Samstag, der 29. November 1975 bis Sonntag, der 30. November 1975

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Samstag, 29. und Sonntag 30. Nov. 1975

Die Verbundgesellschaft hat seit Jahren Schwierigkeiten wegen Be-
schaffung einer neuen Zentrale. Ich hatte bereits vor Monaten unsere
Fraktion gewarnt, dass sie ein allzu aufwendiges Gebäude errichten
sollten. Der Neubau ist angeblich notwendig, weil der Lastverteiler
nicht mehr Am Hof nach modernen Grundsätzen errichtet werden kann.
Der für den Bau zuständige Direktor Zach hat, wie ich nun erfahren
habe, eine CV-Verbindung zur PORR AG ausgenützt und diese schlägt
die Platte über den Bahngrund auf der Landstrasse vor. Bereits der
seinerzeitige Generaldirektor Witzmann wollte diese Platte irgendwie
verwerten. Es ist ihm aber nie geglückt, weil die Kosten zu hoch waren.
Ich selbst habe mich, obwohl er ein Genosse ist, niemals dafür ein-
gesetzt, als Landstrasser Obmann hätte ich allerdings grösseres
Interesse dafür zeigen müssen. Niemand aber kann, wenn er dafür
verantwortlich ist, diesen teuren Platz und vor allem einmal die ständige
teure Miete an die Bundesbahn vertreten. In Architektenkreisen erzählt
man, wie mir Czernin bestätigte, dass Dir. Bauer von der PORR AG eben-
falls ein CV-ler, die Verbund sich dafür schon endgültig entschieden
haben soll. Ich habe deshalb unverzüglich mit Erbacher verhandelt.
Erbacher wieder erklärt, dass die Belegschaft von der Verbundgesell-
schaft sehr für diesen Platz plädiert. Der Vorteil für die Beschäftigten
wäre, dass er zentral gelegen ist. Die Belegschaft erwartet aber, dass
entsprechende Parkplätze, die dann in ebener Erde im Haus geschaffen wer-
den müssten und auch sonstige Sozialräume, wie Sauna, Gesellschaftsräume
usw. gebaut werden müssen. Schon allein aus diesem Grund kommt meiner
Meinung nach dieser teure Platz nicht in Frage. Erbacher selbst plädiert
für den Landstrasser Gürtel, wo einmal die Technische Hochschule auch hin-
kommen soll. Die ganze Baupolitik ist in Wirklichkeit ein Wahnsinn.
Wenn man so überlegt, nach welchen Gesichtspunkten oft Neubauten er-
richtet werden, wie Querverbindungen meistens, sei es CV oder auch auf
der anderen Seite, persönliche Wünsche und Möglichkeiten ausschlag-
gebend sind und dann Verbindungen eine Rolle spielen, so kann man
sich nur wundern, wie hier wahrscheinlich oft gar nicht zweckmässig
Bauten errichtet werden. Nur weil die Verbund einen neuen Bundeslast-
verteiler braucht, wird ein irrsinnig teures Zentralgebäude in der
Stadt errichtet. In Wirklichkeit könnte die Verbundgesellschaft irgend-
wo einen billigen Baugrund mit grossem Parkplatz, der nicht im Haus
sein müsste, weil eben der Grund entsprechend billiger ist, verkehrs-
mässig günstig gelegen irgendwo an der Peripherie errichten.



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ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte kläre den Bau der Verbundzentrale
und verfolge ihn genau.

Die ungarische Gewerkschaftsdelegation zeigt mir deutlich, dass
dort weniger entscheidend ist, ob jemand wirklich aus einer Gewerk-
schaftsbewegung herauswachst sondern eben wie ich vermute, zu
solcher Arbeit mehr oder minder kommandiert wird. Der Leiter ist ein
Universitätsprofessor, der auf der Bodenkultur gearbeitet hat, ein
zweiter ist in der Kultur lange Zeit tätig gewesen als höherer Funktionär.
Ich unterhalte mich ganz besonders über ihre wirtschaftliche Situation
und über die Möglichkeiten, wie wir den ungarisch-österreichischen
Export verbessern. Der Leiter kennt einige Funktionäre der Export-
organisationen und meint, der Hauptgrund liege in der schlechten
Organisation bei ihnen. Andererseits aber ist er so gut informiert,
dass er auch darauf hinweist, dass die Zollbelastung Österreichs
doch jetzt auch schon eine grosse Rolle spielt.

Durch den Zuckerexport 75.000 t wird die ungarische Zahlungs-
bilanz mit wieder fast einer halben Milliarde Schilling belastet.
Die Ungarn können sich die schlechte Zuckerausbeute bei ihnen kaum
erklären. Richtig ist, dass sie mehr Flächen angebaut haben wie
wir und trotzdem weniger Zucker produzieren. Der Professor meinte,
sie hätten vor Jahren bereits eine Lizenz für einen modernen Zucker-
kocher an Amerika verkauft. Jetzt würden sie aus Polen eine Zucker-
fabrik beziehen, die letzten Endes auf demselben Lizenzgedanken auf-
gebaut ist wie die, die die Ungarn nach auswärts verkauft haben. In
ein paar Jahren soll die Zuckerfabrik endgültig zu arbeiten beginnen,
da die Polen im Verzug sind. Das jetzige Ergebnis ihrer Politik
besteht darin, dass sie Zucker in grösseren Mengen importieren
müssen und um den Verbrauch einigermassen zu drosseln jetzt den
Zuckerpreis um 50 % erhöhen werden. Der Nachteil ihrer bisherigen
Politik bestand primär darin, dass sie sich eben um die Konsumgüter-
industrie zu wenig gekümmert haben.

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Tagesprogramm, 29./30.11.1975




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    Tätigkeit: Architekt


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      Tätigkeit: GD Verbund


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        Tätigkeit: Vorstand Verbund


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