Sonntag, den 27. April 1975
Vor der Sondersitzung des Ministerrates hat mich Broda beglück-
wünscht, dass ich auf dem Landesparteitag alle Stimmen bekommen
habe. Gratz hat um eine Stimme weniger gehabt, und da ich der
einzige mit allen Stimmen war, ist dies natürlich aufgefallen.
Zum Glück hat einer eine ungültige Stimme abgegeben, sodass ich
erklären kann, diese ist von mir. In Wirklichkeit ist es nämlich
blamabel, wenn man sich selbst wählt. Ich selbst habe aber noch
niemals Streichungen vorgenommen. Ich weiss, wie schwierig es für
eine Wahlkommission ist, einen einvernehmlichen Wahlvorschlag
zustande zu bringen. Diesmal war es sicherlich sehr leicht, weil
fast überhaupt keine Streichungen erfolgt sind, ausser bei Hof-
mann. Mein Argument war aber immer, wenn man eben nichts macht, mit
niemandem streitet, mit niemandem diskutiert und sich nicht in den
Vordergrund spielt, dass man dann auch meistens ungeschoren davon
kommt. Auf alle Fälle ist für mich so ein Wahlvorgang überhaupt nicht
aussagekräftig und ich war daher sehr erstaunt, als Broda und mich
auch andere ansprachen und mir gratulierten. Dazu ist wahrlich
gar kein Grund vorhanden.
Mit Bielka besprach ich die Absicht der Iraner zur Festspielzeit
nach Österreich zu kommen und Bielka erwidert sofort, dies sei
die Auffassung von SChef Gatscha. Dieser hätte in Teheran schon
immer wieder den Iraner einreden wollen, sie sollten zu dieser Zeit
kommen. Die Iraner aber möchten tatsächlich zu Geschäftsabschlüs-
sen und konkreten Verhandlungen nach Österreich kommen, haben aber
leider, wie Bielka selbst zugab, erst ab Mitte Juli Zeit. Keinesfalls
handelt es sich aber bei diesem Besuch um ein Sightseeing oder
gar Salzburg-Festspieltour. Ich erklärte aber Bielka, wenn die
Iraner eine solche Kombination wollen, bin ich auch bereit diese
zu organisieren.
ANMERKUNG für BUKOWSKI: Bitte kläre, ob die Iraner tatsächlich dies
wollen.
Der Sonderministerrat und die Kranzniederlegungen waren im üblichen
Rahmen. Die KZ-Verbände und Widerstandskämpfer hatten dann zu einem
Schweigemarsch von der Gedenkstätte im ehemaligen Hotel Metropol
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zum Parlament eingeladen, nur hatte ich wahrscheinlich gar nicht
zugesagt und wusste daher auch von diesem Marsch nichts. Ich hätte
aber auch gar keine Zeit gehabt daran teilzunehmen, weil ich den
Betriebsräten von Eskimo-Iglo versprochen habe, am Vortag telefo-
nisch von meinem Sekretär der Lebensmittelarbeiter Schuster auf-
merksam gemacht, zu ihren Fest zu kommen. Die Firma hat dem Be-
triebsrat grössere Subventionen gegeben, sodass er die Beschäftigten
aus ganz Österreich, 1400, in ein Riesenzelt zu einem 2 Tage
dauernden Rummel einladen konnte. Zwei Kapellen begrüssten mich,
Belegschaftsangehörige haben dort Conference geführt und Vorträge
gehalten, die phantastisch waren und eine gute Stimmung brachten.
Wenn man bedenkt dass dies am ersten Tag bis 12 Uhr gedauert hat
und wahrscheinlich auch jetzt am Sonntag nicht viel kürzer, so
war dies sicherlich eine den ländlichen Sitten entsprechende, gute
Veranstaltung.
Ich kam dann gerade zu recht, zur Gedenkminute im Roten Salon,
vom Wiener Rathaus, Dort war die Bundesregierung und die Landesre-
gierung eingeladen, ergänzt durch die Mitglieder, soweit sie noch
von 1945 bei der seinerzeitigen konstituierenden Sitzung dabei gewesen
sind. Ich glaube aber, dass wirklich nur noch Slavik und der ehemalige
Stadtrat Sigmund, von dem ich nicht ganz genau weiss, ob er da-
mals auch dabei war, geladen waren. Da zur selben Zeit auch vor dem
Parlament die Rede Kreiskys zu den Widerstandskämpfern stattfand,
kam Broda, Leodolter und Androsch zu spät. Androsch bemerkte mit
Recht, dass man hätte diese Veranstaltung eine halbe Stunde später
festlegen könne. Die Koordinierung von Sitzungen, je selbst die
Koordinierung von Veranstaltungen funktioniert eben nach wie vor
sehr schlecht.
Noch nie in meinem Leben habe ich ein Preisschnapsen mitgemacht.
Ich hatte erwartet, dass man dort hetzhalber eine lustige Stunde
erlebt, statt dessen wurde es für viele ein ernster Kampf. Da ich
ja kaum Schnapsen kann, von meinem Vater mit Ach und Krach die
Regeln abgesehen habe, der ein ausgesprochen guter Schnapser war,
so habe ich nicht zuletzt auf Drängen Heindls zugesagt. Zu meiner
grössten Verwunderung ist dann dort wirklich ziemlich viel ÖVP-
Prominenz gewesen. Koren, Mock, Lanner, Dittrich, um nur die wich-
tigsten zu nennen. Wenn man schlecht spielen kann und man keinen
Ehrgeiz hat, dann spielt man wie die Fachleute sagen würden, un-
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konventionell. Die erste Partie verliere ich sofort gegen Jung-
bluth, die zweite, ich getraue meinen Augen nicht, gewinne ich
gegen Benya, einen ausgesprochen guten Kartenspieler, der auch
einen schrecklichen Ehrgeiz hat zu gewinnen. Die dritte spiele
ich gegen die Frau Oberhammer, die glaube ich noch schlechter wie
ich spielt, und als ich dann wirklich gewinne, bin ich gerne bereit,
nachdem sie glaubt, wenn man ein bisschen länger gespielt hätten,
wäre sie zum Zuge gekommen, sofort zusage mit ihr das Spiel
zu wiederholen. Dagegen protestiert sofort Probst, der meint, die
Partie dürfte nicht aufgehalten werden, das verstosse gegen die
Regeln und ich weiss nicht was noch alles. In der zweiten Runde
spiele ich dann gegen Stadtrat Vizebürgermeister Sandner, die
phantastisch Kartenspielen kann. Die Herumstehenden prophezeien,
dass ich ein ganz guter Spieler sein muss und nur aus Courtoisie
gegen die Frauen Sandner gewinnen lasse. Das letzte Spiel, das
ich absorbieren muss nach 3 Stunden endlich, ist wieder gegen
Jungbluth, welches ich auch wieder verliere. Wenn ich dies so
detailliert aufzähle, so nur, weil ich nie mehr in meinem Leben
Preisschnapsen werde, wenn sich eine solche Partie stundenlang
dahinzieht. Wenn ich nicht zwischendurch mit die "Rote gewinnt"
ein wenig die Kartenspieler mit unterhalten hätte, so wäre
dies wahrscheinlich ein verlorener Nachmittag gewesen. Ich weiss
nicht, wie es ausgegangen ist, am Abend beim Empfang beim Bürger-
meister hat man mir nur mitgeteilt, dass Heindl angeblich den
ersten Preis gewonnen hat. Beim Schnapsen braucht man Kartenglück,
aber man muss auch wahrscheinlich wirklich etwas davon verstehen,
wenn man nämlich dann fast 8 Stunden Karten spielt, dann setzt sich
doch die Klasse durch.
Beim Empfang im Wiener Rathaus, wo 1.400 Gäste geladen waren, wurde
im Bürgermeister seinem Zimmer für die Bundesregierung, die Landes-
regierung und für das Diplomatische Corps aufgetragen. Die anderen
sitzen im grossen Festsaal. Nachdem ich mich ein wenig mit Diploma-
ten unterhalten habe, unter anderem dem westdeutschen Botschafter
und natürlich auch mit dem sowjetischen neuen Botschafter und den
Ostdeutschen, treffe ich endlich im grossen Saal unsere Freunde
aus der 45-er Zeit. Übereinstimmend stellten wir fest, so etwas
hätte es 1945 geben müssen.
Bei dem Gespräch mit dem westdeutschen Botschafter versichert er
mir, er könne entsprechende Schritte unternehmen, damit in das
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weststeirische Kohlengebiet Köflach jetzt vielleicht deutsche
Firmen Investitionsvorhaben legen. Ich machte ihm besonders
darauf aufmerksam, dass die Junior-Werke früher oder später, wenn
sie endlich den Ausgleich resp. den Konkurs hinter sich haben
mit ihren Hallen und ganz besonders die mechanischen Werkstätten
zur Verfügung stehen würden. Der Botschafter meint, er hätte gute
Beziehungen zu Mommsen und andere Unternehmervertretern und der
Zeitpunkt wäre günstig, wenn Kreisky nach Bonn fährt, dass er dieses
Gespräch dort führt.
ANMERKUNG für GEHART: Bitte nach Rücksprache mit Gröger und ent-
sprechenden Recherchen Information für Kreisky vorbereiten.
Tagesprogramm, 27.4.1975