Gesellschafts-
organe der KKWP, der GKT, der GKS äusserst unzulänglich arbeiten.
Dies ist mir nichts Neues, neu war für mich nur, dass er auch
bezüglich der neuen Konstruktion, dass in allen diesen drei
Gesellschaften mehr oder minder dieselben Organe nämlich 6 Personen
dann in Hinkunft tätig werden sollen, auch keine optimale Lösung
darstellt. Nach Nentwich wird es immer wieder zu einer schwerfällig
arbeitenden Konstruktion kommen. Ich fragte Nentwich, ob man schon
versucht hat, die Aufarbeitung, reprocessing in der SU unterzu-
bringen. Nentwich erwiderte, er hätte seinerzeit in seinem Auf-
sichtsorgan in einem anderen Zusammenhang die SU erwähnt. Gen.Dir.
Gruber von der NEWAG hätte ihm damals sofort erklärt, dies gehe
ihn erstens nichts an und zweitens verstehe er es nicht. Er hätte
durchzuführen, was eben die Gesellschafter beschliessen. Von seiten
der NEWAG hätte man eben eine andere Politik vor. Ich bin nicht
so überzeugt, ob Gruber heute auch noch derselben Meinung ist, nach-
dem sich herausstellt, dass mit westeuropäischen Firmen keine
Verträge derzeit abzuschliessen sind. Das Gesundheitsministerium
verlangt aber nach wie vor, bevor es auch nur die Nulladung zulässt
einen vorliegenden Reprocessing-Vertrag.

ANMERKUNG FÜR WAIS:, Vielleicht könnte, ohne dass wir in Erscheinung
treten, recherchiert werden, wie heute die Meinung der Gesellschafter
zu einer Verarbeitung in der SU ist.



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Lotte Profohs hat ihre Graphiken im Interform am Luegerplatz
ausgestellt und es war ein riesiger Besuch. Gekauft wurde glaube
ich aber nichts. denn ein Stück kostet 40.000 S, für österr. Ver-
hältnisse doch ein exorbitant hoher Preis. Leherb hat nachher einen
Kreis "bedeutender Männer" zu sich am Franziskanerplatz geladen.
Natürlich sind alle gekommen, weil sie sich schon für die Glasbadewanne
vom normannischen Kleiderschrank, dem Filmschauspieler Jürgens inter-
essierten. Leherb erzählte mir, die Wohnung war reinster Kitsch, alles
Pappmaschee und er hat sie erst jetzt richtig künstlerisch und ich
glaube auch zweckmässig ausgestattet. Das Haus am Franziskaner-
platz hat auch ein Restaurant, welches Lotte Profohs jetzt betreiben
möchte. Ich versprach ihr, mit Komm.Rat Fröhlich über die Konzession
zu verhandeln. Profohs glaubt, da ich Handelsminister bin, kann ich
alles selbst entscheiden. Ich setzte ihr auseinander, dass ich maximal
in der Berufungsinstanz angerufen werde. Soweit wollen wir es aber
gar nicht kommen lassen.

ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte mit Fröhlich und dann mit
Profohs klären, wie wir da am besten vorgehen.

Adlmüller, der gerade von einer Reise aus London zurückgekommen ist.
erzählt mir, welch verheerenden Eindruck diese Stadt und ganz Britan-
nien jetzt auf ihn macht. Die Leute sind dort richtig deprimiert
weil Charterflüge aus Deutschland, jetzt schon aber auch aus Österreich
kommen um dort alles zusammenzukaufen, was nicht niet- und nagelfest ist.
Durch die Pfund-Abwertung werden jetzt immer mehr Propagandaflüge
von Reisebüros gestartet. Dieser Einkauf, sagte ich Adlmüller wird die-
selbe Wirkung haben wie 1938 in Österreich als die Deutschen mit
ihrer DM kamen und durch den schlechten Umrechnungskurs in Österreich
billigst einkaufen konnten. Ausserdem gab es damals bei uns noch
Warne, die sie schon jahrelang nicht mehr kannten. Adlmüller meinte,
dies sollte man abstellen, ich weiss dafür allerdings keine Möglichkeit
ohne dass man den Reiseverkehr mit entsprechenden Visa wieder regeln
müsste. Diesen Zustand kann sich England beim besten Willen nicht
leisten. Da es sofort auf dasselbe Niveau wie die Oststaaten zurück-
fallen würde. Adlmüller erzählte auch von der Arbeitsmoral und von
der Einstellung der Unternehmer in Grossbritannien. Ich verglich die
Situation in England mit der Österreichs nach Zusammenbruch der
Monarchie. Damals hat niemand in Österreich geglaubt, dass dieses
kleine Land leben kann. Jetzt ist das britische Empire zusammengebrochen


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und die Engländer können auch noch nicht verstehen, dass diese
Zeit endgültig vorüber ist. Hoffentlich muss Grossbritannien
nicht dieselben schlechten Erfahrungen und Zeiten mitmachen
wie dies Österreich erleben musste.

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Tagesprogramm, 6.11.1976


Tätigkeit: Modeschöpfer


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