Mittwoch, 29. September 1976
Der tunesische Staatssekretär im Verteidigungsministerium
Bennour wird von österr. Militärs betreut und von drei hohen
Offizieren sehr Wehrmacht begleitet. Er erzählte mir, dass sie
beabsichtigen, mit Österreich eine gemeinsame Munitionsproduktion
und gegebenenfalls auch leichte Waffenproduktion in Tunesien auf-
nehmen. Auf eine Art von Kooperation, die sogar, davon bin ich
überzeugt, eher zustandekommen wird als eine wirtschaftliche.
Tunesien hat allerdings eine verhältnismässig sehr schwache
Wehrmacht gegenüber Algerien und ganz zu schweigen gegenüber Libyen.
Bennour meinte, ein sozialistischen Staat wie Tunesien könnte
beispielgebend für die anderen afrikanischen Staaten sein, die
ebenfalls seiner Meinung nach militärmässig stärker zusammenarbeiten
werden. Als Übersetzer, da er französisch spricht, hat das österr.
Militär einen Offizier gehabt, der phantastisch Französisch kann und
mir nachher auf meine Frage mitteilte, er hätte eine vollfranzösische
Matura. Lütgendorf hat wirklich eine ungeheure Chance auf manchmal nur
die kurze Zeit, nämlich nur die Pflichtwehrmachtszeit, auf ungeheure
Kapazitäten zurückzugreifen. Nicht nur fremdsprachige sondern auch
sonst best ausgebildete Österreicher stehen ihm zur Verfügung. Die
sind heilfroh, wenn sie nicht Truppendienst machen müssen sondern
für Spezialarbeiten herangezogen werden. Aus diesem Grund hat auch
in der Stiftskaserne das Militär Grundsatzabteilungen bestückt mit
Pflichtdienern, die für alle denkbar möglichen Arbeiten herangezogen
werden. U.a. werden aus ökonomischen Büchern Kurzfassungen gemacht,
die gewissen Dienststellen aber auch Einzelpersonen zur Verfügung
gestellt werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Wie weit können wir hier gewisse
Arbeiten machen lassen?
Präs. Riemsdijk von Philips, Eindhoven, bekam einen ungeheuer hohen
Orden. Er hat sich um den Ausbau der österr. Philips sehr verdient
gemacht und dieser Ordensgrad, den kaum ein Beamter erreichen kann,
und das sagt etwas, wird sicherlich dazu beitragen, dass er weiterhin
Österreich besonders protegiert. Riemsdijk glaubt, dass das Grund-
übel der Weltökonomie die Inflation ist. Interessant für mich war,
dass er nicht die Beschäftigungslage, nicht die Jugendarbeitslosigkeit,
die er allerdings dann auf mein Vorhalten nicht leugnete und schon
als bedenklich bezeichnete, an die Spitze stellte. Eindeutig ver-
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sicherte er mir, dass der soziale Friede mit ein wesentlicher
Entscheidungsgrund war, nach Österreich die neuen Produktion zu legen,
wie z.B. Farbfernsehröhren, Werk Lebring.
Gen.Dir. Bauer berichtete mir, dass er mit Sekt.Chef Frank
eine sehr harte, aber dann doch freundschaftlich endende Aussprache
gehabt hat. Er will, wie er sich ausdrückt, mit dem Handelsmini-
sterium gut auskommen und wird deshalb alles tun, um Frank mehr oder
minder zufriedenzustellen. Frank steht auf dem sturen Standpunkt,
dass wenn ihm ein Gesetz die Möglichkeit gibt, das Unternehmen
zur Auskunftserteilung usw. zu veranlassen, dann nützt er dies.
So etwas war die ÖMV bis jetzt nicht gewöhnt. Bauers System
bestand bis jetzt darin, unverbindliche Gespräche zu führen,
beispielsweise erklärt er, von den Investitionsmitteln für
Uran-Prospektion und Exploration 15 Mill. für Kupferbergbau
Mitterberg zur Verfügung zustellen. Frank möchte aber eine genaue,
detaillierte und vor allem einmal wesentlich grössere Summe nicht
nur für Mitterberg, sondern für ganz Österreich vereinbaren. Ein
anderes Beispiel ist das Problem der Gasleitung WAG. Hier möchte
Frank Zusicherungen wegen der über Deutschland führenden An-
schlussleitungen für Westösterreich. Die ÖMV möchte hier immer
variabel und alle Möglichkeit offen haben, keine konkreten
Zusagen machen und keine konkreten Informationen geben. Das dritte
Beispiel ist Lannach. Dort wird jetzt ein 500.000 m³ Rohöl-
und Produktenlager errichtet. Bauer erwartet eventuell Schwierig-
keiten mit den örtlichen Naturschützern usw. Auch hier aber noch
keine konkreten Informationen sondern nur der Hinweis, das Handels-
ministerium und ganz besonders ich sollen die ÖMV unterstützen.
Ich werde dies sicherlich tun, bin auch gar nicht persönlich
so interessiert, Detailinformationen zu bekommen. Frank aber steht
glaube ich sogar zu recht auf dem Standpunkt, als Genehmigungs-
behörde, wobei er dieses Wort sehr extrem auslegt, und alles mehr
oder minder in der Energiefrage genehmigen will, muss vorher,
d.h. also zeitgerecht und in allen Details informiert werden.
Und sogar Genehmigungen dort geben, wo die Rechtslage sehr um-
stritten ist.
LH Lechner, Stellvertreter Haslauer und Steinocher verhandeln
mit den Repräsentanten von Mühlbach und Kreisky, Androsch, Häuser,
Lanc und mir sowie einigen Beamten über die Stillegung des Kupfer-
bergbaues. Kreisky schildert vorerst, was alles unternommen wurde
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um zu klären, ob der Kupferbergbau nicht doch noch rentabel
geführt werden könnte. Lechner kam zu spät, hörte diesen Teil
nicht und replizierte gleich sehr demagogisch. Wenn die Bundes-
regierung beschliessen sollte, dass Mühlbach geschlossen wird,
obwohl in diesem Raum, d.h. im Kanzleramt 1968 der Beschluss
gefasst wurde, Mühlbach nicht zu schliessen, dann müsse er dies
mehr oder minder mit Bedauern zur Kenntnis nehmen und er möchte
jetzt gleich die Folgen davon aufzählen. Kreisky replizierte
sehr geschickt, wenn man demagogisch an dieses Problem heran-
gehen wollte, dann würde er den Bergarbeitern sofort sagen, dass
man die Millionen und Abermillionen, die man benötigt, eventuell
aus der Förderung der Salzburger Festspiele vom Bund durch
ein Virement zur Verfügung stellen könne. Mich hat ganz be-
sonders aufgeregt, dass Lechner behauptete, die Belegschaft sei
verunsichert, weil man nicht genau wüsste, nach welchen Gesichts-
punkten sie letzten Endes gekündigt und in andere Betriebe über-
stellt würden und vor allem die Fremdenverkehrs-Projekte nach Ge-
heimplänen vergeben werden. Ich attackierte deshalb Lechner sehr
hart, er solle sehr konkret sofort sagen, um welche Geheimpläne
es sich dabei handelt. Lechner bekam von Haslauer ein Blattel
Papier zugeschoben und meinte dann, die Gemeinde Mühlbach
hätte der Gemeindevertretung Mitterberg scheinbar jedwede Unter-
stützung vorenthalten resp. Pläne dort nicht akzeptiert,
weil alles Geld für das Schneeberg-Gebiet, das der Mühlbacher
Gemeinde näherliegt und aufgeschlossen werden soll, reservieren
möchte. Lechner stellt es also so dar, dass dann nicht Einzel-
betriebe, wohl aber die rote Gemeinde Mühlbach, ohne dass er
natürlich dies sagte, der schwarzen Gemeinde Mitterberg keine
Chancen geben möchte. Haslauer hat die Wünsche der Landesregierung
im Detail mitgeteilt. Primär geht es darum, die Schliessung
so lange wir möglich hinauszuziehen, das lurgihydrometallurgische
Verfahren weiterhin zu betreiben, die Uranprospektion zu be-
ginnen, den Bergbau nur einmotten, den Fremdenverkehr – Seilbahn
und Lifte 60–80 Mill. für den Schneeberg, 50 Mill. für die
Erschliessung des Hochkeilgebietes bereitzustellen. Darüber
hinaus würden 25 Betriebe des Fremdenverkehrsgewerbes und Privat-
zimmer 200 bis 250 Mill. S brauchen. An Ersatzbetrieben hat
das Land eine Wiener Plastikfirma, 30 Arbeiter als erste Etappe
100 Arbeiter dann im Juni 1977 eine Münchner Elektro-Klima-
anlage mit 20 Arbeitern 1. Etappe und 50 Beschäftigten endgültig,
die in Mühlbach sich ansiedeln möchten. In Mitterberg, eine
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Salzburger Firma – Anlagen und Kräne mit 80–100 Beschäftigten
und eine weitere aus Köln. Das Hauptproblem aber ist, dass die
Hauer bis 80.– S pro Stunde verdienen und natürlich jetzt
kaum in neuen Betrieben auch nur annähernd diesen Lohn erhalten
werden. Der Sozialplan müsste nach Meinung Haslacher wesentlich
besser gestaltet werden als der für die Fohnsdorfer. Die Firma
Armaturen Seidl käme nicht in Frage, weil diese erklärt hat,
sie möchte keine grundbücherlichen Belastungen auf ihrem neuen
Gebäude und Grundstücken in den neuen Betrieb, um gewisse
Kreditabsicherungsmöglichkeiten für das Stammhaus offen zu halten.
Wenn die Beschäftigten 38 nach der österr. Schacht- und Tief-
bauunternehmen, 40 zur Sakog, 18 in Pension gehen, müsste es
möglich sein, die restlichen in Betrieben unterzubringen. Ein
Hauptproblem stellt die Frage der Schliessung oder der Einmottung
dar. Die ÖIAG, Grünwald, meint, das Aufschliessen eines neuen Be-
triebes käme billiger, als wenn man jetzt Jahre oder Jahrzehnte
lang eine gewisse Bauhafthaltung mit 17 Arbeitern und einigen
Angestellten jährlich 9 Mill. S betreibt. Kreisky entschied dann,
man soll untersuchen, eine rasche und kostengünstige Wiederin-
betriebnahme und die optimalste Lösung dann vorschlagen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Sterk soll eine technisch vielleicht nicht
ganz einwandfreie Variation, die weniger kostet, suchen.
Die Besprechung mit Avram ergab, dass sie insbesondere über die
Kreditbedingungen genauere Informationen wünschen. Die Verhand-
lungen für das Protokoll sind deshalb wieder ins Stocken geraten
und können nicht endgültig abgeschlossen werden. Ich hatte
nach Rücksprache mit Kreisky und Androsch dezidiert erklärt, dass
die 2 Mia. S Kredit für Exporte zur Verfügung gestellt werden,
die Bedingungen noch im Detail besprochen werden müssen. Ich
selbst erklärte immer wieder dezidiert, dafür nicht kompetent zu
sein und daher auch keine verbindlichen Zusagen machen zu können.
Beim Bundespräsidenten wurden Androsch als Vizekanzler und Kreisky
als Aussenminister, Leodolter als Sozialminister und ich als
Ackerbauminister, wie ich selbst sagte, angelobt. Kreisky wollte,
um von null Uhr, Freitag, bis zur endgültigen Angelobung der neuen
drei Minister um 10 Uhr nicht die alten Minister lassen, weil
ansonsten diese den Oktobergehalt bekommen müssten, niemand wird
allerdings dies verstehen, auch dann, wenn der Bundespräsident
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erklärte, er hätte eine diesbezügliche Aussendung bereits vorbereitet.
Tatsache ist aber, dass – wie mir der Kabinettsdirektor sagte –
nur der Gehalt von Bielka erspart wird, denn Häuser und Weihs
bekommen durch ihre langjährige Tätigkeit als Minister und
Abgeordnete als Pension beide zusammengerechnet dasselbe
wie als aktiver Minister. Trotzdem war die ganze Aktion glaube ich
vom Standpunkt der Sparsamkeit der Regierung ganz gut. Für mich
aber gab es die Gelegenheit, dort als Gag zu sagen, jetzt
habe ich den höchsten Politikergipfel erreicht, ich bin, wenn
auch nur auf 10 Stunden, Ackerbauminister.
Im Managementklub, den die Zentralsparkasse protegiert, weil sie
dadurch hofft, Kunden zu bekommen, berichtete ich wie Wanke mir
nachher mitteilte in altgewohnter schneller Art. Dieses Feuerwerk
hat angeblich sehr imponiert und ist mir eigentlich sehr leicht
gefallen. Was ich brauche, sind einige Ziffern, ich hatte noch un-
veröffentlichte über die Lebenshaltungskosten September 7,1 % nur
die Exporterfolge August 44 % Steigerung, die Budgetziffern Defizit
43 Mia., d.h. also einige mit tatsächlichem Neuigkeitswert und
schon kann man natürlich etwas sehr aktuell und interessant gestalten.
In der Diskussion melden sich ein halbes Dutzend mit spezifischen
betrieblichen Problemen. Natürlich betrachteten sie diese ausschliess-
lich vom Unternehmerstandpunkt. Meine Contra-Argumente waren daher
leicht zu finden, da ich mich ja niemals gegen den betriebswirt-
schaftlichen Gesichtspunkt wendete, sondern nur den gesamtwirt-
schaftlichen ergänzte. Dass die Regierung dann im konkreten Fall
die Entscheidung natürlich nicht nach den betriebswirtschaftlichen
für den Einzelunternehmer sondern gesamtwirtschaftlichen Gesichts-
punkt die Entscheidung fällt, hat sogar dort zumindestens insofern
Verständnis gefunden, als nicht neuerdings dann dagegen polemi-
siert wurde. Überhaupt komme ich immer mehr drauf, dass man Debatten
mit Gegnern so leichter führen kann, wenn man seine von seinem Stand-
punkt absolut richtige konkrete Forderung, die natürlich immer betriebs-
wirtschaftlich begründet ist, gesamtwirtschaftlich ergänzt, Man braucht
also gar nicht unbedingt erklären, dass seine Meinung falsch ist,
sondern eben nur den Entscheidungsgrund vom gesamtwirtschaftlichen
Standpunkt hat erörtert und erklärt. Mit dieser Methode kann ich
mich über die schwierigen Entscheidungen und Vorschläge anderer
Ressorts, die natürlich sei es vom Finanzministerium oder vom Verkehrs-
ministerium schwere Belastungen der Unternehmer mit sich bringen,
hinweghelfen.
Tagesprogramm, 29.9.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)